Die Prognose für Melanompatienten mit Hirnmetastasen ist ungünstig. Etablierte lokale Behandlungsmodalitäten stellen die Resektion, stereotaktische Radiatio oder Ganzhirnbestrahlung dar. Das Behandlungsspektrum hat sich in den letzten 5 Jahren durch die Zulassung wirksamer Immuntherapeutika sowie zielgerichteter Therapeutika deutlich erweitert. Hirnspezifische Resistenzmechanismen scheinen jedoch den Behandlungserfolg bei Patienten mit zerebralen Metastasen zu limitieren.

Das maligne Melanom zählt neben Bronchial- und Mammakarzinomen zu den häufigsten Ursachen zerebraler Metastasen, die überwiegend im Spätstadium der Erkrankung auftreten [3, 13, 46]. Filiae im zentralen Nervensystem wurden bei der Autopsie von 122 Patienten mit einem histologisch gesicherten, fortgeschrittenen Melanom bei 75 % der Fälle festgestellt, wovon 46 % neurologische Symptome entwickelt hatten [3]. Zu diesen Symptomen zählen insbesondere Kopfschmerzen, Verwirrung, epileptische Anfälle, (Hirnnerven-)Paresen und motorische Störungen [58]. Im Allgemeinen hat allerdings mehr als die Hälfte der Patienten zum Zeitpunkt der Erstdiagnose der zerebralen Metastasen keine Beschwerden [63].

Aufgrund der in Deutschland anhaltend hohen Prävalenz des Melanoms [22], der längeren Überlebensraten der Patienten dank innovativer effektiver Therapien (s. Abschnitt „Therapie“) sowie der weiteren Verbreitung und Optimierung der bildgebenden Verfahren (s. Abschnitt „Diagnostik“) ist von einer zunehmenden Inzidenz der Hirnmetastasen auszugehen [58]. Eine besondere Herausforderung stellt die Meningeosis carcinomatosa/neoplastica dar, d. h. die (diffuse) Ausbreitung von Tumorzellen entlang der Meningen bzw. im Subarachnoidalraum [64].

Da die Prognose für Patienten mit Hirnmetastasen mit einem medianen Überleben ohne Therapie von 2 Monaten infaust ist [12], kommt dem koordinierten klinischen Management von Hirnmetastasen eine besondere Bedeutung zu.

Etablierte Behandlungsmodalitäten sind die neurochirurgische Resektion und – abhängig von der Metastasenanzahl und -größe – entweder die stereotaktische Radiatio oder die Ganzhirnbestrahlung.

Das Behandlungsspektrum hat sich in den letzten 5 Jahren durch die Neuzulassung von wirksamen Immuntherapien (CTLA-4- und PD-1-Antikörper) sowie zielgerichteten Therapien (BRAF [B-Form des „rapidly accelerated fibrosarcoma“]-und MEK-Inhibitoren) zwar erweitert ([2]; s Abschnitt „Therapie“), hirnspezifische Resistenzmechanismen scheinen jedoch weiterhin Limitationen des Behandlungserfolgs darzustellen (s. Abschnitt „Besonderheiten“).

Besonderheiten

Das maligne Melanom weist – verglichen mit anderen soliden Tumoren – eine große Anzahl an Mutationen auf [29]. Insbesondere der MAP („mitogen-activated protein“)-Kinase-Signalweg (RAS-RAF-MEK-ERK) ist involviert, wobei bei ca. 40–60 % der kutanen Melanome eine BRAF- und bei 15–25 % eine NRAS („neuroblastoma rat sarcoma virus“)-Mutation nachweisbar ist [30].

Zerebrale Metastasen unterscheiden sich auf molekularer Ebene von anderen viszeralen Metastasen insbesondere aufgrund der vorherrschenden Aktivierung des PI3 K (Phosphatidylinositol-3-Kinase)-AKT („v-akt murine thymoma viral oncogene homolog“)-Überlebenssignalwegs, während sich in vergleichenden immunhistochemischen Untersuchungen bezüglich des MAP-Kinase-Signalwegs keine wesentlichen Unterschiede zeigen [48]. Möglicherweise spielt die Aktivierung des PI3 K-AKT-Überlebenssignalweges eine Rolle bei der hirnspezifischen Therapieresistenz (s. Abschnitt „Therapie“). Zudem ist das zerebrale Mikromilieu von großer Bedeutung. Melanommetastasen nutzen den neuroprotektiven Effekt reaktiver Astrozyten. Durch die Kommunikation über „gap junctions“ und die Reduktion des Kalziums im endoplasmatischen Retikulum der Tumorzellen werden sie vor Apoptose und vor der zytotoxischen Wirkung von Chemotherapien geschützt [33].

Melanommetastasen nutzen den neuroprotektiven Effekt reaktiver Astrozyten

Eine weitere Besonderheit ist, dass beim Melanom – im Gegensatz z. B. zum Bronchialkarzinom – für die Blutversorgung der Hirnmetastasen die sog. „vessel cooption“ eine relevante Rolle spielt, d. h. die Einverleibung bestehender Gefäßstrukturen durch Tumorzellen mit resultierendem perivaskulärem Wachstum der Metastasen [24].

Prognostische Faktoren

In retrospektiven Studien korrelierte die Überlebensrate der Melanompatienten mit Hirnmetastasen im Wesentlichen mit der Anzahl zerebraler Metastasen und dem LDH (Lactatdehydrogenase)-Level im Serum [10, 63]. Für die Prognose und Therapieplanung können zusätzlich das Patientenalter, der Karnofsky-Index sowie der S100-Wert (vor der Behandlung) einbezogen werden [10].

In der multivariaten Analyse von Raizer et al. [55] waren ein hohes Alter (> 65 Jahre), das gleichzeitige Vorliegen extrazerebraler Metastasen, fokal neurologische Symptome (bei der Erstdiagnose) und 4 oder mehr Hirnmetastasen signifikant mit einer schlechteren Überlebensrate assoziiert. Von Staudt et al. [63] wurde auch die Anwesenheit ossärer Metastasen als unabhängiger prognostischer Faktor herausgestellt. Ein langes (krankheitsfreies) Intervall zwischen der Primärdiagnose und dem Zeitpunkt der Diagnose von Hirnmetastasen erwies sich in einer Serie der „Sydney Melanoma Unit“ als günstiger prognostischer Faktor [12]. Im Falle einer singulären Hirnmetastase verlängern eine stereotaktische Radiatio oder eine neurochirurgische Resektion das Gesamtüberleben [10].

Diagnostik

Sofern der Verdacht auf eine zerebrale Metastasierung des Melanoms besteht, sollten ein Staging (Magnetresonanztomographie [MRT] des Schädels, spinales MRT und Ganzkörper-Computertomographie [CT]) und eine klinisch neurologische Beurteilung (klinisch neurologische Untersuchung, neuropsychologische Testung und ggf. Lumbalpunktion) erfolgen [58].

Das variable Erscheinungsbild der Hirnmetastasen sowie Veränderungen nach einer Strahlen- oder Immuntherapie bereiten zum Teil Schwierigkeiten bei der radiologischen Diagnosestellung und Bewertung des Therapieansprechens [2]. So können sich unter einer Immuntherapie bzw. infolge einer Radionekrose Pseudoprogressionen zeigen. Von der Arbeitsgruppe „Response Assessment in Neuro-Oncology (RANO) Brain Metastases“ wurden 2015 neue Kriterien zur radiologischen Beurteilung von Hirnmetastasen in klinischen Studien erstellt, um diesem Sachverhalt Rechnung zu tragen [32, 49].

Therapie

Hirnmetastasen waren bis vor Kurzem häufig ein Ausschlusskriterium für die Teilnahme an klinischen Studien. Untersuchungen zur Effektivität einer Strahlentherapie oder operativen Therapie wurden überwiegend mit heterogenen Patientenkollektiven (d. h. Patienten mit unterschiedlichen Tumorentitäten) und unter Anwendung verschiedener radiologischer Kriterien zur Bewertung des Therapieansprechens durchgeführt, sodass nur limitierte Daten aus randomisierten klinischen Studien zur Verfügung stehen [2]. Standardisierte Therapieregimes bzw. spezifische evidenzbasierte Leitlinien fehlen. Nicht zuletzt aufgrund der epidemiologischen Herausforderung angesichts der steigenden Inzidenz der Patienten mit Hirnmetastasen des Melanoms sind randomisierte Studien unerlässlich.

Die Therapieentscheidung bzw. -durchführung sollte interdisziplinär (im Tumorboard) bzw. multimodal unter Berücksichtigung der oben genannten prognostischen Faktoren (s. Abschnitt „Prognostische Faktoren“) erfolgen (Abb. 1, [2, 54, 58]).

Abb. 1
figure 1

ECOG Eastern Cooperative Oncology Group, OP Operation Behandlungsalgorithmus für Patienten mit zerebralen Melanommetastasen

Neurochirurgische Resektion

Im Falle einer einzelnen Hirnmetastase bietet sich die Resektion an, vorausgesetzt die Läsion ist chirurgisch zugänglich und der Patient ist operationsfähig [2, 54, 58]. Insbesondere wenn symptomatische Raumforderungen verbunden mit erhöhtem Hirndruck bzw. drohender Verlegung der Liquorabflusswege vorliegen, sollte zeitnah eine operative Entlastung zur Symptomkontrolle in Erwägung gezogen werden [54, 58]. Ein Vorteil der Metastasenresektion stellt überdies die Möglichkeit der anschließenden histologischen Untersuchung und molekularen Analyse dar.

In einer retrospektiven Untersuchung mit insgesamt 686 Patienten wurden 205 Patienten operiert [12]. Die Mehrheit der Patienten hatte lediglich eine Hirnmetastase und eine stabile oder nicht vorhandene extrazerebrale Metastasierung. Es wurden auch Patienten mit bis zu 3 symptomatischen Metastasen operiert. In dieser Studie führte die Resektion bzw. die Resektion in Kombination mit einer nachfolgenden Bestrahlung zu einem deutlich längeren Gesamtüberleben (8,7 Monate bzw. 8,9 Monate) als die alleinige Radiatio (3,4 Monate). Prospektive Studien zum Vergleich der stereotaktischen Radiatio mit der Resektion stehen aus.

Stereotaktische Radiatio

Alternativ zur Resektion kann Patienten mit 3 bis 4 Metastasen (ggf. ≤ 10 Metastasen) und einer Größe von 0,5–4 cm eine minimalinvasive, stereotaktische Radiatio in 1 bis 6 Fraktionen angeboten werden [2, 38, 58, 66]. Unter Verwendung eines Linearbeschleunigers, Gamma-Knifes oder Cyberknifes und modernen Bestrahlungstechniken mit steilem Dosisabfall werden die umgebenden Strukturen (Hirngewebe, Hirnstamm usw.) geschont.

In einer retrospektiven Studie konnte 2006 bei 221 stereotaktisch behandelten Melanomhirnmetastasen eine lokale Kontrollrate von 84 % bei geringer Toxizität (ca. 5 %) erzielt werden [16]. Das mediane Gesamtüberleben der Patienten in dieser Studie lag bei 5,1 Monaten.

Risiken stellen akute neurotoxische Effekte wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und epileptische Anfälle aufgrund von Ödem und Hämorrhagie dar. Zudem sind bei einer Bestrahlung im Langzeitverlauf Radionekrosen oder Leukenzephalopathien möglich [4, 6]. Bei Verzicht auf eine Ganzhirnbestrahlung und die damit assoziierten Nebenwirkungen können sich des Weiteren neue metastatische Läsionen außerhalb des Bestrahlungsfeldes entwickeln.

In Studien werden unterschiedliche mediane Dosierungen (zwischen 18 und 25 Gray) verwendet bzw. unterschiedliche Tumorvolumina bestrahlt (zwischen 0,6 und 5,6 cm³) [6], sodass keine detaillierten Empfehlungen gegeben werden können, die speziell für die stereotaktische Radiatio zerebraler Melanommetastasen geeignet sind.

Ein Paradigmenwechsel hin zur sog. „isotoxic dose prescription“ (IDP) basierend auf spezifischen Toleranzlevels der Risikoorgane wird insbesondere für große Metastasen und solche in funktionskritischen Arealen gefordert [68].

Ganzhirnradiatio

Die Radiation Therapy Oncology Group (RTOG) empfahl 1997 basierend auf einer Recursive Partitioning Analysis (RPA) für Studien zur Radiatio von Hirnmetastasen die Zuordnung von Patienten in 3 prognostische Gruppen [14]:

  • RPA-Klasse 1: Patienten mit einem Karnofsky-Index ≥ 70, < 65 Jahre alt, mit einer kontrollierten Hirntumorerkrankung und fehlenden extrazerebralen Metastasen,

  • RPA-Klasse 3: Patienten mit einem Karnofsky Performance Status (KPS) < 70,

  • RPA-Klasse 2: alle anderen Patienten (mit einem Karnofsky-Index ≥ 70).

Die Ganzhirnradiatio stellt für Patienten mit multiplen symptomatischen Hirnmetastasen (insbesondere der RPA-Klasse 2) eine palliative Behandlungsoption dar. Hierbei werden Gesamtdosen von 20 oder 30 Gray in 5 bis 10 Fraktionen über 1 bis 2 Wochen appliziert. Bisher wurde für die Ganzhirnradiatio kein statistisch signifikanter Vorteil für das Gesamtüberleben gezeigt, allerdings wird wahrscheinlich der symptomatische zerebrale Progress verzögert [58].

Die Ganzhirnradiatio ist eine palliative Behandlungsoption

Demgegenüber müssen akute und langfristige neurotoxische Effekte der Ganzhirnradiatio bei der Indikationsstellung berücksichtigt werden, z. B. Fatigue, Alopezie, Xerostomie und kognitive Störungen [18]. Zur Prävention dieser letztgenannten Nebenwirkungen wird die Hippocampus-schonende Ganzhirnbestrahlung in verschiedenen klinischen Studien untersucht [17, 18].

Der Stellenwert der adjuvanten Ganzhirnradiatio ist nicht geklärt [54]. In prospektiven Studien, in die Patienten mit unterschiedlichen Tumorentitäten eingeschlossen wurden, konnte für eine adjuvante Ganzhirnradiatio weder nach der Operation einer zerebralen Metastase noch nach der stereotaktischen Radiatio von bis zu 4 zerebralen Metastasen ein Überlebensvorteil nachgewiesen werden [4, 50, 62]. Lediglich die Kontrolle lokaler und entfernter Hirnmetastasenrezidive war nach einer adjuvanten Ganzhirnradiatio verbessert. In einer retrospektiven Analyse wurde allerdings eine Verlängerung des Gesamtüberlebens für Melanompatienten mit Hirnmetastasen beobachtet, die eine adjuvante Ganzhirnbestrahlung erhielten (7 vs. 9 Monate; p = 0,0458) [10].

Zur Frage der adjuvanten Ganzhirnradiatio nach Operation oder stereotaktischer Radiatio von Melanomhirnmetastasen wird aktuell von der Australia & New Zealand Melanoma Trials Group (ANZMTG) eine prospektive Studie durchgeführt (TROG 08.05 [WBRT Mel]).

Supportivtherapie

Patienten mit einer symptomatischen zerebralen Metastasierung bedürfen einer adäquaten Supportivtherapie [54, 58]. Die wichtigsten Behandlungsziele sind hier die Kontrolle des erhöhten intrakraniellen Drucks durch Kortikosteroide (z. B. Dexamethason p. o. oder i. v.) und die Kontrolle epileptischer Anfälle durch Antikonvulsiva (z. B. Levetiracetam p. o.). Kortikosteroide sollten „so viel wie nötig und so wenig wie möglich“ eingesetzt, bei Bedarf gesteigert und nach erfolgreicher Therapie ausschleichend abgesetzt werden. Antikonvulsiva werden häufig für die gesamte Überlebenszeit benötigt. Bei Kontrolle der Hirnmetastasen durch die Therapie und Anfallsfreiheit über mehrere Monate kann das Antikonvulsivum ausschleichend abgesetzt werden. Bei akuter Symptomatik durch Hirnmetastasen sollten insbesondere die neurochirurgischen und radiochirurgischen Therapieoptionen geprüft werden.

Systemtherapien

Chemotherapie

Chemotherapien spielen für die Behandlung von Melanomhirnmetastasen eine untergeordnete Rolle. Vor 2011 (vor der Zulassung von Ipilimumab) galt die Behandlung mit dem Alkylans Dacarbazin (DTIC) als Standardtherapie für Patienten mit nicht operablen Melanommetastasen [56]. Alternativ wurde das liquorgängige Derivat Temozolomid oder der Nitrosoharnstoff Fotemustin eingesetzt – ohne jeweils zu einer signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens zu führen [5, 41, 51]. In einer Phase-3-Studie wurden 76 Melanompatienten mit Hirnmetastasen mit Fotemustin alleine (100 mg/m² an Tag 1, 8, 15 und nach 5‑wöchiger Pause alle 3 Wochen bis zum Progress) oder mit einer begleitenden Ganzhirnbestrahlung (2,5 Gy/Tag an Tag 1 bis 5 für 3 Wochen) behandelt [44]. Zwar konnte die Zeit bis zum zerebralen Progress durch die Kombination verlängert werden. Ein signifikanter Unterschied hinsichtlich der zerebralen Ansprech- und Kontrollraten sowie des Gesamtüberlebens war jedoch nicht nachweisbar. Ebenso erzielte die Kombination Temozolomid plus Ganzhirnradiatio keinen Überlebensvorteil [59].

Zielgerichtete Therapie

Die Serin-Threonin-Kinase BRAF ist ein integraler Bestandteil des MAP-Kinase-Signaltransduktionswegs. Bei ca. 40–60 % der kutanen Melanome liegt eine aktivierende BRAF-Mutation vor, die zu unkontrolliertem Tumorzellwachstum führt [7].

In Deutschland sind für die Systemtherapie des metastasierten Melanoms die BRAF-Inhibitoren Vemurafenib und Dabrafenib zugelassen. Beide BRAF-Inhibitoren konnten auch eine Wirksamkeit bei Hirnmetastasen demonstrieren. In einer Pilotstudie wurden 24 Melanompatienten mit vortherapierten symptomatischen Hirnmetastasen und einer nachgewiesenen BRAF-V600-Mutation mit Vemurafenib 960 mg 2‑mal täglich oral behandelt [9]. Bei 16 % der Patienten wurde eine partielle Remission der Hirnmetastasen beobachtet; 68 % der Patienten zeigten eine Stabilisierung der Hirnmetastasen. Das mediane Gesamtüberleben betrug 5,3 Monate. In dieser Pilotstudie unterschied sich das Sicherheitsprofil nicht wesentlich von dem vorausgegangener Studien mit Vemurafenib (vgl. [56].). In einer Phase-2-Studie erzielte Vemurafenib bei BRAF-V600-mutierten Melanompatienten mit asymptomatischen und symptomatischen Hirnmetastasen nach bzw. ohne Vortherapie eine intrakranielle Ansprechrate von 20 bzw. 18 %, ein medianes progressionsfreies Überleben (PFS) von 4,0 bzw. 3,7 Monaten und ein Gesamtüberleben (OS) von > 6 Monaten [23].

In einer weiteren Phase-2-Studie (BREAK-MB) erhielten 172 BRAF-V600-mutierte Melanompatienten mit mindestens einer 5–40 mm messenden, asymptomatischen, unbehandelten oder lokal vortherapierten Hirnmetastase den BRAF-Inhibitor Dabrafenib 150 mg 2‑mal täglich oral [36]. Patienten mit BRAF-V600E-Mutation zeigten ohne bzw. nach Vortherapie eine intrakranielle Ansprechrate („partial response“ [PR] plus „complete response“ [CR]) von 39,2 bzw. 30,8 %, wobei die intrakranielle Krankheitskontrollrate (CR + PR + „stable disease“ [SD]) 50 bzw. 46,7 % betrug. Zudem ergaben sich ein medianes PFS von 16,1 bzw. 16,6 Wochen und ein medianes OS von 33,1 bzw. 31,4 Wochen. Schwerwiegende Nebenwirkungen traten bei 30 % der Patienten auf, vorwiegend Pyrexie, Plattenepithelkarzinome der Haut und intrakranielle Blutungen. Lediglich 2 % der Patienten brachen die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen ab.

Es ist bisher unklar, ob Dabrafenib bei Hirnmetastasen wirksamer ist als Vemurafenib. Beide BRAF-Inhibitoren sind Substrate für Effluxtransporter, die bedeutsam für den Rücktransport von Stoffen aus dem Gehirn in den Blutkreislauf sind [42, 43].

Insgesamt scheinen BRAF-Inhibitoren bei Hirnmetastasen weniger effektiv zu sein als bei extrazerebralen Metastasen [53]. In einer retrospektiven Analyse der Daten von 86 Melanompatienten, die mit Vemurafenib behandelt worden waren, wurde bei 59 % der Patienten ein unterschiedliches Therapieansprechen von zerebralen und extrazerebralen Metastasen mit anhaltendem Ansprechen der extrazerebralen Metastasen bei gleichzeitig neu aufgetretenen Hirnmetastasen beobachtet.

Eine Limitation der Monotherapie mit einem BRAF-Inhibitor stellt die Resistenzentwicklung dar, die bei der Mehrheit der Patienten im Behandlungsverlauf auftritt. Die meisten bisher beschriebenen Resistenzmechanismen führen zu einer Reaktivierung des MAP-Kinase-Signalwegs [47, 61]. Extrazerebral ist die Überlegenheit der Kombination von einem BRAF- und einem MEK-Inhibitor im Vergleich zu Dabrafenib oder Vemurafenib alleine gut belegt [28, 35], sodass in Deutschland die Kombinationstherapie mit Dabrafenib plus Trametinib bzw. mit Vemurafenib plus Cobimetinib für die Systemtherapie des metastasierten Melanoms zugelassen ist. Aktuell werden klinische Studien mit Dabrafenib plus Trametinib bzw. mit Vemurafenib plus Cobimetinib für Melanompatienten mit Hirnmetastasen durchgeführt (NCT02039947 bzw. NCT02230306).

Die Monotherapie mit einem BRAF-Inhibitor ist aufgrund Resistenzentwicklung limitiert

BRAF-Inhibitoren, insbesondere Vemurafenib, können signifikante radiosensitivierende Effekte auf gesundes Gewebe haben [67]. Radiosensitivierung bzw. Radiation-Recall-Reaktionen wurden bei Patienten beobachtet, die vor, während oder nach der Therapie mit Vemurafenib bestrahlt wurden. Am häufigsten war die Haut betroffen – sehr selten der Ösophagus, die Leber, das Rektum, die Lunge und die Harnblase. Rompoti et al. [57] beobachteten infolge der Kombination einer Ganzhirnradiatio mit Vemurafenib bei 3 Patienten eine Radiodermatitis (bis CTCAE [Common Terminology Criteria for Adverse Events] Grad 2) am Capillitium. Jedoch stimmt die große Mehrheit retrospektiver Analysen darin überein, dass die Kombination einer stereotaktischen Radiatio mit einem BRAF-Inhibitor die Toxizität gegenüber einer stereotaktischen Radiatio oder einem BRAF-Inhibitor alleine nicht erhöht [1, 20, 45, 57, 67]. Diese Beobachtung wird darauf zurückgeführt, dass die stereotaktische Radiatio einer Hirnmetastase das umliegende gesunde Gewebe weitestgehend schont, während bei einer Ganzhirnradiatio die Haut ca. 70 % der verschriebenen Dosis erhält [57].

Eine Radionekrose wurde bei einem Patienten berichtet, der eine stereotaktische Radiatio unter der Therapie mit Vemurafenib erhielt, und bei 2 Patienten, die 1 bis 2 Wochen nach einer stereotaktischen Radiatio mit Vemurafenib behandelt wurden [31, 52]. Retrospektiv wird allerdings die Inzidenz von Radionekrosen nach einer stereotaktischen Bestrahlung alleine mit 5,2 % nach 6 Monaten und 17,2 % nach 12 Monaten angegeben [27]. Zusammengefasst sprechen die bisher vorliegenden retrospektiven Daten dafür, dass die Kombination einer stereotaktischen Radiatio mit einem BRAF-Inhibitor nicht die Radiotoxizität erhöht, die lokale Kontrolle der Hirnmetastasen verbessert und das Überleben verlängert [15, 37]. Jedoch muss diese klinisch relevante Frage im Rahmen prospektiver Studien untersucht werden.

Die Aktivierung des PI3 K-AKT-Überlebenssignalweges ist ein charakteristisches Merkmal von Melanomhirnmetastasen (s. Abschnitt „Besonderheiten“). Aktuell wird in einer Phase-2-Studie der PI3 K-Inhibitor Buparlisib bei Melanompatienten mit Hirnmetastasen nach der Vortherapie mit einem BRAF-Inhibitor bzw. einem Immuncheckpoint-Inhibitor untersucht (NCT02452294).

Immuntherapie

Der CTLA-4-Antikörper Ipilimumab, der das zytotoxische T‑Lymphozyten-assoziierte Antigen auf der T‑Zelle blockiert und somit die Antitumorimmunität augmentiert, erzielte als erstes Systemtherapeutikum eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens bei Patienten mit metastasiertem Melanom [21] und ist in Deutschland in einer Dosierung von 3 mg/kg i. v. alle 3 Wochen für 4 Dosen zugelassen. Aktivierte T‑Zellen sind in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren [65]. In einer Phase-2-Studie (CA184-042) wurden 72 Patienten mit asymptomatischen oder symptomatischen steroidpflichtigen Melanomhirnmetastasen mit Ipilimumab 10 mg/kg 4‑mal im Abstand von 3 Wochen therapiert [39]. Im Falle einer Remission oder Stabilisierung der Metastasen wurde die Therapie mit Ipilimumab alle 12 Wochen fortgeführt. Die asymptomatischen Patienten zeigten eine intrakranielle Krankheitskontrollrate (CR, PR, SD) von 24 %, ein medianes Gesamtüberleben von 7 Monaten und eine 2‑Jahres-Überlebensrate von 26 %. Im Vergleich dazu betrugen die intrakranielle Krankheitskontrollrate bei Symptomatik und Steroideinnahme 10 %, das Gesamtüberleben 3,7 Monate und die 1‑Jahres-Überlebensrate 10 %. Zusammengefasst scheint Ipilimumab am ehesten bei asymptomatischen Hirnmetastasen wirksam zu sein. Die häufigsten (immunvermittelten) Nebenwirkungen waren Fatigue, Diarrhö, Übelkeit, Kopfschmerzen, Exantheme und Juckreiz. Ein Patient verstarb an den Folgen einer Kolitis. Eine frühzeitige Diagnose der zum Teil lebensbedrohlichen Nebenwirkungen und deren adäquate Behandlung ggf. unter Einsatz von systemischen Glukokortikosteroiden und anderen Immunsuppressiva sind erforderlich [11].

Ipilimumab scheint am ehesten bei asymptomatischen Hirnmetastasen wirksam zu sein

Follow-up-Daten einer Phase-2-Studie (NIBIT-M1), in der insgesamt 86 Patienten mit einem metastasierten Melanom eine Kombinationstherapie mit Ipilimumab (10 mg/kg 4‑mal im Abstand von 3 Wochen) und Fotemustin (100 mg/m² 3‑mal im Abstand von 1 Woche und alle 3 Wochen in Woche 9 bis 24) erhielten, zeigten für 20 Patienten mit asymptomatischen Hirnmetastasen ein medianes Gesamtüberleben von 12,7 Monaten und eine 3‑Jahres-Überlebensrate von 27,8 % bei allerdings erheblicher Toxizität (Thrombozytopenie, Neutropenie, Transaminasenerhöhung) [8].

Seit 2015 sind in Deutschland die PD („programmed death“)-1-Antikörper Nivolumab und Pembrolizumab für die Therapie des fortgeschrittenen (nichtresezierbaren oder metastasierten) Melanoms zugelassen. Frühe Daten einer Phase-2-Studie mit Pembrolizumab 10 mg/kg i. v. alle 2 Wochen bei 18 Melanompatienten mit mindestens einer asymptomatischen 5–20 mm messenden Hirnmetastase deuten auf eine intrakranielle Wirksamkeit von Pembrolizumab hin mit einer Ansprechrate (PR) von 22–29 % und einer 6‑Monats-Überlebensrate von 67 % bei gut kontrollierbaren Nebenwirkungen [25].

In Zusammenschau der bisher vorliegenden retrospektiven Daten scheint eine Kombinationstherapie von Melanomhirnmetastasen mit Ipilimumab und einer Strahlentherapie nicht mit einer erhöhten Toxizität einherzugehen, wobei bisher unklar ist, ob diese Kombinationsstrategie eine Verlängerung des Überlebens erzielen kann [19, 26, 40, 60].

In einer retrospektiven Analyse wurde bei 39 Patienten mit metastasiertem Melanom die Sicherheit und Wirksamkeit einer Kombinationstherapie mit PD-1-Antikörpern und Radiatio untersucht [34]. Diese Kombinationsstrategie schien nicht mit einer erhöhten Toxizität einherzugehen. Sieben Patienten erhielten eine Ganzhirnradiatio und 6 Patienten eine stereotaktische Radiatio der Hirnmetastasen, wobei bei 2 Patienten, die Ipilimumab, Pembrolizumab und eine Ganzhirnradiatio erhielten, ein Hirnödem bzw. akute kognitive Defizite auftraten.

Konklusionen und Perspektiven

Aktuell stehen für Patienten mit metastasiertem Melanom und Hirnmetastasen mehrere wirksame lokale und systemische Therapieoptionen zur Verfügung. Die Behandlung sollte inter- bzw. multidisziplinär geplant und durchgeführt werden.

Die Studienaktivität für Melanompatienten mit Hirnmetastasen hat erfreulicherweise deutlich zugenommen. Aktuell werden neue Therapieoptionen wie PD-1-Antikörper, Ipilimumab plus Nivolumab, BRAF-Inhibitoren plus MEK-Inhibitoren sowie stereotaktische Radiatio in Kombination mit Immuntherapie bzw. zielgerichteter Therapie untersucht.

Fazit für die Praxis

  • Bei Verdacht auf Hirnmetastasen sollten ein craniales MRT und eine neurologische Untersuchung erfolgen.

  • Bei der Therapieplanung sind prognostische Faktoren zu berücksichtigen.

  • Die Therapie sollte interdisziplinär bzw. multimodal geplant und durchgeführt werden.

  • Für singuläre Hirnmetastasen bietet sich die neurochirurgische Resektion oder stereotaktische Radiatio an.

  • Bei 3 bis 4 Metastasen (ggf. ≤ 10 Metastasen) und einer Größe von 0,5–4 cm kommt eine stereotaktische Radiatio in Betracht.

  • Der Stellenwert der adjuvanten Ganzhirnradiatio ist nicht geklärt.

  • Sowohl die BRAF-Inhibitoren Vemurafenib und Dabrafenib als auch der CTLA-4-Antikörper Ipilimumab haben in Studien eine intrakranielle Wirksamkeit gezeigt.

  • Zerebrale Resistenzmechanismen scheinen die Wirksamkeit systemischer Therapien zu limitieren.

  • Für multiple Hirnmetastasen stehen neben der Systemtherapie Ganzhirnbestrahlung und Supportivtherapie zur Verfügung.

  • PD-1-Antikörper, Ipilimumab plus Nivolumab, BRAF-Inhibitoren plus MEK-Inhibitoren sowie stereotaktische Radiatio in Kombination mit Immuntherapie bzw. zielgerichteter Therapie werden in Studien untersucht.