Liebe Leserin, lieber Leser,

Legionellen und die durch sie verursachten Erkrankungen stehen im Fokus der Trinkwasserhygiene in Gebäuden. In den USA sind Legionellen mittlerweile die häufigsten Erreger wasserbedingter Ausbrüche. Auch in Deutschland gelten Legionellen als einer der wichtigsten wasserbedingten Infektionserreger mit erheblicher Bedeutung für die öffentliche Gesundheit. Der Übertragungsweg für diese Infektionen verläuft nicht von Mensch zu Mensch, sondern überwiegend über erwärmtes Wasser.

Das Risiko durch eine Legionellenkontamination der Trinkwasserinstallation in Gebäuden ist ebenso unbestritten wie die Tatsache, dass durch kontaminierte Wassersysteme Erkrankungen beim Menschen auftreten können. Unterschiedliche Auffassungen bestehen dagegen hinsichtlich der besten Strategien zur Verhinderung von Legionelleninfektionen insbesondere im Krankenhaus: Wo sollte prioritär investiert werden – in die intensivere Überwachung der Trinkwasserinstallation auf das Vorkommen von Legionellen und in die Sanierung der Trinkwasserinstallation im Gebäude, in die Bereitstellung sterilisierten Wassers für die Körperpflege im Kopfbereich von Risikopatienten, in endständige Filter in Risikobereichen, in bessere Diagnose und frühzeitigere Therapie bei Pneumonien? Selbstverständlich kann es keine einheitliche Antwort auf diese Fragen geben, die für alle Situationen gleichermaßen gilt. Vielmehr müssen situationsspezifische Gefährdungsanalysen zeigen, welche Maßnahmen sofort und welche mittelfristig angezeigt sind.

Angesichts der mehrjährigen Fachdiskussion über die richtige Strategie zur Vermeidung von Erkrankungen und Todesfällen durch Legionellen in Deutschland vor allem im Krankenhaus hatte das Bundesministerium für Gesundheit das Umweltbundesamt (UBA) gebeten, mit Beteiligung des Robert Koch-Institutes (RKI) ein Fachgespräch zu veranstalten, um die Klärung der Frage voranzubringen, wie Legionelleninfektionen am besten zu vermeiden seien. Dabei galt es, Experten mit unterschiedlichem Hintergrund und entsprechend unterschiedlicher Herangehensweise an das Legionellenproblem zusammenzubringen. Dieses Fachgespräch fand am 20. und 21. Oktober 2009 im Umweltbundesamt in Berlin statt – mit einer fachöffentlichen Vortragsveranstaltung und Podiumsdiskussion am ersten Tag und Workshops in kleinerem Kreis am Folgetag.

Besondere Aktualität erhält dieses Fachgespräch durch die am 26. November 2010 vom Bundesrat beschlossene Änderung der Trinkwasserverordnung. Danach haben Betreiber von Trinkwasser-Hausinstallationen bei gewerblicher Tätigkeit oder bei Abgabe von Wasser für die Öffentlichkeit die Pflicht zur regelmäßigen Untersuchung ihrer Anlagen auf Legionellen. Bei Überschreitung eines „technischen Maßnahmewertes“ von 100 Koloniebildenden Einheiten Legionellen in 100 Milliliter müssen eine Ortsbesichtigung und eine Gefährdungsanalyse erfolgen.

Mit dem vorliegenden Heft möchten wir den gegenwärtigen Stand zu dieser Problematik und die unterschiedlichen Sichtweisen darstellen. Neben den im Heft enthaltenen Beiträgen zu den meisten Vorträgen, die im Rahmen der Veranstaltung gehalten wurden, wird eine Übersicht gegeben zu den Fragen, zu denen Konsens gefunden wurde. Ferner werden die verbleibenden offenen Fragen und eine Beschreibung des Klärungsbedarfs dargestellt.

Die acht Vorträge präsentierten den Kenntnisstand zur Epidemiologie und Surveillance von Legionellenerkrankungen in der Bevölkerung, zur Bakteriologie und Ökologie der Legionellen und zu derzeitigen Präventionsstrategien – in Deutschland wie auch in Frankreich, den Niederlanden und den USA. Dabei verdeutlichen die Beiträge von Brodhun und Buchholz beziehungsweise von Baum und Lück die Zahlen zu Erkrankung und Todesfällen durch Legionellen: Die CAPNETZ-Studie zu ambulant erworbenen Lungenentzündungen (CAP, Community Acquired Pneumonia) weist auf jährlich rund 20.000 Erkrankungsfälle in Deutschland hin und damit auf eine erhebliche Untererfassung der gemäß Infektionsschutz dem RKI tatsächlich gemeldeten Erkrankungs- und Todesfälle. Die Erfahrungen des Konsiliarlaboratoriums für Legionellen zu ihrer komplizierten Ökologie und Pathogenität (siehe Beitrag Lück in diesem Heft) zeigen, dass in der weit überwiegenden Mehrzahl der bekannten Ausbrüche bestimmte Subtypen von Legionella-pneumophila-Serogruppe 1 beteiligt waren und dass die Bestimmung von „Pathogenitätsmarkern“ bei Legionellenstämmen im klinischen Bereich möglich ist, für Umweltproben verlässliche Marker jedoch weiterhin fehlen. Der Beitrag von Exner et al. fokussiert die Vermeidbarkeit von Legionelleninfektionen dahingehend, dass in Krankenhäusern ohne Nachweis von Legionellen im Wassersystem in der Regel auch keine nosokomialen Legionelleninfektionen zu beobachten sind, dass insbesondere durch ein geeignetes Temperaturregime im Warmwassersystem die Vermehrung von Legionellen vermieden werden kann und deshalb vorsorgliche Wasseruntersuchungen der Trinkwasserinstallation auf Legionellen unverzichtbar sind. Die Bewertung dieser Kontaminationen sollte nach DVGW-Arbeitsblatt W 551 erfolgen, in sensiblen Bereichen nach der UBA-Empfehlung von 2006. Der Beitrag von Gollnisch und Gollnisch verdeutlicht anhand der Beschreibung zahlreicher Beispiele technischer Fehler – bei der Planung, dem Betrieb und der Wartung –, dass Legionellenkontaminationen in Wasserverteilungsanlagen von Gebäuden, durch Sanierung und/oder Verbesserungen der Wartung und des Betriebes wirkungsvoll behoben werden können. Anhand umfangreicher Daten aus dem Gesundheitsamt Frankfurt am Main liefert der Beitrag von Hentschel und Heudorff die Evidenz dafür, dass bei Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik für Bau und Betrieb von Trinkwasserinstallationen der Legionellenbefall gering gehalten werden kann.

Für Frankreich berichtet der Beitrag Hartemann und Hautemaniere, dass der Fokus zunächst stark auf der Vermeidung von nosokomialen Infektionen und Infektionen durch Aerosole aus Kühltürmen lag und dass durch die Einführung gesetzlich verpflichtender Grenzwerte auch für Trinkwasser neue Epidemien verhindert sowie der Anteil nosokomialer Legionellosen an der Gesamtzahl aller gemeldeten Legionellosen von 20% auf 7% (gegenüber 14% in Deutschland) verringert wurde. Auch hier wurden Legionellenkonzentrationen in Wasserproben wie im deutschen Technischen Regelwerk und nach der Empfehlung des UBA von 2006 bewertet. In den Vereinigten Staaten (USA; Beitrag Stout, hier nicht publiziert) nahm die Inzidenz von Legionelleninfektionen in Krankenhäusern mit der Häufigkeit von Legionellenbefunden im Verteilungsnetz zu. Im Nachbarland Niederlande (Beitrag Versteegh, hier nicht publiziert) führte ein großer Legionelloseausbruch 1999 zu gesetzlichen Regelungen für Trinkwassersysteme, Schwimmbäder und Kühltürme. Diese fordern für jede Trinkwasseranlage die Durchführung einer Risikobewertung, die regelmäßige Untersuchung des Wassersystems auf Legionellen, die Führung eines Logbuchs, die Kontrolle der Trinkwasserinstallationen in Gebäuden auf die Einhaltung der technischen Regeln, die Meldung von Mängeln an die Behörden und einen jährlichen Bericht der Ergebnisse von Untersuchungen und epidemiologischen Auswertungen an das Parlament. Die geplante stärkere Eigenverantwortung der Gebäudebetreiber soll künftig mit höheren Strafen bei Nichteinhaltung der Vorschriften einhergehen.

Auch wenn nach wie vor viele der offenen Fragen nicht abschließend geklärt werden konnten, soll das vorliegende Heft einen Eindruck über die komplexe Problematik liefern und die Grundlage für weitere Diskussionen bilden. Wir gehen davon aus, dass diese Zusammenstellung dazu beiträgt zu überzeugen, dass Legionellenprävention machbar ist, auch dann, wenn noch nicht alle dafür wichtigen Fachfragen gut geklärt sind. Dazu steht das UBA im Sinne des § 40 Infektionsschutzgesetz und im Sinne der Regelungen der 2010 beschlossenen Neufassung der Trinkwasserverordnung. Wir hoffen auch, dass deutlich wurde, wie wichtig die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik bei Planung, Bau und Betrieb von Trinkwasserinstallationen in Gebäuden ist. Für uns ist das ein unverzichtbares Element zur Prophylaxe – im Sinne des gemeinsamen Ziels aller Beteiligten eines möglichst wirksamen Gesundheitsschutzes der Bevölkerung – im Krankenhaus wie im ambulanten Umfeld.

Dem Bundesministerium für Gesundheit möchten wir an dieser Stelle für die finanzielle Unterstützung zur Durchführung des Legionellen-Fachgespräches danken. Ihnen wünschen wir eine interessante Lektüre, angeregte Diskussionen und eine erfolgreiche Umsetzung der Legionellenprophylaxe.

Ihre

Ingrid Chorus

Benedikt Schaefer