Hintergrund

Die total-mesorektale Exzision, die neoadjuvante Radio(chemo)therapie und ein exaktes prätherapeutisches Lokalstaging durch Anwendung der Magnetresonanztomographie sind Meilensteine im standardisierten Therapiealgorithmus des Rektumkarzinoms. Das Risiko metachroner Fernmetastasen bleibt hiervon aber unbeeinflusst. Die adjuvante Chemotherapie soll durch frühzeitige Elimination von Mikrometastasen die Metastasierungsrate senken, ihre grundsätzliche Anwendung bei multimodal therapierten Patienten mit Rektumkarzinom wird jedoch kontrovers diskutiert.

Fragestellung und Methode

Ziel dieser Metaanalyse individueller Patientendaten war der Vergleich zwischen adjuvanter 5-Fluorouracil(FU)-basierter Chemotherapie vs. Beobachtung bei Patienten mit neoadjuvant vorbehandeltem Rektumkarzinom. Hierzu wurden aus den bekannten medizinischen Datenbanken individuelle Patientendaten prospektiv-randomisierter Studien extrahiert. Eingeschlossen waren Patienten mit Rektumkarzinom (< 15 cm ab ano) in den Stadien (y)pTNM II und III nach vorangegangener R0-Resektion. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben („overall survival“, OS), sekundäre Endpunkte waren das krankheitsfreie Überleben („disease-free survival“, DFS) und die Rate an Fernmetastasen.

Ergebnisse

Unter Zugrundelegung der o. g. Einschlusskriterien konnten die Daten von 1196 Patienten aus 4 Einzelstudien (hier initial 2195 Patienten eingeschlossen) ausgewertet werden, von denen 598 Patienten adjuvant therapiert und 598 Patienten nur nachbeobachtet wurden. Nach einem medianen Follow-up von 7,0 Jahren („interquartile range“ [IQR] 4,3–10,2) ließ sich hinsichtlich des OS zwischen adjuvanter Chemotherapie und reinen Nachbeobachtung kein Unterschied feststellen (Hazard Ratio [HR] 0,97, 95 %-Konfidenzintervall[KI] 0,81–1,17; p = 0,775). Verglichen mit der reinen Nachbeobachtung führte eine adjuvante Chemotherapie auch nicht zu einer Verlängerung des DFS (HR 0,91, 95 %-KI 0,77–1,07; p = 0,23) oder zur Reduktion der Metastasierungsrate (HR 0,94, 95 %-KI 0,78–1,14; p = 0,52). Allerdings zeigte sich in der Subgruppe der Patienten mit Tumoren zwischen 10 und 15 cm ab ano ein prognostischer Benefit für eine adjuvante Chemotherapie hinsichtlich des DFS (HR 0,59, 95 %-KI 0,4–0,85; p = 0,005) und des Metastasierungsrisikos (HR 0,61, 95 %-KI 0,4–0,94; p = 0,025).

Diskussion und Fazit des Reviewers

Die vorliegende Metaanalyse liefert die bisher stärkste Evidenz dafür, dass eine 5-FU-basierte adjuvante Chemotherapie bei Patienten mit neoadjuvant vorbehandeltem und R0-reseziertem Rektumkarzinom im Stadium ypTNM II und III keinen prognostischen Benefit bringt. Gegenüber der reinen Nachbeobachtung bleiben OS, DFS und Metastasierungsrisiko unbeeinflusst. An einer generellen (noch leitliniengerechten) Empfehlung zur 5-FU-basierten adjuvanten Therapie sollte daher beim multimodal therapierten Rektumkarzinom nicht festgehalten werden. Wie Daten der ADORE-Studie zeigen konnten, scheint dagegen eine intensivierte adjuvante Chemotherapie (FOLFOX) gegenüber 5-FU einen prognostischen Vorteil bei Patienten im Stadium ypTNM II und III zu bieten [1]. In der aktuellen Metaanalyse profitierten lediglich Patienten mit Karzinomen im oberen Rektumdrittel (hier: 10–15 cm ab ano) von einer 5-FU-basierten Adjuvans, was dafür spricht, dass diese Tumoren dem primären Kolonkarzinom ähnlich sind. Dies spiegelt auch die chirurgische Therapie der Tumoren dieser Lokalisation wider (meist primäre Resektion ohne neoadjuvante Therapie).