Einleitung

Die Kenntnis von Arten ist in vielerlei Hinsicht im schulischen Kontext von Bedeutung. Eine Analyse der Bildungspläne aller allgemeinbildenden Schulformen der sechzehn Bundesländer Deutschlands ergab, dass der Schwerpunkt der Vermittlung von Artenkenntnis vor allem in der fünften und der sechsten Jahrgangsstufe im Unterrichtsfach Biologie umgesetzt wird (Lindemann-Matthies und Remmele 2021). Darüber hinaus erhält dieser Bereich auch in den höheren Jahrgangsstufen eine Relevanz. So soll beispielsweise in Nordrhein-Westfalen in der gymnasialen Oberstufe das Bestimmen von Arten eines ausgewählten Areals im Inhaltsfeld der Ökologie berücksichtigt werden (Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen 2021).

Neben diesen formalen Anknüpfungspunkten für den Unterricht erfährt die Notwendigkeit der Kenntnis von Arten eine übergeordnete Legitimierung. Für das Erschließen natürlicher Zusammenhänge ist die Artenkenntnis eine Grundlage (Schulte et al. 2019). Es ist empirisch nachgewiesen, dass mit einer höheren Artenkenntnis von Schüler:innen ihre Wertschätzung für diese Arten zunimmt (Lindemann-Matthies 2005). Insofern wird das Potenzial von Artenkenntnis für die Bildung für nachhaltige Entwicklung in Bezug auf den Naturschutz (Berck und Graf 2018) und die Biodiversitätsbildung (Sturm und Berthold 2015) deutlich. Andererseits geht aus der Forschung hervor, dass exotische Arten teilweise bekannter sind als einheimische Arten (Genovart et al. 2013). Vor allem bei Kindern sind einheimische Arten häufig unbekannt (Hooykaas et al. 2019). Für den Schutz von heimischen Ökosystemen kann diese Erkenntnis als problematisch bewertet sowie zugleich die Notwendigkeit einer Förderung der Kenntnis von heimischen Arten bekräftigt werden. Auch in Anbetracht der Problematik des fehlenden Nachwuchses von Artenkenner:innen (Wägele et al. 2011) wird die Wichtigkeit dieses Aspekts deutlich.

Trotz der teilweise gering ausgeprägten Kenntnis von Arten beurteilen bereits junge Schüler:innen diese grundlegend als wichtig und heben sie zugleich als einen Teil der Allgemeinbildung hervor (Jaun-Holderegger et al. 2022). Da die Artenkenntnis eine elementare Voraussetzung für das Verständnis von Ökologie ist (Randler 2008a) und bei den Schüler:innen in Deutschland in den letzten Jahren allerdings abgenommen hat (Gerl et al. 2021), wird ersichtlich, wie wichtig die Förderung von Artenkenntnis innerhalb des Schulunterrichts ist. Auch Schüler:innen stellen die Schule als den wichtigsten Lernort für die Vermittlung von Wissen über die Artenvielfalt heraus (BMU und BfN 2021). Dabei kann die mangelnde Qualifikation von Lehrkräften als ein Grund für den Rückgang von Artenkenner:innen angeführt werden, mit dem Abbau der Taxonomie und den fehlenden Bestimmungskursen an Hochschulen werden jedoch zwei weitere Aspekte als noch relevanter bewertet (Frobel und Schlumprecht 2016). Zudem muss für eine Beurteilung dieser Ergebnisse angeführt werden, dass in der betrachteten Studie keinerlei Daten über die Lehrkräfte selbst erhoben worden sind. Es wird mit den dargestellten Erkenntnissen aus der Forschung ersichtlich, dass die Artenkenntnis von (Biologie‑) Lehrkräften und damit einhergehend ebenso die von Lehramtsstudierenden in vielerlei Hinsicht eine bedeutsame Voraussetzung für die Durchführung eines Unterrichts zur Förderung der Kenntnis von Arten ist.

Aus einer theoretischen Perspektive ist darzulegen, dass in der Literatur neben der Artenkenntnis auch die Formenkenntnis betrachtet wird. Zwar werden beide Begrifflichkeiten teilweise als Synonyme verwendet, das Konzept der Formenkenntnis ist jedoch weitreichender als das der Artenkenntnis. Es fokussiert nicht nur die Kenntnis einer Art, sondern umfasst ebenso unter anderem die Kenntnis von Gruppierungen (Hollstein 2002) und des jeweiligen ökologischen Kontexts (Mayer und Horn 1993). Darüber hinaus wird das species literacy concept nach Hooykaas et al. (2019) angebracht, welches ein vertieftes Wissen über die einzelnen Arten berücksichtigt. Wie bereits ausgeführt dient in der vorliegenden Studie das Konzept der Artenkenntnis als theoretische Grundlage. Die übergeordnete Zielsetzung ist es, die Artenkenntnis von Lehramtsstudierenden der Fächer Biologie und Sachunterricht zum Ökosystem Wattenmeer sowie den Einfluss verschiedener Faktoren auf diese empirisch zu ermitteln.

Theoretischer Hintergrund

Nachfolgend wird ein Überblick über den Forschungsstand zur Kenntnis von Arten angehender Lehrkräfte gegeben. Anschließend erfolgt mit einem fachlichen Fokus eine Begründung der Auswahl des Ökosystems Wattenmeer als inhaltlicher Rahmen für diese Studie.

Artenkenntnis von angehenden Lehrkräften

Im Gegensatz zu den einleitend angeführten Studien über die Artenkenntnis von Schüler:innen liegen in diesem Kontext auch international bisher vergleichsweise wenige Untersuchungen mit Lehramtsstudierenden vor, sodass die Relevanz der vorliegenden Forschungsarbeit auch aus dieser Sichtweise belegt werden kann. Im Folgenden werden die aus diesen Studien resultierenden zentralen Ergebnisse ausgeführt, welche aber vor diesem Hintergrund entsprechend vorsichtig interpretiert werden müssen. So zogen die Autor:innen in einem Forschungsprojekt über die Ermittlung der Fähigkeit zur Bestimmung von lokal häufig vorkommenden Arten von angehenden Grundschullehrkräften das Fazit, dass diese gering sei (Palmberg et al. 2015). Allerdings geht aus derselben Untersuchung hervor, dass 64 % der Befragten zehn oder mehr der insgesamt 18 betrachteten Arten korrekt identifiziert haben. Insofern kann die Bedeutung des einleitend angeführten Hinweises in Bezug auf die Interpretation der bisherig wenigen vorliegenden Ergebnisse belegt werden. Eine andere Studie ermittelte, dass Lehramtsstudierende zu Beginn des Studiums nur eine wenig ausgeprägte Artenkenntnis aufweisen, im weiteren Verlauf jedoch die Kenntnis gängiger lokaler Arten zunimmt und während des gesamten Studiums erhalten bleibt (Skarstein und Skarstein 2020). Somit konnte ein entsprechender Kompetenzzuwachs bei den angehenden Lehrkräften verdeutlicht werden. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf eine verschieden ausgeprägte Fähigkeit zur Bestimmung von Arten zwischen den Studierenden aus unterschiedlichen Ländern (Melis et al. 2021). In Deutschland wurde bereits vor einigen Jahren von Hochschullehrenden der Biologiedidaktik die Artenkenntnis von Lehramtsstudierenden als ein besonderer Mangelbereich beurteilt (Krüger et al. 2010), dabei wurden jedoch ebenso keinerlei Daten über die Studierenden selbst erhoben.

Es kann herausgestellt werden, dass die Vermittlung von Artenkenntnis in der Lehramtsausbildung das Interesse der Lehrkräfte an der natürlichen Umwelt fördert und damit einhergehend einen wichtigen Beitrag für die Bildung für nachhaltige Entwicklung leisten kann (Wolff und Skarstein 2020). Angehende Lehrkräfte stellen dabei die Kenntnis von Arten – selbst wenn diese bei ihnen persönlich gering ausgeprägt ist – als wichtig heraus (Palmberg et al. 2017, 2018). Insofern wird die Artenkenntnis sowohl von Lernenden als auch von Lehrenden als relevant beurteilt. Dabei korreliert die von den angehenden Lehrer:innen selbst eingeschätzte Kompetenz der Artbestimmung positiv mit der Zeit, die in der eigenen Schulzeit mit der Artbestimmung verbracht worden ist (Lindemann-Mathies et al. 2017). Auch aus dieser Perspektive kann daher die Forderung nach einer Förderung von Artenkenntnis im schulischen Bereich bekräftigt werden.

Inhaltliche Bezugnahme zum UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer

Um in Anlehnung an die aus der Literatur hervorgehenden Ergebnisse die Artenkenntnis von angehenden Lehrer:innen vertieft betrachten zu können, wurde als inhaltliche Referenz mit dem Wattenmeer ein heimisches Ökosystem ausgewählt. Dieses besitzt sowohl für den schulischen als auch (vor allem für die in Norddeutschland gelegenen Bundesländer) den außerschulischen Kontext ein hohes Potenzial für den naturwissenschaftlichen Unterricht und sollte auch in der universitären Lehramtsausbildung eine Berücksichtigung erfahren (Schmäing und Grotjohann 2022a). Das Wattenmeer ist ein besonderes Ökosystem und wurde trotz seiner nachfolgend exemplarisch illustrierten großen fachlichen Bedeutung aus einer empirisch-forschenden Perspektive der Biologiedidaktik bisher kaum berücksichtigt (detaillierte Ausführungen sind Schmäing und Grotjohann (2021) zu entnehmen). Das Wattenmeer ist für eine Vielzahl von Lebewesen unersetzlich, unter anderem für unterschiedliche Vogelarten. Insgesamt rasten, mausern oder überwintern jedes Jahr bis zu zwölf Millionen Wasservögel im Wattenmeer (Laursen et al. 2010). Durch ihr Zugverhalten wird das Wattenmeer mit anderen Gebieten, welche von der Arktis bis hin an die westliche Küste Afrikas reichen, verbunden (Van Roomen et al. 2012) und ist somit ein zentraler Teil des ostatlantischen Vogelzugs. Es ist unter anderem für den großen Brachvogel (Numenius arquata) der wichtigste Rastplatz (Schwemmer et al. 2016).

Wenngleich das Wattenmeer global als UNESCO-Weltnaturerbe und in Deutschland mit gleich drei Nationalparks in den Bundesländern Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein geschützt wird, ist es diversen in der Regel anthropogenen Gefährdungen ausgesetzt. Zu diesen gehören unter anderem die jährlich über 80.000 Schiffsbewegungen und das damit verbundene Risiko einer Havarie (Schlotterbeck 2014), die globale Problematik der Meeresverschmutzung mit Plastikmüll (Liebezeit 2008) sowie im Allgemeinen die Folgen des Klimawandels (Hofstede et al. 2019). Die Kenntnis von Arten des Ökosystems Wattenmeer bei (angehenden) Lehrer:innen ist eine Voraussetzung, um dieses im schulischen Unterricht zu thematisieren und den Erwerb der entsprechenden Artenkenntnis bei den Schüler:innen zu fördern. Wie erörtert, ist dies wiederum eine grundlegende Voraussetzung, um für den Schutz dieses heimischen Ökosystems bei den Lernenden sensibilisieren zu können.

Forschungsfragen

Das hauptsächliche Anliegen dieser Studie ist es, die Artenkenntnis von angehenden Lehrkräften der Unterrichtsfächer Biologie und Sachunterricht zum Ökosystem Wattenmeer zu erschließen. Daher wird zentral der folgenden Fragestellung nachgegangen:

Forschungsfrage 1

Wie ausgeprägt ist die Artenkenntnis der Befragten zum Ökosystem Wattenmeer (1a), wie bekannt sind einzelne Arten (1b)?

Wie illustriert, geht aus einer internationalen Studie hervor, dass die Artenkenntnis von Lehramtsstudierenden zu Beginn des Studiums gering ist, sich im Laufe von diesem jedoch verbessert. Daher wird die folgende Fragestellung formuliert:

Forschungsfrage 2

Gibt es einen Unterschied in der Ausprägung der Artenkenntnis von Bachelor- und Masterstudierenden?

Darüber hinaus wird der Einfluss von vorherigen Primärerfahrungen mit dem Wattenmeer auf die Kenntnis der Arten zu diesem Ökosystem überprüft. Dabei werden sowohl die schulischen Exkursionen der Teilnehmenden in das Wattenmeer im Rahmen ihrer eigenen Schulzeit als auch private Aufenthalte berücksichtigt:

Forschungsfrage 3

Haben vorherige Begegnungen mit dem Wattenmeer in der eigenen Schulzeit (3a) und im privaten Kontext (3b) einen Einfluss auf die Artenkenntnis zu diesem Ökosystem?

Neben diesen spezifischen Naturerfahrungen mit dem konkreten Ökosystem Wattenmeer wird zudem im Allgemeinen die persönliche Relevanz der Natur für die Kenntnis von Arten herangezogen. So wird als weiterer potenzieller Einflussfaktor auf die Artenkenntnis die Naturverbundenheit der Studierenden fokussiert. Unter dieser wird die Überzeugung der Verbundenheit der eigenen Person mit der natürlichen Umwelt gefasst (Bruni et al. 2012). Dieses Konstrukt ist ein wichtiger Prädikator für ökologische Verhaltensweisen (Schultz et al. 2004; Whitburn et al. 2020). Daher wird der folgenden Frage nachgegangen:

Forschungsfrage 4

Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Artenkenntnis zum Ökosystem Wattenmeer und der Naturverbundenheit der Studierenden?

Des Weiteren wird – losgelöst vom Ökosystem Wattenmeer – die Beurteilung der Relevanz von Artenkenntnis bei Schüler:innen und bei Lehrer:innen betrachtet:

Forschungsfrage 5

Wie beurteilen angehende Lehrkräfte der Unterrichtsfächer Biologie und Sachunterricht generell die Relevanz von Artenkenntnis für Schüler:innen (5a) und für Lehrer:innen (5b)?

Infolge der bisherigen geringen Betrachtung des Wattenmeeres in der biologiedidaktischen Forschung wird in dieser Studie ebenso die Beurteilung der Eignung von diesem als außerschulischer Lernort durch die Befragten vorgenommen.

Forschungsfrage 6

Würden die Befragten im Rahmen Ihres angestrebten Berufs mit Schüler:innen eine Exkursion im Wattenmeer durchführen?

Methodische Vorgehensweise

Nachfolgend werden zentrale Informationen zu den Studierenden, welche an dieser Studie teilgenommen haben, sowie zu der methodischen Umsetzung gegeben. Dabei wird nicht nur die Auswahl der Arten geschlussfolgert, sondern auch das Vorgehen bei der Durchführung sowie der Auswertung ausführlich beschrieben.

Stichprobe

An der Studie haben insgesamt 206 Studierende der Universität Bielefeld teilgenommen. Die Erhebung erfolgte im Wintersemester 2021/2022 und zu Beginn des Sommersemesters 2022. Alle befragten Personen waren zum Zeitpunkt der Erhebung in einem lehramtsbezogenen Studiengang eingeschrieben, welcher auf die Unterrichtsfächer Biologie oder Sachunterricht ausgerichtet ist. Insgesamt studieren 16,67 % der Befragten das Fach Biologie für eine Lehrbefähigung in den Jahrgängen der Sekundarstufe I, 52,94 % für eine solche in der Sekundarstufe II. 30,39 % sind angehende Lehrer:innen des Unterrichtsachs Sachunterricht in der Primarstufe. Insgesamt sind 70,15 % der befragten Studierenden in einem Bachelorstudiengang eingeschrieben, 29,85 % in einem des Masters. Das Durchschnittsalter der Befragten beträgt 23,4 Jahre (SD = 2,59), 67 % der Teilnehmenden sind weiblich.

Auswahl der Arten

Für die Konzeption einer Studie über die Artenkenntnis zu einem bestimmten Ökosystem ist die Auswahl der zu berücksichtigenden Arten von großer Bedeutung. In den bisherigen Untersuchungen zur Artenkenntnis von Schüler:innen in Deutschland wurden zumeist Vogelarten (Randler 2003; Zahner et al. 2007), Vertebraten (Gerl et al. 2021; Randler 2006, 2008b) oder Pflanzenarten (Hesse 2002; Jäkel und Schaer 2004; Lückmann und Menzel 2014) betrachtet. Die internationalen Studien über die Artenkenntnis von angehenden Lehrkräften bezogen sich in der Regel auf eine Auswahl verschiedener lokal häufig vorkommender Arten (zum Beispiel Melis et al. 2021).

Für die Umsetzung des Anliegens der vorliegenden Studie wurden daher Arten ausgewählt, die für das Ökosystem Wattenmeer charakteristisch sind. Dazu wurde in einem iterativen Prozess mit Expert:innen eine Auswahl getroffen. Unter den beteiligten Personen waren sowohl Wissenschaftler:innen, welche sich aus einer fachlichen Perspektive mit dem Wattenmeer beschäftigen, als auch solche, die seit Jahrzehnten praktische Erfahrungen in der außerschulischen und der schulischen Bildungsarbeit mit dem Wattenmeer gesammelt haben. Da das Ökosystem der Lebensraum von etwa 10.000 verschiedenen Tier‑, Pflanzen-, und Pilzarten ist (Reise et al. 2010), boten sich verschiedene Anknüpfungspunkte für die konkrete Auswahl an. Diese Herausforderung wurde zudem damit verstärkt, dass bisher in keiner Form andere Studien vorliegen, welche die Artenkenntnis von Lehrenden oder Lernenden zu diesem Ökosystem thematisieren und daher diesbezüglich keine Orientierungsmöglichkeit gegeben war. Letzten Endes wurde infolge der Vielzahl an möglichen Arten ein Fokus auf die das Wattenmeer kennzeichnende Fauna gelegt, sodass in dieser wissenschaftlichen Untersuchung ausschließlich die Kenntnis von zoologischen Arten betrachtet wird.

Um die Fauna des Ökosystems erschließen zu können, wurden in Kooperation mit den Expert:innen jeweils drei verschiedene Arten an Vögeln, Muscheln, Krebstieren, Säugetieren, Würmern und Schnecken ausgewählt. Die Tab. 1 gibt einen Überblick über die konkret ausgewählten Arten.

Tab. 1 Die für die Erhebung ausgewählten Tierarten

Vorgehen bei der Durchführung

In der Literatur wird der Begriff der Artenkenntnis teilweise nicht einheitlich verwendet, sodass es in Abhängigkeit von den spezifischen Umsetzungen zu Unklarheiten kommen kann. Eine tiefgreifendere Ausführung zu diesem Bereich ist Sturm et al. (2020) sowie grundlegend der Einleitung zu entnehmen. In der vorliegenden Studie wurde den Befragten zu allen ausgewählten Arten jeweils eine farbige wissenschaftliche Zeichnung vorgelegt. Mit dieser sollten die Teilnehmenden eine Bestimmung der abgebildeten Art vornehmen. Die Kenntnis einer Art entspricht daher in dieser Untersuchung dem Erkennen dieser Art anhand der entsprechenden Zeichnung. Den nachfolgend dargelegten Vorgehensweisen sind weitere Konkretisierungen zu entnehmen.

Die Erhebung wurde in verschiedenen universitären biologiedidaktischen Veranstaltungen durchgeführt. Dabei wurde den Studierenden der Hinweis gegeben, dass sie bei den abgebildeten Tierarten, die ihnen vollkommen unbekannt sind, keine Artbezeichnung erraten sollten. Vielmehr sollte bei einer Unkenntnis das für die Nennung der Art vorgesehene Feld freigelassen werden.

Erhebung der potenziellen Einflussfaktoren

Wie aus den theoretischen Ausführungen und aus den aufgestellten Forschungsfragen hervorgeht, wurden neben der Artenkenntnis noch weitere Faktoren berücksichtigt. Die vorherigen Erfahrungen mit dem Wattenmeer wurden sowohl in Bezug auf die eigene Schulzeit als auch hinsichtlich privater Aufenthalte im Wattenmeer mit den beiden Optionen ja und nein erhoben. Auch bei der Frage nach der Durchführung einer Exkursion in das Wattenmeer im Rahmen des angestrebten Berufs wurde so vorgegangen.

Das Konstrukt der Naturverbundenheit wurde mit der Inclusion of Nature in Self Scale nach Schultz (2002) ermittelt. Diese umfasst ein einziges grafisches Item. Die Befragten konnten eine der sieben verschiedenen Darstellungsformen des Verhältnisses zweier Kreise (von keinem Überschnitt bis hin zu einer fast vollständigen Überdeckung beider Kreise) wählen, um ihr persönliches Verhältnis mit der Natur zu beschreiben. Diese Skala wurde bereits in vielen Studien mit einem Bezug zur Biologiedidaktik eingesetzt (siehe beispielsweise Braun und Dierkes 2017 oder Liefländer et al. 2013). Für die Erhebung der allgemeinen Relevanz von Artenkenntnis für Lehrer:innen und Schüler:innen konnte von den Teilnehmenden auf einer vierstufigen Skala eine Bewertung vorgenommen werden (gering (1) – eher gering (2) – eher hoch (3) – hoch (4)).

Vorgehen bei der Auswertung

Bei der Auswahl des Auswertungsverfahrens wurde sich an der Umsetzung in anderen Studien orientiert, welche die Artenkenntnis betrachtet haben (Eschenhagen 1982; Gerl et al. 2018; Randler 2006; Sturm et al. 2020). So wurde für die Nennung der korrekten Artbezeichnung ein Punkt vergeben. Sofern ein übergeordnetes Taxon richtig angegeben worden ist, gab es einen halben Punkt. Da bei der Erhebung 18 verschiedene Tierarten berücksichtigt worden sind, konnte jeder Teilnehmende insgesamt maximal 18 Punkte erreichen.

Bei der Datenauswertung wurden verschiedene statistische Verfahren genutzt. Während für die Beantwortung der ersten sowie der fünften und der sechsten Forschungsfrage deskriptive Statistik herangezogen werden konnte, wurde für die vierte Forschungsfrage eine Korrelationsanalyse durchgeführt, um einen potenziellen Zusammenhang zwischen den zwei betrachteten Variablen ausmachen zu können. Die Bewertung der Ergebnisse erfolgt mit dem Korrelationskoeffizienten r. Eine relativ kleine Korrelation liegt ab einem Wert von r = |0,1| vor, ab r = |0,2| ist die Korrelation typisch und ab r = |0,3| wird diese als relativ groß bezeichnet (Gignac und Szodorai 2016).

Für die zweite und die dritte Forschungsfrage wurden insgesamt drei ungepaarte t-Tests durchgeführt, um mögliche Unterschiede zwischen den einzelnen gebildeten Gruppen ermitteln zu können. Eine Voraussetzung für die Durchführung dieses Verfahrens ist die Normalverteilung, welche infolge der jeweils ausreichend großen Stichprobe (n > 30) in allen Gruppen gemäß des zentralen Grenzwerttheorems angenommen werden konnte (Bortz und Schuster 2010). Eine weitere Voraussetzung ist die Varianzhomogenität (Rasch et al. 2006). Diese wurde bei der Durchführung aller t-Tests mit dem Levene-Test geprüft und konnte jeweils angenommen werden. Bei der Interpretation der Ergebnisse kann Cohen’s d herangezogen werden. Ab einem Wert von d = |0,2| ist ein Effekt klein, ab d = |0,5| mittel. Ein großer Effekt liegt ab einem Wert von d = |0,8| vor (Cohen 1988).

Ergebnisse

Nachfolgend werden die Ergebnisse zu den einzelnen Forschungsfragen dargestellt. Dies erfolgt in der ausgeführten Reihenfolge der sechs Forschungsfragen.

Die Artenkenntnis zum Ökosystem Wattenmeer

Die Studierenden haben bei der Erhebung durchschnittlich M = 5,41 von 18 Punkten erreicht (SD = 2,93). Der Tab. 2 sind die von den Befragten erreichten Punktzahlen pro Tierart zu entnehmen. Dabei wurden die erzielten Punkte aller Teilnehmenden für die jeweiligen Arten addiert, sodass sich für jede Tierart ein Wertebereich zwischen 0 und 206 ergibt. Die Sortierung der Arten erfolgt mit absteigender Punktzahl. Für eine weitere Illustration der Ergebnisse ist zudem der jeweilige prozentuale Anteil der erreichten an den maximal erreichbaren Punkten angegeben.

Tab. 2 Die Darstellung der Ergebnisse nach den Tierarten

Die Bedeutung des Fortschrittes im Studium

Mit einem ungepaarten t-Test konnten die Gesamtpunktzahlen zwischen den Bachelorstudierenden und den Masterstudierenden verglichen werden. Die Ergebnisse zeigen, dass Studierende des Bachelors (M = 5,29; SD = 3,05; n = 141) nicht schlechter abgeschnitten haben als Studierende des Masters (M = 6,07; SD = 2,85; n = 60), da es keinen statistisch signifikanten Unterschied gibt (t (199) = −1,692; p = 0,092).

Der Einfluss von vorherigen Erfahrungen mit dem Wattenmeer

Aus dem ungepaarten t-Test mit einem Bezug zu den vorherigen Erfahrungen mit dem Wattenmeer aus der eigenen Schulzeit geht hervor, dass die Befragten mit diesen Erfahrungen (M = 5,77; SD = 2,67; n = 99) nur eine geringfügig höhere Artenkenntnis aufweisen als die ohne (M = 5,20; SD = 3,26; n = 107). Dieser Unterschied ist nicht signifikant (t (204) = 1,371; p = 0,172).

Der ungepaarte t-Test, welcher die Relevanz von privaten Erfahrungen mit dem Wattenmeer betrachtet, belegt, dass die Studierenden, welche bereits im Wattenmeer waren, eine höhere Artenkenntnis zu diesem Ökosystem aufweisen als die Studierenden ohne diese vorherigen Erfahrungen (M = 6,24; SD = 2,94; n = 124 bzw. M = 4,30; SD = 2,73; n = 81). Dieser Mittelwertsunterschied ist statistisch signifikant (t (203) = 4,753; p < 0,001). Der Effekt besitzt eine mittlere Stärke (d = 0,68).

Die Relevanz der Naturverbundenheit für die Artenkenntnis

Die Pearson Produkt-Moment-Korrelation belegt einen positiven Zusammenhang zwischen der Naturverbundenheit der Studierenden und ihrer Artenkenntnis zum Wattenmeer. Je stärker die Naturverbundenheit ausgeprägt ist, umso höher ist die Artenkenntnis zu diesem Ökosystem (r = 0,417; p < 0,001). Die ermittelte Korrelation ist relativ groß. Die Naturverbundenheit, welche gemäß der Erörterungen im methodischen Kapitel einen Wertebereich zwischen eins und sieben einnehmen kann, beträgt bei den Befragten M = 4,20 (SD = 1,13).

Die Bedeutung von Artenkenntnis für Schüler:innen und Lehrer:innen

Die Studierenden bewerten die allgemeine Wichtigkeit von Artenkenntnis unabhängig vom betrachteten Ökosystem für Lehrer:innen als eher hoch (M = 2,92; SD = 0,75). Die Relevanz von Artenkenntnis wird für Schüler:innen als eher gering beurteilt (M = 2,19, SD = 0,75).

Die Eignung des Wattenmeeres als außerschulischer Lernort

Von den Befragten gaben 89,45 % (n = 178) an, dass sie im Rahmen ihres angestrebten Berufs mit ihren Schüler:innen eine Exkursion in das Wattenmeer durchführen würden. Nur 10,55 % (n = 21) würden dies hingegen nicht tun.

Diskussion

Wie die vorherige Darstellung der Ergebnisse erfolgt auch die Diskussion dieser in der bisherig umgesetzten Reihenfolge. Darüber hinaus werden im Anschluss in jeweils einem separaten Abschnitt aus verschiedenen Perspektiven Implikationen für die Praxis der Lehramtsausbildung gegeben und Limitierungen der Ergebnisse sowie Schlussfolgerungen für weitere Forschung herausgearbeitet.

Ausprägung der Artenkenntnis und Bekanntheit der einzelnen Arten

Die in der Literatur beschriebene – jedoch wie erörtert mit Vorsicht zu interpretierende – Erkenntnis einer allgemein geringen Fähigkeit zur Bestimmung lokal häufig vorkommender Arten von angehenden Lehrer:innen (Palmberg et al. 2015) sowie die von den Hochschullehrenden angeführten Mängel bei dieser Personengruppe (Krüger et al. 2010) können mit der vorliegenden Studie bestärkt werden. Auch mit einer Bezugnahme zum betrachteten Ökosystem ist dieses Ergebnis wenig überraschend. So wurde in einer Wortassoziationsstudie zu verschiedenen Begriffen mit einem inhaltlichen Bezug zum Wattenmeer deutlich, dass dieses von angehenden Biologielehrkräften teilweise mit fachlich falschen Begriffen verknüpft wird (Schmäing und Grotjohann 2022b). Sowohl die nicht stark ausgeprägte Artenkenntnis als auch diese fachwissenschaftlich nicht nachvollziehbaren Assoziationen weisen auf eine geringe Bekanntheit dieses UNESCO-Weltnaturerbes bei den Lehramtsstudierenden hin.

Eine differenziertere Beurteilung dieses Ergebnisses ist mit einer Betrachtung der Bekanntheit einzelner Tierarten möglich. Wenngleich die Silbermöwe ein für das Wattenmeer und generell für die Küstenregion sehr charakteristischer Vogel ist, kommt sie auch im Binnenland, teilweise sogar in Städten vor (Steiof et al. 2010). Somit könnte die große Bekanntheit dieser Tierart eine Folge ihrer Verbreitung außerhalb der Wattregion sein. Eine Vielzahl an Schüler:innen (Schmäing und Grotjohann 2021), aber auch an Tourist:innen (Gätje 2007) verbindet das Wattenmeer mit Muscheln und Krebsen. Die vergleichsweise große Bekanntheit dieser Tierarten konnte auch bei den Lehramtsstudierenden belegt werden und ist daher als nicht überraschend zu bewerten.

Vergleich zwischen Bachelor- und Masterstudierenden

Mit den Ergebnissen zur zweiten Forschungsfrage wird deutlich, dass die Artenkenntnis im Laufe des Studiums nicht zunimmt und die Erkenntnisse von Skarstein und Skarstein (2020) in diesem konkreten Kontext nicht bestätigt werden können. Hierbei ist jedoch zu betonen, dass die vorliegende Studie mit dem Wattenmeer ein spezifisches Ökosystem berücksichtigt und somit keine Verallgemeinerung dieser Schlussfolgerungen auf andere heimische Ökosysteme vorgenommen werden kann.

Einfluss vorheriger Erfahrungen mit dem Wattenmeer

Einen Ansatz für die Steigerung der Artenkenntnis liefern die Ergebnisse zur dritten Forschungsfrage. Der signifikante Einfluss privater Aufenthalte belegt die große Bedeutung von Primärerfahrungen mit dem Wattenmeer für die Förderung von Artenkenntnis.

Auch für den schulischen Kontext ist dieses Ergebnis relevant. So hat der Einsatz von originalen Objekten unter anderem einen positiven Effekt auf den Wissenserwerb (Polte und Wilde 2021). Die anschauliche Gestaltung von Unterricht könnte bei einem Einsatz von originalen Objekten ebenso die Artenkenntnis fördern. Dazu könnten beispielsweise Präparate von ausgewählten Tierarten genutzt werden. Die Förderung der Kenntnis von Vogelarten mit einem Einsatz von solchen konnte bereits empirisch ermittelt werden (Randler und Bogner 2002). Diese Erkenntnis wird hingegen von dem nicht signifikanten Einfluss schulischer Erfahrungen entkräftigt. Allerdings ist dabei kritisch anzuführen, dass nicht erhoben wurde, wann diese außerschulischen Erfahrungen gesammelt worden sind. Sofern diese bereits einige Jahre zurückliegen und beispielsweise während der eigenen Grundschulzeit gemacht worden sind, ist dies ein Erklärungsansatz für den geringeren Einfluss.

Andererseits wird auf der Grundlage des positiven Einflusses der privaten Aufenthalte im besonderen Maße das Potenzial von informellen Lernprozessen deutlich. Auch für andere Lernorte konnte dieses nachgewiesen werden (beispielsweise für den botanischen Garten: Sellmann und Bogner (2013)). Bei Schüler:innen wurde ein Zusammenhang zwischen tierbezogenen Freizeitaktivitäten und der Kenntnis von Arten festgestellt (Randler 2010). Dieses Ergebnis kann somit auch durch den betrachteten Kontext mit angehenden Lehrer:innen bekräftigt werden.

Artenkenntnis und Naturverbundenheit

Mit dieser Erkenntnis einhergehend kann der im Rahmen der vierten Forschungsfrage ermittelte Zusammenhang zwischen der Artenkenntnis und der Naturverbundenheit der Lehramtsstudierenden angeführt werden. Da die Naturverbundenheit vollkommen unabhängig vom Wattenmeer auf die Natur fokussiert, wird mit dem Ergebnis die große Bedeutung dieser deutlich. Daher sollte bei den angehenden Lehrkräften die Verbundenheit mit der Natur nicht nur im Hinblick auf diesen Zusammenhang, sondern auch aufgrund der schulischen Relevanz gefördert werden. Die Förderung der Naturverbundenheit ist bei Schüler:innen zudem deshalb wichtig, da diese unter anderem einen positiven Einfluss auf umweltfreundliches Verhalten nimmt (Kaiser et al. 2008) sowie mit einem erhöhten eudämonischen Wohlbefinden einhergeht (Pritchard et al. 2020). Um dies umzusetzen, sollte bei den Lehrer:innen eine entsprechend ausgeprägte Naturverbundenheit vorhanden sein.

Bewertung der Relevanz von Artenkenntnis

Die von den Studierenden herausgestellte Wichtigkeit von Artenkenntnis für Lehrer:innen trotz der bei ihnen selbst geringen Ausprägung bestärkt die Erkenntnisse früherer Studien (Palmberg et al. 2017, 2018). Die Beurteilung der Relevanz von Artenkenntnis für Schüler:innen ist eine neue Erkenntnis, welche mit den vorliegenden Studien infolge der mangelnden Betrachtung nicht in Verbindung gebracht werden kann. Nichtsdestotrotz erscheint es nicht als überraschend, dass die Studierenden die Artenkenntnis für Lehrer:innen als wichtiger bewerten als für Schüler:innen.

Da die Studierenden die Kenntnis von Arten bei Schüler:innen allerdings nicht als vollkommen unbedeutend herausstellen, wird auch aus ihrer Perspektive die Relevanz einer Förderung im Unterricht deutlich. Dafür können verschiedene methodische Umsetzungen vorgenommen werden. Dazu zählt unter anderem die 5‑Minuten-Biologie (Hense 2021) oder das Zeichnen (Gerl et al. 2017).

Beurteilung des Wattenmeeres als Lernort

Das Wattenmeer wird von den Studierenden als ein sehr geeigneter außerschulischer Lernort herausgestellt. Daher wird das von den Expert:innen dargestellte große Potenzial des Wattenmeeres für außerschulische Bildungsprozesse (Schmäing und Grotjohann 2022a) auch aus dieser Sichtweise beschrieben. Aufgrund der relativ geringen Artenkenntnis der Studierenden vermag dieses Ergebnis zu überraschen. Damit kann jedoch die Forderung einer Berücksichtigung des Wattenmeeres in der universitären Lehramtsausbildung, welche im nachfolgenden Unterkapitel umsetzungsorientiert ausgeführt wird, bestärkt werden.

Implikationen für die Praxis der Lehramtsausbildung

Das Ergebnis der im Durchschnitt gering ausgeprägten Artenkenntnis ist in Anbetracht der Relevanz dieser für Lehrkräfte in Bezug auf die Vermittlung im biologischen Unterricht als hinderlich zu beurteilen. Eben da Artenkenntnis einen wichtigen Beitrag im Kontext von Bildung für nachhaltige Entwicklung leisten kann (Wolff und Skarstein 2020), sollte diese bereits in der universitären Lehramtsausbildung gefördert werden. Mit der Beurteilung der Wichtigkeit von Artenkenntnis für Lehrer:innen kann diese Schlussfolgerung bekräftigt werden – nicht nur von außen, sondern auch von den Befragten selbst. An dieser Stelle ist anzuführen, dass es an der Universität Bielefeld vor allem im Rahmen des lehramtsbezogenen Masterstudiums die Möglichkeit gibt mit meeresbiologischen Exkursionen (nach Spiekeroog oder Helgoland) oder meeresbiologischen Veranstaltungen in der Universität die Artenkenntnis zum Wattenmeer zu erweitern.

Im Allgemeinen ist eine Umsetzung der Förderung der Kenntnis von Arten in der universitären Lehramtsausbildung auf mehreren Ebenen möglich. Die ermittelte große Bedeutung von Aufenthalten im Wattenmeer stellt ein zentrales Argument für die Durchführung von meeresbiologischen Exkursionen dar. Mit diesen können von den Studierenden die für die positive Entwicklung ihrer Artenkenntnis wichtigen Primärerfahrungen mit dem Ökosystem gesammelt werden. In einer anderen Studie wurde von Lehramtsstudierenden das Lernen im Freien mit lebendigen Organismen als die effizienteste Vermittlungsmethode herausgestellt (Palmberg et al. 2019). Das direkte Erleben von Arten hat ebenso bei Schüler:innen einen positiven Einfluss auf die Kenntnis dieser (Kaasinen 2019). Zudem ist essinnvoll auch in der Universität mit fachlichen Veranstaltungen heimische Ökosysteme zu thematisieren. So können die angehenden Lehrkräfte für ihre Relevanz sensibilisiert werden. Der universitäre Rahmen bietet nicht nur die Gelegenheit die Kenntnis von Arten zu fördern. Vielmehr können darüber hinaus die innerhalb der Einleitung skizzierte Formenkenntnis und das species literacy concept der Studierenden gestärkt werden, um die ökologische Bedeutung einzelner Arten herausstellen zu können. Gerade weil das Wattenmeer eine globale Relevanz besitzt und mit anderen Ökosystemen in Verbindung steht, ist es für eine solche Thematisierung in einer fachlich ausgerichteten meeresbiologischen Veranstaltung prädestiniert und die Aneignung der entsprechenden fachwissenschaftlichen Inhalte wichtig. Dabei sollten auch Bestimmungsübungen durchgeführt werden, um die Kenntnisse der Studierenden zu fördern. Da aus der Literatur das Fehlen von Bestimmungskursen als ein zentraler Grund für den Rückgang von Artenkenner:innen hervorgeht (Frobel und Schlumprecht 2016), wird die Bedeutsamkeit von solchen Veranstaltungen ersichtlich.

Die herausgearbeitete fachliche Eignung dieses Ökosystems findet sich auch aus einer biologiedidaktischen Perspektive wieder. So besitzt das Wattenmeer aufgrund seiner außergewöhnlichen Erlebbarkeit außerschulisch und seiner vielseitigen Besonderheiten für den Schulunterricht ein hohes Potenzial (Schmäing und Grotjohann 2022a). Vor allem deswegen ist es aus dieser fachdidaktischen Sichtweise wichtig, den Studierenden bereits an der Universität die Möglichkeiten einer schulischen Thematisierung zu eröffnen. Dies ist in Kombination mit der bereits angeführten Vermittlung von fachlichen Inhalten sinnvoll und sollte in Anbindung daran erfolgen. Mit dieser Umsetzung ist es zudem möglich, weitere theoretische und praktische Implikationen für die Planung schulischen Unterrichts und für die Durchführung von außerschulischen Lehr- und Lernprozessen zu eröffnen. Dabei können die bereits angebrachten methodischen Umsetzungen für den Schulunterricht berücksichtigt werden. Das Wattenmeer bietet daher vielseitige Anknüpfungspunkte für eine Berücksichtigung in der fachlichen und der fachdidaktischen Lehramtsausausbildung, welche unter anderem auf die Förderung der Artenkenntnis von angehenden Lehrkräften und damit auf die von ihren zukünftigen Schüler:innen intendieren.

Vor dem Hintergrund der Bildung für nachhaltige Entwicklung ist exemplarisch die Möglichkeit einer fächerübergreifenden Betrachtungsweise des Wattenmeeres auf schulischer, aber ebenso auf hochschulischer Ebene hervorzuheben. Gerade da sich dieses Ökosystem aufgrund der zahlreichen Schiffsbewegungen und der damit einhergehenden Diskussionen um weitere Vertiefungen von angrenzenden Schifffahrtsstraßen (beispielsweise die der Elbe oder die der Weser) im Konfliktfeld zwischen ökologischem Schutz und ökonomischer Nutzung befindet, ist dieser Aspekt zentral. In diesem Kontext könnte eine Bearbeitung mit einem Unterrichtsvorhaben der sozialwissenschaftlichen Fächer verknüpft werden. Dabei könnten ebenso die Konsequenzen aus einer sozialen Sichtweise berücksichtigt werden.

Ein weiteres inhaltliches Beispiel ist die aktuelle Debatte über eine mögliche Erdgasförderung nahe der ostfriesischen Nordseeinsel Borkum und ihre Auswirkungen aus den Perspektiven der drei Nachhaltigkeitsdimensionen. Für eine Umsetzung innerhalb der schulischen Praxis ist eine Vorbereitung auch in der universitären Lehramtsausbildung förderlich. Selbst in diesen konkreten Exempeln bildet die Artenkenntnis eine wichtige Grundlage, um entsprechende Prozesse sowie vor allem ihre Auswirkungen beurteilen zu können. Dieser Zusammenhang kann darüber hinaus mit einer Ausweitung auf die Formenkenntnis bzw. auf das species literacy concept hinsichtlich der Bildung für nachhaltige Entwicklung verdeutlicht werden. So ist neben der Kenntnis einer Art auch ihre ökologische Bedeutung relevant. Nur mit diesem Fachwissen ist es beispielsweise möglich, die Auswirkungen der Aufnahme von Mikroplastik von Miesmuscheln und das Hervorrufen von Entzündungsreaktionen in ihren Verdauungsorganen (Gutow et al. 2017) oder die des Einflusses der pazifischen Auster (Crassostrea gigas) als Neozoen auf weitere Organismen zu beurteilen. Da die Miesmuscheln eine Deckung zwischen den größeren Austern finden und daher für Fressfeinde schwerer erreichbar sind, gibt es aufgrund ihrer Bedeutung als Nahrungsquelle für andere Tierarten Veränderungen im Nahrungsnetz (Buschbaum und Reise 2010). Diese können wiederum infolge der globalen Relevanz des Ökosystems für den Vogelzug weitreichende Folgen haben. Letztlich sind alle Lehr- und Lernprozesse rund um diese fachlichen Inhalte mit einer mangelnden Artenkenntnis weder in der Hochschule noch in den allgemeinbildenden Schulen hinreichend umsetzbar. Daher ist die Kenntnis von Arten für das Erschließen natürlicher Zusammenhänge (Schulte et al. 2019) auch im Kontext der Bildung für nachhaltige Entwicklung zentral.

Limitierungen sowie Schlussfolgerungen für weitere Forschung

In Bezug auf die Ergebnisse und die vollzogene Diskussion dieser, aber auch hinsichtlich der methodischen Vorgehensweise sind einige Limitierungen darzulegen. Diese werden nachfolgend ausgeführt und daran anbindend Implikationen für anknüpfende Forschung geschlussfolgert.

Obwohl das Wattenmeer in Deutschland ein bedeutender Bestandteil des weltweit größten zusammenhängenden Wattgebiets ist und viele Besonderheiten aufweist, scheint es bei der betrachteten Gruppe gemessen an der Artenkenntnis nur eingeschränkt bekannt zu sein. Dazu muss als Limitierung angeführt werden, dass die befragten Studierenden zum Zeitpunkt der Erhebung an einer Universität eingeschrieben waren, welche über 200 km vom Wattenmeer entfernt liegt. In nachfolgenden Untersuchungen kann hieran angeknüpft werden. So ist es möglich, den potenziellen Einfluss der örtlichen Nähe zu einem bestimmten Ökosystem auf die Artenkenntnis zu überprüfen. Dies ist sowohl mit einem Bezug zu (angehenden) Lehrer:innen als auch zu Schüler:innen sinnvoll. Mit den Ergebnissen könnte die bereits in der vorliegenden Studie herausgearbeitete Relevanz von Primärerfahrungen vertieft diskutiert werden.

Außerdem muss eine zentrale Limitierung hinsichtlich der Methodik angeführt werden. Wenngleich die Auswahl der betrachteten Tierarten in einer intensiven Beratung mit verschiedenen Expert:innen sehr gründlich getroffen worden ist, muss auf den Optimierungsbedarf dieses Prozesses hingewiesen werden. So wäre es sinnvoll gewesen entweder eine Vorauswahl an Arten zu treffen oder die von den Expert:innen vorgeschlagenen Arten in einen Delphi-Prozess zu überführen. Ebenso wäre eine Orientierung an den Häufigkeiten der einzelnen Arten, wie es beispielsweise von Randler und Heil (2021) umgesetzt worden ist, möglich gewesen. In vertiefenden Studien ist es sinnig, dies auch mit einem Bezug zum Ökosystem Wattenmeer umzusetzen. Auf diese Weise könnten die Kenntnis von weiteren Arten mit den vorliegenden Ergebnissen verglichen und vertiefte Schlussfolgerungen ermöglicht werden.

Andererseits bezieht sich die umgesetzte Forschung ausschließlich auf das Ökosystem Wattenmeer. Die Artenkenntnis von angehenden Lehrer:innen zu weiteren heimischen Ökosystemen sollte in anderen Studien betrachtet werden. Wie bereits erörtert liegen sowohl national als auch international bisher wenige Untersuchungen in diesem Bereich vor. Somit gibt es vielseitige Anknüpfungspunkte für die weitere Forschung. Darüber hinaus ist kritisch anzumerken, dass in der vorliegenden Studie nicht erhoben worden ist, inwiefern die Studierenden in ihrem Studium meeresbiologische Veranstaltungen belegt haben. Daher ist ein potenzieller Einfluss von diesen im individuellen Studienverlauf nicht nachzuvollziehen. In weiteren Untersuchungen könnten die Auswirkungen von universitären Veranstaltungen auf die Artenkenntnis von Studierenden ermittelt werden. Dabei kann eine differenzierte Betrachtung zwischen den Kursen innerhalb der Universität und den Exkursionen erfolgen, um einen weiteren Fokus auf die Primärerfahrungen legen zu können.

Eine weitere Limitierung der methodischen Vorgehensweise ist bezüglich der Ermittlung einer Beurteilung des Wattenmeeres als außerschulischer Lernort zu nennen. So könnte mit der formulierten Fragestellung eine grundlegende Relevanz des Wattenmeeres suggeriert worden sein. Zudem sollten die Studierenden in keiner Form eine Begründung für ihre Einschätzung abgeben. Beweggründe wären jedoch für eine vertiefte Diskussion wichtig gewesen, da zugleich weitere Bezüge zu den hergeleiteten Implikationen hätten genommen werden können. Nachfolgende Studien mit einer Bezugnahme zum Ökosystem Wattenmeer sollten diese Fragestellung aufgreifen und dabei die Begründungen der Studierenden für ihre Einschätzungen ermitteln.