Das Genom der Influenza-A-Viren besteht aus 8 RNS-Segmenten, die die genetische Information für 9 Strukturproteine und 2 Nichtstrukturproteine enthalten (Tab. 1). Die Segmentierung ermöglicht den leichten Genaustausch zwischen verschiedenen Viren (Reassortierung). Die Viren weisen darüber hinaus eine hohe Mutationsfrequenz auf, die auf einer hohen Fehlerrate der viralen Polymerase beruht. Die Influenza-A-Viren zeichnen sich somit durch eine außergewöhnliche genetische Variabilität aus, die große Unterschiede in Wirtsbereich, Epidemiologie und Pathogenität zur Folge hat und letztlich Überwachung, Impfprophylaxe und therapeutische Intervention immer wieder vor erhebliche Herausforderungen stellt.

Tab. 1 Genom und Genprodukte von Influenza-A-Viren

Ökologie

Die Vielfalt der Influenza-A-Viren kommt am deutlichsten durch die große Zahl der Hämagglutinin (HA)- und Neuraminidase (NA)-Subtypen (H1–H17, N1–N9) zum Ausdruck. Während bei Mensch, Schwein, Pferd und einer Reihe anderer Säuger bislang nur ein Teil dieser Subtypen beobachtet wurde, findet man bei Vögeln fast das gesamte Spektrum. In der Tat können wir heute davon ausgehen, dass Wasservögel (Gans, Ente, Möwe) die natürlichen Wirte der Influenza-A-Viren sind. Mehr als 100 verschiedene HA-und NA-Kombinationen wurden in diesen Tieren entdeckt [1, 2].

Die meisten aviären Influenzaviren rufen in ihren natürlichen Wirtsspezies keine oder nur milde Krankheitssymptome hervor. Diese niedrig pathogenen Viren müssen von den hoch pathogenen aviären Influenzaviren, herkömmlicherweise auch als Geflügelpestviren bezeichnet, unterschieden werden. Hierbei handelt es sich um Viren der Subtypen H5 und H7, die bei experimentell infizierten Hühnern eine Letalitätsrate von mindestens 75% zeigen und als wichtigsten molekularen Pathogenitätsmarker ein Hämagglutinin mit einer multibasischen Spaltstelle (s. unten) besitzen. Im Gegensatz zur lokalen Infektion der apathogenen aviären Viren, die sich in der Regel auf den Respirations- bzw. den Verdauungstrakt beschränkt, führen die hoch pathogenen Viren zu einer systemischen Infektion. Die hoch pathogenen Erreger entstehen, wenn niedrig pathogene Viren der Subtypen H5 und H7 von Wasservögeln auf Hühner übertragen werden und dann im neuen Wirt mutieren. In der Regel kommen hoch pathogene Viren natürlicherweise nicht bei Wasservögeln vor, jedoch scheint es vor einigen Jahren zu einer Rückübertragung von H5N1-Viren von Hühnern auf Wassergeflügel gekommen zu sein [3].

Dass die Wirtsbarriere kein unüberwindbares Hindernis darstellt, kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass Influenza-A-Viren nicht nur zwischen verschiedenen Vogelspezies, sondern auch von Vögeln auf Säuger übertragen werden. Meistens sind diese Übertragungen transient, sodass der Ausbruch nach kurzer Zeit wieder erlischt. In seltenen Fällen kommt es jedoch zur Adaption an den neuen Wirt und zur Bildung einer neuen Viruslinie. Die Adaption beruht auf zahlreichen Mutationsvorgängen sowie auf dem Genaustausch mit anderen Influenzaviren.

Obwohl die direkte Transmission von Influenza-A-Viren von Wassergeflügel auf den Menschen vorkommt (s. unten), geht man davon aus, dass in der Regel anderen Tierspezies eine wichtige Rolle als Zwischenwirt zukommt. So gibt es Hinweise dafür, dass Viren, die aus Enten stammen, Rezeptorspezifität für menschliche Zellen erwerben, wenn sie sich in Hühnern oder Wachteln als Zwischenwirte vermehren [4]. Diese Viren sind dann in der Lage, menschliches Gewebe zu infizieren. Durch weitere Mutationen oder durch Genaustausch mit einem menschlichen Virus wird die Vermehrungsfähigkeit im Menschen schließlich optimiert. Ein anderer Zwischenwirt könnte das Schwein sein, in dem aviäre Viren wiederum Mutationen im Hämagglutinin und evtl. auch in den internen Proteinen erwerben, die die Übertragung auf den Menschen erleichtern. Alternativ könnte das Schwein als Mischgefäß dienen, in dem es zur Genreassortierung zwischen menschlichen und aviären Viren und so zur Bildung eines neuen menschlichen Virus kommt [5]. Jeder dieser Wege kann zu einem Virus mit neuen Oberflächenglykoproteinen und damit einer deutlich veränderten Antigenität führen.

Epidemiologie

Wenn ein Virus, das einen derartigen Antigensprung (Antigenshift) durchlaufen hat, beim Menschen stabile Infektionsketten ausbilden kann, kommt es zur Pandemie. Die epidemischen Influenza-A-Viren entstehen dagegen aus den pandemischen Viren durch Antigenverschiebung (Antigendrift), die auf Punktmutationen im Hämagglutinin und in der Neuraminidase beruht. Man vermutet, dass es in den vergangenen 500 Jahren mindestens 14 Pandemien gegeben hat, von denen die letzten 5 wissenschaftlich gut erfasst sind [6]. Die Epidemien unterscheiden sich von den Pandemien in der Regel durch eine geringere Krankenzahl und mildere Verlaufsform, nicht jedoch in ihrer weltweiten Ausbreitung. Entscheidendes Kriterium für die Differenzierung von pandemischen und epidemischen Influenzaviren ist somit immer der entweder zum Antigenshift oder zum Antigendrift führende Mechanismus der Antigenveränderung.

Die Spanische Grippe (H1N1)

Diese Pandemie war der schwerste Seuchenausbruch überhaupt, der bislang die Menschheit in einer relativ kurzen Zeitspanne heimsuchte. Ausgangspunkt waren vermutlich die USA, wo die ersten Krankheitsfälle im Frühjahr 1918 beobachtet wurden. Von dort breitete sich die Pandemie innerhalb der nächsten 12 Monate in 3 Wellen über den ganzen Globus aus. Weltweit forderte die Pandemie 50 Mio. Todesopfer. Vor wenigen Jahren ist es gelungen, mithilfe gentechnischer Methoden den Erreger der Spanischen Grippe aus archiviertem Gewebe Verstorbener zu rekonstruieren. Untersuchungen an diesem Virus zeigten, dass es vermutlich ohne Genreassortierung direkt oder auf dem Umweg über das Schwein auf den Menschen übertragen wurde [7]. Weiterhin konnte nachgewiesen werden, dass HA [8, 9, 10], der Polymerasekomplex [11, 12] und PB1-F2 [13] wesentlich zur Pathogenität beitragen und dass HA und PB2 eine wichtige Rolle bei der Transmissibilität des Erregers spielen. Eine Überreaktion des angeborenen Immunsystems, die in Tierexperimenten beobachtet wurde, könnte ebenfalls pathogenetische Bedeutung haben [14].

Die Asiatische Grippe (H2N2)

Diese Pandemie begann Anfang 1957 in Südchina und breitete sich dann über andere Teile Ostasiens nach Nordamerika und Europa aus, die im Herbst erreicht wurden. Der Erreger war aus dem H1N1-Virus der vorhergehenden Jahre durch Austausch der HA, NA und PB1-Gene mit einem aviären Virus entstanden [15, 16]. Mit weltweit einer Million Toten war das H2N2-Virus deutlich weniger pathogen als das Virus von 1918. Da H2N2-Viren seit mehr als 4 Jahrzehnten nicht mehr beim Menschen aufgetreten sind, kann man davon ausgehen, dass der größte Teil der Weltbevölkerung bei einem erneuten Ausbruch dem Virus ungeschützt ausgeliefert sein wird. H2N2-Viren haben deswegen ein erhebliches pandemisches Potenzial (Tab. 2).

Tab. 2 Influenza-A-Viren mit pandemischem Potenzial

Die Hongkong-Grippe (H3N2)

Das Virus wurde zuerst im Juli 1968 in Hongkong isoliert. In den folgenden 2 Wintern erreichte die Pandemie ihre Höhepunkte. Das H3N2-Virus ging wiederum aus einer Genreassortierung zwischen dem vorhergehenden H2N2-Virus und aviären Viren hervor, die das HA- und das PB1-Gen lieferten [15, 16]. Hinsichtlich der Mortalität war die Hongkong-Pandemie wie ihre Vorläuferin relativ mild. H3N2-Viren haben sich beim Menschen fest etabliert und führen immer noch regelmäßig zu Epidemien.

Die Russische Grippe (H1N1)

1977 führte ein mit dem Erreger der Spanischen Grippe verwandtes H1N1-Virus zu einer Pandemie [17, 18]. Betroffen waren primär die Altersgruppen < 26 Jahre aufgrund fehlender Antikörperspiegel. Der Erreger kozirkulierte bis 2009 mit den H3N2-Viren.

Der Ausbruch von 1946 bis 1947 (H1N1)

Ein vergleichender Überblick über die Ausbrüche von 1918, 1957, 1968 und 1977 legte die Schlussfolgerung nahe, dass Pandemien nur dann entstehen, wenn ein neuer Virussubtyp in der menschlichen Bevölkerung auftaucht. Dabei wurde oft übersehen, dass zumindest in der Theorie ein pandemisches Virus durchaus demselben Subtyp wie das bislang zirkulierende angehören kann, wenn es sich von diesem in seiner Antigenität deutlich unterscheidet. In der Tat hielt man den Influenzaausbruch der Jahre 1946 und 1947 ursprünglich für eine Pandemie, da man keine serologische Kreuzreaktion zwischen dem neuen Erreger und den Viren der vorhergehenden Jahre beobachtete. Auch schützte die Impfung gegen diese Viren nicht vor dem neuen Erreger. Das Virus der Jahre 1946–1947 verlor jedoch seinen pandemischen Status, nachdem später gezeigt wurde, dass es wie seine Vorläufer dem Subtyp H1N1 angehörte. Erst neuere Untersuchungen, in denen Virusisolate aus den Jahren 1943 und 1947 in detaillierten Sequenz- und Antigenitätsanalysen miteinander verglichen wurden, wiesen deutliche strukturelle und antigene Unterschiede vor allem beim HA beider Viren [19] auf. Diese Befunde zeigten, dass es sich bei beiden Viren nicht um Antigendriftvarianten handelte.

Die Schweinegrippe 2009 (H1N1)

Das Konzept, dass eine Pandemie nicht notwendigerweise durch einen neuen Virussubtyp hervorgerufen werden muss, wird schließlich durch den Ausbruch des Jahres 2009 bestätigt, dessen Ursache ein vermutlich vom Schwein stammendes H1N1-Virus ist. Das Virus wurde zuerst im Februar 2009 in Mexiko beobachtet und breitete sich innerhalb der nächsten 6 Monate über den ganzen Globus aus. Die Pandemie zeichnete sich durch einen relativ milden Krankheitsverlauf aus. Der Erreger entstand durch Genreassortierung von H3N2- und H1N1-Viren und deren Reassortanten, die in Nordamerika bei Schweinen zirkulieren, mit einem eurasischen Schweinevirus vom Subtyp H1N1. Die PB2- und PA-Gene stammen von nordamerikanischen aviären Viren, das PB1-Gen von einem menschlichen H3N2-Virus, die HA-, NP- und NS-Gene vom klassischen H1N1-Schweinevirus und die NA- und M-Gene von dem eurasischen H1N1-Schweinevirus [20]. Das neue Virus hat die vor 2009 zirkulierenden H1N1-Viren verdrängt und jetzt ebenfalls die Eigenschaften eines epidemischen Virus angenommen.

Aviäre Influenzaviren beim Menschen

Lange Zeit nahm man an, dass aviäre Influenzaviren keine Humanpathogenität besitzen. In den vergangenen Jahren hat man jedoch beim Menschen Infektionen mit Viren der Subtypen H5 und H7 sowie mit H9N2-Viren beobachtet, die oft mit schwerer Krankheit einhergingen. Bislang hat sich keines dieser Viren an den Menschen angepasst. Allerdings geht von den Erregern ein erhebliches pandemisches Risiko aus, da der Mensch ihnen bislang nicht ausgesetzt war und somit immunologisch naiv ist (Tab. 2).

H5N1-Viren

Die Übertragung hoch pathogener aviärer H5N1-Viren auf den Menschen wurde zuerst während eines epizootischen Ausbruchs in Hongkong im Jahr 1997 beobachtet, als 18 Personen mit klassischen Grippesymptomen erkrankten. Sechs dieser Patienten verstarben. Das Virus, das von infizierten Hühnern auf den Menschen übertragen wurde, war verwandt mit einem H5N1-Virus, das bereits 1996 bei Gänsen isoliert wurde [21, 22]. Ähnliche H5N1-Viren zirkulierten zwischen 1997 und 2001 bei Vögeln in Südchina, ohne dass es zu menschlichen Übertragungen kam [23, 24]. Das änderte sich 2003. Seitdem werden in Vietnam, Thailand, Indonesien, China und anderen Ländern Asiens immer wieder schwere H5N1-Ausbrüche bei Geflügel mit sporadischen Infektionen beim Menschen beobachtet. Vergleichende Untersuchungen zeigten, dass es sich bei den Erregern um zahlreiche durch Genaustausch entstandene Varianten handelte, die alle das Hämagglutinin des im Jahr 1996 isolierten H5N1-Virus besitzen [25, 26]. Die Klassifizierung der H5N1-Viren basiert deswegen ausschließlich auf der HA-Phylogenie und umfasst derzeit ca. 20 Kladen bzw. Subkladen. Weiterhin konnte nachgewiesen werden, dass Hausenten und Hühner in Südchina vermutlich eine entscheidende Rolle bei der Entstehung dieser Viren spielten und Wildvögel für ihre weite Verbreitung verantwortlich waren [27]. Die Bedeutung von Zugvögeln wurde besonders deutlich, als sich das Virus nach einem Ausbruch in einem Vogelschutzgebiet im Nordwesten Chinas im Frühjahr 2005 innerhalb weniger Monate über Sibirien nach Europa und Afrika ausbreitete [28]. Nicht ausgeschlossen werden kann allerdings, dass auch der internationale Geflügelhandel zu dieser massiven Verbreitung beitrug [3]. Das Virus scheint zumindest in Indonesien und Ägypten enzootisch geworden zu sein. In beiden Ländern kommt es deswegen derzeit gehäuft zu menschlichen Infektionen. Kürzlich wurden unter experimentellen Bedingungen H5N1-Reassortanten gewonnen, mit denen Frettchen auf dem Luftwege infiziert werden konnten [29, 30]. Obwohl sich die Infektionen durch relativ milden Verlauf auszeichneten, haben diese Untersuchungen zu Recht erhebliches Aufsehen erregt, da hier zum ersten Mal gezeigt werden konnte, dass H5N1-Viren grundsätzlich zur aerogenen Übertragung befähigt sind, und damit ein weiterer wichtiger Hinweis auf ihr pandemisches Potenzial geliefert wurde.

H7N7-Viren

Die Übertragung hoch pathogener H7N7-Viren auf den Menschen wurde ebenfalls beobachtet. So kam es 2003 in den Niederlanden bei einem Geflügelausbruch zu zahlreichen menschlichen Infektionen. In 83 Fällen handelte es sich um eine relativ milde grippeähnliche Symptomatik mit Konjunktivitis. Einer der Patienten erkrankte jedoch an einer schweren Pneumonie, der er schließlich erlag. Seroepidemiologische Untersuchungen ergaben, dass es darüber hinaus eine große Zahl klinisch unauffälliger Infektionen und vermutlich auch Übertragungen von Mensch zu Mensch gab [31, 32].

H9N2-Viren

1999 und 2003 wurden auch H9N2-Infektionen beim Menschen beobachtet [33, 34]. Eines dieser Viren zeigte Verwandtschaft mit dem H5N1-Virus des Jahres 1997. H9N2-Viren treten in weiten Teilen Europas und Asiens enzootisch auf [35].

Determinanten von Pathogenität, Wirtsspezifität und Transmissibilität

Die Infektionsbiologie der Influenzaviren wird durch zahlreiche Schlüsselfaktoren bestimmt, zu denen Vermehrungseffizienz, Gewebstropismus, Infektionsausbreitung und Empfindlichkeit gegenüber den Abwehrmechanismen des Wirts gehören. So sind der Immunstatus der menschlichen Bevölkerung und das Ausmaß der Antigenunterschiede zwischen den verschiedenen Erregern wesentliche Ursachen dafür, dass neue pandemische Viren in der Regel zu schwereren Verlaufsformen führen als interpandemische Erreger. In jeder Phase des Vermehrungszyklus gehen die verschiedenen Virusproteine spezifische Wechselwirkungen mit Wirtsfaktoren ein, z. B. mit Zellrezeptoren, Kernproteinen und Proteasen. Pathogenität, Wirtsspezifität und Transmissibilität der Influenzaviren beruhen letztlich auf diesen Wechselwirkungen [36]. Die wichtigsten Virusdeterminanten sind dabei Polymerase, Hämagglutinin und NS1-Protein, die im Folgenden näher beleuchtet werden sollen.

Hämagglutinin

Das Hämagglutinin, das die Infektion durch Rezeptorbindung und Membranfusion initiiert, ist eine wichtige Wirtsbereichs- und Pathogenitätsdeterminante. Außerdem scheinen es auch in erster Linie Eigenschaften des Hämagglutinins zu sein, die darüber entscheiden, ob die Viren aerogen oder fäkal-oral übertragen werden.

Rezeptorspezifität

Seit Langem weiß man, dass sich die Rezeptoren der Influenzaviren durch wirtsspezifische Unterschiede auszeichnen. So handelt es sich beim Rezeptor im Darmepithel der Ente um N-Acetyl-Neuraminsäure (Neu5Ac), die in α2-3-Stellung an Galactose gebunden ist. Das Hämagglutinin aviärer Influenzaviren bindet deswegen spezifisch an Neu5Acα2-3Gal. Im menschlichen Bronchialepithel überwiegt dagegen die α2-6-Bindung. Der Rezeptor der menschlichen Influenzaviren ist deswegen Neu5Acα2-6Gal. Für die Adaption eines aviären Virus an den Menschen ist somit eine Änderung der Rezeptorspezifität des HA notwendig. In der Tat hat man bei den pandemischen Viren der Jahre 1918, 1957 und 1968 einen derartigen Spezifitätswechsel sowie die damit verbundenen Mutationen in der Rezeptorbindungsstelle des Hämagglutinins nachgewiesen [37].

Zunehmend zeichnet sich ab, dass die Rezeptorspezifität auch eine wichtige Rolle bei der Pathogenität und Transmissibilität spielt. Untersuchungen an Kulturen differenzierter menschlicher Bronchialzellen haben zunächst gezeigt, dass der menschliche Respirationstrakt nicht nur Neu5Acα2-6Gal-, sondern auch Neu5Acα2-3Gal-Rezeptoren enthält und somit grundsätzlich auch der Infektion mit aviären Viren zugänglich ist [38]. Später fand man, dass die Neu5Acα2-3Gal-Rezeptoren auf Bronchial- und Alveolarepithelien beschränkt sind, während in den oberen Luftwegen Neu5Acα2-6Gal-Rezeptoren überwiegen [39]. Die Bildung geringer Virusmengen im Nasen-Rachen-Raum könnte eine der Ursachen dafür sein, dass sich aviäre Viren der aerogenen Übertragung beim Menschen entziehen. Umgekehrt sollte aber die Konzentration der Neu5Acα2-3Gal-Rezeptoren in den unteren Luftwegen die Vermehrung dieser Viren in der Lunge begünstigen und damit ihre hohe Pathogenität beim Menschen begründen [40]. Darüber hinaus konnte man während der H1N1-Pandemie bei besonders schweren Fällen gehäuft Viren mit einer Hämagglutininmutation (D222G) isolieren, die zu einer gesteigerten Bindung an Neu5Acα2-3Gal-Rezeptoren führte [41]. Alle diese Befunde deuten darauf hin, dass die Rezeptorspezifität des Hämagglutinins eine wichtige Pathogenitätsdeterminante ist.

Proteolytische Aktivierung

Die Fusionsfähigkeit des Hämagglutinins wird durch proteolytische Spaltung aktiviert. Bei den Aktivierungsproteasen handelt es sich in der Regel um zelluläre Enzyme. Die proteolytische Spaltung des Hämagglutinins ist vor allem bei den aviären Influenzaviren die Hauptdeterminante der Pathogenität.

Das Hämagglutinin der Influenzaviren der Säuger und der niedrig pathogenen aviären Influenzaviren wird an einer monobasischen Spaltstelle durch spezifische Proteasen des Respirations- oder Intestinaltrakts aktiviert. Typische Vertreter sind die Serinproteasen HAT und TMPRSS2, die in respiratorischen Epithelien des Menschen identifiziert wurden [42]. Bei diesen Proteasen handelt es sich um membrangebundene Enzyme. TMPRSS2 spaltet neu gebildetes Hämagglutinin bei der Passage durch den Golgi-Apparat, während HAT an der Zelloberfläche beim Knospungsprozess und beim Viruseintritt in die Zelle spaltet [43]. Das lange favorisierte Konzept, dass Viren mit monobasischer Hämagglutininspaltstelle durch sezernierte Proteasen außerhalb der Zelle aktiviert werden, muss somit revidiert werden. Bakterielle Proteasen können ebenfalls an monobasischen Spaltstellen aktivieren und deswegen zur Pathogenitätssteigerung bei bakteriellen Koinfektionen beitragen [44].

Hoch pathogene aviäre Influenzaviren werden durch einen anderen Mechanismus aktiviert. Ihre Hämagglutinine werden an multibasischen Spaltstellen der Konsensussequenz R-X-K/R-R oder R-X-X-R durch Furin oder PC 5/6 aktiviert, die beide zur Familie der Subtilisin-ähnlichen Serinproteasen gehören. Die Spaltung erfolgt ähnlich wie bei TMPRSS2 intrazellulär. Da Furin in praktisch allen Zellen exprimiert wird, können diese Viren sich systemisch ausbreiten, eine wesentliche Voraussetzung für ihre hohe Pathogenität. Hoch pathogene aviäre Influenzaviren, die die seltene Spaltsequenz K-K-K-R besitzen, werden durch die Protease TMPRSS13 aktiviert [36, 45].

Die hoch pathogenen aviären Influenzaviren entstehen durch Insertion der multibasischen Spaltstelle in das Hämagglutinin apathogener Vorläuferviren. Rekombination mit anderen viralen Gensegmenten und zellulärer mRNS sowie Polymerasestottern wurden als Insertionsmechanismen identifiziert [45]. Warum die Insertionen in der Natur nur bei Viren der Subtypen H5 und H7 auftreten, ist unklar. Hohe Spaltbarkeit wurde auch beobachtet, wenn eine multibasische Spaltstelle auf rekombinantem Weg in Hämagglutinine anderer Subtypen inseriert wurde, und Viren mit derartigen Hämagglutininen waren zumindest in einigen Fällen bei Hühnern hoch pathogen [46]. Diese Beobachtungen lassen vermuten, dass die Beschränkung der hoch pathogenen aviären Influenzaviren auf die Subtypen H5 und H7 nicht auf der Proteinstruktur des Hämagglutinins beruht, sondern dass die Ursachen eher auf RNS-Ebene zu suchen sind.

Die proteolytische Spaltung des Hämagglutinins scheint auch bei den Influenzaviren der Säuger eine gewisse pathogenetische Bedeutung zu haben, allerdings ist die Rolle hier weniger klar als bei den aviären Viren. So besitzen die H7N7-Viren der Pferde eine multibasische Spaltstelle, unterscheiden sich jedoch in ihrer Pathogenität nicht wesentlich von equinen Viren mit monobasischer Spaltstelle. Andererseits konnte gezeigt werden, dass der multibasischen Spaltstelle bei H5N1-Infektionen im Säuger die Rolle eines Virulenzfaktors zukommt, dass aber ihr Beitrag zur Pathogenität bei verschiedenen Wirtsspezies variiert [47].

Während in der Natur die hoch pathogenen aviären Viren immer von apathogenen Vorläufern abzustammen scheinen, kann auf gentechnischem Wege in umgekehrter Richtung die Pathogenität durch Modifikation der Spaltstelle reduziert werden. So führt der Austausch der multibasischen Spaltstelle durch ein einzelnes Arginin zu attenuierten H5N1-Viren, die für die Herstellung von inaktivierten Impfstoffen verwendet werden. Proteaseaktivierungsmutanten, die durch Elastase gespalten werden, sind noch weniger pathogen und eignen sich so als Lebendvakzine [45].

Glykosylierung

N-Glycane auf den Kopfdomänen von Hämagglutinin und Neuraminidase haben die Fähigkeit, Collectine zu binden, lektinartige Substanzen, die im Sekret des Respirationstraktes sowie im Blut vorkommen. Sie neutralisieren das Virus durch sterische Hinderung der Rezeptorbindungsstelle des Hämagglutinins, Blockierung der enzymatischen Aktivität der Neuraminidase, Aggregation von Viruspartikeln sowie durch Komplementaktivierung. Virusvarianten mit reduzierter N-Glykosylierung sind resistenter gegenüber der Collectin-Hemmung und weisen höhere Mäusepathogenität als glykosylierte Viren auf. Außerdem zeichnen sich die Hämagglutinine der pandemischen Viren der Jahre 1918, 1957, 1968 und 2009 durch geringgradige N-Glykosylierung aus. Dagegen nahm die Zahl der N-Glykane und somit der Collectin-Bindungsstellen während der postpandemischen Perioden zu. Versuche mit rekombinanten Viren zeigten wiederum, dass die Zunahme der Glykane mit einer Verminderung der Pathogenität einherging [48]. Diese Beobachtungen weisen darauf hin, dass ein niedriger Glykosylierungsgrad und eine erhöhte Resistenz gegenüber der Neutralisierung durch Collectine zur erhöhten Pathogenität pandemischer Viren beitragen.

Hitze- und pH-Stabilität

Die Fusionsaktivität der Influenzaviren beruht nicht nur auf der proteolytischen Aktivierung, sondern auch auf einer irreversiblen Konformationsänderung des Hämagglutinins, die vom pH und von der Temperatur abhängt [49]. Viren, die die oberen und die tieferen Stockwerke des Respirationstraktes besiedeln und damit in ihrer Pathogenität variieren, unterscheiden sich deswegen sowohl in den Temperaturoptima als auch in den pH-Optima ihrer Hämagglutinine [50].

Die Transmissibilität der Influenzaviren scheint durch ähnliche Faktoren determiniert zu werden. Studien, in denen H5N1-Viren an Frettchen adaptiert wurden, haben kürzlich gezeigt, dass mutationsbedingte Veränderungen der Rezeptorspezifität, der Glykosylierung sowie des pH-Optimums des Hämagglutinins zur aerogenen Transmissibilität des Virus führen [29, 30].

Polymerase

Die Replikation und Transkription des Virusgenoms durch die Polymerase erfolgt im Zellkern. Die Effizienz der Polymerase hängt somit zu einem großen Teil von ihrer Fähigkeit ab, durch die Kernmembran zu wandern, und die Überwindung dieser Barriere determiniert sowohl die Wirtsspezifität als auch die Pathogenität und Transmissibilität.

So wurde eine Reihe spezifischer Polymerasemutationen identifiziert, die eine wichtige Rolle bei der Adaption aviärer Viren an Säuger spielen. An erster Stelle ist hier ein Aminosäureaustausch in Position 627 der PB2-Untereinheit der Polymerase zu nennen, der sehr häufig nach der Übertragung eines aviären Virus auf die Maus auftritt und dann mit einer Pathogenitätssteigerung im neuen Wirt einhergeht. Auch bei zahlreichen menschlichen H5N1-Isolaten wurde diese Mutation beobachtet. Andere adaptive Mutationen treten an den Positionen 701 und 591 von PB2 auf [36].

Man geht davon aus, dass diese adaptiven Mutationen in der Regel die Interaktion der Polymerase mit Wirtsfaktoren optimieren. Unter der Vielzahl der an der Virusreplikation beteiligten Wirtsfaktoren, die in den letzten Jahren identifiziert wurden [51, 52], finden sich auch solche, die eine wichtige Rolle beim Kerntransport spielen. So ist die Bindung an den Wirtsfaktor Importin α für die Einschleusung des PB2-Proteins durch die Kernpore verantwortlich. Essenziell für die Bindung ist ein Kernlokalisierungssignal des PB2-Proteins, dessen Exposition in der Säugerzelle durch die bereits erwähnte adaptive Mutation in Position 701 erleichtert wird [53].

NS1

NS1 ist ein multifunktionelles Protein, das ein hohes Maß an struktureller Variabilität zeigt. Es moduliert verschiedene Schritte im Vermehrungszyklus, so z. B. die virale RNS-Replikation und die virale Proteinsynthese. In erster Linie hemmt es jedoch die angeborene Immunantwort des Wirts durch Blockade der RIG-I-abhängigen Interferonproduktion sowie der Synthese und der antiviralen Effekte Interferon-stimulierter Proteine, wie z. B. der RNS-abhängigen Proteinkinase R (PKR), der 2’5’-Oligoadenylatsynthetase (OAS) und der Mx-Proteine. Alle diese Mechanismen haben pathogenetische Bedeutung. Beim Interferonantagonismus wirken verschiedene Domänen des NS1-Proteins zusammen. Dazu gehören eine aminoterminale RNS-Bindungsstelle, die die RIG-I-Signalkaskade kontrolliert, sowie eine Bindungsstelle für CPSF30, ein zelluläres Protein, das für die Prozessierung von mRNS benötigt wird. Das carboxyterminale Ende ist für die Dimerisierung von NS1 verantwortlich, die wiederum Voraussetzung für die RNS-Bindung ist. Modulationen aller dieser Domänen verändern die Pathogenität [54].

Eine weitere wichtige Eigenschaft von pathogenetischer Bedeutung beruht auf der Fähigkeit von NS1, Proteine mit PDZ-Domänen zu binden [55, 56]. Welche Rolle PDZ-Proteine bei der Pathogenität von Influenzaviren spielen, ist noch unklar. Bekannt ist jedoch, dass derartige Proteine Bestandteil zahlreicher zellulärer Signalkaskaden sind, die Tight-Junction-Bildung, Zellpolarität und Apoptose kontrollieren, und dass die Störung dieser Funktionen der Replikation und der Ausbreitung von Viren förderlich ist [57].

NS1 hat schließlich auch regulatorische Funktionen bei der Apoptose, mit der viele Zellen auf die Infektion mit Influenzaviren reagieren. Sowohl antiapoptotische als auch proapoptotische Effekte wurden beobachtet, wobei NS1 die Apoptose in den frühen Stadien des Replikationszyklus unterdrückt [58], in den späten Phasen dagegen induziert [59]. NS1 fördert auf diese Weise vermutlich die Virusvermehrung, indem es durch Reduktion der Apoptose zunächst die Effizienz der viralen RNS- und Proteinsynthese steigert, während die erhöhte Apoptose anschließend zur Virusreifung und zur Elimination der geschädigten Zellen beiträgt.

Fazit

Die Pandemie von 2009 hat einige Hypothesen und Vorhersagen der Influenzavirologen bestätigt, wohingegen andere korrigiert werden müssen. So nahm man lange Zeit an, dass H5N1-Viren aufgrund ihrer Ausbreitung über weite Teile des Globus und ihrer Fähigkeit, von Vögeln auf den Menschen übertragen zu werden, die nächste Pandemie verursachen werden. Auch wenn dem nicht so war, hat die jetzt nachgewiesene aerogene Übertragbarkeit bei Frettchen das pandemische Potenzial der H5N1-Viren noch einmal unterstrichen.

Umso überraschender war es, dass dann 2009 ein H1N1-Virus eine Pandemie auslöste. Der Nachweis, dass dieses Virus vermutlich durch Genaustausch im Schwein entstand, ist ein weiterer Beleg für die alte Hypothese vom Schwein als dem Mischgefäß, in dem neue menschliche Influenza-A-Viren entstehen. Auf der anderen Seite kann das Dogma nicht länger aufrechterhalten werden, dass nur das Auftreten eines neuen Subtyps beim Menschen Voraussetzung für eine Pandemie ist. Auch muss daran erinnert werden, dass bislang alle humanpathogenen Influenza-A-Viren nur die Subtypen H1, H2, und H3 sowie N1 und N2 enthielten. Die Frage, ob alle 17 HA- und 9 NA-Subtypen in der Lage sind, menschliche Viren zu bilden, bleibt deswegen offen.

Die Fixierung auf H5N1-Viren führte schließlich dazu, das die bei der letzten Pandemie verfolgten Impfstrategien, auf die hier nicht näher eingegangen wurde, sich im Wesentlichen auf Erfahrungen mit diesen Viren stützten. Der aktuellen H1N1-Situation wurden sie nur bedingt gerecht. Pandemiepläne sollten deswegen so flexibel sein, dass auch auf Unerwartetes angemessen reagiert werden kann.