Hintergrund

Aufgrund der funktionellen Hyperplasie des lymphatischen Gewebes im Bereich des Waldeyer-Rachenrings im frühen Kindesalter (Abb. 1) gehören Operationen an Gaumen- und Rachenmandeln zu den häufigsten Eingriffen in diesem Alter. Die Hyperplasie ist Ausdruck der immunologischen Aktivität der Tonsillen [18]. Chronische Entzündungen derselben als Indikation zu ihrer Operation spielen im Kleinkindesalter meist eine untergeordnete Rolle; obstruktive Symptome stellen hingegen die häufigste Indikation dar [23].

Langfristig kann eine ausgeprägte Tonsillenhyperplasie – meist zusammen mit einer Hyperplasie der Adenoide infolge der Obstruktion des Nasenrachens – erhebliche Folgen haben. Die Adenoide und die konsekutive Schleimretention im Nasopharynx können durch Verlegung der Eustachi-Röhren zu persistierenden Paukenergüssen oder einer chronischen Mittelohrentzündung führen. Durch die behinderte Nasen- und konsekutive Mundatmung wird zudem die Entstehung einer chronischen Pharyngitis begünstigt. Es entsteht ein Circulus vitiosus [4]. Besonders gravierend als Folge einer Tonsillenhyperplasie ist jedoch das kindliche Schlafapnoesyndrom.

Abb. 1
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Hyperplastische Gaumentonsillen (so genannte „kissing tonsils“) mit ausgeprägten Schluck- und nächtlichen Atemstörungen

Da eine Tonsillektomie (TE) aus immunologischer Sicht im Kleinkindesalter nach wie vor kritisch zu bewerten ist, wird in Deutschland in den letzten Jahren die Teilentfernung der hyperplastischen Gaumentonsillen (Tonsillotomie) bei obstruktiver Symptomatik im Kleinkindesalter wieder vermehrt durchgeführt. Nach Einführung des CO2-Lasers in die Medizin haben die HNO-Kliniken des Universitätsklinikums Benjamin Franklin in Berlin [6, 18, 19] (seit Ende der 1980er Jahre) und der Universität Duisburg/Essen [12, 24, 25] (seit 1993) die CO2-Laser-Tonsillotomie (LTT) in Deutschland wieder wissenschaftlich etabliert.

Mit dieser Arbeit möchten wir Kollegen/-innen der Kinderheilkunde, die allen voran die Kinder mit symptomatischer Tonsillenhyperplasie betreuen, das Operationsverfahren und unsere Ergebnisse/Erfahrungen vorstellen. Vor dem Hintergrund der großen Akzeptanz seitens der Eltern und Kinderärzte für die LTT wollen wir aber auch die in Studien etablierten Indikationen hervorheben, welche mancherorts ausgeweitet werden, ohne dass dies wissenschaftlich überprüft wurde.

Ein historischer Rückblick und die kritische Zusammenschau der Literatur sollen veranschaulichen, warum die Tonsillotomie bei wissenschaftlich unkritischer Durchführung im Hinblick auf Methode und Indikationen – ebenso wie in den 1930er bis 1950er Jahren – wieder in die Kritik geraten könnte.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Zwischen Oktober 1993 und Oktober 2007 wurden insgesamt 258 Kinder (Durchschnittsalter 52 Monate, 5–98 Monate alt) CO2-Laser-tonsillotomiert. Bei 2/3 der Kinder erfolgte simultan eine Adenotomie oder Readenotomie. Die Daten dieser Patienten wurden mit Hilfe der zentralen elektronischen Datenerfassung und der Patientenakten retrospektiv analysiert.

Zusätzlich erfolgten eine Nachuntersuchung und Befragung von 75 Patienten, welche bis 2004 operiert wurden [24]. Auf diese größtenteils bereits veröffentlichten Daten erlauben wir uns, punktuell erneut einzugehen. Diese Kinder wurden postoperativ durchschnittlich 38 Monate (3 Monate bis 11 Jahre) nachbeobachtet und mittels Telefonbefragung der Eltern evaluiert. Ferner wurden 22 dieser Kinder nachuntersucht.

Der Eingriff erfolgte stets in Intubationsnarkose (<25% Sauerstoffanteil, kein NO2) mit einem herkömmlichen luftgeblockten Tubus, der vom Mundspatel vor Laserbeschädigung geschützt wurde. Ein Lasertubus wurde nicht verwendet. Zum Schutz der Rachenhinterwand wurde feuchte Gaze aufgelegt. Die Tonsille wurde unter Schonung der Gaumenbogenschleimhaut (cave: Nachblutung und Schmerzen!) bei 10–15 W Laserleistung mit einem CO2-Laser auf das Niveau des vorderen Gaumenbogens reduziert (Abb. 2). Auf diese Weise wurden jeweils etwa 75% des gesamten Tonsillengewebes entfernt.

Abb. 2
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Zustand nach CO2-Laser-chirurgischer Reduktion der Tonsillen

Ergebnisse

Bei der Auswertung der Häufigkeit der insgesamt 258 Operationen zeigte sich eine deutliche Zunahme der Anzahl der Eingriffe/Jahr. Bei konstanten Regeln zur Indikationsstellung für die LTT in unserer Klinik stieg die Eingriffsinzidenz insbesondere in den letzten 4 Jahren sprunghaft an (Abb. 3). Die Indikation zur Lasertonsillotomie war in sämtlichen 258 Fällen die oropharyngeal obstruktive Symptomatik. Mindestens 1/3 des Tonsillengewebes mussten die vorderen Gaumenbögen überragen. In etwa 60% der Fälle lagen sogar so genannte „kissing tonsils“ vor, also Gaumentonsillen, welche sich in der Mittellinie berühren (Abb. 1).

Präoperativ berichteten die Eltern über Apnoen (53%), Schnarchen (79%) oder gar dauerhafte Schluckschwierigkeiten (31%) mit Beeinträchtigung der Ernährung. In unserer Klinik ist eine positive Anamnese im Hinblick auf mehrfach antibiotikapflichtige Tonsillitiden eine Kontraindikation zur LTT. Somit fanden sich auch keine Kinder mit einer solchen Vorgeschichte.

Abb. 3
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Häufigkeit der CO2-Laser-Tonsillektomie am Universitätsklinikum Essen (1993–2007, bis Oktober 2007)

Intra- und postoperativ traten keine nennenswerten Komplikationen auf, insbesondere kam es zu keiner operationspflichtigen Nachblutung und zu keinem Laserzwischenfall (Tubusbrand, gravierende Laserverletzung, z. B. der Zähne oder der Haut). Das extrem niedrige Nachblutungsrisiko erklärt sich dadurch, dass intratonsillär nur sehr kleine Blutgefäße verlaufen und diese durch den CO2-Laser-Strahl thermisch verschlossen werden.

Die durchschnittliche postoperative Schmerzphase dauerte 2 Tage und war mit Paracetamol oder Paracetamol und Kodein als Saft oder Suppositorien gut zu beherrschen. Auch die Innervation des Tonsillengewebes ist sehr gering. Alle Kinder wurden vom Operationstag an vollständig oral ernährt. Eine Antibiotikagabe erfolgte als intraoperative Penicillin-G-Einmalgabe. Der durchschnittliche postoperative stationäre Aufenthalt lag bei 2,4 Tagen. Nach durchschnittlich 5 Tagen waren die Tonsillenreste abgeheilt.

In der Nachbefragung unserer Patienten bis 2004 [24] zeigte sich eine deutliche Besserung der obstruktiven Symptome. Insbesondere Apnoephasen (initial bei 50% der Kinder) waren in der Nachbeobachtung nicht mehr auffällig (0%). Das Schnarchen besserte sich langfristig (79%→31%) ebenso wie die Schluckbeschwerden (31%→3%). Falls diese Symptome persistierten, waren sie deutlich weniger ausgeprägt.

Eine Peritonsillarabszessentstehung ist uns bei keinem einzigen der 258 Kinder bekannt. In 12% der Fälle trat im Nachbeobachtungszeitraum eine akute Tonsillitis auf, welche jedoch nicht zu rezidivierenden Episoden und der Konsequenz einer Tonsillektomie führte. Bei den nachuntersuchten Kindern zeigten sich in allen Fällen reizlose Tonsillen von normaler Größe und Erscheinung. Auffallend war, dass die Eltern sehr oft von einem Wachstums- und Entwicklungsschub ihrer Kinder nach dem Eingriff berichteten. 6% der Kinder wurden im Nachbeobachtungszeitraum aufgrund einer erneuten Hyperplasie und nicht aufgrund chronischer Entzündung tonsillektomiert.

Diskussion

Das Thema der CO2-Laser-Tonsillotomie ist hierzulande hochaktuell. Dies belegen die zahlreichen Kongressbeiträge im deutschsprachigen Raum wie Podiumsgespräche auf den Jahrestagungen der Deutschen Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (DGHNO) 2004 und 2005 [12] und des Berufsverbandes.

Dabei ist die Tonsillotomie als Operationstechnik nicht neu, sondern älter als die Tonsillektomie, denn Tonsillotome wurden schon im 17. und 18 Jahrhundert eingesetzt, Instrumente zur Tonsillektomie erst Anfang des letzten Jahrhunderts.

In den 1930er Jahren setzte jedoch eine heftige Diskussion um die Tonsillotomie und ihre Langzeitfolgen [3, 20, 21] ein, in Folge derer diese jahrzehntelang aufgrund klinischer Erfahrungen, nicht jedoch valider Daten ihre Akzeptanz verlor [6, 12, 18, 20], und gänzlich aus den Operationslehren der HNO-Heilkunde verbannt wurde. Entscheidend waren zahlreiche (größtenteils Fall-)Berichte über die postoperative Vernarbung der Krypten und nachfolgende intratonsilläre Abszesse. Kritikpunkt an diesen Studien hätte jedoch die Selektion der Patienten sein müssen. Es handelte sich nämlich vielfach um Patienten mit chronischer Tonsillitis [6, 12]. Eine einzige Publikation aus der damaligen Zeit [2] zeigte sehr gute Operationserfolge, gerade diese beschränkte die Indikationsstellung auf die Tonsillenhyperplasie [6].

Mit der Etablierung des Lasers in der Medizin wagten sich Ende der 1980er Jahre die ersten Kliniken wieder an die Tonsillotomie im Kindesalter [14, 19]. Erste Langzeitstudien, v. a. aus dem Berliner Universitätsklinikum Benjamin Franklin [6] und Skandinavien [8], aber auch aus der eigenen Klinik [24, 25], konnten nun gute Langzeitverläufe bei strenger Indikationsstellung mit dem CO2-Laser vermelden. Zudem konnte in histologischen Untersuchungen an den Resttonsillen von im Nachbeobachtungszeitraum tonsillektomierten Kindern keine vermehrte Vernarbungstendenz im Tonsillengewebe nachgewiesen werden [6, 24]. Auch nachfolgende Abszessbildungen wurden nicht beobachtet, und chronische Entzündungen der Restmandeln traten nicht gehäuft auf. Waren später in der Nachbeobachtung Tonsillektomien notwendig, war die Ursache überwiegend eine erneute blande Hyperplasie. Auch hier decken sich unsere Erfahrungen mit denen anderer Autoren.

Warum zeigt die einst verbannte Operation nun also im neuen Gewand einer Laseroperation gute Langzeitergebnisse? Ob der CO2-Laser mit seinen vorteilhaften physikalischen Eigenschaften (geringere thermische Zerstörung am Schnittrand) den entscheidenden Unterschied ausmacht, wird von einigen Autoren wie Scherer [18] bezweifelt. Er sieht andere Laser wie den Nd:YAG- oder den Diodenlaser durchaus als mögliche alternative Verfahren. Wichtiger ist sicherlich, dass wir heute erkannt haben, dass die Selektion von weitgehend entzündungsfreien Tonsillen ausschlaggebend für die guten Ergebnisse ist. Sollten alternative operative Techniken angewendet werden, z. B. die argonunterstützte, monopolare Nadel oder der Diodenlaser [7], sind zuerst klinische Studien durchzuführen und deren Ergebnisse mit denen der CO2-Laser-Tonsillotomie zu vergleichen.

Doch auch bezüglich des Faktors Patientenselektion lassen erste Studien die Frage aufkommen, wie exakt sich eigentlich solche Gruppen chronisch entzündeter und blander hyperplastischer Tonsillen unterscheiden lassen [16, 17]. So fanden Reichel et al. [16] weder Unterschiede bezüglich der serologischen Entzündungsparameter in den Vergleichsgruppen der bei Hyperplasie tonsillotomierten und bei rezidivierender Tonsillitis im Kindesalter tonsillektomierten Patienten noch bezüglich der histologischen Befunde des Tonsillengewebes. Ursächlich kann hierfür jedoch sein, dass in dieser Studie auch die Vergleichsgruppe der tonsillektomierten Patienten aus Kindern bestand. Patienten zur Tonsillektomie bei chronischer Entzündung und Abszess sind jedoch typischerweise Jugendliche und Erwachsene [13].

Als weiterer Vorteil der Tonsillotomie bei Kleinkindern wird stets der Erhalt immunkompetenten Tonsillengewebes genannt. Aus pädiatrisch immunologischer Sicht gibt es keine Daten, die eindeutig für oder gegen eine TE sprechen [1]. Alliani u. Graf [1] fanden nach TE zwar Veränderungen im Immunsystem, jedoch waren diese vorwiegend nur laborchemisch nachweisbar.

Im benachbarten Ausland, z. B. England, spielt die LTT keine Rolle, bei Obstruktion werden auch Kleinkinder tonsillektomiert. Wenn also auch bis heute der Stellenwert des Tonsillenerhalts nicht zufrieden stellend wissenschaftlich geklärt ist, ist es in Deutschland doch gängige Lehrmeinung, die Tonsillen möglichst bis zum vollendeten 6. Lebensjahr zu erhalten. Und selbst wenn ihnen im Erwachsenenalter keine bedeutende Funktion mehr zugeschrieben wird, sind sie für die lokale Infektabwehr durch die Produktion von Proteinen wie Lysozym und Laktoferrin noch von Bedeutung [21].

Im Zweifel spricht zudem ein nihil nocere für die CO2-LTT, denn es existieren in den schon genannten Untersuchungen keine Nachteile, aber gravierende Vorteile (Infobox 1): Die kleinkalibrigen intratonsillären Gefäße werden vom CO2-Laser-Strahl verschlossen, hierdurch ist die Nachblutungsgefahr extrem gering [6, 9, 10, 12]. Unsere Daten bestätigen dies, denn bislang ist bei unseren inzwischen 258 Fällen keine operationspflichtige Nachblutung aufgetreten. Bei der Tonsillektomie wird die Nachblutungshäufigkeit zum Vergleich mit 2–3,5% angegeben, in einigen Studien aber auch als deutlich höher [13].

Die postoperativen Schmerzen sind bei der CO2-Laser-Tonsilltomie im Vergleich zur Tonsillektomie bedeutend geringer, da die größeren Nerven außerhalb der Kapsel verlaufen und geschont werden [9, 12]. Die Kinder können damit deutlich früher schmerzfrei oral ernährt werden als nach Tonsillektomie. Unsere Daten zeigen wie auch die anderer Studien, dass die Symptome wie Schnarchen, Apnoen und Schluckschwierigkeiten durch die Lasertonsillotomie signifikant verbessert werden [6, 11, 18, 24].

Die Langzeiterfahrungen mit der CO2-Laser-TT erlauben einen deutlich verkürzten stationären Aufenthalt. Eine ambulante Durchführung kann aber v. a. bei den Kindern mit einem manifesten obstruktiven Schlafapnoesyndrom (OSAS), der bisher wichtigsten Indikationsgruppe, risikoreich sein [15]. Nach Adenotonsillektomien bei Kindern mit OSAS traten vermehrt Laryngospasmen und O2-Sättigungsabfälle auf. Somit ist zumindest eine Überwachung in der ersten postoperativen Nacht medizinisch sinnvoll. Daher raten wir im Gegensatz zu anderen Autoren [11, 18] ganz eindeutig von einer ambulanten Operation ab, insbesondere, wenn präoperativ Apnoen bekannt waren. Bei einigen Kinder dauert es auch 2–3 Tage bis eine geregelte orale Nahrungsaufnahme möglich ist, unsere eigenen Patienten waren nach Befragung der Eltern im Durchschnitt 1,5 Tage postoperativ schmerzfrei [25]. Sollten Schmerzen am ersten postoperativen Tag kein Problem sein, stellt [bei Durchführung der Operation als GKV(gesetzliche Krankenversicherung)-Regelleistung] die 48-h-Mindestverweildauer der DRG („diagnosis related groups“) – bei fehlender Abbildung im ambulanten EBM-Katalog (EBM: „evidence-based medicine“) [5] – ein viel größeres Problem im Hinblick auf die Entlassung dar. Somit ist in unserer Klinik abhängig vom Wohlbefinden der Kinder der 2. bis 4. postoperative Tag der Entlassungstag.

Aufgrund der genannten Vorteile der CO2-LTT findet die Methode zunehmend Akzeptanz, die steigende Anzahl an Zuweisungen in unserer Klinik zeigt dies deutlich (Abb. 3).

Manchenorts besteht aber zurzeit schon fast unkontrolliert die Tendenz, die Indikationen (Infobox 2) zur LTT zu erweitern [12]. Dies betrifft sowohl die Fälle, in denen bereits klinische Entzündungen nachweisbar waren, als auch ältere Patienten. Hier gilt es, Änderungen der Indikation zunächst in Studien zu überprüfen, die entsprechend internationalen Standards und der neuen Gesetzeslage von einer Ethikkommission betreut werden.

Fazit für die Praxis

Aus Sicht des Pädiaters existiert mit der CO2-LTT ein Verfahren, bei Kindern im Vorschulalter klinisch eindeutige Atemstörungen mit hoher Sicherheit beseitigen zu können. Nachblutungsrisiko und postoperative Morbidität sind gering, zudem kann immunkompetentes Tonsillengewebe erhalten werden. Bleibt die Indikation zur CO2-Laser-Tonsillektomie auf Kinder bis zum 6. Lebensjahr (in Ausnahmefällen bis zum 8. Lebensjahr) begrenzt, bei denen klinisch eindeutig obstruktive Atemstörungen im Vordergrund stehen und keine rezidivierenden bakteriellen Entzündungen der Tonsillen vorlagen, handelt es sich um ein inzwischen wissenschaftlich abgesichertes Verfahren [12].