Einleitung

Das Interesse von Lernenden im schulischen Kontext hat einen hohen Stellenwert. So ist neben weiteren Lernzielen die Förderung des Fachinteresses als Ziel in den Lehrplänen vieler Bundesländer (Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein 2019) explizit hinterlegt. Weiterführend steht Interesse in Zusammenhang mit anderen wichtigen Outcome-Variablen von schulischem Unterricht. So beeinflusst es Lernprozesse und Leistung von Lernenden nachweislich positiv (Höft und Bernholt 2019b; Potvin und Hasni 2014b) und ist ein wichtiger Indikator für Profil- sowie Berufswahlentscheidungen (Maltese und Tai 2011).

Bezieht man diese per se schon prominente Stellung von Interesse auf die Naturwissenschaften als Schulfächer, gewinnt sie sogar noch an Bedeutung. Bei Betrachtung der Interessenentwicklung in naturwissenschaftlichen Fächern und speziell im Fach Chemie fällt auf, dass das Interesse der Lernenden über den Verlauf der Sekundarstufe zurückgeht (Höft und Bernholt 2019a; Potvin und Hasni 2014a, 2014b). Empirische Studien zeigen, dass dieser Rückgang besonders stark in der achten Klasse zu verorten ist. Auch bei einer nach typischen naturwissenschaftlichen Tätigkeiten (z. B. Experimente selber planen oder Fragestellungen in Kleingruppen bearbeiten) differenzierten Betrachtung ist ein Rückgang in verschiedenen Tätigkeitsdimensionen zu beobachten (Höft et al. 2019). Aus entwicklungspsychologischer Sicht kann u. a. eine Interessensdifferenzierung im Verlauf der Pubertät bei den Lernenden eine Begründung sein (Schiefer et al. 2018), allerdings ist das Interesse am Chemieunterricht im Vergleich zum Interesse an anderen Fächern geringer (Krapp und Prenzel 2011). Ein Ansatz, diesem Rückgang zu begegnen, liegt darin, die Themenauswahl für die Lernenden zu adaptieren. Im Zuge der IPN-Interessensstudie (Hoffmann et al. 1998) und der ROSE-Studie (Elster 2007) wurden potenziell interessante Themen näher spezifiziert. Dabei zeigte sich, dass die Interessen von Jugendlichen alters- und geschlechtsabhängig sind (Hoffmann et al. 1998). Vor allem Themen im Bereich Gesundheit, Fitness, Mystik und Spektakuläres sind für Jugendliche interessant (Elster 2007). Für die Umsetzung der alltagsnahen Themen eignet sich kontextbasierter Unterricht, welcher als interessefördernd gilt (Habig et al. 2017). Begründet liegt die interessefördernde Wirkung in der Fokussierung einer hohen Autonomie, verstärktem Kompetenzerleben, hoher Unterrichtsqualität, sozialer Eingebundenheit und einem hohen Interesse der Lehrkraft (Parchmann et al. 2006). Eine weiteres Beispiel für eine Unterrichtskonzeption mit einem positiven Effekt auf das Interesse der Lernenden ist der forschend-entdeckende Unterricht, welcher sich durch einen ausgewogenen Anteil von „Hands-on“- und „Minds-on“-Aktivitäten auszeichnet (Schiepe-Tiska et al. 2016). Obwohl es demnach Ansätze und Konzeptionen gibt, die als interessefördernd beschrieben werden, gelingt es nicht, das bestehende Anfangsinteresse, mit dem die Lernenden in den (Chemie‑)Unterricht starten, zumindest zu halten. Daraus ergibt sich die Frage, was im Chemieunterricht tatsächlich passiert: Werden Konzeptionen, welche eine interessefördernde Wirkung haben sollten, nicht (richtig) eingesetzt? Sind die Wirkmechanismen von interessefördernden Maßnahmen vielschichtiger als bisher angenommen? Oder gelingt der Übergang von einem situational angeregten Interesse in ein stabileres, dauerhaftes Interesse für einen Großteil der Lernenden nicht?

Theoretischer Hintergrund

Interesse

Historisch bedingt existieren für das Konstrukt Interesse viele Definitionen. Wissenschaftliche Ansätze eint, dass sie Interesse als multidimensional mit affektiven und motivationalen Bestandteilen betrachten (Hidi und Harackiewicz 2000). Eine der gängigsten Konzeptualisierungen von Interesse stammt von Krapp (2002): Er definiert Interesse in seiner „person-object theory of interest“ (POI) als Relation zwischen Person und Gegenstand. Das Resultat dieser Relation kann Interesse sein und ist durch eine wertbezogene, eine affektive und eine kognitive Komponente geprägt (Krapp und Prenzel 2011). Durch die Einbeziehung des Gegenstandes verdeutlicht Krapp die Inhaltsspezifität von Interesse. Im Kontext des Chemieunterrichts kann nach dem Modell von Hoffmann et al. (1998) beispielsweise der Kontext (z. B. anorganische Chemie), das Gebiet (z. B. Salze) oder eine Tätigkeit (z. B. im praktisch-konstruktiven Feld) einen Interessengegenstand darstellen.

Interesse wird, in Abhängigkeit von seiner Stabilität, in ein stabiles, überdauerndes Interesse (individuelles Interesse) und ein instabiles, kurzweiliges Interesse (situationales Interesse) unterteilt. Das situationale Interesse kann sowohl aufgrund des bereits bestehenden individuellen Interesses als auch aufgrund der „Interessantheit“ der Situation entstehen (Krapp 2002), d. h. es wird der Anteil des Interesses beschrieben, der zeit- und situationsspezifisch ist und welcher durch Anreize der (Lern‑)Umgebung entsteht (Mitchell 1993; Renninger und Hidi 2011). Das individuelle Interesse hingegen ist differenzierbar in einen stabilen Teil im Sinne einer Prädisposition (Trait) und einem situationsbedingten psychologischen Zustand (State), wobei letzteres beschreibt, wie eine Person in einer Situation aufgrund ihres individuellen Interesses reagiert (Harackiewicz und Knogler 2017; Hidi und Renninger 2006). Für die Person sind diese Komponenten nicht differenzierbar und es ist letztlich unerheblich, ob ihr Interesse in einer Situation einem aktualisierten individuellem Interesse oder einem situationalen Interesse entspricht. Die identischen Empfindungen erschweren die empirische Differenzierung von situationalem und individuellem Interesse (Harackiewicz und Knogler 2017).

Interessenentwicklung

Basierend auf der POI nach Krapp setzen Hidi und Renninger (2006) in dem Vier-Phasen-Modell der Interessenentwicklung situationales und individuelles Interesse miteinander in Relation: Sie postulieren, dass sich das unbeständige situationale Interesse bei wiederholter Auseinandersetzung mit einem Interessengegenstand zum stabileren individuellem Interesse entwickeln kann. Dabei erfolgt die Entwicklung vom triggered situational interest bis zum well-developed individual interest über vier konsekutive Phasen. Aufgrund der erschwerten intrapersonalen Differenzierbarkeit zwischen situationalem und aktualisiertem individuellem Interesse ist die empirische Nachweisbarkeit des Vier-Phasen-Modells erschwert. Vereinzelte empirische Befunde (z. B. Knogler et al. 2015; Palmer et al. 2017) stützen jedoch die Grundannahmen des Modells.

Möglichkeiten zur Förderung von Interesse

Aus der eingangs dargestellten Problematik des sinkenden Interesses von Lernenden an Naturwissenschaften und den unterschiedlichen Interessenarten ergibt sich die Frage nach geeigneten Ansatzpunkten zur Förderung. Hier wird auf eine vielfach formulierte These zurückgegriffen: Interesse muss erst gefördert werden, damit es sich weiterentwickeln kann (Harackiewicz et al. 2008; Hidi und Baird 1986; Mitchell 1993). Diese Fördermaßnahmen, so genannnte „Interessentrigger“, sollen nach folgendem Prinzip Interesse generieren: „The development of a new interest is initiated when something catches the attention of a learner, a process called triggering.“ (Renninger et al. 2019, S. 2). Die Differenzierung zwischen Triggern für situationales bzw. individuelles Interesse ist nicht trivial. Häufig lässt sich nicht genau unterscheiden, welcher Trigger auf welche Komponente wirkt. So wird Neugier teilweise als Trigger für situationales Interesse (Palmer 2004), aber auch als Vorstufe von individuellem Interesse beschrieben (Shin und Kim 2019). Cheung (2017) hat die Haupteinflüsse auf das individuelle Interesse von Lernenden am naturwissenschaftlichen Unterricht untersucht und dabei festgestellt, dass vor allem relativ stabile Merkmale wie das naturwissenschaftliche Selbstkonzept und das generelle individuelle Interesse an Naturwissenschaften einen Effekt haben. Er stellte aber gleichzeitig fest, dass die situationalen Einflüsse der Unterrichtsstunde, sprich deren Gestaltung, einen wichtigen Faktor für die Förderung des individuellen Interesses der Lernenden am naturwissenschaftlichen Unterricht darstellen.

In vielen Studien wird untersucht, wie sich (situationales) Interesse im naturwissenschaftlichen Unterricht fördern lässt. Dabei wirken die Trigger in unterschiedlichen Bereichen. Die Einteilung ist adaptiert nach Fend (1988), wobei eine zusätzliche Ebene für Faktoren, die über die einzelnen Schulen hinausgehen, hinzugefügt wurde (die Bildungsadministration). In diesem Bereich kann das Interesse der Lernenden durch die Ermöglichung früher Auseinandersetzungen von Lernenden mit Naturwissenschaften (Ainley und Ainley 2011) oder die Nutzung außerschulischer Lernorte (Hulleman und Harackiewicz 2009) gefördert werden. Weitere Bereiche sind die der Unterrichts- oder Lehrmaterialgestaltung, die Beziehung zwischen Lehrkraft und Lernenden bzw. zwischen Lernenden, die Charakteristika der Lehrkraft und das Erfüllen der Grundbedürfnisse nach der Selbstbestimmungstheorie (SDT). In der SDT werden die intrinsische Motivation, d. h. das Bestreben, selbstintendiert Handlungen auszuführen, sowie Ziele von Individuen in Relation zu deren (psychologischer) Gesundheit untersucht. Sie postuliert, dass hierbei drei Grundbedürfnisse (basic needs) ausschlaggebend sind: Soziale Eingebundenheit, Kompetenz- und Autonomieerleben (Ryan und Deci 2000). Aufgrund der theoretischen Nähe zwischen intrinsischer Motivation und Interesse beschreiben Ryan und Deci (2000) Interesse als assoziierten Prozess zur intrinsischen Motivation. Eine ausführlichere Darstellung von weiteren Interessentriggern, die in den zitierten Studien einen positiven Effekt auf das Interesse von Lernenden im naturwissenschaftlichen Unterricht haben, ist im digitalen Anhang (Tab. 1) zu finden.

Nicht nur die Streuung der Interessentrigger über die verschiedenen Bereiche ist sehr vielfältig, sondern auch deren Inhalte. Sie geben zwar eine grobe Richtung für Lehrkräfte zur Gestaltung eines interessefördernden Unterrichts vor, jedoch werden weder die Heterogenität von Lerngruppen noch die differenzierte Betrachtung der Wirkmechanismen von Interessentriggern berücksichtigt. Holstermann et al. (2010) konnten bspw. zeigen, dass die Postulierung von Hands-on-Aktivitäten als interessefördernde Tätigkeiten im Biologieunterricht den tatsächlichen Sachverhalt zu stark vereinfacht. Sie differenzierten typische Hands-on-Aktivitäten (z. B. Experimentieren, Sezieren und Klassifizieren) und zeigten, dass nur einige der Aktivitäten interessefördernd wirken. Für andere wurde kein Effekt oder sogar ein negativer Effekt auf das Interesse von Lernenden festgestellt. Eine ähnliche Differenzierung muss für den bereits erwähnten kontextbasierten Unterricht gemacht werden: Habig et al. (2018) zeigten, dass nicht nur die Wahl des Kontextes eine Rolle spielt, sondern auch die damit verknüpfte Lernaktivität. Damit ist nicht jeder kontextbasierte Unterricht per se interessefördernd.

Dass nicht nur auf der Seite der Trigger stärker differenziert werden muss, sondern auch auf der Seite der Personen zeigen u. a. die Arbeiten von Durik et al. (2015) und Renninger et al. (2019). Letztere argumentieren, dass die Wirksamkeit von Interessentriggern in der ersten und zweiten Phase der Interessenentwicklung abhängig von bestimmten Personenmerkmalen ist. So zeigten sie, dass die Wirksamkeit des Triggers „Persönliche Relevanz“ hoch ist, wenn der Bereich Awareness (ability to make use of prior experience or knowledge; Renninger et al. 2019) bei den Lernenden stark ausgeprägt ist. Demnach ist die Gestaltung eines interessefördernden Unterrichts deutlich komplexer als das Integrieren einer Triggerliste in den Unterricht.

Hieraus ergibt sich das Forschungsdesiderat, welches die vorliegende Studie adressiert: Durch vorangegangene Arbeiten gibt es Indizien für die unterschiedliche Perzeption von Interessentriggern durch Lernende. Gleichzeitig ist wenig über die Umsetzung in der komplexen Situation einer Unterrichtsstunde bekannt, da die bisherigen Arbeiten meist in außerschulischen Settings mit sehr kleinen Lerngruppen (unter zehn Lernende) oder mit Studierenden stattfanden. Die identifizierten Trigger sind zudem häufig in Interventionsstudien getestet und somit in Situationen umgesetzt worden, die z. T. nur wenig mit der schulischen Realität gemein haben. Aufgrund dessen ist der Wissenstand zu kombinierten Wirkmechanismen im Schulunterricht ebenfalls gering (Hidi et al. 2015).

Forschungsfragen

Untersucht wurde die Wirksamkeit von verschiedenen Interessentriggern auf das situationale Interesse von Lernenden im Chemieunterricht. Die Fokussierung auf das situationale Interesse liegt begründet in dem Vier-Phasen-Modell (s. Abschn. 3.2), welches situationales Interesse an den Beginn der Interessenentwicklung stellt (Hidi und Renninger 2006). Der hier verwendete qualitative Ansatz geht mit einem stark explorativen Studiendesign einher, da – wie oben ausgeführt – sehr wenig über die differenzielle Wirkung von Interessentriggern in konkreten Unterrichtssituationen bekannt ist. Um ein detaillierteres Bild zu erlangen, wurde der Unterricht in verschiedene funktionale Phasen eingeteilt. Die Betrachtung auf dieser Mikroebene ermöglicht eine neue Sichtweise auf die Gestaltungsmöglichkeiten von interessefördernden Unterrichtsphasen. Dabei wurden folgende Forschungsfragen adressiert:

FF1

Welche Unterschiede im situationalen Interesse lassen sich zwischen verschiedenen Unterrichtsphasen finden?

Es wird erwartet, dass sich Phasen finden, in denen das Interesse extrem hoch bzw. niedrig ausgeprägt ist. Generell ist die Forschungsfrage eher deskriptiv und als Bedingung für die Bearbeitung der folgenden Forschungsfragen zu verstehen.

FF2

Was unterscheidet Unterrichtsphasen, die extreme Interessenmittelwerte aufweisen, von anderen Unterrichtsphasen?

Phasen mit extremen situationalen Interessenwerten sprechen für eine sehr günstige bzw. ungünstige Gestaltung hinsichtlich des Einsatzes möglicher Trigger. Daher wird davon ausgegangen, dass in Phasen mit sehr niedrigen Interessenwerten keine oder eine ungünstige Kombination von Interessentriggern eingesetzt wird, während das Gegenteil in Phasen mit hohen Interessenwerten der Fall sein wird. Es wird erwartet, dass Phasen mit Hands-on-Aktivitäten (im Chemieunterricht meistens Experimentierphasen) hohes situationales Interesse aufweisen (Logan und Skamp 2013; Sheldrake et al. 2017; Shirazi 2017). Gleichzeitig ist unsere These, dass nicht alle Hands-on-Aktivitäten ein Interessenmaximum aufweisen (Holstermann et al. 2010). Darüber hinaus erwarten wir, dass Phasen, in denen viel Textarbeit geleistet werden muss, niedrige Werte von situationalem Interesse aufweisen (Logan und Skamp 2013). Übergreifend wird angenommen, dass die Phasen, in denen Interessentrigger gemäß der Darstellung im digitalen Anhang (Tab. 1) eingesetzt werden, eher höhere Interessenwerte aufweisen als Phasen, in denen diese Trigger nicht auftreten.

FF3

Finden sich unterschiedliche Effekte der identifizierten Trigger für das situationale Interesse von Lernenden mit niedrigem, mittlerem und hohem situationalem Interessenmittelwert?

Für diese Forschungsfrage wurden die Lernenden entsprechend ihrem Mittelwert des situationalen Interesses in drei Gruppen (niedrig-, mittel- und hochinteressiert) eingeteilt, um die Wirksamkeit von Interessentriggern in Abhängigkeit von Lernercharakteristika zu untersuchen. Bei Betrachtung der gruppierten Interessenverläufe ist der erwartete „Normalzustand“, dass alle drei Gruppen in einer gleichbleibenden Rangfolge, gestaffelt nach dem mittleren Interesse, parallel verlaufen. Davon abweichende Phasen sind Phasen, in denen das situationale Interesse extrem weit auseinandergeht bzw. in denen das Interesse von allen drei Gruppen ungefähr gleich ist. Für die gruppierte Analyse der Interessenwerte wird angenommen, dass besonders die kognitive Aktivierung sowie der fachliche Fokus relevant werden, denn „ein nicht über- oder unterforderndes Anforderungsniveau ist wichtig, damit Lernende die Gelegenheit erhalten, kognitiv aktiviert zu sein“ (Steffensky und Neuhaus 2018, S. 305). Davon ausgehend, dass hochinteressierte Lernende auch häufig höhere Leistung erbringen (Höft und Bernholt 2019a), ist diese Annahme also plausibel: Lernende mit höherem Fachwissen können weniger schnell überfordert sein und daher einen stärkeren fachlichen Fokus als angenehm empfinden, da er eher ihrem Leistungsniveau und somit einem ihrer Grundbedürfnissen der SDT entspricht und vice versa (Ryan und Deci 2004). Ein starker fachlicher Fokus bzw. ein hohes Anforderungsniveau können entsprechend bei leistungsschwächeren Lernenden mit einer Überforderung einhergehen (wenn nicht unterstützende oder strukturierende Maßnahmen begleitend ergriffen werden) und so das Potenzial für eine kognitive Aktivierung für diese Lernenden reduzieren (Steffensky und Neuhaus 2018). Ein probates Mittel, um den fachlichen Fokus zu reduzieren, ist das Diskutieren von Alltagsphänomenen auf rein phänomenologischer Ebene. In diesen Phasen wird ein verhältnismäßig hohes situationales Interesse für niedriginteressierte Lernende erwartet.

Methodisches Vorgehen

Studiendesign

Die Studie wurde in neun Klassen der achten Jahrgangsstufe durchgeführt, sodass sich eine Gesamtstichprobe von N = 232 Lernenden ergibt. Die neun Klassen verteilen sich auf fünf Gymnasien in Schleswig Holstein. Die Erhebungen erfolgten parallel, sodass in allen Klassen ähnliche Fachinhalte behandelt wurden (entweder der Abschluss der Einheit „Redoxreaktionen“ oder die Einführung in das Thema „Salze“). Für die Gestaltung der Unterrichtsstunden wurden keine weiteren Vorgaben gemacht.

Es wurden Unterrichtsbeobachtungen in jeder Klasse über mehrere Schulstunden durchgeführt. Während der Hospitationen wurde nach funktionalen Phasen (z. B. nach einem Einstieg oder nach einem Experiment) auf ein Zeichen der Lehrkraft an die Lernenden das situationale Interesse der Lernenden erhoben (s. unten). Die Einteilung der Phasen wurde vor der Unterrichtsstunde mit der hospitierenden Person abgesprochen. Parallel wurde von der hospitierenden Person der Stundenverlauf einschließlich aller verwendeten Materialen, Tafelbilder etc. dokumentiert. Die Hospitationen wurden alle von der gleichen Person durchgeführt, welche im Sinne einer offenen, nicht-teilnehmenden Beobachtung während des Unterrichtsgeschehens anwesend war (Mayring 2015). Die Schulung der Person erfolgte durch das Dokumentieren von Unterrichtsvideos. Es hat nur eine Person während der Unterrichtsstunden den Verlauf protokolliert, um den Unterricht möglichst wenig zu stören. Abzüglich vier aus methodischen Gründen ausgeschlossenen Terminen ergeben sich 66 beobachtete Unterrichtsphasen und die dazugehörigen Interessenratings der Lernenden.

Erhebungsinstrumente

Das situationale Interesse der Lernenden wurde mithilfe eines Items unter Verwendung von Tablets erfasst („Wie interessant fandest du den vorangegangenen Unterrichtsabschnitt?“), welches von den Lernenden auf einer vierstufigen Likert-Skala geratet werden sollte (von 1 = uninteressant bis 4 = sehr interessant). Neben zeitökonomischen Gründen und dem Ziel, nur minimalinvasiv in den Unterricht einzugreifen, bietet diese Methode den Vorteil, dass kurzweilige Fluktuationen im situationalen Interesse erfasst werden können (adaptiert nach Palmer 2009).

Darüber hinaus erfolgte die Protokollierung des Unterrichts mithilfe eines klassischen Verlaufsplans, in dem das unterrichtliche Verhalten der Lehrkraft und der Lernenden, die Sozialform, die verwendeten Medien/Materialien und die Zeit erfasst wurden.Footnote 1 Die möglichen Ausprägungen der Sozialformen sind an Meyer (2005) angelehnt und in dem Verlaufsplan im digitalen Anhang dokumentiert. Anhand dieser Verlaufspläne konnten die verschiedenen Phasen geordnet werden. Dafür wurden klassische Unterrichtsphasen wie Einstiegs‑, Problematisierungs‑, Erarbeitungs- und Sicherungsphasen gemäß des vereinfachten Schemas von Petersen et al. (2011) genutzt.Footnote 2 Um der besonderen Rolle des Experiments im Chemieunterricht Rechnung zu tragen, wurde die Erarbeitungsphase in eine theoretische und eine praktische separiert. In einigen Fällen sind aus organisatorischen Gründen in einem Abstimmungszeitraum mehrere verschiedene Unterrichtsphasen unterrichtet worden. Wenn nicht durch zeitliche Gewichtung etc. eindeutig zu bestimmen war, welche Unterrichtsphase fokussiert wurde, wurde eine Kombination aus den Unterrichtsphasen codiert (z. B. praktische Erarbeitung + Sicherung).

Datenauswertung

Obwohl sich die Konzeptionierung der vorliegenden Studie an den oben aufgeführten Forschungsfragen orientiert, folgt sie mit Blick auf die praxisnahe Datenerfassung einem explorativen Design. Daher sind die im Zuge der Auswertung getroffenen Aussagen als Hypothesen zu verstehen, die erste Ansätze für die Beantwortung der Forschungsfragen liefern, jedoch nicht dem Anspruch statistisch abgesicherter Kausalannahmen gerecht werden können.

Analyse der gemittelten Interessenverläufe

Zunächst wurden gemittelte Verläufe des situationalen Interesses je Klasse und Termin (vgl. Abb. 1) erstellt (FF1). Im nächsten Schritt wurden Maxima und Minima im Verlauf des mittleren Interesses aller Lernenden einer Klasse identifiziert (FF2, pro Phase ein großer Punkt in Abb. 1). Dazu wurden ein Klassenmittelwert des situationalen Interesses und dessen Standardabweichung berechnet, um unterschiedlichen Grundausprägungen und Variabilitäten auf Klassenebene Rechnung zu tragen. Zudem wurden jeweils Terminmittelwerte des situationalen Interesses berechnet (rote Linie in Abb. 1), um irreguläre Außenbedingungen (bspw. Klausurtermine in anderen Fächern), die vor oder nach der Hospitationsstunde auftraten, zu berücksichtigen. Mithilfe des jeweiligen Terminmittelwerts (als mittlere Interessenausprägung der Klasse unter Einbezug aller ggf. unbekannten Einflussfaktoren des Hospitationstages) und der Standardabweichung des Klassenmittelwerts (i. S. d. Variabilität des mittleren Interesses als Klassenmerkmal; blaue Linien in Abb. 1) wurde ein Intervall für jeden Termin bestimmt, das eine Standardabweichung um den Terminmittelwert umfasst. Liegt der Interessenmittelwert einer Phase oberhalb dieses Intervalls, gilt diese Phase als Interessenmaximum (Phase 3 in Abb. 1); liegt sie dagegen unterhalb dieses Intervalls, wird sie als Interessenminimum kategorisiert (Phase 1 in Abb. 1). Abb. 1b wird im weiteren Verlauf erläutert.

Abb. 1
figure 1

Verlauf des situationalen Interesses in der Klasse K0A (Termin 2); (a) zeigt den gemittelten Verlauf (hellrote Linie: Terminmittelwert; blaue Linien: Begrenzungen zur Identifikation von Interessenmaxima und -minima) und (b) den Interessenverlauf für die drei verschiedenen Gruppen (blau: hochinteressiert, grün: mittelinteressiert, und rot: niedriginteressiert)

Analyse der gruppierten Interessenverläufe

Um die dritte Forschungsfrage zu beantworten, erfolgte im nächsten Schritt eine Einteilung der Lernenden in verschiedene Gruppen: Auf Grundlage des erhobenen situationalen Interesses wurde pro Lernenden ein Mittelwert über alle Unterrichtsstunden und -phasen bestimmt. Mithilfe dessen wurden die Lernenden in drei verschiedene Gruppen aufgeteilt: niedriginteressierte Lernende (M (Int) < 2,5; n = 51 Lernende), mittelinteressierte Lernende (2,5 ≤ M (Int) ≤ 3, n = 117 Lernende) und hochinteressierte Lernende (M > 3, n = 64 Lernende).

Um Phasen zu identifizieren, in denen das Interesse entweder konvergiert oder divergiert, wurden die durchschnittlichen Differenzen zwischen den unterschiedlichen Gruppenmittelwerten auf Klassen- und Terminbasis festgelegt. Hierbei folgt die Berechnung der gleichen Logik wie bei der Identifikation der Interessenminima und -maxima: Der Klassenmittelwert wurde gewählt, um eine von Klasse zu Klasse unterschiedliche Grundausprägung zu berücksichtigen. Die Einbeziehung der durchschnittlichen Differenz am Hospitationstag stellt sicher, dass besondere Gegebenheiten dieses Tages wie Klausuren etc. berücksichtigt werden können. Die berechneten Gruppendifferenzen wurden in Tab. 1 zusammengefasst.

Tab. 1 Berechnete Gruppendifferenzen zur Kategorisierung von Unterrichtsphasen

Mithilfe des Klassenmittelwertes wurde die Standardabweichung bestimmt, auf welcher das festgelegte Intervall beruht, um Variabilitäten zwischen Klassen angemessen zu berücksichtigen. Die Standardabweichung des Klassenmittelwertes wurde genutzt, um ein Intervall festzulegen, in dem typische Gruppendifferenzen liegen, damit die Variabilität zwischen den Klassen berücksichtigt werden kann. Dieses Intervall wurde dann um den jeweiligen Terminmittelwert gelegt, damit Besonderheiten des Hospitationstages ebenfalls berücksichtigt werden können. Schlussendlich wurden die konvergierenden (kon) und die divergierenden Phasen (div) ähnlich wie die Interessenmaxima kategorisiert (s. Gl. 1 und 2).

$$\text{Phase}_{\mathrm{div}}\colon \Updelta _{x}>\mathrm{M}\left(\text{Gruppendifferenz Termin}\right)+\frac{1}{2}\,\mathrm{SD}_{\mathrm{M}\left(\text{Gruppendifferenz Klasse}\right)}$$
(1)
$$\text{Phase}_{\mathrm{kon}}\colon \Updelta _{x}<\mathrm{M}\left(\text{Gruppendifferenz Termin}\right)-\frac{1}{2}\,\mathrm{SD}_{\mathrm{M}\left(\text{Gruppendifferenz Klasse}\right)}$$
(2)

Um als divergierende Phase kategorisiert zu werden, muss die in Gl. 1 aufgestellte Bedingung sowohl für ∆hm als auch für ∆mn zutreffen. Für die Kategorisierung als konvergierende Phase müssen alle Differenzen (∆hm, ∆hn und ∆mn) die Bedingung s. Gl. 2 erfüllen.

Darüber hinaus wurde kontrolliert, ob sich die Rangfolge der Gruppen ändert, d. h. ob bspw. die niedriginteressierten Lernenden in bestimmten Phasen interessierter als die mittel- oder hochinteressierten Lernenden sind. In Abb. 1b ist ein solcher gruppierter Interessenverlauf abgebildet: Die hochinteressierten Lernenden haben dabei durchgängig einen sehr hohen Interessenmittelwert. Die Rangfolge der Gruppen zwischen der niedrig- und der mittelinteressierten Gruppe wird in Phase 2 und 3 getauscht, wobei der Unterschied zwischen den Gruppen marginal ist (in ∆Phase2 = 0,13 und ∆Phase3 = 0,06). Die Phase 2 wird anhand der aufgestellten Kriterien als konvergierende Phase kategorisiert.

Die extrahierten Phasen wurden anschließend bezüglich der Stichprobengröße kontrolliert. Bei einer zu geringen Teilnahme der Lernenden einer Gruppe wurde die betreffende Phase aus weiteren Analysen ausgeschlossen. Dieses traf auf eine Phase zu.

Qualitative Inhaltsanalyse

Die verschiedenen extrahierten Phasen wurden inhaltlich anknüpfend an die qualitative Inhaltsanalyse ausgewertet (Mayring 2015). Als Kategoriensystem wurde die Literaturrecherche zu möglichen Interessentriggern genutzt, welche in der Theorie bereits vorgestellt wurde (s. digitaler Anhang, Tab. 1). Dieses System wurde induktiv während der Analyse erweitert. Als Auswertungseinheit wurde eine Beschreibung jeder Phase angefertigt, welche auf den erhobenen Verlaufsplänen sowie den erfassten Arbeitsmaterialien beruht. Sie beinhalten neben der Beschreibung auch eine Zuordnung zu einer Unterrichtsphase sowie eine zeitliche Einordnung (z. B. Termin 2, Phase 3 von 8). Diese Einheiten wurden zunächst einzeln analysiert. Um Gemeinsamkeiten und Unterschiede festzulegen, wurden sie anschließend miteinander verglichen. So wurden bspw. alle praktischen Erarbeitungsphasen, welche ein Interessenmaximum bilden, untereinander verglichen, aber auch mit allen praktischen Erarbeitungsphasen, die kein Interessenmaximum vorweisen. Die konvergierenden Phasen, die ebenfalls als Maximum oder Minimum identifiziert wurden, wurden aus weiteren Analysen ausgeschlossen, da sie bereits im vorherigen Schritt berücksichtigt wurden (s. Abschn. 6.2 bzw. 6.3).

Gütekriterien

Um die Validität und Reliabilität der Ergebnisse nach den gängigen Gütekriterien für qualitative Forschung sicherzustellen, wurden verschiedene Ansätze gewählt: Die Konstruktvalidität und eine semantische Gültigkeit der Ergebnisse wurde mithilfe von Diskussionen mit Expertinnen und Experten (Wissenschaftler*innen, welche teilweise auch als Lehrkräfte tätig waren) sichergestellt. In der Diskussion wird die Validität der Ergebnisse dargestellt, indem sie mit anderen Forschungsergebnissen als Außenkriterium in Relation gesetzt werden (Mayring 2015). Darüber hinaus wurde die Reliabilität der Ergebnisse durch den Vergleich inhaltsähnlicher Phasen mit unterschiedlichen Interessenwerten abgesichert (Yilmaz 2013). Ein Beispiel für einen solchen Vergleich ist der zwischen praktischen Erarbeitungsphasen, die ein Interessenmaximum bilden und den praktischen Erarbeitungsphasen, die kein Interessenmaximum bilden (s. Abschn. 6.2). Weiterhin wurden die erhobenen Daten (Unterrichtsprotokollierungen und Arbeitsmaterialien) in Kombination mit einem Kategoriensystem (s. Abschn. 5.2) genutzt, um die Einordnung der Unterrichtsphasen möglichst reliabel vorzunehmen. Durch die Verwendung verschiedener Informationsquellen (Erhebung des situationalen Interesses der Lernenden und Beobachtungsdaten der Unterrichtsstunde) konnten die Daten trianguliert werden. Die ausführliche und transparente Darlegung der Vorgehensweise soll zudem zu einer Geltungsbegründung führen (Flick 2019).

Ergebnisse

Deskriptive Darstellung

Mittels des dargestellten Verfahrens konnten von insgesamt 66 beobachteten Phasen 14 als Interessenmaxima und zehn als Interessenminima identifiziert werden. Eine Verteilung auf die verschiedenen inhaltlichen Unterrichtsphasen zeigt die Tab. 2.

Tab. 2 Verteilung der extrahierten Phasen auf die inhaltlichen Unterrichtsphasen

Auffällig an dem Vergleich der extrahierten Phasen ist die zunächst relativ große Zahl an konvergierenden Interessenentwicklungen mit insgesamt 19 Phasen. Durch den Ausschluss der Minima und Maxima zeichnen sich diese Phasen vor allem dadurch aus, dass das situationale Interesse der grundsätzlich niedriginteressierten Lernenden vergleichsweise hoch ausgeprägt ist, während die mittel- und hochinteressierten Lernenden vergleichsweise geringe Interessenwerte aufweisen. Dadurch ergibt sich ein Gesamtmittelwert im „neutralen“ Bereich. Die divergierenden Phasen, d. h. diejenigen mit hohen Differenzen zwischen den verschiedenen Gruppenmittelwerten, sind hingegen wenig vertreten.

Die Verteilung der Kategorien Maximum, Minimum, konvergierend und divergierend auf die verschiedenen Unterrichtsphasen ist sehr unterschiedlich: Die Interessenmaxima bestehen zum Großteil aus praktischen Erarbeitungsphasen. In den übrigen Kategorien ist die Tendenz nicht so deutlich. Für die Minima lässt sich feststellen, dass eine Häufung nur bei Einstiegsphasen auftritt. Bei den konvergierenden Phasen scheint es schwieriger, ein systematisches Bild abzuleiten. Auffällig ist, dass nur wenige praktische Erarbeitungsphasen und auch ausschließlich solche, die mit einer Sicherungsphase verknüpft sind, in diese Kategorie fallen. Generell sind diese Phasen daher eher theoriegeleitet. Dementsprechend sind gehäuft Einstiegsphasen oder theoretische Erarbeitungen als konvergierende Phasen charakterisiert. Für die divergierenden Phasen lässt sich auf der Ebene der Unterrichtsphasen keine Systematik erkennen.

Generell gilt für die drei Interessengruppen: Die Rangfolge der drei Gruppen bleibt annähernd stabil, d. h. die hochinteressierten sind am interessiertesten und die niedriginteressierten am wenigsten interessiert. Insgesamt wechselt diese Folge nur fünf Mal: Vier Mal findet ein Wechsel zwischen mittel- und niedriginteressierten Lernenden statt und einmal zwischen niedriginteressierten und hochinteressierten. Allerdings ist die Differenz zwischen den hoch- und niedriginteressierten Lernenden in dieser Phase sehr klein (−0,08).

Interessenmaxima

Für die Interpretation dieser Kategorie wurden die praktischen Erarbeitungsphasen von den übrigen Phasen separat analysiert, da von den 14 extrahierten Phasen elf als praktische Erarbeitungsphase eingestuft wurden. Für die drei übrigen Phasen soll das Vorgehen exemplarisch erläutert werden. Zunächst wurden die Phasenbeschreibungen (s. Tab. 3) einzeln analysiert. Dabei wurden einige mögliche Trigger in den verschiedenen Unterrichtsphasen identifiziert.

Tab. 3 Phasenbeschreibungen der Interessenmaxima (unter Ausschluss der praktischen Experimentierphasen)

Im Anschluss wurden die drei Phasen bezüglich ihrer möglichen Trigger verglichen. Dabei zeigte sich ein erheblicher Überlapp: Alle Phasen enthalten Elemente einer Sicherung, fanden nonverbal und spielerisch statt, weisen einen hohen Grad an Schüleraktivität auf, zielen auf eine hohe kognitive Aktivierung ab und enthalten Ansätze formativen Assessments: Die Lehrkraft erhebt den Lernstand der ganzen Klasse und hat dadurch die Möglichkeit, auf Basis der Ergebnisse den Unterrichtsgang zu adaptieren. Die Lernenden stehen nicht individuell im Fokus, wodurch Leistungsdruck allenfalls implizit vorliegt. Sie haben die Möglichkeit, die eigenen Stärken und Schwächen im Vergleich zu ihrer Klasse und im Vergleich zum implizit von der Lehrkraft kommunizierten Soll-Lernstand einzuschätzen, was zu einem erhöhten Kompetenzerleben gemäß der SDT führen könnte (Ryan und Deci 2004).

Die übrigen praktischen Erarbeitungsphasen wurden ebenfalls nach dem obigen Vorgehen zusammengefasst und analysiert (für eine detaillierte Zusammenfassung s. digitaler Anhang). Hier zeigte sich, dass alle Phasen klassische Chemieexperimente darstellen. Beispiele hierfür sind Flammfärbungsexperimente oder das Messen der Temperatur während des Lösevorgangs von Salzen in Wasser. Dabei sorgen sowohl Experimente, die nach einer vorgegebenen Anleitung durchgeführt werden, als auch Experimente, bei denen die Fragestellung eigenständig formuliert und im Anschluss die Durchführung selbst geplant wird, oder Demonstrationsexperimente gleichermaßen für Interessenmaxima. Das Experimentieren nach vorgegebener Anleitung ist allerdings mit einer Quote von 14 der 16 durchgeführten Experimente (88 %) deutlich am häufigsten vertreten.

Um zu differenzierteren Erkenntnissen zu gelangen, wurden diese praktischen Erarbeitungsphasen (16 Phasen) mit jenen praktischen Erarbeitungsphasen kontrastiert, die kein Interessenmaximum (fünf Phasen) bilden. Hierbei deutete sich an, dass das Maß an Einbettung des Experiments in den Unterricht eine wichtige Rolle bei der Förderung von situationalem Interesse spielen könnte. So resultierte bei der Untersuchung von Salz mithilfe einer Stereolupe eine konvergierende Interessenentwicklung, als das Experiment ohne Formulierung einer Fragestellung und Protokollierung als reiner Einstieg genutzt wurde. Wurde das gleiche Experiment in einer anderen Klasse als Erarbeitungsphase eingesetzt, in der verschiedene Kochsalzsorten kontrastiert werden sollten, durch eine Fragestellung initiiert und protokolliert bzw. die Kristalle gezeichnet, führte es zu einem Interessenmaximum. Im letzteren Fall erfolgte die Auseinandersetzung mit dem Fachinhalt und der Durchführung des Experiments deutlich intensiver. Dadurch könnte das Experiment im Kontext des Unterrichts einen höheren Stellenwert bekommen. Darüber hinaus ist die Aktivierung sowohl im physischen als auch die intendierte Auseinandersetzung im kognitiven Bereich im letzteren Fall höher.

Interessenminima

Insgesamt wurden zehn Phasen als Interessenminima identifiziert (s. digitaler Anhang). Auffällig ist zunächst die zeitliche Lage dieser Phasen: Fünf Phasen sind am Anfang, vier Phasen am Ende der Unterrichtsstunde. Außerdem zeigt sich ein Kontrast zwischen den Interessenminima und den vorherigen Phasen bzw. Pausen: Während die Pause von den Lernenden wahrscheinlich per se als interessanter wahrgenommen wurde, ist auch bemerkenswert, dass bei vielen der übrigen Phasen vorher ein Experiment etc. durchgeführt wurde, welches jeweils ein Interessenmaximum bildet. So werden in den vorliegenden Phasen die Experimente häufig ausgewertet bzw. gesichert. Gleichzeitig kann die Aktivität der Lernenden hier eingeschränkt sein. Es muss sich nicht jeder beteiligen, wie es bspw. bei den Interessenmaxima der Fall ist, da die Sicherung im Klassengespräch erfolgte. Die Anreize zur kognitiven Aktivierung könnten also deutlich geringer sein. Außerdem findet in diesen Phasen viel Schreibarbeit (z. B. Übernehmen von Tafelbildern oder das Erstellen von Merksätzen) statt. Inhaltlich gibt es in diesen Phasen wenige bis keine Anknüpfungspunkte an die Alltagserfahrungen der Lernenden.

Die vier Einstiegsphasen eint, dass sie mit dem Wiederholen der letzten Unterrichtsstunde oder dem Vorlesen der Hausaufgabe einhergehen. Letzteres schließt diejenigen Lernenden per se aus, die die Hausaufgabe nicht erledigt haben. Außerdem beteiligte sich in diesen Phasen nur wenige Lernende verbal, während der Großteil der Klasse eine eher passive Rolle einnehmen kann.

Divergierende Interessenentwicklung

Im Folgenden sollen die fünf Phasen, in denen die Interessenentwicklung der drei verschiedenen Gruppen stark auseinandergeht, analysiert werden (s. digitaler Anhang). Inhaltlich bedeutet eine divergierende Entwicklung, dass die hochinteressierten Lernenden sehr hoch interessiert sind, während das situationale Interesse der niedriginteressierten Lernenden stark abfällt.

Auch wenn sich aufgrund der Verteilung in Tab. 2 keine offensichtliche Systematik ableiten lässt, gibt es einige inhaltliche Gemeinsamkeiten. Zunächst gibt es wenige Bezüge zum Alltag der Lernenden. Die beiden Sicherungsphasen finden nach einem Experiment statt. In diesen Phasen ist entweder die Auswertung inkludiert (Kombination mit theoretischer Erarbeitungsphase) oder sie soll gesichert werden. Die Experimente, die ausgewertet werden sollen, sind in der Durchführung simpel (z. B. Flammenfärbung), aber in der inhaltlichen Auswertung sehr anspruchsvoll. Der hohe inhaltliche Anspruch zieht sich durch die übrigen Phasen mit divergierender Interessenentwicklung.

Konvergierende Interessenentwicklung

Den überwiegenden Anteil der identifizierten Extremphasen machen die Phasen mit konvergierender Interessenentwicklung aus (s. digitaler Anhang). Hier ist das situationale Interesse der niedriginteressierten Lernenden vergleichsweise hoch, während das der hochinteressierten niedrig ist (wenn auch nicht geringer als das der niedriginteressierten).

Auch in dieser Kategorie finden sich relativ viele Einstiegsphasen. Vergleicht man diese mit den Einstiegsphasen der Interessenminima, fällt auf, dass hier keine Wiederholungen der vergangenen Unterrichtsstunde oder der Vergleich von Hausaufgaben anstehen. Wenn in diesen Einstiegsphasen wiederholt wird, geht es eher um eine Wiederholung der gesamten bisherigen Unterrichtseinheit, bspw. mithilfe der Think-Pair-Share-Methode. Die übrigen Einstiege suchen Anknüpfungspunkte an die Alltagserfahrungen der Lernenden oder nutzen reduzierte Darstellungen von chemischen Fachinhalten (z. B. die Ionenbildung illustriert durch ein Comic). Für diese Einstiege ist wenig Vorwissen notwendig. So könnten alle Lernende unabhängig ihres Wissenstandes etwas beitragen. Gleichzeitig ist der Fokus auf die Fachinhalte gering oder reduziert.

Betrachtet man die theoriegeleiteten Phasen, d. h. theoretische Erarbeitungen, Sicherungen, Wiederholungen und Transfer- bzw. Vertiefungsphasen, macht es den Eindruck, dass sich der fachliche Fokus erhöht. Gemeinsam haben diese Phasen, dass die Aufgabenstellungen sehr deutlich kommuniziert werden und fast ausschließlich deklaratives Wissen fordern. Teilweise werden die Komplexität und der fachliche Anspruch von der Lehrkraft bewusst durch das Einsetzen von gestuften Hilfen oder Mentoring-Pärchen reduziert. Auch in den Sicherungsphasen wird die Präsenz der Lehrkraft und der ggf. damit einhergehende Leistungsdruck reduziert: Von der Think-Pair-Share-Methode bis zum Fördern von Diskussionen innerhalb der Lerngruppe mit völligem Rückzug der Lehrkraft prägt die Methodenwahl diese Unterrichtsphase.

Die beiden durchgeführten praktischen Erarbeitungsphasen fallen nicht in die oben beschriebene Kategorie der „klassischen Experimentierphasen“. Zum einen sollte Kochsalz mithilfe einer Lupe betrachtet und beschrieben werden. Dabei wurde weder ein Protokoll angefertigt noch eine Fragestellung formuliert (s. oben). Die andere Phase war ein Modellexperiment, in dem die Ladung und Anziehung von Ionen im festen und im gelösten Zustand durch Luftballons demonstriert werden sollten. Dieses Experiment hat bei Betrachtung der Durchführung und verwendeten Materialien keinen so starken fachlichen Fokus wie andere Chemieexperimente und ist in der Durchführung sehr simpel. Generell lassen sich die konvergierenden Phasen daher durch einen eher geringen fachlichen Anspruch und hohe Hilfestellung durch die Lehrkraft charakterisieren.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Um die Ergebnisse stärker zu kondensieren, wurden sie in Tab. 4 ausgehend von den Unterrichtsphasen in die Interessengruppen unterteilt, sodass sich ablesen lässt, in welchen Unterrichtphasen welche Trigger für welche Interessengruppen relevant sind.

Tab. 4 Zusammenfassende Ergebnisdarstellung; die Gruppeneinteilung folgt dabei dem eingangs vorgestellten Vorgehen

Diskussion

Im vorliegenden Beitrag sollten die Entwicklung des situationalen Interesses von Lernenden im Chemieunterricht sowie mögliche Einflussfaktoren untersucht werden. Auf Grundlage der Beobachtungsdaten sollten Hypothesen zur Wirkung der Unterrichtsgestaltung auf das situationale Interesse der Lernenden aufgestellt werden. Zusammengefasst konnte gezeigt werden, dass das Gelingen der Förderung von situationalem Interesse sowohl von Situations- als auch von Personenmerkmalen abhängt, da letztere bestimmen, ob und wie erstere perzipiert werden. Durch die Strukturierung in Unterrichtsphasen konnten erste Indizien dafür herausarbeitet werden, dass die Anwendung einiger in der Literatur berichteter Trigger stark auf bestimmte Unterrichtsphasen beschränkt ist.

Gemittelte Verläufe

Bei Betrachtung der gemittelten Verläufe zeigen sich jene Trigger, die bei allen Lernenden zu einem erhöhten oder niedrigen situationalen Interesse führen. Die zwei Hauptfaktoren, die zu einem hohen situationalen Interesse bei allen Lernenden beigetragen haben, sind praktische Erarbeitungs- oder Sicherungsphasen mit integriertem formativen Assessment. Für erstere gilt, dass annähernd alle zu einem Maximum führen. Ausgenommen davon sind in dieser Studie ein Modellexperiment, ein Experiment mit hohem Anteil an eigener Planung sowie zwei Experimente, die kaum in den Unterrichtsverlauf eingebettet wurden. Dieses Ergebnis kann ein Indiz dafür sein, dass im Chemieunterricht nicht so stark zwischen verschiedenen Experimenten bezüglich der Wirkung auf das situationale Interesse differenziert werden muss wie bei Hands-on-Aktivitäten im Biologieunterricht (Holstermann et al. 2010). Auch die Differenzierung der Experimente zwischen einer eher rezeptartigen Durchführung und der selbständigen Planung sowie Durchführung liefern keine Hinweise auf systematische Unterschiede bei Betrachtung der gemittelten Interessenverläufe. Empirisch gestützt wird diese Hypothese durch die in der Studie von Dierks et al. (2016) und Höft et al. (2019) gefundene hohe Korrelation zwischen den Interessen von Lernenden an beiden Experiment-Typen. Die Ergebnisse könnten jedoch einen Hinweis darauf geben, dass eher die Einbettung und ein „sinnstiftendes“ Experimentieren wichtig sind. Für die verschiedenen Interessengruppen zeigt sich, dass mit steigendem Interesse auch der Anspruch an die durchgeführten Experimente steigt: Für niedriginteressierte Lernende führten mit einer Ausnahme alle praktischen Erarbeitungsphasen zu einem höheren situationalen Interesse. In der Experimentierphase mit divergierender Interessenentwicklung ist der Anteil an selbstständiger Planung und Hypothesenbildung deutlich höher als in den übrigen Experimentierphasen. Es ist auffällig, dass gerade diese Phase wenig situationales Interesse bei niedriginteressierten Lernern hervorrufen kann. Die Experimentierphasen mit konvergierender Interessenentwicklung hingegen sind ein Modellexperiment und ein kaum in den Unterrichtsverlauf eingebettetes Experiment (s. Abschn. 6.5). Die Experimente zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr einfach in der Durchführung sind oder nur zur Verdeutlichung von bereits gelernten Fachinhalten oder zum Einstieg ohne tiefergehende Fragestellung dienen. Daher kann hier wieder ein Indiz dafür abgeleitet werden, dass die Passung zwischen Lernenden und Unterricht bzw. Experiment stimmen muss, um situationales Interesse hervorzurufen.

Die positive Wirkung von allgemeinem Feedback auf das Interesse von Lernenden wurde bereits untersucht (Hattie und Timperley 2007). In der vorliegenden Studie zeigt sich, dass dieses Ergebnis noch weiter spezifiziert werden kann: Formatives Assessment, welches die (informelle) Lernstandserhebung, Feedback an den Lernenden und die daraus resultierende Adaptierbarkeit des weiteren Unterrichts an die Ergebnisse meint (Popham 2008), wird hier wiederholt als Trigger identifiziert. Weiterhin ist für diese Phasen auffällig, dass die drei Grundbedürfnisse nach der SDT für alle Lernenden erfüllt werden: Die Lernenden können autonom über den Grad der Schwierigkeit, die Sozialform oder den Grad der Aktivität bestimmen, können sich durch die Sicherung des zuvor Gelernten kompetent erleben und werden durch die Integration in den Klassenverbund oder die Sozialform sozial eingebunden (Ryan und Deci 2004).

Interessehemmend wirken Faktoren, die Möglichkeiten zur Passivität bieten und in denen vermehrt Schreibarbeit stattfindet. Letzteres wurde auch von Logan und Skamp (2013) als interessehemmend identifiziert. Die Passivität der Lernenden steht im Einklang mit anderen Forschungsergebnissen, in denen eine physische und/oder kognitive Aktivität der Lernenden als essentieller Faktor für das Gelingen einer Unterrichtsstunde angesehen wird (Kunter und Voss 2013). Betrachtet man kognitive Aktivierung als eine Bedingung für erfolgreiches Lernen (Bransford et al. 2000), so ist dies aus einer konstruktivistischen Perspektive ein Indikator dafür, dass Lernen als solches einen Trigger für situationales Interesse darstellt. Einen ähnlichen Ansatz zeigen Rotgans und Schmidt (2014): Die Autoren konnten ein erhöhtes situationales Interesse bei Lernenden beobachten, während diese ein Problem bearbeiteten. Das höchste beobachtete situationale Interesse trat bei den Lernenden auf, denen zeitgleich bewusst war, dass ihnen ein bestimmtes Wissen zum Lösen des Problems fehlte. Sobald dieses Wissen jedoch generiert wurde und das Problem dadurch zu lösen war, sank das situationale Interesse der Lernenden. Die Autoren fassten diese Beobachtung unter der knowledge-deprivation-hypothesis zusammen.

Berücksichtigung von Personenmerkmalen

Unter Berücksichtigung des mittleren situationalen Interesses ergibt sich ein differenzierteres Bild für die Wirksamkeit der Interessentrigger. Hier wurden Phasen analysiert, welche entweder eine divergierende oder eine konvergierende Interessenentwicklung aufwiesen. Für die divergierenden Phasen ist auffällig, dass die Aufgaben eher in den Anforderungsbereichen II und III (Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein 2019) verordnet sind. Der Schwerpunkt liegt demnach auf der Übertragung bekannter Fachinhalte auf neue Sachverhalte sowie der Reflexion und selbstständigen Erarbeitung neuer Fachinhalte. Konkrete Beispiele für Phasen mit divergierender Interessenentwicklung aus diesen Anforderungsbereichen sind u. a. die selbstständige Planung eines Experiments oder die Erklärung eines selbst erarbeiteten Lerninhalts (in diesem Fall der Spektralanalyse). Der Aufgabenschwerpunkt für die konvergierende Interessenentwicklung liegt eher im Anforderungsbereich I (Reproduktion). Beispielhaft können hier die Beschreibung von Salzkristallen, die Wiederholung des Aufbaus von Salzen oder auch die Beschreibung eines Cartoons zur Ionenbindung genannt werden. Diese Kategorisierung deutet daraufhin, dass der Anspruch der Aufgaben mit divergierender Interessenentwicklung relativ hoch ist, während für die konvergierende Interessenentwicklung das Gegenteil der Fall ist.

In den beobachteten konvergierenden Unterrichtsphasen wurde wenig bis gar kein Vorwissen benötigt (Einstiege) oder eher deklaratives Wissen (theoretische Erarbeitungen, z. B. das Zeichnen eines Kugelwolkenmodells oder das Nennen von auswendiggelernten Fakten) genutzt. Folgt man hier den nachgewiesenen hohen Korrelationen zwischen Interesse und Konzeptverständnis (Höft et al. 2019), bietet erneut die SDT einen Erklärungsansatz: Während in den divergierenden Phasen die Hochinteressierten optimal gefordert werden und ein hohes Kompetenzerleben getriggert wird, könnten die Niedriginteressierten überfordert sein. In den konvergierenden Phasen hingegen könnten die Hochinteressierten unterfordert sein und die Niedriginteressierten auf einem adäquaten Niveau gefordert, wodurch diese ein Kompetenzerleben erfahren. Die Legitimität der vorgenommenen ad-hoc-Verknüpfung zwischen Interesse und Konzeptverständnis wird auch von Befunden bezüglich des generellen Interesses an Hands-on-Aktivitäten gestärkt: Höft et al. (2019) konnten zeigen, dass die Korrelation hier besonders schwach ist.

Für den Einsatz von Alltagskontexten wurden ebenfalls differenzierte Effekte gefunden. Studien haben bisher häufig für Alltagskontexte eine interessefördernde Wirkung postuliert (Logan und Skamp 2013; Loukomies et al. 2013; Sheldrake et al. 2017). Differenzierte Analysen legen allerdings nahe, dass dieses Postulat zu stark vereinfacht (Habig et al. 2018). Auch hier zeigte sich, dass Alltagskontexte besonders für niedriginteressierte Lernende ein wirkungsvoller Trigger sind. Gründe für die verminderte Wirkung bei Hochinteressierten könnten in dem verschobenen Fokus vom Fachlichen zum Alltäglichen oder in der Qualität der Umsetzung liegen. Die Gründe für die (interessefördernde) Wirkung von kontextualisiertem Unterricht sind demnach zu wenig untersucht, um genaue Aussagen treffen zu können.

Zusammenfassend kann der Einsatz eines bestimmten Triggers für einige Lernende also förderlich sein, während andere Lernende nicht erreicht werden. Durik et al. (2015) fassten dieses Phänomen mit dem Titel „One Size Fits Some“ treffend zusammen: Für einen interessefördernden Unterricht müssen verschiedene Interessentrigger eingesetzt werden, um möglichst viele Lernende zu erreichen.

Ausblick, Implikationen und Limitationen

Im Rahmen dieser Studie wurde explorativ vorgegangen, daher sind die hier präsentierten Ergebnisse als Indizien zu verstehen und nicht als empirische Evidenz. Als methodische Limitation ist festzuhalten, dass die Studie durch das gewählte Beobachtungsverfahren eingeschränkt ist. Detailliertere Erkenntnisse könnten z. B. durch die Videographie und anschließende Unterrichtsanalyse gewonnen werden. Bei diesem Verfahren böte sich auch die Möglichkeit, dass mehrere Rater/innen die Unterrichtsstunde beobachten, sodass die Reliabilität der Ergebnisse durch Bestimmung der Beobachterübereinstimmung besser abgesichert werden kann. Es wurde im Kontext dieser nicht-teilnehmenden Beobachtung darauf verzichtet, eine weitere beobachtende Person einzubinden, um mögliche Störfaktoren im Unterrichtsgeschehen zu minimieren. Wenngleich durch unterschiedliche Verfahrensschritte versucht wurde, die Gütekriterien qualitativer Forschung einzuhalten, kann zur Reliabilität im Sinne einer Fehleranfälligkeit der im Rahmen dieser Studie implementierten Verfahren zur Klassifizierung der Unterrichtsphasen keine Aussage getroffen werden. Eine weitere Limitation ist die relativ kleine Stichprobe, welche in nur einem Bundesland und an einer Schulform (Gymnasium, Sekundarstufe I) erhoben wurde. Obwohl die Studie auf ein Schulfach (Chemie) fokussiert, liefern erste Vergleiche Hinweise auf die Übertragbarkeit einiger Ergebnisse auf weitere Unterrichtsfächer. Ein weiterer limitierender Faktor ist, dass nur ein Personenmerkmal untersucht wurde, obwohl wahrscheinlich weitere – kognitive aber auch motivationale – Merkmale bei der Wahrnehmung von Interessentriggern relevant sein werden. Im Rahmen dieser Studie wurden Lehrkraftvariablen nicht berücksichtigt, welche im Zusammenhang mit dem situationalen Interesse der Lernenden stehen könnten.

Auf praktischer Ebene bietet diese Studie einen ersten Indikator für Lehrkräfte, welche Kombinationen von Triggern welche Wirkung bei Lernenden haben können. Es können bewusste Entscheidungen getroffen werden, eine bestimmte Gruppe von Lernenden zu fördern, während eine andere eventuell nicht so stark angesprochen wird. Weiterhin zeigen diese Untersuchungen, welche Unterrichtsphasen besonders stark polarisieren und daher vermehrt Aufmerksamkeit in der Planungsphase benötigen (z. B. Einstiegsphasen).

Neben der angedeuteten Notwendigkeit für weitere differentielle Untersuchungen bezüglich der kombinierten Wirksamkeit von Interessentriggern sind ebenfalls Studien zu Interaktionen zwischen Personenmerkmalen und Interessentriggern erforderlich. Aufgrund der theoretischen Nähe zwischen den Konstrukten könnten individuelles Interesse sowie naturwissenschaftliches Selbstkonzept spannende Einblicke liefern. Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Leistung und Interesse der Lernenden besteht auch hier ein weiteres Forschungsdesiderat. Schlussendlich ist nicht nur die Interessenförderung im naturwissenschaftlichen Unterricht für Lernende wichtig, denn als multikriterialer Unterricht muss die Gestaltung ausgewogen sein. Durch Mikroanalysen von Unterricht lässt sich feststellen, wie eine gelungene Umsetzung von Unterricht zur Erreichung einer naturwissenschaftlichen Grundbildung aussehen kann.