Nachdem im Mai 2018 die ausschließliche Fernbehandlung in die Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (MBO) aufgenommen wurde, haben viele Ärztekammern die neue Regelung unverändert in ihre Berufsordnung übernommen. Manche Kammern, beispielsweise Brandenburg, lehnen die ausschließliche Fernbehandlung explizit ab.

Telemedizin bleibt die Ausnahme

Dabei sind die Neuerungen in der MBO nicht so aufsehenerregend, wie es scheint, erklärte Rechtsanwalt Dr. Florian Wolf beim Tag der Privatmedizin Ende 2018. Denn es gelte nach wie vor: Die persönliche Behandlung bleibt der Regelfall. Daneben ist eben auch eine telemedizinische Behandlung erlaubt. Beispiele für bereits gelebte Fernbehandlung sind: Das Folgerezept für einen chronisch erkrankten Patienten oder die Verlaufskontrolle der Wundheilung per Videocheck.

Je nach Bundesland gibt es Unterschiede in den Berufsordnungen. In Baden-Württemberg ist die ausschließliche Fernbehandlung derzeit nur im Rahmen eines Modellprojekts erlaubt. In Schleswig-Holstein dagegen darf fernbehandelt werden, wenn es „ärztlich vertretbar“ ist und die Sorgfaltspflichten gewahrt werden. Ähnlich ist es in Bremen, Berlin, Niedersachsen, Hessen, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Westfalen-Lippe geregelt.Bislang verboten ist die ausschließliche Fernbehandlung in Brandenburg, Hamburg und Saarland.

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Die ausschließliche Fernbehandlung, zum Beispiel per Videochat, ist seit 2018 in vielen Bundesländern erlaubt. Doch der Arzt muss sorgfältig abschätzen, ob ein Patient dafür geeignet ist.

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Was bedeutet „ärztlich vertretbar“?

Doch wann gilt eine ausschließliche Fernbehandlung ohne persönlichen Erstkontakt als „ärztlich vertretbar“? Fest steht: Der Arzt trägt die Sorgfaltspflicht und muss abwägen, ob eine Fernbehandlung ohne Risiko möglich ist.

Dabei muss einiges beachtet werden: Könnte es bei einer Behandlung per Telefon oder Video zu Verständnisschwierigkeiten kommen? Macht der Patient genauso offene Angaben wie in einem direkten Gespräch? Wie sieht es mit Fragen aus, die normalerweise — aufgrund von Scham — erst beim Hinausgehen aus dem Sprechzimmer gestellt werden (Türklinkenfragen)? Und kann der Arzt davon ausgehen, dass die vom Patienten mitgeteilten Werte stimmen? Liegen alle notwendigen Informationen vor: Anamnese, wesentliche Vorerkrankungen, Vorbefunde, Krankheitsverlauf und soziales Umfeld? Falls diese Informationen für eine zuverlässige Diagnose oder Therapieempfehlung fehlen, muss der Arzt diese besorgen — falls erforderlich auch persönlich — oder darauf hinweisen, dass eine zuverlässige Diagnose telemedizinisch nicht möglich ist. Zu einer Sorgfaltspflichtverletzung zählt nämlich auch der unterlassene Hinweis, dass eine Fernbehandlung nicht ausreiche. Die Gefahr, sorgfaltswidrig zu handeln, sei bei Patienten, die dem Arzt schon länger bekannt sind, natürlich geringer.

Patienten aus anderen Bundesländern

Grundsätzlich können Ärzte auch Patienten anderer Bundesländer telemedizinisch behandeln, erläuterte Wolf. Allerdings gelte für Ärzte die Berufsordnung des jeweiligen Bundeslandes, in dem sie niedergelassen sind. Zudem müsse beachtet werden, dass sich — falls ein Arzt hauptsächlich Patienten aus einem anderen Bundesland telemedizinisch betreut — eine zusätzliche Kammermitgliedschaft in dem zweiten Bundesland ergeben könnte. Wollen ausländische Patienten auf ein deutsches telemedizinisches Angebot zurückgreifen, bestehe die Gefahr, dass die verschiedenen Rechtssysteme kollidieren. Welches Gericht sich als zuständig erklären und welches ausländische Recht angewendet werden würde, ist kaum absehbar. Hier rät Wolf dringend dazu, eventuelle Onlineangebote mit der Haftpflichtversicherung abzuklären. Bezüglich der Werbung für Fernbehandlungen stellte Wolf klar: Ein sachlicher Hinweis auf Fernbehandlungsangebote sei erlaubt und kollidiere nicht mit dem Heilmittelwerbegesetz.