Liebe Leserinnen, liebe Leser,

allgegenwärtige Rationalisierungbestrebungen (oder vielleicht doch treffender Rationierungen?) diverser Stakeholder des Gesundheitssystems tragen dazu bei, dass die Durchführbarkeit der Untersuchung des gesamten Integuments für den Dermatologen in Praxis und Klinik eine Herausforderung geworden ist. Auch deshalb wird sie, ähnlich der einst zelebrierten Diskussion morphologischer Differenzialdiagnosen, im alltäglichen Patientenkontakt nicht immer mit der eigentlich notwendigen Vollständigkeit und Gründlichkeit praktiziert und zunehmend durch technisch-apparative Methoden ersetzt, welche nicht immer notwendig, valide und kosteneffizient sind. Noch stiefmütterlicher wird die regelhafte, genaue Inspektion der einsehbaren Schleimhäute insbesondere unterhalb der Gürtellinie gehandhabt, weil diese eben als nochmals zeitaufwendiger, sensibler oder potenziell kompromittierender empfunden bzw. erlebt wird. Da fällt es leichter, sich lieber auf die mutmaßliche Kompetenz der Fachkollegen aus Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Zahnheilkunde, Gynäkologie, Proktologie, Chirurgie oder Urologie zu verlassen und die Patienten dorthin zu überweisen – der Nächste wartet ja bereits. Problem gelöst?

Bei allem Verständnis für die oftmals quälenden und limitierenden Rahmenbedingungen unserer ärztlichen Berufsausübung dürfen wir nicht vergessen, welche dermatologische Kernkompetenz und welches diagnostische Potenzial hierbei durch simple Vernachlässigung auf dem Spiel steht. So finden sich an den einsehbaren und damit leicht und unmittelbar zugänglichen Schleimhäuten neben klassisch-prototypischen, an der übrigen Haut vielleicht unspezifischer imponierenden Dermatosen auch klinische Erstmanifestationen bedrohlicher Haut- bzw. systemischer Erkrankungen, die der Hautarzt als Erster und möglicherweise noch frühzeitig in Hinblick auf therapeutische Initiativen entdecken kann. Dieser Schlüsselrolle des Dermatologen in der interdisziplinären Betreuung betroffener Patienten sollten wir versuchen gerecht zu werden.

Somit genügend Gründe, liebe Leserschaft, dieses Thema wieder einmal aufzufrischen.

Im vorliegenden Leitthemenheft beschäftigen sich sodann auch gleich ausgewiesene Experten mit spezifischen Teilbereichen von Schleimhauterkrankungen.

Frau Günther aus Dresden liefert mit ihrem Beitrag einen Überblick zu den Schleimhautmanifestationen bedeutender autoimmunbullöser Dermatosen, der mit praxisrelevanten Tabellen zur Therapie und sehr gutem Bildmaterial ergänzt wurde. Dabei müssen insbesondere Pemphigus vulgaris und vernarbendes Schleimhautpemphigoid rechtzeitig diagnostiziert und ausreichend therapiert werden, um Spätkomplikationen wie Erblindung zu verhindern.

Frau Schwarz und Kollegen aus Graz informieren in ihrem Artikel zu Schleimhauterkrankungen aus allergologischer Sicht u. a. über therapeutische Algorithmen zum Angioödem oder häufige Auslöser von Kontaktallergien im Anogenitalbereich.

Die Arbeitsgruppe von Herrn Sárdy aus München berichtet zu den tendenziell eher monomorph in Erscheinung tretenden entzündlichen oralen Schleimhauterkrankungen, betont dabei die Bedeutung konsequenter Mundhygiene für Krankheitsaktivität und -verlauf und präsentiert einen instruktiven persönlichen diagnostischen und therapeutischen Algorithmus bei Aphthose und Lichen mucosae.

Frank-Michael Köhn aus München befasst sich mit Hauterkrankungen im Genitalbereich des Mannes und beschreibt neben Normvarianten und diversen Läsionen ohne klinische Relevanz die häufigsten entzündlichen, (prä-)malignen und venerologischen lokoregionalen Veränderungen.

Mitarbeiter des Epidermolysis-bullosa-Hauses in Salzburg geben einen Überblick über die vielfältigen und teils stark beeinträchtigenden mukosalen Manifestationen dieser Genodermatose sowie zu Erfahrungswerten bezüglich der leider immer noch großteils symptomatischen Therapieansätze.

Im letzten Beitrag dieses Leitthemenheftes gibt Herr Steiner aus Salzburg eine Übersicht zu differenzialdiagnostischen Überlegungen aus kieferchirurgischer Sicht und wertvolle Hinweise zum Vorgehen bei Exzisions- und Inzisionsbiopsien, welche mit aussagekräftigem Bildmaterial sehr anschaulich unterstützt werden.

In Zusammenschau ist damit ein für Sie, liebe Leserinnen und Leser, hoffentlich abwechslungsreiches, informatives und praxisrelevantes Themenspektrum entstanden.

Viel Vergnügen beim Lesen!

Ihr

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Roland Aschoff

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Martin Laimer