FormalPara Kommentar zum Beitrag

Rapp M, Kraus R, Illing P (2017) Behandlung der Femurschaftfraktur bei Kindern und Jugendlichen mit einem Körpergewicht ≥50 kg. Eine retrospektive multizentrische Erhebung. Unfallchirurg. doi:10.1007/s00113-017-0313-6

Die Behandlung der Femurschaftfraktur bei Adoleszenten stellt eine besondere Herausforderung dar. Einerseits kann sie sich jedem klinisch tätigen Chirurgen stellen, andererseits ist sie aber so selten, dass wohl nur wenige Ärzte große Erfahrung in diesem Gebiet sammeln können. Die stets notwendige Notfallversorgung lässt dabei regelmäßig nur wenig Spielraum zur Planung des Eingriffs.

Die zentrale Problematik ist, dass aufgrund der Körpergröße die biomechanischen Anforderungen an die Osteosynthese denen der Erwachsenenchirurgie entsprechen, wir uns aber mit den Implantaten in einer Grauzone bewegen, in der ein Standardmarknagel der Erwachsenenchirurgie aufgrund der Dimensionen und der Schädigung der Wachstumsfugen noch nicht angewendet werden kann, die Verfahren der Kinderchirurgie aber biomechanisch nicht mehr ausreichen. Dies hat in den vergangenen Jahren zu Neuentwicklungen (ALFN) und zu Verbesserungen bekannter Verfahren (ESIN-Endkappen, 3. ESIN) geführt. Diese Techniken sind jedoch operationstechnisch anspruchsvoll und stellen gerade angesichts der geringen Frequenz der Verletzung eine Herausforderung für den Operateur dar. Angesichts des ökonomischen Drucks ist auch nicht zu erwarten, dass jede Klinik das gesamte Spektrum des OP-Instrumentariums vorhält.

Große, statistisch aussagekräftige Studien fehlen und so ist aktuell der Chirurg in der Situation, sich in der Akutbehandlung auf seine Erfahrung aus anderen Gebieten und seine Intuition verlassen zu müssen.

In dieser Situation ist die große Leistung der Arbeitsgruppe, die sich aus besonders erfahrenen Kollegen der Kindertraumatologie zusammensetzt, besonders hervorzuheben. Aus dem gesamten Bundesgebiet wurden Fälle gesammelt, strukturiert aufgearbeitet und diskutiert. Das heterogene Untersuchungsgut und die Vielzahl an angewandten OP-Verfahren zeigen die bestehende Unsicherheit deutlich auf. Den Autoren ist es jedoch gelungen, den roten Faden im Gewirr der Daten zu finden und aufzuzeigen. Es mag sein, dass der Statistiker Einwände haben wird, entscheidend für den Kliniker ist es, dass sich die Autoren der Herausforderung eines unübersichtlichen Themas gestellt, dieses mit Ordnung und Struktur bearbeitet haben und in der Konsequenz Expertenempfehlungen aussprechen, die in der klinischen Situation hilfreich sind. Wir sind sicher noch nicht am Ende der Forschung, aber ein gutes Stück vorangekommen. In diesem Sinne danken wir den Autoren und hoffen auf weitere wissenschaftliche Tätigkeit.