Hintergrund und Fragestellung

Das Behandlungsspektrum lokal fortgeschrittener und metastasierter Schilddrüsenkarzinome, die einer chirurgischen, radiojodtherapeutischen oder Radio-Chemo-Therapie nicht bzw. nicht mehr zugänglich sind, ist mit der Substanzklasse der Antiangiogenese-Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) deutlich erweitert worden. Studien der letzten 5 Jahre konnten zeigen, dass das durchschnittliche progressionsfreie Überleben nach TKI-Therapie 9 bis 21 Monate gegenüber 5 bis 6 Monate nach konventioneller Chemotherapie betrug [1]. Nachdem die TKI-Therapie, verglichen mit der Standardchemotherapie anfangs als relativ wenig nebenwirkungstoxisch beurteilt wurde [2], werden in der vorliegenden Publikation erstmals letal verlaufende Fistelbildungen des Aerodigestivtraktes unter TKI-Therapie bei 3 Patienten berichtet.

Methoden

Es wird über 3 Patienten (3 Männer, mittleres Alter 55 Jahre) mit primär fortgeschrittenen Schilddrüsenkarzinomen (1 papillär, 1 onkozytär, 1 medullär) berichtet, die mit oder ohne initiale Operation und/oder externe Radiatio jeweils mit TKI (Sorafenib/Cabozantinib; Sunitinib; Lenvatinib) therapiert wurden.

Diskussion und Fazit

TKI können das progressionsfreie Überleben von Patienten mit fortgeschrittenen metastasierten radiojodrefraktären Schilddrüsenkarzinomen verlängern. Der vorliegende Bericht über 3 Patientenverläufe ist für alle in der Behandlung dieser Patienten involvierten Fachdisziplinen trotz der geringen Fallzahl aus mehreren Gründen von Bedeutung:

  • Mit der Zulassung verschiedener TKI-Substanzen ist eine Zunahme der Anzahl von Patienten, bei denen beim fortgeschrittenen und metastasierten Schilddrüsenkarzinom eine TKI-Therapie durchgeführt wird, zu erwarten.

  • Die Fallberichte zeigen, dass letal verlaufende Fistelbildungen des Aerodigestivtraktes unter TKI-Therapie selten sind, aber unter bestimmten Risikosituationen auftreten können und dann kaum mehr beherrschbar sind.

  • Der Aerodigestivtraktfistel vorausgehende Risikosituationen waren in den berichteten Fällen neben ausgedehnter Metastasierung des Schilddrüsenkarzinoms in zwei Fällen die Kombination aus Operation und externer Bestrahlung, in einem Fall der lokal Ösophagus und Trachea infiltrierende irresektable Tumor.

Der vorliegende Fallbericht gibt Anlass zu einer kritischen Indikationsstellung der TKI im Rahmen der multimodalen Therapie des metastasierten Schilddüsenkarzinoms. Bei Vorliegen der genannten Risikosituationen sollten TKI vorerst nur als Ultima Ratio und unter besonders engmaschiger Kontrolle eingesetzt werden.