Zusammenfassung
Die amerikanische Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik nach dem Ost-West-Konflikt kennzeichnet eine hohe Varianz. Unter welchen Bedingungen werden Verträge im nuklear(strategisch)en Bereich von den USA eher befördert oder verhindert? Wir argumentieren, dass erstens vor allem das Verhältnis Legislative-Exekutive die US-Position beeinflusst, dass aber zweitens, anders als die jüngere Literatur zur Vertragspolitik der USA annimmt, die Dominanz des Präsidenten nur selten durch den Senat durchbrochen werden kann. Diese Ergebnisse haben sowohl verfassungsrechtliche als auch politische Implikationen für die Rolle der USA in diesem Politikfeld und damit auch für die Chancen von global zero.
Abstract
There is a substantial variance in U.S. nuclear arms control and non-proliferation policy after the end of the Cold War. What are the conditions under which the U.S. pushes or blocks nuclear arms control treaties? We argue that on the one hand executive-legislative relations can best account for the variance, but on the other hand—despite a burgeoning literature on Senate influence in treaty-politics—presidential dominance mostly prevails. These insights have implications both from a constitutional and policy-perspective for the U.S. role in arms control and non-proliferation issues and for the future of a global zero.
Notes
Autoren, die den Einfluss der Exekutive in der Vertragspolitik hervorheben, bleiben damit in jüngerer Zeit in der Minderheit (siehe aber Fuhrmann und Early 2008, S. 27).
So etwa im Fall des Limited Test Ban Treaty, dessen Ausformulierung Senator Humphrey ab 1958 entscheidend prägen konnte (Rosenthal 1960).
Hierzu ließe sich z. B. Ron Paul (Texas), republikanischer Präsidentschaftskandidat und der Tea Party nahestehender Abgeordnete des Repräsentantenhauses, zählen.
Darüber hinaus hat die außenpolitische Ideologie des (Neo-)Konservatismus nach dem Ende des Ost-West-Konflikts aus dreierlei Gründen zunehmend an Bedeutung gewonnen: Erstens schien das Ende der bipolaren Systemstruktur die Strategie der USA als militärische und politische Führungsmacht zu bestätigen. Zweitens ergab sich nach dem Wahlsieg der Republikaner bei den Zwischenwahlen 1994 eine erhebliche konservative Schärfung des Parteiprofils auch im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik. Und drittens drängten neokonservative Kräfte in Administration und Kongress nach dem 11. September 2001 darauf, ihre Weltordnungskonzepte umzusetzen (vgl. für das Argument der abnehmenden Durchsetzungsstärke liberaler Internationalisten Kupchan und Trubowitz 2007, S. 20–27).
Es wurde keine neorealistische Hypothese abgeleitet, da Waltz in seinem Theoriegebäude davon ausgeht, dass Gegenmachtbildung ( balancing) der primäre Handlungsimperativ im internationalen System darstellt, und Kooperationen, die es im vorliegenden Artikel zu erklären gilt, nicht als rational abgeleitete Handlungsoptionen gewählt werden können. Dies ist nur im Ausnahmefall möglich, wie etwa im Falle einer Zweckallianz gegen einen Drittstaat, welche in unseren Fällen nicht vorliegt, oder im Falle einer hegemonial induzierten Zusammenarbeit (Waltz 1979, S. 72–73). Von Letzterer kann schon allein deshalb nicht gesprochen werden, da die USA als potenzieller Kandidat nicht über einen weltweiten Hegemonialstatus verfügen.
Zur kritischen Reflexion dieser Fälle muss bedacht werden, dass trotz gleichem Politikfeld (nuklearstrategische Vertragspolitik) eine gewisse Varianz auf der abhängigen Variable besteht. Die gewählten Fälle START II, CTBT, ABM und New START sind in einer höheren Auflösung zu unterscheiden in zwei Fälle von Abrüstungsabkommen sowie einem Fall von Rüstungskontrollpolitik und letztlich ein Fall einer Vertragsauflösung. Die Generalisierbarkeit der Ergebnisse wird aber trotz dieser Varianz nicht allzu sehr in Zweifel gezogen, da der Anspruch erhoben wurde, eine Aussage über die Vertragspolitik der USA (mit den genannten Facetten) im Allgemeinen zu treffen. Der Vorteil der gewählten Fälle (Abrüstungs- bzw. Rüstungskontrollabkommen sowie Vertragsauflösung) kann vielmehr darin gesehen werden, dass der Artikel mit dieser Ausrichtung der Komplexität des Feldes „Vertragspolitik“ eher gerecht wird, als bei einer strikteren Fallauswahl, die lediglich auf einen Aspekt derselben einginge.
Hierzu gehörten u. a. Berichtspflichten des Präsidenten gegenüber dem Senat, die Erklärung, keine finanziellen Hilfen für die Implementierung des Vertrags durch Russland zur Verfügung zu stellen, oder die Betonung, dass der ABM-Vertrag nicht durch START II berührt sei.
Vgl. hierzu einen vertraulichen Bericht der Duma, den Senator Jon Kyl (R-Arizona) in das Protokoll der Plenardebatte zu START II aufnehmen ließ (Congressional Record 1995, S. S19210).
Schließlich müssen erst alle 44 im Vertrag vorgesehenen Staaten diesen ratifizieren, bevor er in Kraft tritt, wobei von der letzten verbliebenen Supermacht eine erhebliche Signalwirkung ausgeht.
Gemeint war der executive council der geplanten CTBT-Organisation.
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Böller, F., Werle, S. Booster or Brakeman? Die Rolle der USA in nuklearen Rüstungsabkommen gegenüber Russland. Z Außen Sicherheitspolit 6, 369–391 (2013). https://doi.org/10.1007/s12399-013-0347-y
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Schlüsselwörter
- Abrüstungsverträge
- Exekutiv-legislative Beziehungen
- Exekutiver Handlungsspielraum
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- Neokonservative Ideologie
- Außenpolitik der USA