Zusammenfassung
Aus mehr als 10000 stationären Patienten einer Heilanstalt konnten 55 Fälle echter Paranoia im Sinne systematisierter Wahnbildungen bei erhaltener Persönlichkeit ohne Halluzinationen untersucht werden. Im Vergleich mit 36 anderen Fällen, die zuerst als Paranoia diagnostiziert worden waren, sich dann aber als Krankheitsbilder anderer Atiologie erwiesen, ließen sich einige Punkte herausarbeiten, die dafür sprechen, daß wir in dieser Krankheit ein Beispiel einer Psychose vor uns haben, die weitgehend psychogen determiniert erscheint. Beginnend am Knick zur absteigenden Lebenslinie, ausgelöst durch Kränkungs- und Versagungserlebnisse, meist bezogen auf Personen, die eine große Rolle in der Intimsphäre spielen, entwickelt sich ein Wahnsystem, das fast in der Hälfte der Fälle, meist nach Änderung der auslösenden Situation, wieder abklingt. Die Einstellung zum Arzt ist meist positiv, die Generalisierungstendenz des Wahnes gering.
Die Bedingungen zur Psychose dürften in einer konstitutionellen oder erworbenen Ichschwäche (dem „degenerativen Charakter“ der descriptiven Psychiatrie entsprechend) liegen sowie in einer analen Fixierung.
Die Rorsehachbefunde von 22 Patienten sprechen gegen Schizophrenie.
Literatur
Allers, R.: Über psychogene Störungen in sprachfremder Umgebung. Z. Neur.60, 281–289 (1920).
Arnold, O. H.: Schizophrener Prozeß u. schizophren. Symptomgesetze. Wien 1955.
Barms, I. F. Lovel: Marriage, paranoia and paranoid states, Medical Press1954, 375–78.
Bonner, H.: The problem of diagnosis in paranoic Disorders, Amer. J. Psychiatry107, 677–683 (1951).
Federn, P.: Psychoanalysis of Psychoses, I. III., Psych. A. XVII., 1943.
Fenichel, O.: Psychoanalytic Theory of Neurosis, Ny, 1948 (Literaturverzeichnis).
Freud, S: Psychoanalytische Bemerkungen über einen autobiographisch beschriebenen Fall von Paranoia, Jb. f. Psychoanal, u. Psychotherapeutische Forschung, 3, 1911.
Friedmann, M.: Beiträge zur Lehre von der Paranoia, Mschr. Psychiatr.1905, 17.
Gaupp, A.: Der Fall Wagner, Springer1914, (1920).
Gaupp, A.: Der Fall Wagner, Z. Neur.60, 312 (1920).
Hartmann, H.: Bemerkungen zur Theorie der Sublimierung, Psyche X., 41–63, (1956).
Hoff, H.: Lehrbuch der Psychiatrie, Wien 1956.
Jaspers, K.: Allgemeine Psychopathologie, S. 514, Berlin: Springer 1948.
Kehrer, F, A.: Kritische Bemerkungen zum Paranoiaproblem. Nervenarzt22, 121–125 (1951).
Klein, Melanie: Notes on some schizoid mechanisms. Internat. J. of Psycho-Analysis27, 99 (1946).
Kleist, K.: Über Cycloide, paranoide u. epileptoide Psychosen. Schweiz. Arch. f. Neur.23, 3–37 (1928).
Kolle, Kurt: Der Wahnkranke im Lichte alter und neuer Psychopathologie, Stuttgart: Thieme 1957.
Kraepelin, E.: Psychiatrie, 8. Aufl., 4. Bd. 1915.
Kretschmer, E.: Der sensitive Beziehungswahn. Berlin: Springer 1918.
Kretschmer, E.: Psychologie und Psychotherapie der Paranoiker, Z. Psychother.1, 53–59 (1951).
Revitsch, Eugene: The problem of conjugal paranoia. Dis. Neur. Syst.15, 271–277 (1954).
Robertson, J. P. S.: Development of a true paranoia. Dis. Nerv. System15, 88–91 (1954).
Rümcke, E.: Was ist psychogen in der Neurose und was nicht. Zbl. Neur.108, 317 (1950).
Strotzka, H.: Versuch einer mediz. Psychologie der Einstellung, Wien. Arch. Neur., Psych.4, 1–6 (1952). Die Einstellung von Arzt. u. Pat. in der psychol. Bewegung. Z. Psychother.4, 74–79 (1954).
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Brodschöll, B., Strotzka, H. Statistische Untersuchungen zur Paranoiafrage. Arch. F. Psychiatr. U. Z. Neur. 196, 241–253 (1957). https://doi.org/10.1007/BF02039197
Received:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/BF02039197