Intensivmediziner sind in vielfacher Hinsicht mit dem Thema Transplantationsmedizin befasst. Dabei sind sie auch gezwungen, entsprechend der klinischen Situation verschiedene Perspektiven wahrzunehmen und damit umgehen zu können. Dies beginnt mit der Frage, ob ein Patient mit terminalem Organversagen ein Kandidat für eine Transplantation sein könnte, und reicht bis hin zur Frage, ob ein Patient für eine Organspende in Frage käme. Ein weiterer Themenkreis ist die intensivmedizinische Betreuung des Organspenders und die intensivmedizinische Therapie von transplantierten Patienten in der unmittelbar postoperativen Phase oder auch im chronischen Verlauf bei neu auftretenden Problemen. Es ist heutzutage nahezu undenkbar Intensivmedizin zu betreiben, ohne mit diesen Themen konfrontiert zu werden.

Der Themenschwerpunkt im der vorliegenden Ausgabe der Zeitschrift Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin widmet sich daher aus gutem Grund verschiedenen intensivmedizinischen Aspekten der Transplantationsmedizin. Im Wesentlichen befasst sich der Großteil der Beiträge mit Fragen zum intensivmedizinischen Management vor und nach einer Organtransplantation, ergänzt durch Beiträge zur Organisation der Transplantationsmedizin, sowie mit dem Thema der Angehörigenbetreuung von Organspendern. Die Frage, wie Transplantationsmedizin organisiert und nach den Prinzipien der Gerechtigkeit, Fairness und Transparenz realisiert wird, hat vor allem die Öffentlichkeit in Deutschland nach Bekanntwerden von Unregelmäßigkeiten in einigen deutschen Transplantationszentren besonders bewegt. Österreich blieb von solchen Problemen bisher unberührt, unterscheidet sich aber auch in anderer Hinsicht in grundlegenden Fragen der Organspende vom deutschen Nachbarn. Bekanntermaßen ist in Österreich die Widerspruchslösung rechtlich verankert, während in Deutschland eine Zustimmungslösung in Kraft ist. Trotz dieser aus Sicht der Organspende günstigeren Rechtslage ist auch in Österreich das Aufkommen an Organspendern rückläufig. Dies lässt sich nicht nur mit einer seit Jahren erfreulicherweise weiter sinkenden Zahl an Verkehrsopfern begründen, sondern spiegelt auch die Fortschritte der modernen Medizin und im Besondern der Intensivmedizin wieder.

Hinsichtlich Organspenden gilt in Österreich die Widerspruchslösung, während in Deutschland eine Zustimmungslösung in Kraft ist

Das sinkende Aufkommen an Organspendern hat auch international ein Thema wieder relevant werden lassen, das auf die Pionierzeiten der Transplantationsmedizin rückverweist. Die weltweite erste Herztransplantation (Christian Barnard 1967) beruhte auf einer Organentnahme nach Herzkreislaufstillstand und darauf folgendem sekundärem Hirntod des Spenders. Dieses Konzept der „Non-Heart Beating Donation“ oder „Donation after Cardiac Death“ wird international zunehmend neu aufgegriffen. Zweifellos ergeben sich dadurch auch neue, über die Diskussion zum Hirntod hinausgehende ethische Fragestellungen. In Österreich wurden daher 2013 „Empfehlungen zur Durchführung der Todesfeststellung bei einer geplanten Organentnahme nach Hirntod durch Kreislaufstillstand“ vom Verband der Intensivmedizinischen Gesellschaften Österreichs ausgearbeitet und als Empfehlung des Obersten Sanitätsrats publiziert (abrufbar unter www.fasim.at).

Der Themenschwerpunkt in diesem Heft befasst sich weniger mit diesen ethischen Fragen, sondern stellt das konkrete Management von betroffenen Patienten in den Vordergrund. Auf jeden Fall soll mit diesem Schwerpunkt der Zweck verfolgt werden, das Interesse und das Bewusstsein um diese unbestritten höchst bedeutsamen Aspekte der Transplantationsmedizin und Intensivmedizin erneut zu schärfen. Im Sinne der Patienten, deren alleinige Perspektive in einer Organtransplantation liegt, hoffen wir, dass die Artikel in dieser Ausgabe dazu beitragen mögen.

Prof. Dr. Andreas Valentin

Prof. Dr. Michael Buerke