Simulationsbasiertes Training gewinnt in allen Bereichen der Akutmedizin an Bedeutung. Insbesondere im angloamerikanischen Raum gehört es vielerorts zum Standard in der Aus- und Weiterbildung [1]. In Deutschland hat sich eine Vielzahl von Simulations- und Trainingszentren insbesondere an Universitätskliniken entwickelt. Die feste curriculare Implementierung eines solchen Trainings in den Weiterbildungsordnungen fehlt jedoch noch weitgehend. Auch fehlt es in Deutschland an soliden Finanzierungskonzepten für die Simulationszentren [2, 3]. Im Folgenden sollen – nach einer allgemeinen Einführung – die Möglichkeiten des simulationsbasierten Trainings in der Akutmedizin an 2 Beispielen (der Anästhesiologie und der Notfallmedizin) dargestellt und die hierfür erforderlichen gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen skizziert werden.

Simulationsbasiertes Training: Grundlagen

In der universitären Aus-, Fort- und Weiterbildung für Studierende und Ärzte ist das Simulationstraining mittlerweile zu einer wesentlichen Säule zur Vermittlung praktischer medizinischer Fähigkeiten und Fertigkeiten geworden [4]. Es stärkt die spezifische ärztliche Kompetenz und führt zu einer Professionalisierung der Ausbildung. Neben den technischen/praktischen Fähigkeiten (technical skills), die auch weiterhin in traditionellen Lernformen gelehrt werden können, werden hierbei insbesondere die wesentlichen Prinzipien des sog. „Crisis Ressource Managements (CRM)“ vermittelt [5]. Sie betreffen alle Koordinations- und Kommunikationsfaktoren, also die non-technical skills, die die Patientensicherheit und die Leistungsfähigkeit von Ärzten und Pflegekräften in komplexen Situationen oder Systemen beeinflussen. Obgleich der wissenschaftliche Nachweis schwierig ist, wurden in zahlreichen Untersuchungen positive Effekte des Simulationstrainings für die Patientensicherheit deutlich. In einer systematischen Übersichtsarbeit von Gordon et al. [6] konnte gezeigt werden, dass sich das Simulationstraining in den Bereichen „Fehlermanagement, Kommunikation, Teamwork, Führung und Situationsbewusstsein“ positiv auswirkt. Verglichen mit einem alleinigen didaktischen Training wurde durch Simulations-CRM-Programme sogar eine zumindest moderate Verbesserung der Überlebensrate von Patienten nach komplexen medizinischen Behandlungen erreicht [7, 8]. In einer Untersuchung von Andreatta et al. [9] konnte eine signifikante Zunahme der Überlebensrate von Kindern nach einem Herzstillstand nachgewiesen werden, wenn die Behandelnden durch Simulationsprogramme in der Kinderreanimation geschult worden waren (33 % vs. 50 %). Auch Riley et al. beobachteten eine statistisch signifikante Verbesserung des perinatalen Überlebens in den Krankenhäusern, in denen Mitarbeiter über Simulationsprogramme geschult wurden [10]. Obgleich große wissenschaftliche Untersuchungen zum Einfluss des Simulationstrainings auf das Überleben der Patienten fehlen, zeigen zahlreiche einzelne Untersuchungen diesbezüglich einen hinreichend fundierten positiven Effekt. Nicht nur aus diesem Grund, sondern auch aus ethischen und haftungsrechtlichen Gründen ist das Vermitteln medizinischer Ausbildungsinhalte ohne ein Lernen im geschützten Bereich der Patientensimulation nicht mehr vertretbar.

Der „Faktor Mensch“ in komplexen und dynamischen Situationen und das „Crisis Ressource Management“ (CRM)

Unerwartete Zwischenfälle und Fehlleistungen lassen sich in keinem System verhindern, an dem Menschen beteiligt sind. Der Mensch ist gleichermaßen Fehlerquelle und unersetzliche Lösungsinstanz in kritischen Situationen. Aus diesem Grund ist es insbesondere in Arbeitsumgebungen, die sich durch eine hohe Komplexität und Dynamik auszeichnen, enorm wichtig, dass die hier tätigen Menschen neben einer hohen fachlichen Expertise gleichermaßen auch die Fähigkeit besitzen, in diesen Situationen verlässlich zu handeln. In der Luftfahrt wurde zu diesem Zweck des sog. „Cockpit Ressource Management“ entwickelt. David Gaba adaptierte und modifizierte dieses dann als „Crisis Ressource Management“(CRM) für die Anästhesiologie [11, 12].

Mittlerweile entwickeln sich in allen Bereichen der Akut- und Notfallmedizin CRM-basierte Simulationstrainings, die darauf zielen, das Auftreten von Komplikationen/Zwischenfällen zu reduzieren bzw. den Umgang mit diesen sicherer zu gestalten. Basis für ein CRM-Training können die in Tab. 1 dargestellten CRM-Leitsätze sein, die ursprünglich von David Gaba und Markus Rall aus der Luftfahrt übernommen und seitdem immer wieder modifiziert und angepasst wurden [13]. Die zentralen Themen des CRM

Tab. 1 Die 15 Leitsätze des Crisis Ressource Management (CRM) nach Gaba und Rall 2009 [13]
  • Entscheidungsfindung,

  • situationsgerechtes Bewusstsein,

  • Kooperation und Teamwork,

  • Führung und Planung

werden durch die kommunikativen Fähigkeiten des Individuums und des Teams zusammengehalten [14] (Abb. 1). Diese handlungsorientierten und teambezogenen Lerninhalte sind die große Stärke eines Simulationstrainings. Sie erweitern das Lernen von medizinischem Personal um eine Ebene, die bisher in der medizinischen Ausbildung gefehlt hat.

Abb. 1
figure 1

Die einzelnen Fähigkeiten und Kompetenzen des Crew Ressource Management (CRM) werden über die kommunikativen Fähigkeiten des Individuums und des Teams zusammengehalten

Struktur eines CRM-basierten Simulationstrainings in der Akutmedizin

Ein Simulationstraining besteht immer aus den Phasen „Briefing“, „Simulation“ und „Debriefing“. In dieser Form wird es mittlerweile in vielen Simulationszentren durchgeführt [15, 16]. Alle 3 Phasen sind für das Gelingen eines Trainings gleichermaßen wichtig. Sie werden im Folgenden kurz erläutert.

Briefing

Im Briefing werden die Teilnehmer zunächst auf das Simulationstraining vorbereitet. Gerade Personen, die noch nie an einem CRM-Training teilgenommen haben, sind oftmals besorgt, sich dabei in einer Prüfungssituation zu befinden. Aus diesem Grund müssen im Briefing folgende Punkte erläutert werden:

  • Die Simulation erfolgt in einem geschützten Bereich: Dies bedeutet, dass keine Information aus dem Training nach außen gelangt.

  • Fehler sind erwünscht: Die Simulationen provozieren Fehler, an denen gemeinsam gelernt werden soll.

  • Die technische Möglichkeiten und Limitierungen: Die Patientensimulatoren können vieles, aber eine gewisse Übungskünstlichkeit bleibt.

  • Das Video-Debriefing: Alle Simulationen werden gefilmt und im Debriefing gemeinsam analysiert. Alle Filme werden am Ende des Trainings gelöscht.

  • Der Fokus auf dem CRM: Es wird kein medizinisches Faktenwissen abgeprüft, sondern vielmehr die Teamleistung auf dem Weg zur gemeinsamen Problemlösung analysiert.

  • Der Inhalt des Szenarios: Die Teilnehmer erhalten eine kurze Einführung in die Situation, in die sie sich in der Simulation begeben. Beteiligte Personen (Schauspieler) werden vorgestellt und die jeweilige Rolle der Teilnehmer im Team definiert.

  • Der zeitliche Rahmen: Komplikationen und Zwischenfälle entwickeln sich im Simulator schneller als in der Realität.

Simulation

In der Regel wird den Teilnehmern in einem Simulationsszenario die Behandlungssituation eines Patienten präsentiert. Die gesamte Situation wird in Film und Ton aufgezeichnet. Der Patient wird entweder von einem Schauspieler dargestellt, oder es kommt ein Patientensimulator zum Einsatz. Am Markt existieren unterschiedlich aufwendige Simulatoren, die von der einfachen Plastikpuppe zur Übung der Reanimation bis hin zu sehr komplexen Phantomen reichen, die die menschliche Physiologie sehr aufwendig nachempfinden. Je nach Übungsinhalt können die Teilnehmer beispielsweise mit der notfallmedizinischen Betreuung eines kritischen Patienten betraut werden, oder es wird zunächst eine medizinische Routinesituation übernommen, in deren Verlauf sich ein unerwarteter Zwischenfall ereignet. Da der Zeitrahmen für ein Simulationstraining begrenzt ist, laufen die Ereignisse im Simulator in einer Art Zeitraffer ab, der die Komplexität und Dynamik der Ereignisse deutlich verstärkt und den Handlungsdruck auf die Teilnehmer erhöht. Die Verdichtung der Inhalte erhöht den Lerneffekt.

Debriefing

Am Ende eines Simulationstrainings ist es Aufgabe des Instruktors, die erlebte Situation gemeinsam mit den Teilnehmern im Video-Debriefing zu reflektieren und anhand der CRM-Leitsätze zu analysieren. Entscheidend ist hierbei die Fokussierung auf die „Non-medical-skills“ und auf die Frage nach dem „Warum“ [17]. Idealerweise ist der Instruktor im Debriefing nur noch ein Moderator und hilft dem Team dabei, die eigenen handlungsleitenden Motive zu überdenken und sie miteinander abzugleichen. Beispielsweise entdecken die Teilnehmer eines Simulationstrainings hierbei oft die große Diskrepanz zwischen den individuellen Einschätzungen einer Situation. Sie stellen fest, dass die gemeinsamen, handlungsleitenden Konzepte im Team vielleicht nur einen sehr kleinen Teil der Realität abgebildet haben. Die Teilnehmer lernen so, dass die Gruppe, die wiederholt individuelle Einschätzungen erfragt und „Updates“ einer Situation durchführt, ein besseres, gemeinsames Situationsverständnis entwickelt. Insgesamt wird die Gruppe dann erfolgreicher [18]. Die Bedeutung einer effektiven Kommunikation und einer gemeinsamen, dynamischen Entscheidungsfindung wird anhand des Debriefing und der Videoanalyse für das Team sehr deutlich und führt im Idealfall zu einer Veränderung der eigenen Verhaltensmuster.

Simulationsbasiertes Training: Praxis

Am Anfang eines Simulationstrainings sollte der Lerninhalt bzw. das Lernziel klar definiert sein. Nicht alle Lerninhalte auf dem Weg zum professionellen Akutmediziner lassen sich mithilfe der Simulation gut vermitteln. Viele Lerninhalte kann man mit einem Simulationstraining transportieren, aber es ist nur für einige geeignet und verhältnismäßig. So erscheint es logisch, dass sich rein medizinisches Fachwissen nur sehr begrenzt in der Simulation/am Simulator erwerben lässt. Der Erwerb von „prozeduralem Wissen“, also das Wissen um den gesamten Handlungsablauf bei standardisierten Prozeduren, wie z. B. bei der Anlage eines zentralen Venenkatheters oder einer Drainage im Brustbereich, kann zwar in einem Simulationstraining vermittelt werden, lässt sich jedoch wesentlich effektiver durch repetitives Training an Übungsmodellen (sog. Skill-Trainern) erlernen, die die Anatomie einer bestimmten Körperregion sehr genau nachbilden. Der didaktische Erfolg ist somit höher.

Im komplexen Simulationstraining einer interdisziplinären und interprofessionellen Notfallbehandlung lässt sich das Wissen weiterentwickeln. Das theoretisch über ein Lehrbuch und praktisch am Skill-Trainer Erlernte, kann durch das „Erleben“ des Notfalls in der Simulation in situatives Wissen überführt werden, das das Kompetenzniveau erhöht. Über Training und Erfahrung entwickelt sich hier der professionelle Mediziner mit einem umfänglichen Handlungswissen, dem „Know-how“. Wer dieses besitzt, kann Informations- und situatives Wissen in neuen und ungewohnten Kontexten anwenden (Tab. 2) [19]. Dieses Kompetenzniveau wird über das Skill- und Simulationstraining erreicht, ohne Patienten zu gefährden. Es ist somit in der Ausbildung zum Arzt oder Facharzt unbedingt zu fordern.

Tab. 2 Verschiedene Ebenen des Wissens [19]

Über die reine Wissens- und Kompetenzvermittlung auf verschiedenen Ebenen hinaus bietet das Simulationstraining zusätzlich die Möglichkeit, persönliche Verhaltensweisen zu trainieren und das eigene Handeln zu reflektieren. Dieses sehr nachhaltige Lernen am konkreten, selbst erlebten Beispiel, lässt sich im Arbeitsalltag am Patienten nur selten erfahren. Das Simulationstraining setzt entscheidende Lernimpulse, da der Lernende Neues in einer sicheren Umgebung üben und erfahren kann. Gerade auch das gemeinsame Handeln im Team kann sicherlich nirgendwo so effektiv geübt werden wie in der Simulation.

Die Akutmedizin bietet zahlreiche Ansatzmöglichkeiten für ein Simulationstraining, da hier das sichere Handeln in komplexen und dynamischen Situation mehr als in anderen Bereichen der Medizin entscheidend zur Patientensicherheit beiträgt. In der Literatur finden sich mittlerweile viele Beispiele für seine erfolgreiche Implementierung in Fachrichtungen mit einer akutmedizinischen Komponente, wie z. B. der Geburtshilfe, Pädiatrie oder auch der Intensivmedizin [2023]. Im Folgenden möchten wir 2 Beispiele aus unserer Klinik vorstellen.

Beispiel 1: Simulationstraining in der Anästhesiologie

Viele Aspekte der alltäglichen anästhesiologischen Arbeit lassen sich gut im Rahmen eines Simulationstrainings erarbeiten. In der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf fokussieren wir im anästhesiologischen Simulationstraining insbesondere auf folgende Aspekte:

Entscheidungsfindung und Problemlösung

In anästhesiologischen Notfallsituationen müssen oftmals Entscheidungen unter hohem Zeitdruck und bei großer diagnostischer Unsicherheit getroffen werden. Ein Simulationsszenario beginnt beispielsweise mit der Routinesituation bei einem Patienten in einer Allgemeinanästhesie zur Versorgung einer Fraktur des Oberschenkels durch einen künstlichen Gelenkersatz. Aus der Routine entwickelt der Patient dann eine akute hämodynamische Instabilität mit beginnendem Herz-Kreislauf-Versagen. Zeitgleich zur akuten Stabilisierung des Patienten muss eine Ursachensuche beginnen, da der Grund für die Instabilität eine akute Blutung, eine Lungenembolie, eine kardiale Ischämie oder eine Medikamentenunverträglichkeit sein könnte. Das Team muss auf Basis der vorhandenen Informationen nun eine Entscheidung treffen. Hieraus leiten sich Handlungen ab, deren Erfolg wiederum regelmäßig kontrolliert werden muss. Stabilisiert sich der Patient aufgrund der getroffenen Maßnahmen nicht, ist eine Neubetrachtung der Situation erforderlich (Abb. 2).

Abb. 2
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Der Entscheidungszyklus im Simulationsszenario

Kommunikation und Teamwork

Die interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit ist ein wichtiger Aspekt im anästhesiologischen Arbeitsalltag. Sinnvolle Entscheidungen können nur auf Basis guter Kommunikation getroffen werden. Im vorangegangenen Fallbeispiel muss der Anästhesiologe aktiv alle Informationen suchen, die für die Therapieentscheidung erforderlich sind. Er muss die Einschätzung der operierenden Kollegen, beispielsweise hinsichtlich des Blutverlustes, einholen, die Arbeit sinnvoll delegieren, da viele Maßnahmen nun schnell getroffen werden müssen, und er muss das Team durch regelmäßige Updates zur Situation auf einen gemeinsamen Handlungsweg führen (Abb. 3).

Abb. 3
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Zwischenfalltraining im OP: Kommunikation und Teamwork sind ein wichtiger Aspekt im anästhesiologischen Alltag

Mensch-Maschine-Interaktion und Gerätekenntnis

Das Management der anästhesiologischen Notfallsituation setzt Kenntnisse über den Umgang mit den verschiedenen Monitorsystemen, mit ihrem Alarmmanagement und mit Spezialgeräten voraus. Die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Einweisungen nach dem Medizinproduktegesetz sind bei Weitem nicht ausreichend, um eine sichere Nutzung zu gewährleisten. Das Training im Simulator bietet hier die Möglichkeit, eine fundierte Gerätekenntnis auch in sehr dynamischen Notfallsituationen zu erwerben, ohne einen Patienten zu gefährden.

Abläufe und Standard operating Procedures (SOP)

Die Umsetzung von Leitlinien und Standards (z. B. zu Reanimation, Sepsis, Atemwegsmanagement) kann trainiert werden. Seltene, aber in ihrem Ablauf standardisierte Behandlungen können ohne Patientengefährdung sicher und reproduzierbar eingeübt werden. Beispielweise erfordert das Management einer Situation des „cannot ventilate, cannot intubate“, also einer Situation, in der ein Patient mit Atemstillstand weder mit einer Maske zu beatmen ist, noch mit einer Atemhilfe versorgt werden kann, ein klar strukturiertes, hoch standardisiertes Vorgehen unter extremem Zeitdruck. Das Leben des Patienten hängt von der sicheren Beherrschung dieses Standards ab. Neben rein technischen Aspekte, die am Skill-Trainer geübt werden, integrieren wir die zur Umsetzung des Standards erforderlichen Handlungen im Simulationstraining in eine akute Behandlungssituation (Abb. 4). Die Handlungen stehen damit in einem medizinischen Kontext. Die abstrakten Ablaufregeln und SOPs werden so zu erlebtem Wissen, das folglich im Alltag deutlich besser reproduziert werden kann.

Abb. 4
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Training im Algorithmus „Schwieriger Atemweg“ beim Lehr- und Simulationstraining der Klinik für Anästhesiologie

Das Zwischenfalltraining in der Anästhesiologie ist in unserer Klinik ein fester Bestandteil der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Alle Studierenden des Fachs Medizin und alle Mitarbeiter der Klinik für Anästhesiologie nehmen regelmäßig an den Veranstaltungen mit unterschiedlichen Kursprogrammen teil.

Beispiel 2: Simulationstraining in der Notfallmedizin

Auf dem Weg zur Erlangung der „Zusatzweiterbildung Notfallmedizin“ muss ein Einsatzpraktikum geleistet werden, in dem der angehende Notarzt unter Anleitung eines erfahrenen Kollegen präklinische Erfahrung sammelt. Im Einsatzpraktikum trainiert er in einer 1:1-Betreuung über eine gezielte Supervision und Unterstützung durch den erfahrenen Notarzt, medizinische und organisatorische Entscheidungen zu treffen, um die erforderliche Kompetenz zu entwickeln. Dieses Training in der „Echtsituation“ erscheint unverzichtbar, seine Qualität wird aber von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. Es hängt vom Zufall ab, welche Situationen der angehende Notarzt in seinem Praktikum erlebt. Zudem bietet z. B. die wiederholte Behandlung eines Patienten mit einem „akuten Koronarsyndrom“ dem innerklinisch erfahrenen Arzt möglicherweise keine neue Lernerfahrung. Auch kann aber die Behandlung seltener Ereignisse wie die eines Kindernotfalls, die Versorgung eines polytraumatisierten Patienten oder der Vergiftungsnotfall im Einsatzpraktikum völlig fehlen. Gerade diese selteneren Notfallsituationen sind aber für die meisten Notärzte die eigentlichen Herausforderungen, da ihnen hier die Erfahrungen aus der täglichen klinischen Routine fehlen.

Abhängig von der Erfahrung und Persönlichkeit des anleitenden Notarztes ist die Ausbildung der zu betreuenden Kollegen qualitativ sehr heterogen und auch nicht immer leitliniengerecht. Damit ist eine gleichmäßige Qualität der Weiterbildung nicht zu gewährleisten. Unsere Hamburger Arbeitsgruppe hat daher nach einem erfolgreich umgesetzten Modell aus dem Saarland [24] einen Notarzt-Simulationskurs (NASIMHH25) entworfen, in dem strukturierte notfallmedizinische Szenarien abgearbeitet werden. Hier werden insgesamt 25 Einsätze aus dem gesamten Spektrum des notärztlichen Alltags trainiert. Jede Einsatzsituation umfasst dabei die Elemente Briefing, Einsatzsimulation und Debriefing mit strukturierter Bearbeitung der Lerninhalte. Einzelne Landesärztekammern (Saarland, Hamburg) erkennen bis zu 25 dieser Trainingseinheiten auf die für die Weiterbildung zum Notarzt geforderten 50 Praktikumseinsätze an.

Zusätzlich zu den bereits beschriebenen Aspekten und Inhalten des CRM-basierten Simulationstrainings, lassen sich in unserem NASIMHH25-Kurs folgende Bereiche gut trainieren:

Arbeiten in ungewohnter Umgebung

Präklinische Notfallmedizin muss auch an ungewohnten Plätzen mit der gleichen Sicherheit wie in der innerklinischen Notfallmedizin durchgeführt werden. Mit mobilen Simulationssystemen lassen sich entsprechende Notfälle darstellen und trainieren (Abb. 5).

Abb. 5
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Notfallmedizinisches Teamtraining im Notarzt-Simulationskurs (NASIMHH25-Kurs): Training in ungewohnter Umgebung

Arbeiten unter schwierigen Umständen

Räumlichkeiten, wie z. B. sehr engen Bahnhofstoilette, die Behandlung von aggressiven, ängstlichen oder trauernden Menschen oder die Rettung einer eingeklemmten Person aus einem verunfallten PKW, können eigentlich sicher beherrschte Arbeitsabläufe – wie die Notfallnarkose und Intubation – schwierig bis unmöglich machen. Das Erleben dieser Situationen in einem geschützten Simulationsumfeld hilft bei der erfolgreichen Patientenversorgung in der Realität.

Interprofessionelle Zusammenarbeit (mit Polizei und Feuerwehr)

Die Zusammenarbeit mit nichtmedizinischem Personal ist für den klinisch tätigen Mediziner oft ungewohnt und häufiger von Missverständnissen geprägt. Ein interprofessionelles Simulationstraining fördert nachhaltig das gegenseitige Verständnis und die Zusammenarbeit.

Die Evaluation unseres Pilotkurses ergab, dass er von den Teilnehmern durchweg als sinnvolle und äußerst lehrreiche Ergänzung zum Notarztpraktikum gesehen wird. Bei der Frage, in welchen Notfallsituationen sie sich vor Beginn des Kurses unsicher fühlten, wurden hauptsächlich Notfälle aus dem Bereich der Pädiatrie sowie Geburtshilfe und die Narkose im Rettungsdienst genannt. In über der Hälfte der Fälle konnten wir den Teilnehmern diesbezüglich mehr Sicherheit geben. Auch mit Blick auf die Diagnostik und Therapie der Herzrhythmusstörungen, neurologischer Erkrankungen sowie der Polytraumaversorgung fühlten sich die Teilnehmer besser auf ihre spätere Tätigkeit als Notarzt vorbereitet. Bezüglich des Zeit-Nutzen- und des Kosten-Nutzen-Verhältnisses, des Lernerfolges und der Aneignung der invasiven Notfalltechniken wurde das Simulationstraining im Vergleich zum Einsatzpraktikum als besser geeignet bewertet. Diese Ergebnisse decken sich weitgehend mit den Ergebnissen der Arbeitsgruppe aus dem Saarland [24].

Neben diesem sehr umfänglichen notfallmedizinischen Simulationstraining führen wir in unserer Klinik monatlich auch Notfall- und Reanimationstrainings durch. Auch in diesen Kursformaten werden neben den medizinischen Inhalten immer auch die Aspekte des CRM thematisiert. Gutes Teamwork und sichere Entscheidungsprozesse werden so zur Grundlage des ärztlichen Handelns unter den besonderen Umständen einer Notfallsituation.

Diskussion

Die anhand der Beispiele dargestellten Möglichkeiten des Simulationstrainings verdeutlichen, dass es zukünftig zu einem festen Bestandteil der Aus- und Weiterbildung von Ärzten und Pflegekräften werden muss. Auch wenn gegenwärtig noch belastbare Daten zur Outcomeverbesserung für die Patienten durch ein Simulationstraining fehlen, gibt es viele Hinweise darauf, dass entsprechend trainierte Teams im Notfall schneller und effektiver handeln [25]. Das persönliche Sicherheitsempfinden der Simulationsteilnehmer wird verbessert, und die meisten geben an, dass das Training ihren klinischen Alltag zum Positiven verändert hat [25, 26]. Um deutschlandweit eine bedarfsgerechte Ausbildung in Simulationszentren ermöglichen zu können, bedarf es auch gesundheitspolitischer Anstrengungen. Zum einen müssen die Ärztekammern das Simulationstraining in den Weiterbildungsordnungen verankern, zum anderen sind die Krankenkassen und der Gesetzgeber gefordert, klare Regelungen zur Finanzierung dieser Ausbildungsart zu finden. Koppenberg et al. haben in einem Übersichtsartikel zum Thema eine interessante Rechnung aufgestellt: Würde man zunächst alle ca. 20.000 deutschen Anästhesisten im Simulationstraining schulen wollen, wären 12 – pro Jahr voll ausgelastete – Simulationszentren erforderlich. Da ein Training aber immer auch das gesamte Team einschließen sollte, also auch die Pflegekräfte, würden 72 – jährlich voll ausgelastete – Simulationszentren benötigt [27]. Die Kosten eines solchen material- und personalintensiven Trainings sind naturgemäß hoch. Um die notwendige Professionalisierung in allen Bereichen des Simulationstrainings zu erreichen, ist daher ihre gesicherte Finanzierung von zentraler Bedeutung. Zurzeit betreiben vor allem die Universitätskliniken Simulationszentren, die jedoch deutlich unterfinanziert sind und sich nur durch den dort ebenfalls stattfindenden Studierendenunterricht tragen. Das Diagnosis-Related-Groups (DRG)-Abrechnungssystem der Krankenkassen bildet die Ausbildung kaum ab. Hier muss – insbesondere auch vor dem Hintergrund der steigenden Krankenkassengewinne – deutlich nachgebessert werden. Eine andere Möglichkeit zur Finanzierung der Simulationszentren stellt sich über die Haftpflichtversicherungen der Kliniken und Institutionen dar. Schon heute fordern diese von den Kliniken Präventionsmaßnahmen zur Risikominimierung (Fehler-Melde-Systeme, Fallkonferenzen und Schadenfallanalysen). Eine Senkung der Behandlungsfehlerraten über die Implementierung von Simulations- und Teamtrainings an risikoreichen Arbeitsplätzen kann für den Versicherer eine weitere relevante Kostenreduktion darstellen. Erste Haftpflichtversicherungen in den USA haben in Pilotprojekten Simulations-Team-Trainings unterstützt und den Teilnehmern Abschläge auf die Versicherungsprämien gewährt [25].

Im Zuge der rasanten Entwicklung von Simulationstechniken und Simulationsprogrammen stellt sich die Frage, für welche medizinischen Bereiche sie optimal geeignet sind. Nicht jede medizinische Situation kann simuliert und die klinische Lehre und Erfahrung können niemals ersetzt werden. Das Simulationstraining stellt die „Spitze der Lernpyramide“ dar und kann nur effektiv sein, wenn das theoretische und das praktische Wissen bereits vorhanden sind [28]. In den von uns vorgestellten Beispielen lag dieses Wissen bei den Teilnehmern vor – zum einen aufgrund der Kurse, die dem Training vorgeschaltet waren (80 h Notfallmedizin-Kurs der Ärztekammern), zum anderen aufgrund der curricularen Ausbildung der Weiterbildungsassistenten in unserer Klinik [29].

Fazit

Zwischenfälle im Bereich der Notfallmedizin beruhen häufig auf menschlichem Versagen. Obwohl bewährte Konzepte existieren, finden Simulations-Team-Trainings in der Aus- und Weiterbildung aber viel zu selten oder gar nicht statt. Wie wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt haben, tragen Simulationstrainings aber zu einer besseren Patientenversorgung und einer Erhöhung der Patientensicherheit bei. Trotz der Kosten, müssen Team-Simulationstrainings selbstverständlich zur regelmäßigen Ausbildung in der Akutmedizin gehören.