Je nach individuellem Risiko soll das LDL-Cholesterin bei Diabetespatienten auf verschiedene Zielwerte gesenkt werden. Basis der Therapie bilden Statine, die durch verschiedene Optionen eskaliert werden können. Doch das funktioniert nicht immer und oft wird die Behandlung vorzeitig beendet. Was also tun?

Die Zielwerte für die LDL-Absenkung bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten haben sich in den vergangenen Jahren immer weiter reduziert. Die LDL-Absenkung erfolge risikoadaptiert, sagte Dr. Holger Leitolf von der Medizinischen Hochschule Hannover. Betroffene mit Diabetes finden sich dabei - je nach Dauer der Erkrankung, zusätzlichen Risikofaktoren und dem Auftreten von Endorganschäden - in drei Risikogruppen wieder. Die "2021 ESC Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice" unterscheiden weiter zwischen "Endorganschäden" - Retinopathie, Nephropathie, Neuropathie - und "schweren Endorganschäden" (eGFR < 45 ml/min; eGFR zwischen 45-59 ml/min mit Mikroalbuminurie; Proteinurie; mikrovaskuläre Schädigung an drei Lokalisationen).

Zielwerte für LDL-Cholesterin unterscheiden sich je nach Risiko

Das LDL sollte bei Diabetespatienten auf folgende Zielwerte gesenkt werden (▶Abb. 1):

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© spa/Springer Medizin

LDL-Zielwerte bei Diabetespatienten je nach Risiko (Nach ESC/EAS Guidelines 2019)

  • Kurze Erkrankungsdauer (< 10 Jahre) und gut kontrollierter Typ-2-Diabetes ohne Risikofaktoren und ohne Endorganschäden: moderates Risiko, Senkung des LDL auf < 100 mg/dl

  • Längere Erkrankungsdauer (> 10 Jahre) und schlecht kontrollierter Typ-2-Diabetes mit Risikofaktoren, keinem schweren Endorganschaden und keiner arteriosklerotischen kardiovaskulären Erkrankung: hohes Risiko, Senkung des LDL auf < 70 mg/dl

  • Patienten mit kardiovaskulärem Ereignis oder schwerem Endorganschaden: sehr hohes Risiko, Senkung des LDL auf < 55 mg/dl

Allerdings würden viele die LDL-Zielwerte nicht erreichen, denn: Einige Betroffene lehnen Statine ab oder sie sind wenig adhärent/compliant. Auf der anderen Seite gäbe es Fälle, in denen Ärzte ihre Patienten der falschen Risikokategorie zuweisen. Außerdem sei die Compliancesicherung durch den betreuenden Arzt teilweise nicht gegeben, die Eskalation der Statindosis oft ungenügend und die Therapie werde oft vorzeitig abgebrochen.

Drei Schritte zur optimalen Therapie

Für ein optimales Lipidmanagement eigne sich ein Algorithmus, der der Leitlinie folgt und der einen Prozess in drei Schritten vorsieht. Zunächst erfolge die Diagnostik und Risikoermittlung. Besteht die Indikation zur Therapie, steht eine Basisbehandlung mit Statinen im Mittelpunkt. "Wir legen großen Wert darauf, dass diese umgesetzt und zielwertorientiert eskaliert wird", mahnte Dr. Leitolf, denn nur dann würden auch in der Maximaltherapie, der dritten Säule, neuere Substanzen wie PCSK9-Inhibitoren zum Einsatz kommen. "Die Voraussetzung für die Eskalation in eine Maximaltherapie ist, dass die Basistherapie ausgeschöpft ist". Man solle daher die Statinbehandlung nicht zu früh beenden.

Falls pausiert werden muss, gäbe es verschiedene Strategien, um sie wieder aufzunehmen: die Reexposition mit niedrigerer Dosis, eine intermittierende Gabe, ein Wechsel des Statins, eine Kombination mit Bempedoinsäure oder eine statinfreie lipidsenkende Behandlung (Ezetimib- oder Bempedoinsäure jeweils als Monotherapie oder in Kombination). Sind die Zielwerte nach vier bis sechs Wochen nicht erreicht, sollte die lipidsenkende Therapie weiter intensiviert werden.

Fazit für die Praxis

  • Je nach Risikofaktoren, Erkrankungsdauer und Diabetesfolgeschäden eines Patienten gelten unterschiedliche LDL-Cholesterin-Zielwerte.

  • Die Basistherapie mit Statinen steht im Mittelpunkt der lipidsenkenden Therapie.

  • Voraussetzung für die Eskalation in eine Maximaltherapie mit Substanzen wie PCSK9-Inhibitoren ist, dass die Basistherapie ausgeschöpft wurde.

Quelle: Diabeteskongress 2022 (DDG) in Berlin und online; Session 26.5.2022: Lipidologie - Neues am Horizont; Vortrag: Ziele definieren - Umsetzung der aktuellen Leitlinie in der täglichen Praxis