FormalPara Prämierte Arbeit

Holle JU (2015) ANCA-assoziierte Vaskulitiden. Internist 56:41–52

Der Fortbildungsbeitrag „ANCA-assoziierte Vaskulitiden“ von Frau PD Dr. J.U. Holle wurde von unseren Lesern zum besten Beitrag der Rubrik CME Zertifizierte Fortbildung des Jahres 2015 gewählt. Eine hohe Teilnehmerzahl von knapp 2400 sowie eine durchschnittliche Vergabe von 4,7 von 5 möglichen Bewertungspunkten zeichnen den Beitrag von Frau PD Dr. J.U. Holle als besten seines Jahrgangs aus. Die Herausgeber und der Verlag freuen sich über diese Wahl.

Jedes Jahr wird der Springer CME-Award Der Internist für den besten Fortbildungsbeitrag vergeben. Am 11. April wurde die Auszeichnung auf dem 122. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin im Rahmen einer Preisträgersitzung verliehen.

Die Preisträgerin

Die Preisträgerin Frau PD Dr. J.U. Holle (Abb. 1) ist Fachärztin für Innere Medizin und internistische Rheumatologie. Sie studierte Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität, Kiel, und nahm im Anschluss ihre klinische Ausbildung an der Poliklinik für Rheumatologie, UKSH, Lübeck sowie an der University of Birmingham auf. Nach ihrer Facharztanerkennung arbeitete sie als Oberärztin für Rheumatologie und Immunologie am Klinikum Bad Bramstedt. Ihre Habilitation schloss sie 2011 ab und übernahm dann im Oktober 2012 die Leitung der Vaskulitisklinik, Bad Bramstedt. Ab 2014 leitete sie dann, gemeinsam mit Herr Professor Frank Moosig, die Gesamtklinik für Rheumatologie und Immunologie bis sie sich Anfang 2016 am Rheumazentrum Schleswig-Holstein Mitte, Neumünster, niederließ.

Abb. 1
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Priv.-Doz. Dr. Julia Holle

Schon früh beschäftigte sich Frau PD Dr. Holle mit Vaskulitiden, insbesondere mit antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern (ANCA) assoziierten Vaskulitiden (AAV). So erhielt sie bereits 2006 den 1. Preis des Young Investigator’s Award der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) für ihre Forschungsarbeit im Bereich der Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), der häufigsten Form der AAV. Während ihrer Habilitation untersuchte Frau PD Dr. Holle neue Aspekte zu Verlaufsformen, Biomarkern, genetischen Risikofaktoren und Prognose der Granulomatose mit Polyangiitis. Ihre Arbeit wurde mit dem Rudolf-Schön-Preis der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) ausgezeichnet.

Neben ihrer wissenschaftlichen und klinischen Arbeit engagierte sich Frau PD Dr. Holle über viele Jahre im Arbeitskreis Vaskulitis für Patienten und Angehörige im Klinikum Bad Bramstedt. Sie ist Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und ist dort im wissenschaftlichen Beirat sowie in der DGIM e.Akademie aktiv. Als Gutachterin ist Frau PD Dr. Holle für diverse wissenschaftliche Journale tätig und begutachtet Manuskripte für beispielsweise Annals of the Rheumatic Diseases, Rheumatology oder die Zeitschrift für Rheumatologie.

Die prämierte Arbeit

Leser des CME-Beitrags von Frau PD Dr. Holle werden über AAV, eine rheumatologische Systemerkrankung, umfangreich und übersichtlich informiert. Zunächst wird die Klassifikation der AAV erläutert und die verschiedenen möglichen Organmanifestationen beschrieben. Da die AAV häufig durch einen lebensbedrohlichen Verlauf mit Multiorganbeteiligung gekennzeichnet ist, spielt eine frühzeitige Diagnostik eine wichtige Rolle. Der Beitrag von Frau PD Dr. Holle erklärt hier das nötige systematische Vorgehen zur Erfassung der Organbeteiligungen, des Schweregrads sowie der Aktivität. Der Leser erhält dann einen Überblick über die aktuellen Therapieempfehlungen. Diese beruhen größtenteils auf randomisierten kontrollierten Studien, die in Abhängigkeit von Stadium und Aktivität der Erkrankung durchgeführt wurden. Neben Glukokortikoiden werden konventionelle Immunsuppressiva besprochen und das Biologikum Rituximab als neue Therapieoption vorgestellt.

Definition und Klassifikation

Unter dem Begriff AAV werden die GPA, die mikroskopische Polyangiitis (MPA) sowie die eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) zusammengefasst. Hiervon tritt in Westeuropa, mit einer Inzidenz von 6–12/Mio./Jahr, die GPA am häufigsten auf. Gemeinsam ist den AAV die Vaskulitis kleiner bis mittelgroßer Gefäße (Polyangiitis). Handelt es sich bei der MPA um eine reine Vaskulitis, treten bei GPA und EGPA außerdem granulomatöse Entzündungen auf. Bei der EGPA ist darüber hinaus noch eine Eosinophilie charakteristisch. Diese Klassifikation dient lediglich der Differenzierung der primär systemischen Vaskulitiden und stellt kein Diagnosekriterium dar.

Krankheitsstadien und klinische Manifestation

Die verschiedenen Krankheitsstadien der AVV sind durch die European League Against Rheumatism (EULAR) definiert und bilden die Grundlage der stadienadaptierten Therapie. Im frühsystemischen Stadium treten nichtlebensbedrohende Vaskulitismanifestationen auf, der Test auf ANCA ist in der Regel negativ. In den systemischen Stadien weisen fast alle Patienten eine ausgeprägte B‑Symptomatik auf. Häufig werden muskuloskelettale Symptome wie Arthralgien, Arthritiden und Myalgien festgestellt. In der generalisierten Phase sind lebensbedrohliche Organmanifestationen charakteristisch und die Patienten sind meist ANCA-positiv. Typische Manifestationen sind hier die alveoläre Hämorrhagie und die nekrotisierende Glomerulonephritis. Das schwere Stadium ist durch Organversagen und hier insbesondere Nierenversagen definiert.

Über 90 % der GPA-Patienten zeigen Manifestationen im HNO-Trakt, wie typischerweise eine blutig-borkige Rhinitis und Sinusitis. Weitere typische Komplikationen sind eine Reduktion des Hörvermögens sowie pulmonale Raumforderungen, die oft mit zentralen Einschmelzungen einhergehen.

Die EGPA manifestiert sich initial häufig mit einem therapierefraktären Asthma sowie einer polypösen Sinusitis und einer peripheren Eosinophilie. ANCA-positive EGPA-Patienten weisen häufiger typische Vaskulitismanifestationen, wie eine pulmonale Kapillaritis oder Glomerulonephritis, auf. ANCA-negative EGPA-Patienten neigen häufiger zu Herzbeteiligungen, was als prognostisch ungünstig anzusehen ist.

Die MPA stellt eine reine Vaskulitis dar. Als typische Manifestationen sind die alveoläre Hämorrhagie sowie Lungenfibrose zu nennen.

Diagnostik und Staging

Bei der Anamnese sollten sämtlich Organe auf eine mögliche Beteiligung untersucht werden. Laborchemisch sind die serologischen Entzündungsparameter, das Blutbild und die Retentionsparameter zu erheben sowie ein ANCA-Test durchzuführen. Bei allen AAV sollte eine weiterführende Diagnostik bezüglich einer möglichen pulmonalen und renalen Beteiligung erfolgen. Liegt ein Verdacht auf eine GPA vor, sollte auf granulomatöse Veränderungen der Nasennebenhöhlen, eine seltene meningeale Beteiligung oder eine zerebrale Kleingefäßvaskulitis untersucht werden. Bei Verdacht auf EGPA sollte eine kardiologische Abklärung erfolgen.

Stadienabhängige Therapie

Die European Vasculitis Society (EUVAS) hat mittlerweile für fast alle Krankheitsstadien bei GPA und MPA randomisierte kontrollierte Studien durchgeführt, die heute als Grundlage für die Therapie herangezogen werden. Bei aktiver Erkrankung erfolgt zunächst eine Remissionsinduktion, die für etwa 3–4 Monate durchgeführt wird. Anschließend erhält der Patient eine remissionserhaltende Therapie, die für eine Dauer von mindestens 18 Monaten empfohlen wird. Glukokortikoide stellen eine essenzielle Säule der Therapie dar.

Die Therapie der GPA und MPA erfolgt in Abhängigkeit der Schwere der Manifestation mit Methotrexat (MTX) oder mit Cyclophosphamid plus Glukokortikoid. Im generalisierten Stadium erfolgt die Remissionsinduktion entweder mit Cyclophosphamid oder mit dem monoklonalen CD20-Antikörper Rituximab. Hat sich die Remission eingestellt, sollte der Patient auf eine remissionserhaltende Therapie mit Azathioprin oder MTX umgestellt werden. Bei der EGPA richtet sich die Therapieempfehlung nach der Prognose. Als prognostisch ungünstig anzusehen ist eine Beteiligung von ZNS, Gastrointestinaltrakt, Herz und Niere. Liegt eine gute Prognose vor sollte eine additive Therapie mit Azathioprin oder MTX empfohlen werden. Patienten mit schlechter Prognose sollten zur Remissionsinduktion neben einer Glukokortikoidtherapie eine Cyclophosphamidbolustherapie erhalten. Kontrollierte Studien zu remissionserhaltenden Therapien liegen bei der EGPA nicht vor.

Prognose

Seit der Einführung der immunsuppressiven Therapie hat sich das Langzeitüberleben von AAV-Patienten kontinuierlich verbessert. So zeigen einige Kohortenstudien sowohl für GPA/MPA als auch für die EGPA fallende Mortalitätsraten. Jedoch ist vor allem im ersten Jahr die Mortalität bei AAV-Patienten mit etwa 11 % deutlich erhöht. Hierbei machen Infektionen unter der remissionsinduzierenden Therapie mit etwa 50 % die Haupttodesursache aus. Die häufig angewandte starke Immunsuppression wird hier als mögliche Ursache diskutiert.