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Erzwungenes oder exzessives Pendeln?

Zum Einfluss der Siedlungsstruktur auf den Berufspendelverkehr

Forced or Excessive Commuting?

The Impact of Urban Spatial Structure on the Journey to Work

  • Wissenschaftlicher Beitrag
  • Published:
Raumforschung und Raumordnung

Zusammenfassung

In welchem Maße lässt sich das anhaltende Wachstum des Berufspendelverkehrs (Wohnort und Arbeitsort in verschiedenen Gemeinden) mit Veränderungen der Siedlungsstruktur erklären? Zur Beantwortung dieser Frage werden gemeindescharfe Datensätze zur Erwerbstätigkeit und Beschäftigung sowie zu den regionalen Berufsverkehrsverflechtungen über einen Zeitraum von 37 Jahren analysiert (1970–2007). In den betrachteten acht Agglomerationsräumen steigen über den gesamten Betrachtungszeitraum der Anteil des gemeindeübergreifenden Berufspendelns und die Pendeldistanzen. Die räumliche Entwicklung hat trotz Beschäftigungssuburbanisierung in keiner Region zu einer Reduzierung des Pendelns geführt. Dabei ist in allen betrachteten Agglomerationsräumen die Zunahme des Pendelns deutlich stärker, als dies nach den Veränderungen der Strukturindikatoren zu erwarten gewesen wäre.

Abstract

To what extent can the ongoing growth of commuting between different municipalities be explained by the spatial dynamics of the urban landscape? To answer this question we analyze municipality level data which contain information about trends in jobs and housing locations and regional commuting trips over a period of almost four decades (1970–2007). Our results show increasing shares of cross-municipal commuting, along with increasing commuting distances over time. Despite the suburbanization of the labor force, people and jobs did not come closer together and the shares of cross-municipal commuting trips have not declined over time. Moreover, our study shows that the growth in commuting is clearly stronger than what might be expected from the changing geography of working and housing locations.

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Abb. 1
Abb. 2

Notes

  1. Die Distanzen im Berufsverkehr in Deutschland haben dabei nach den der Veröffentlichung „Verkehr in Zahlen“ zugrunde liegenden Schätzungen zwischen 1976–2009 ähnlich stark zugenommen wie im Gesamtverkehr. Der Anteil des Berufsverkehrs am gesamten Verkehrsaufwand (ohne Begleitwege) ist weitgehend stabil (1976: 20,6 %, 2009: 19,1 %) (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 2011: 225).

  2. Das Zahlenmaterial der Volks- und Arbeitsstättenzählung 1970 stand zunächst größtenteils nicht digital zur Verfügung und wurde am Fachgebiet Verkehrswesen und Verkehrsplanung an der Technischen Universität Dortmund zur Weiterverarbeitung aufbereitet (scannen der Originaltabellenbände der Statistischen Landesämter). Die Pendlerzahlen der Volks- und Arbeitsstättenzählung 1987 konnten aus den digitalen Archiven des Forschungsdatenzentrums im Statistischen Landesamt Rheinland-Pfalz hergeleitet werden (vgl. Link/Guth 2010).

  3. Aus Studien ist bekannt, dass Beamte überdurchschnittlich häufig pendeln und zudem längere Pendelwege zurücklegen als Beschäftigte anderer Berufsgruppen (Ott/Gerlinger 1992: 92 und 109 f.). Dies bedeutet, dass das Volumen der gemeinde übergreifenden Pendlerströme und die mittleren Distanzen für das Jahr 1970 tendenziell überschätzt werden.

  4. Diese Unterscheidung ist auch in den Daten der Volks- und Arbeitsstättenzählungen problematisch.

  5. So lässt sich anhand der KONTIV 89 (bundesweite kontinuierliche Haushaltsbefragung zum Verkehrsverhalten, hier: im Jahr 1989) zwischen Binnenpendlern und gemeindeübergreifenden Pendlern unterscheiden. Die Stichprobe der Binnenwege im Berufsverkehr ist allerdings gering, so dass eine nach Gemeindetypen differenzierte Schätzung der Binnendistanzen kaum tragfähig ist. Weitere Daten, die die Konstruktion einer Zeitreihe ermöglichen, fehlen ohnehin.

  6. Die rekonstruierten Reisezeitmatrizen enthalten zwar Fahrzeiten zwischen den Gemeinden, ohne Kenntnis der Verkehrsmittelnutzung lassen sich daraus aber keine Reisezeiten der Pendler ableiten (vgl. Killer/Guth/Holz-Rau et al. 2010).

  7. In den vorbereitenden Analysen wurden verschiedene Pendlerschwellen eingesetzt. Die 7,5 %-Schwelle wurde als geeigneter Bezugspunkt für die Regionsbildung angesehen, da die so abgegrenzten Regionen am besten mit anderen Abgrenzungsmodellen (z. B. Modell der Stadtregionen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung) übereinstimmten.

  8. Die Abgrenzung sollte anhand der Datengrundlage mit den großräumigsten Verflechtungen erfolgen, da nur dann das Ausmaß der Pendlerzunahme zu erkennen ist. Würde ein Regionszuschnitt beispielsweise anhand der Volks- und Arbeitsstättenzählung 1970 erfolgen, würden die hauptsächlichen Zuwächse des Pendelns in den folgenden Jahren außerhalb des Untersuchung sraums liegen.

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Danksagung

Dieser Beitrag wurde gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Projektes „Räumliche Erreichbarkeiten und die Dynamik der Pendlerverflechtungen in Deutschland und der Schweiz 1970–2005“ (Förderkennzeichen: HO 3262/3-1 und HO 3262/3-2). Gedankt sei auch der Dr. Joachim und Hanna Schmidt Stiftung für Umwelt und Verkehr für ihre Unterstützung durch ein Promotionsstipendium. Schließlich möchten wir Herrn Professor Markus Friedrich, Universität Stuttgart, für die fachliche Unterstützung bei der Errechnung des minimalen Pendelaufwands unseren Dank aussprechen.

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Guth, D., Siedentop, S. & Holz-Rau, C. Erzwungenes oder exzessives Pendeln?. Raumforsch Raumordn 70, 485–499 (2012). https://doi.org/10.1007/s13147-012-0196-5

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