Um es vorweg zu nehmen: Es wäre wünschenswert, nicht über das folgende Thema zu schreiben.

Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kartographie (DGfK) hat eine Erklärung zum Ukraine-Krieg abgegeben, die sich mit der Stellungnahme der International Cartographic Association (ICA) deckt und auf der Webseite der DGfKFootnote 1 nachzulesen ist. In dieser Erklärung wird die Bestürzung über das Eindringen Russlands in den souveränen Staat Ukraine zum Ausdruck gebracht. Wissenschaftlich-technische Fachgesellschaften wie die DGfK und insbesondere die ICA stecken dabei in einem Dilemma zwischen Kooperation und Ausgrenzung: Einerseits soll der fachliche Austausch unabhängig von Nationalitäten, ethnischer Herkunft, Religion, usw. ermöglicht werden, andererseits ist aber die Notwendigkeit, gemeinsame Werte wie Frieden und Sicherheit zu akzeptieren, unbedingt höher zu gewichten.

Auch wenn es also nicht wünschenswert ist, soll an dieser Stelle nun doch über den Ukraine-Krieg – genauer: über Karten zum Ukraine-Krieg – geschrieben werden.

Karten spielen – wie schon bei der Vermittlung des anderen Krisenthemas unserer Zeit, der Covid-Pandemie – auch während des Ukraine-Krieges eine besondere und wichtige Rolle. Diese ergibt sich durch die Notwendigkeit, die Komplexität der Kriegshandlungen verständlich zu kommunizieren – wozu die kartographische Kodierung bekanntermaßen sehr gut in der Lage ist. Allerdings ist diese konkrete Aufgabe auch extrem schwierig – insbesondere die Darstellung der unterschiedlichen lokalen Kriegszustände (wie besetzte Gebiete, Vorstoß- und Abzugsgebiete, Truppenbewegungen, usw.) stellt eine große Herausforderung für die graphische Umsetzung dar.

Diese Herausforderung wird noch größer, weil dabei auch die zeitliche bzw. dynamische Komponenten sowie die Zusammenhänge mit anderen relevanten Informationen (z. B. Flüchtlingsbewegungen, Lage von Infrastruktureinrichtungen) zu berücksichtigen sind. Und noch schwieriger: All dies muss auf der Basis zahlreicher, unsicherer und häufig widersprüchlicher Quellen geschehen. In einem lesens- und sehenswerten SPIEGEL-BeitragFootnote 2 werden diese Aspekte näher betrachtet und auch unterschiedliche Kartenrealisierungen aus verschiedenen Medien aufgezeigt.

Der SPIEGEL-Beitrag weist auch auf eine weitergehende, sehr relevante Bedeutung hin: Karten als Grundlage für Friedensverhandlungen. Es ist leicht vorherzusagen, dass Kriegsparteien die Ausdehnung ehemaliger und aktueller Besitztümer unterschiedlich deuten und visualisieren. Es ist auch bekannt, dass neutrale bzw. „diplomatische “ kartographische Darstellungen nicht immer gelingen (und bei Konflikten in der Vergangenheit schon zum Abbruch von Friedensverhandlungen geführt haben). In diesem Zusammenhang sind aber auch die Karten von Bedeutung, die in den Medien veröffentlicht werden, da diese in der Bevölkerung Eindrücke, Meinungen und Erwartungen an die Verhandlungsparteien erzeugen.

Die Karten zum Ukraine-Krieg sind also ein – wenn auch unerwünschtes – Paradebeispiel für den Bedarf, kartographische Methoden in einem solchen Kontext weiterzuentwickeln und mit anderen Fachleuten, speziell Journalisten, zu teilen. Innerhalb der DGfK gibt es zu diesem Zweck seit Kurzem mit der Kommission „Kartographie und Journalismus “ eine Plattform für den Austausch zwischen solchen Personen. Dieser erfolgte in der Vergangenheit bereits über die Tagung „News-Infographics-Analytics-Maps (NIAM)“. Aber sicherlich sind weitere, gezielte Aktivitäten (z. B. zu einem speziellen Thema wie den Ukraine-Karten) notwendig. Es ist wünschenswert, dass aus solchen Kooperationen Fortschritte bei der Informationsvermittlung in komplexen Konfliktfällen entstehen könnten.

Ich wünsche uns eine friedlichere Zukunft.