Liebe Leserinnen und Leser,

der Umgang mit Patienten, die an einer Infektionskrankheit leiden, die durch hochpathogene Erreger hervorgerufen wurde, ist immer eine Herausforderung für alle, die mit dem Transport, der Betreuung oder der Behandlung des Patienten betraut sind. Im Jahr 1999 erschien eine erste Publikation der Bund-Länder-Fachgruppe Seuchenschutz zum Umgang mit hochkontagiösen Erkrankungen – es folgten noch mehrere Publikationen, die sich mit dieser Problematik befassten.

In dieser ersten Arbeit wurde bereits ein Konzept vorgeschlagen, in dem bundesländerübergreifend ein sicherer Umgang mit diesen Erkrankungen gewährleistet werden kann. Dieses Konzept wurde Basis für die heute in Deutschland bestehenden Strukturen: i) der durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst getragenen Kompetenzzentren, ii) der aktuell 7 Behandlungszentren und iii) des Ständigen Arbeitskreises der Kompetenz- und Behandlungszentren für hochkontagiöse lebensbedrohliche Erkrankungen (STAKOB) am RKI. Insoweit ist Deutschland im internationalen Vergleich exzellent aufgestellt.

Eine Notfallversorgung darf hochkontagiös lebensbedrohlich Erkrankten nicht verwehrt werden.

Der katastrophale Ebolafieber-Ausbruch in Westafrika und die dadurch intensivierten Vorbereitungen in Deutschland auf das hiesige Auftreten von Patienten mit Ebolafieber haben deutlich gemacht, dass die oben genannten Strukturen in Deutschland eine außerordentliche klinische wie seuchenhygienische Fachkompetenz zur Bekämpfung dieser Krankheiten vorhalten. In der Fläche besteht jedoch bei Arztpraxen und Kliniken eine deutliche Unsicherheit im Umgang mit hochkontagiös lebensbedrohlich Erkrankten.

Es zeigt sich immer wieder, dass der Umgang mit Patienten, die an einer Infektionskrankheit leiden, die durch hochpathogene Erreger bedingt ist, Fachwissen, Erfahrung, Übung, überdurchschnittliche Einsatzbereitschaft, ein gutes Netzwerk verschiedener Organisationen und Strukturen und schließlich Entscheidungs- und Handlungskompetenz voraussetzt.

Die Autoren der Beiträge des Schwerpunktheftes haben sich zum Ziel gesetzt, den bei Angehörigen der Gesundheitsberufe vorherrschenden Wissenslücken zum klinischen und seuchenhygienischen Management (Teil 1), zum einsatztaktischen Vorgehehen (Teil 2) und zur Epidemiologie, Klinik und Bekämpfung von hochkontagiösen lebensbedrohlichen Erkrankungen (Teil 3) mit ihren Beiträgen entgegenzuwirken.

Das Schwerpunktheft entstand zur Hochzeit des Ebolafieber-Ausbruchs in Westafrika. Es ist in großen Teilen geprägt von dem vorherrschenden Informationsbedürfnis der Fachöffentlichkeit und den persönlichen Erfahrungen der Autoren zu dieser Zeit.

Im ersten Teil des Schwerpunktheftes schildern R. Gottschalk und T. Grünewald in ihren Beiträgen das grundsätzliche Vorgehen beim Auftreten von hochkontagiösen lebensbedrohlichen Erkrankungen anhand von drei Szenarien: i) die kontrollierte Verlegung eines hochkontagiös lebensbedrohlich Erkrankten nach Deutschland, ii) die Erkrankung eines Reisenden an Bord eines Flugzeuges und iii) das Auftreten einer solchen Erkrankung in Deutschland. Der Schwerpunkt der Beiträge liegt dabei auf den Kompetenz- und Behandlungszentren für hochkontagiöse lebensbedrohliche Erkrankungen sowie den strukturellen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen der handelnden Akteure.

Die Leistungsfähigkeit der Behandlungszentren in Deutschland sowie vergleichbarer Zentren in 15 europäischen Staaten wurde in einer Studie des „European Network for Highly Infectious Diseases“ im Hinblick auf die medizinische Versorgung sowie die technische und personelle Ausstattung erhoben. Der dritte Beitrag von S. Schilling und H.-R. Brodt berichtet zum Ergebnis dieser Studie.

Die Behandlungszentren in Deutschland nahmen 2014 drei internationale Helfer, die bei der Ausbruchsbekämpfung in Westafrika an Ebolafieber erkrankten, zur weiteren medizinischen Versorgung auf. Der erste Patient wurde im Oktober 2014 ins Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf verlegt. S. Schmiedel und B. Kreuels berichten in ihrem Beitrag von praktischen Erfahrungen aus der Versorgung des Patienten und zieht Rückschlüsse für die Versorgung solcher Patienten in Deutschland.

Im zweiten Teil des Schwerpunktheftes beleuchten die Kollegen H. Stich et al sowie M. Richter und C. Herzog die einsatztaktischen Herausforderungen beim Auftreten von außergewöhnlichen biologischen Gefahrenlagen.

H. Stich und Kollegen berichten in ihrem Beitrag von einer Vollübung, die an einem nach den Internationalen Gesundheitsvorschriften „benannten Flughafen“ mit dem Fallszenario einer reiseassoziierten fiebrigen Erkrankung durchgeführt wurde. Sie ziehen Rückschlüsse für die lokalen Einsatzkonzepte zum Management infektionsbiologischer Bedrohungslagen am Münchener Flughafen.

Das einsatztaktische Vorgehen bei einem Verdacht auf einen bioterroristischen Anschlag mit hochkontagiösen hochpathogenen Agenzien wird im folgenden Beitrag von M. Richter und C. Herzog am Beispiel eines sogenannten Pulverfundes erläutert. Bei einem Pulverfund ist nicht automatisch die Beimengung von Milzbrandsporen anzunehmen. Ein systematisches Vorgehen bei der Analyse von Pulverfunden auf konventionelle bzw. nicht-konventionelle Stoffe ist essenziell, um frühzeitig adäquate Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung treffen zu können.

Im dritten Teil des Schwerpunktheftes haben die Kolleginnen und Kollegen umfangreiche Hintergrundinformationen zu hochkontagiösen und lebensbedrohlichen Erkrankungen zusammengetragen.

L. Ehlkes und Kollegen berichten in ihrem Übersichtsartikel über Vorkommen, Übertragungswege und Bekämpfungsmaßnahmen zu einer Auswahl hochkontagiöser lebensbedrohlicher Erkrankungen.

Das unter anderem im Südosten Europas endemische Krim-Kongo-hämorrhagische Fieber, das auch vereinzelt schon nach Deutschland eingeschleppt wurde, steht im Mittelpunkt des Beitrags von D. Wiemer. Dargestellt werden Diagnostik, Pathophysiologie und die sich daraus ableitenden Folgen im Umgang mit Erkrankten und Verstorbenen.

Die im Mittelalter als „schwarzer Tod“ bezeichnete Pest bzw. die Lungenpest, die heute vor allem in Madagaskar, aber auch immer wieder im Südwesten der Vereinigten Staaten auftritt, ist Thema des Beitrags von J. Riehm und T. Löscher. Sie erläutern in ihrem Beitrag detailliert Erkenntnisse zur Pathogenität, Epidemiologie, Klinik und Therapie der Pest bzw. Lungenpest.

J. Sasse und H.R. Gelderblom analysieren im letzten Beitrag klinische und epidemiologische Daten der Pockenausbrüche nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland und ziehen Schlussfolgerungen für die Ausbruchskontrolle dieser lebensbedrohlichen Krankheit im Falle eines erneuten Ausbruchs.

Liebe Leserinnen und Leser, wir müssen jederzeit mit einer Einschleppung und begrenzten Weiterverbreitung einer hochkontagiösen, lebensbedrohlichen Erkrankung in Deutschland rechnen. Von uns Angehörigen der Gesundheitsberufe wird in einer solchen Situation zu Recht erwartet, auch diesen Patienten eine angemessene medizinische Versorgung zukommen zu lassen.

Eine Notfallversorgung darf hochkontagiös lebensbedrohlich Erkrankten nicht verwehrt werden, sofern diese ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist. Durch Sachverstand und geeignete Schutz- und Hygienemaßnahmen kann eine Infektion von medizinischem Personal in den meisten Fällen bestmöglich ausgeschlossen werden.

Patienten mit Verdacht auf eine hochkontagiöse, lebensbedrohliche Erkrankung leiden schlussendlich häufig an einer nicht kontagiösen, einfach behandelbaren Differenzialdiagnose (z. B. Malaria tropica). Wir sollten uns daher selbst in die Pflicht nehmen, trotz eines überladenen Arbeitsalltags, angemessen Zeit für die Vorbereitung auf Patienten mit einer (vermeintlich) seltenen hochkontagiösen, lebensbedrohlichen Erkrankung einzuräumen.

Mit dem ständigen Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren am Robert Koch-Institut steht Tag und Nacht Sachverstand zur Verfügung.

Wir wünschen den Leserinnen und Lesern eine spannende Auseinandersetzung mit den Beiträgen dieses Themenhefts.

Ihre

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René Gottschalk

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Christian Herzog