Debatten um Forschungsmethoden haben in den letzten Jahren wieder an Intensität zugenommen. Dies führte zum einen zu einer verschärften Herausarbeitung der Besonderheiten der jeweiligen Zugänge, zum anderen zu Versuchen, unterschiedliche methodische Zugänge zu kombinieren. „Mixed Methods“ heißt das neue Zauberwort.

Die Beiträge des vorliegenden Heftes lassen sich in ihrer methodischen Anlage auch als Widerspiegelung dieser Debatte sehen: Sie repräsentieren qualitative und quantitative Zugänge oder versuchen, ihren Gegenstand aus der Perspektive qualitativer und quantitativer Untersuchungen zu diskutieren.

Arno Combe und Angelika Paseka greifen unter dem Titel „Und sie bewegt sich doch? Gedanken zu Brückenschlägen in der aktuellen Professions- und Kompetenzdebatte“ die nicht enden wollende Debatte um die theoretische Fassung von Professionalität und Professionalisierung von Lehrpersonen auf. Zunächst skizzieren sie die kontrastierenden Theoriefamilien, der Kern dieses Beitrages stellt jedoch die Frage nach Anschlüssen und Brückenschlägen dar. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist die COACTIV-Studie, die das Tun der Lehrpersonen und die Verpflichtung zu einem kognitiv-anregenden, gut strukturierten und unterstützenden Unterricht in den Mittelpunkt ihrer Konzeption stellt. Es wird gezeigt, dass die vorliegenden quantitativen und qualitativen Studien sowie theoretischen Konzepte unterbelichtete Stellen zutage fördern. Sie fordern einen genaueren Blick auf die konkreten Unterrichtsprozesse, in denen sich die Kompetenzen der Lehrpersonen, aber auch zugrunde liegende Strukturmuster von Schule zeigen. Routinen und im Handlungsfluss aufbrechende Unsicherheiten müssen stärker in das Zentrum von Bildungsforschung gerückt werden. Das Umgehen mit Unsicherheiten kristallisiert sich dabei als gemeinamer Kern der unterschiedlichen Ansätze heraus. Mit Hilfe von Fallanalysen lässt sich zeigen, dass ein Unterricht, der das Lernen der Kinder und Jugendlichen ins Zentrum rückt, von den Lehrpersonen „situierte Kreativität“ verlangt, die als eigene Wissensform zu begreifen und in weiteren Untersuchungen zu spezifizieren ist.

Praxisphasen haben in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern einen hohen Stellenwert. Als Erfahrungsfeld zum Kennenlernen des Berufs aus einer anderen Perspektive und zur Überprüfung der Studienentscheidung oder als Ort zum angeleiteten Ausprobieren und Einüben beruflicher Tätigkeiten gilt das Praktikum an der Schule als ein fester Bestandteil jeder Ausbildung. Tina Hascher gibt in ihrem Beitrag „Lernfeld Praktikum – Evidenzbasierte Entwicklungen in der Lehrer/innenbildung“ einen breiten Überblick über das „Lernen im Praktikum“. Sie wirft einen kritischen Blick auf die nicht sehr breit vorliegenden Forschungsergebnisse zu diesem Thema und zeigt dabei in einem historisch-systematischen Zugang auf, dass der Ruf der Praktika in der Lehrer/innenbildung besser ist als ihr tatsächlicher Beitrag zum Lernen. Erwünschte Effekte werden von Kollateralschäden begleitet, sodass das Ziel – die systematische Entwicklung und Erprobung professioneller Kompetenzen – nur selten unbeeinträchtigt erreicht wird. Theorieabwehr, Abschottung gegenüber Erfahrungen, Erwerb kontrollierender statt fördernder Einstellungen gegenüber den Schülerinnen und Schülern sind nur einige der negativen Effekte, die in Praktika auch auftreten, wobei natürlich der tatsächlichen Gestaltung und der Betreuung die entscheidende Rolle zukommt. Weitere Forschung, so eine der Schlussfolgerungen, braucht quantitative und qualitative Zugänge, letztere v. a., um die Lernprozesse während des Praktikums besser zu erforschen.

Um Haltungen gegenüber Schülerinnen und Schülern geht es auch im Beitrag von Anke Barbara Liegmann über „Durchlässigkeit im Schulsystem – eine Frage der Einstellung? Berufsbezogene Überzeugungen zum Schulformwechsel“. Liegmann geht in einem qualitativen Zugang der Frage nach, was in den Köpfen von Lehrpersonen vorgeht, wenn sie einem Schüler oder einer Schülerin einen Aufwärts- oder einen Abwärtswechsel der Schulform empfehlen. Während nach der expliziten Logik von Bildungssystemen dafür v. a. deren tatsächliche Leistungen oder vermutete Leistungsmöglichkeiten den Ausschlag geben sollten, zeigt sich in der Analyse von Liegmann, dass häufig noch andere Aspekte zum Tragen kommen, durch die bildungspolitische Förderambitionen konterkariert werden können: wenn Lehrpersonen einfach leistungsstarke Schüler/innen nicht aus ihrer Klasse verlieren wollen, wenn die Klasse zu klein würde, u. Ä. Die Ergebnisse liefern einen aufschlussreichen Beitrag dazu, wie Intentionen aus der Makroebene des Bildungssystems von Akteuren auf der Mikroebene der einzelnen Schule transformiert werden.

Die Schule als organisationales Umfeld für Lehrpersonen ist Gegenstand des Beitrags von Bea Harazd, Mario Gieske und Julia Gerick „Was fördert affektives Commitment von Lehrkräften? Eine Analyse individueller und schulischer (Bedingungs-) Faktoren“. Eine starke Bindung der Mitarbeiter/innen an die Organisation hat nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Schule positive Auswirkungen. Zu erwarten ist v. a., dass das Engagement für die gemeinsamen Anliegen der Schule, insbesondere Schulentwicklung, unmittelbar vom Commitment der einzelnen Lehrpersonen abhängt. Umso bedeutsamer ist daher auch die Frage, wie in der lose gekoppelten Organisation Schule, in der die einzelnen Lehrpersonen ihre berufliche Kernarbeit relativ isoliert voneinander verrichten, Bindung an die übergeordnete Einheit entsteht. Die Untersuchung dieser Frage wird mit der Analyse eines quantitativen Instruments zur Erfassung von affektivem Commitment verknüpft. Nicht ganz unerwartet zeigt sich, dass Schulleitung und Arbeitsklima an der Schule einen bedeutsamen Einfluss haben.

Neben diesen Fachbeiträgen finden Sie in diesem Heft drei Rezensionen zu didaktischen, schultheoretischen und bildungspolitischen Themen: von Josef Thonhauser über Unterrichtstheorien in Forschung und Lehre (Hrsg. von Wolfgang Meseth, Matthias Proske & Frank-Olaf Radtke) sowie über Die Durchschnittsfalle. Gene – Talente – Chancen (Markus Hengstschläger), und von Gottfried Biewer über Langzeitwirkungen der schulischen Integration (Michael Eckhart, Urs Haeberlin, Caroline Sahli Lozano & Philippe Blanc).