Die interdisziplinäre Kooperation in der medizinischen Versorgung ist in unserem Land noch weit davon entfernt, den tatsächlichen Bedürfnissen der Patienten zu entsprechen. Dies erscheint umso bedauerlicher, als dadurch nicht nur die Versorgungsqualität verbessert, sondern auch die Ausgaben für Diagnostik und Therapie reduziert werden könnten. Gerade in der Kinderheilkunde und Jugendmedizin ergibt sich zwingend eine Kooperationsnotwendigkeit, wenn das chronisch kranke Kind aus seinen Kinderschuhen herausgewachsen ist und die Weiterbetreuung durch Nachbardisziplinen, in aller Regel der internistischen, zu erfolgen hat. Dieser Übergang darf kein punktuelles Ereignis darstellen, da die Erfahrung gezeigt hat, dass dadurch irreversible somatische wie psychische Schäden aufzutreten drohen, die jahre- und jahrzehntelange multidisziplinäre Hege und Pflege zunichte machen. Der Übergang muss sich als gut geplanter Prozess vollziehen, über einen durch das individuelle Krankheitsbild geprägten Zeitraum. Er muss den Patienten aktiv einbeziehen und nicht „ex cathedra“ verordnet werden. Es darf nicht lediglich ein Transfer (trans-ferre) vollzogen werden, in dem der Patient das Objekt ist, es muss der Transit (trans-ire) angestrebt werden, in dem das selbständige Agieren zum Ausdruck kommt. Insofern beschreibt der Ausdruck Transitphase wohl am besten die gewünschte eigenverantwortliche Übergangssituation des Jugendlichen in die Erwachsenenmedizin, die sich über einen gewissen Zeitraum zu erstrecken hat.

Transition impliziert neben dem Übergang ein eigenverantwortliches Agieren

Gerade in der Nephrologie kommt dieser Transitphase eine besondere Bedeutung zu, vor allem wenn bereits im Kindesalter eine Nierenersatztherapie begonnen wurde. Als Grundregel sollte gelten, dass sie sich auf den transplantierten Jugendlichen konzentrieren sollte, nachdem die Dialysephase erfolgreich abgeschlossen und der Grundstein für die Ausbildung gelegt worden ist. Aufgrund der wachsenden Zahl an präemptiven Nierentransplantationen in Form von Lebendspenden (gegenwärtig etwa 25%) einerseits sowie einer absehbaren Verkürzung der Wartezeit von noch durchschnittlich zwei Jahren auf ein Jahr durch kürzlich in Kraft getretene kinderfreundlichere Organallokationsrichtlinien für die Verstorbenenspende andererseits, wird die Dialysephase des pädiatrischen Patienten ohnehin so kurz, dass diese noch unter den, zweifelsohne mit viel Personalaufwand erreichten, sehr individuellen Bedingungen im pädiatrischen Dialysezentrum abgeschlossen werden kann. Das darf aber nicht bedeuten, dass die Weichen für die spätere internistisch-nephrologische Betreuung in der Transplantationsphase nicht schon mit etwa 14 bis 16 Jahren, noch in der Phase der konservativen, prädialytischen Therapie gestellt werden.

Die Transition sollte schon mit 14 bis 16 Jahren gebahnt, aber erst nach der Transplantation abgeschlossen werden

Wir haben in dem vorliegenden Heft, das ein Gemeinschaftswerk von praxiserfahrenen Kindernephrologen, internistischen Nephrologen und Psychologen darstellt, die Themen herausgearbeitet, die sowohl der Vermittlung der medizinischen wie psychosozialen Hintergründe gelten als auch den Überlegungen zu deren praktischer Durchführung. Es soll helfen, den bis heute in aller Regel nicht optimal gestalteten Ablauf der Transitionsphase in seiner ganzen Breite zu verstehen. Dabei ist Ziel, ihre Durchführung noch besser gestalten zu können, als es heute, zumindest in Ansätzen in manchen Zentren mit ohnehin schon gut eingespielter Kooperation zwischen Pädiatrie und Innerer Medizin, bereits praktiziert wird.

So werden einleitend die wesentlichen Krankheitsbilder geschildert, mit denen der internistische Nephrologe in der Transitphase zu rechnen hat, mit denen er wahrscheinlich konfrontiert werden wird. Es folgt die Darstellung des somatischen Reifungsprozesses des nierenkranken Kindes unter den heutigen Bedingungen. Analog werden die psychischen Entwicklungskomponenten der chronischen Nierenerkrankung in der Adoleszenz herausgearbeitet. Den strukturellen Problemen in der Transitphase ist ebenso ein eigener Beitrag gewidmet wie den möglichen Lösungsansätzen für eine gute Transition. Den Abschluss schließlich bildet die Schilderung der Langzeitprobleme, die beim nephrologischen Transitpatienten in der Zukunft zu erwarten sind.

Das Heft stellt sich der Herausforderung, für den jugendlichen Patienten dazu beizutragen, den Übergang von der pädiatrischen in die Erwachsenennephrologie zu verbessern und unterbreitet dazu eine Vielzahl von Anregungen, die des Etablierens und Experimentierens harren. Abgesehen von der dadurch beabsichtigten und zu erwartenden Qualitätsverbesserung – u. a. durch Reduktion logistisch induzierter Transplantatabstoßungen beim jugendlichen Transit-Patienten – ist es ein gelebtes Beispiel für die Entwicklung eines konstruktiven Miteinanders von pädiatrischer und internistischer Nephrologie – Deutsche Gesellschaft für Nephrologie, DGfN, und Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie, GPN – in unserem Land, die sich eben nicht nur administrativ miteinander verzahnen, sondern sich besonders auch in einer überlappenden, kompetenten Patientenversorgung wiederfinden. Möge das Studium des Heftes dazu beitragen, die Thematik Transitionsnephrologie dem Leser noch näher zu bringen, ihr den gebührenden Stellenwert einzuräumen und vielleicht sogar Hilfestellung bei ihrer Praktizierung zu gewähren.

Prof. Dr. med. Dirk E. Müller-Wiefel

Prof. Dr. med. Marion Haubitz