Katheterassoziierte Infektionen der Harnwege (CA-UTI) machen nur einen kleinen Teil aller Harnwegsinfektionen aus. Sie gehören zu den deviceassoziierten nosokomialen Infektionen. Lohnt es sich wirklich, sich hiermit erneut intensiv zu beschäftigen und eine KRINKO-Empfehlung, zu der es seit ihrem Erscheinen 1999 [1] nur wenige, thematisch sehr umschriebene Rückfragen gab, erneut auf den Prüfstand zu stellen?

Nach den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes sollte die KRINKO hierzu in regelmäßigen Abständen bereit sein und hinterfragen, ob ihre Empfehlungen wirklich noch dem jeweils aktuellen Wissensstand entsprechen. Der mit dieser Fragestellung beauftragten Arbeitsgruppe der KRINKO kam es sehr darauf an, das Präventionspotenzial für Katheter-assoziierte Infektionen der Harnwege (CA-UTI)hervorzuheben, die immer noch zu den häufigsten nosokomialen Infektionen gehören.

Harnwegskatheter vermeiden oder möglichst frühzeitig wieder entfernen

Die wichtigste Maßnahme zur Prävention von CA-UTI ist die Reduktion der Anwendung von Harnwegskathetern (HWK). Dies kann erreicht werden

  • durch eine gezielte und medizinisch in jedem Einzelfall zu begründende Indikationsstellung [2],

  • durch die Berücksichtigung alternativer Möglichkeiten, wie der intermittierenden Selbst- oder Fremdkatheterisierung [3], sowie

  • durch die Begrenzung der Liegedauer von HWK [4, 5].

Hierzu gibt es eine Reihe von Studien, in denen ein durch das Pflegepersonal umgesetztes Standardprotokoll zur frühzeitigen Entfernung jedes Blasenkatheters führte, der nicht mehr benötigt wurde [610].

Voraussetzung dafür ist eine abteilungsspezifische, dem Behandlungsteam bekannte Liste von medizinischen Indikationen für die Anlage eines Blasenverweilkatheters. Tatsächlich können die Details dieser Indikationen in Abhängigkeit vom jeweiligen Fachgebiet und der individuellen Behandlungssituation der Patienten erheblich variieren. So kann zum Beispiel bei einem Patienten in der Neurochirurgie eine instabile Wirbelkörperfraktur die Indikation für einen Harnwegskatheter darstellen [10]. Bei onkologischen Patienten mit hämorrhagischer Zystitis (nach Ifosfamid-Therapie oder bei einer BK-Virus-Infektion der Harnblase nach Stammzelltransplantation) [11] kann die Anlage eines Spülkatheters indiziert sein.

In einer US-amerikanischen Studie wussten 41 % der zuständigen Ärzte nicht, dass ihr Patient einen Harnwegskatheter hatte und bei 31 % aller HWK lag keine begründete medizinische Indikation vor [12]. In anderen Studien wurden vergleichbar hohe oder noch höhere Raten für die medizinisch nicht indizierte Anwendung von HWK gefunden [1317].

Nach übereinstimmenden Ergebnissen von zwei systematischen Übersichtsarbeiten zu den verfügbaren Studien [18, 19] führen Erinnerungssysteme zu einer verkürzten Liegedauer von HWK und zu einer reduzierten CA-UTI-Rate. Solche Erinnerungssysteme (reminder) sollen Krankenpflegepersonal und die behandelnden Ärzte zu definierten Zeitpunkten dazu bewegen, die Indikation für den HWK täglich aufs Neue zu überprüfen [5, 20].

Vor allem in der postoperativen Intensivtherapie werden HWK oft zu lange belassen. Meist kann ein HWK bereits nach 48–72 h wieder entfernt werden, wenn keine anderslautende ärztliche Verordnung hierzu vorliegt. Entgegen weit verbreiteter Meinung hatte die Senkung der Anwendungsrate für HWK auf einer neurochirurgischen Intensivstation keinen signifikanten Einfluss auf die Inzidenz von Dekubiti; lediglich Dekubiti im Windelbereich der Schweregrade III und IV wurden in dieser Studie als medizinisches Argument für die Anwendung einer dauerhaften Katheterdrainage der Harnblase zur Förderung der Wundheilung akzeptiert [10].

Harnwegsinfektionen leitliniengerecht diagnostizieren und therapieren

Nosokomiale Harnwegsinfektionen verlaufen in den meisten Fällen nicht lebensbedrohlich. Ihre Behandlung erfordert jedoch – auch wenn sie leitliniengerecht und gezielt erfolgt – den Einsatz von Antibiotika, wodurch der Selektionsdruck im Krankenhaus weiter ansteigt. Heute wird nicht mehr wie noch vor einigen Jahren zur Surveillance bei allen Intensivpatienten mit Harnwegskatheter in regelmäßigen Abständen eine Urinprobe in die Mikrobiologie geschickt [21], die dann je nach Liegedauer des Katheters mehrheitlich eine signifikante Bakteriurie (z. B. mit >103 KBE/ml einer einzelnen Spezies) ergibt. Auch eine Pyurie mit positiver Leukozytenesterase im Streifentest kann bei Patienten mit Harnwegskatheter vorkommen, ohne dass eine Harnwegsinfektion vorliegt [22]. Die Unterscheidung der in diesem Kontext nahezu regelhaften asymptomatischen Bakteriurie von einer symptomatischen, behandlungsbedürftigen Harnwegsinfektion bereitet im klinischen Alltag immer noch Schwierigkeiten [23]. Darauf weisen zahlreiche Studien hin, die einen exzessiven Einsatz von Antibiotika „zur Therapie von Harnwegsinfektionen“ darstellen, obwohl in der Mehrzahl der Fälle definitiv keine Harnwegsinfektion vorlag [2426].

Von allen Patienten mit einer harnwegskatheterassoziierten Bakteriurie (ca. 26 % nach 10 Tagen) entwickeln im weiteren Verlauf ein Viertel (CI95 16–32 %) eine symptomatische Harnwegsinfektion [12]. Allerdings kann diese CA-UTI-Rate in Abhängigkeit von Risikofaktoren der jeweiligen Patientenpopulation auch deutlich höher sein, insbesondere, wenn das Immunsystem der Patienten nachhaltig beeinträchtigt ist (z. B. unter einer zytostatischen Chemotherapie). Das Problem ist auch keineswegs auf die Intensivmedizin begrenzt. Vonberg et al. [27] untersuchten Deviceanwendungsraten und deviceassoziierte NI bei erwachsenen Patienten einer Universitätsklinik auch außerhalb von Intensivstationen. An 14,8 % aller Patiententage hatten die Patienten einen Harnwegskatheter, die Infektionsrate lag bei 6,8 pro 1000 Anwendungstage.

Sekundäre Sepsis ausgehend von einer Infektion der Harnwege

Katheterassoziierte Harnwegsinfektionen (CA-UTI) können mittelbar (z. B. durch Verschlechterung der Nierenfunktion bei Beteiligung des Nierenparenchyms) erhebliche negative Konsequenzen für die Patienten nach sich ziehen. In seltenen Fällen (insgesamt wahrscheinlich bei 3–4 % der Patienten [12, 28]) kommt es im Verlauf einer CA-UTI zu einer sekundären Bakteriämie bzw. zu einer Urosepsis, bei der die Harnwegsinfektion der primäre Infektionsfokus ist. Auch wenn dieser Anteil von CA-UTI mit Urosepsis auf den ersten Blick niedrig erscheint, handelt es sich insgesamt – nach den gefäßkatheterassoziierten Blutstrominfektionen – um die zweithäufigste Form der nosokomialen Sepsis (14,8 % bei Melzer et al. 2013, 21 % bei Fortin et al. 2012 [29, 30]). Coellho et al. [31] analysierten in einer Studie aus Großbritannien Blutstrominfektionen (BSI), die von einem Device ausgingen. Bei den deviceassoziierten BSI, die außerhalb von Universitätskliniken und Lehrkrankenhäusern diagnostiziert wurden (n=2103), stammten 61 % aus den klinischen Gebieten Allgemeinmedizin, Allgemeinchirurgie, Geriatrie und Urologie. In der Geriatrie entfiel auf die mit einem zentralen Venenkatheter assoziierten BSI nur ein Anteil von 1,7 %, während die HWK-assoziierten Infektionen mit sekundärer BSI 21 % aller deviceassoziierten Bakteriämien ausmachten. Ohne dass dieses Problem hier umfassend besprochen werden kann [23, 3235], soll auf einige Aspekte besonders hingewiesen werden. Im Unterschied zur gefäßkatheterassoziierten Sepsis dominieren bei der Sepsis, die von einer Harnwegsinfektion (mit oder ohne Katheter) ausgeht, die gramnegativen Infektionserreger, vor allem E. coli, Klebsiella spp., Pseudomonas aeruginosa, seltener Proteus spp. Bei den grampositiven Erregern überwiegen die Enterokokken (inklusive vancomycinresistenter Enterococcus faecium [34, 36]), seltener auch S. aureus (inkl. MRSA [30]). Ein erheblicher Anteil [29, 37] der bei einer HWK-assoziierten Sepsis nachgewiesenen gramnegativen Infektionserreger erfüllt MRGN-Kriterien [38]. Dies gilt insbesondere für Patienten mit Langzeitkatheter (Liegedauer >30 Tage) und multipler antibiotischer Vorbehandlung [3941].

Unter anderem aufgrund des sehr hohen Durchschnittalters und begleitender Komorbiditäten kann die mit der nosokomialen Urosepsis verbundene Mortalität hoch sein. Zum Beispiel waren bei Melzer et al. 7 Tage nach Diagnose einer katheterassoziierten Urosepsis 30 % (von 83 Patienten) und nach 30 Tagen 40 % der Patienten verstorben [29]. In weiteren Studien [42] lag die Letalität der Patienten zwischen 9 % [41] und 33 % [34]. Die Therapie von komplizierten Harnwegsinfektionen durch MRGN stellt für die behandelnden Ärzte eine große Herausforderung dar [43].

Besondere Bedeutung von E. coli

Der besondere Stellenwert von E. coli als Erreger einer sekundären Bakteriämie im Kontext von Harnwegsinfektionen und – deutlich seltener – auch von primär biliären Infektionen hat in Großbritannien zu einer Meldepflicht für BSI geführt, die durch E. coli verursacht werden [44, 45]. Auch aktuelle Publikationen aus den KISS-Modulen weisen auf die besondere Bedeutung und auf regionale Unterschiede in der Inzidenz von nosokomialen Infektionen durch ESBL-bildende E. coli hin [46, 47]. Bei den ambulant erworbenen Harnwegsinfektionen nimmt der Anteil von E. coli mit MRGN-Eigenschaften zu [48]. Außerdem werden immer häufiger bestimmte, besonders gut adaptierte „pandemische“ ESBL-bildende E.-coli-Isolate nachgewiesen (z. B. E. coli O25:H4-ST131 CTX-M-15) [4951].

Diese Stämme können offenbar von Mensch zu Mensch übertragen werden [52] und sind auch in der industriellen Tiermast oder bei Haustieren (companion animals) nachgewiesen worden [53, 54]. Hierdurch kommt es bei den schweren Harnwegsinfektionen (mit und ohne Harnwegskatheter), die eine stationäre Therapie erforderlich machen, zu einem unerwünschten Eintrag bestimmter Erreger ins Krankenhaus, über deren nosokomiale Epidemiologie noch zu wenig bekannt ist [46, 47].

Die überarbeitete Empfehlung zur Prävention harnwegskatheterassoziierter Infektionen soll in diesem komplexen klinisch-infektiologischen Kontext auch weiterhin als hilfreiche Handlungsanweisung zur Prävention von nosokomialen Infektionen und zur Eindämmung multiresistenter Infektionserreger dienen. Die aktuelle Überarbeitung zeigte, dass viele der 1999 gegebenen Empfehlungen bis heute weiterhin gelten; nichtsdestotrotz war es notwendig, dies erneut systematisch unter Berücksichtigung der neuesten Literatur zu überprüfen.

Interessenkonflikt

A. Simon gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.