Zusammenfassung
Der Artikel untersucht vergleichend die Umsetzung der „Eigenständigen Jugendpolitik“ in den deutschen Ländern. Das Leitbild der Eigenständigen Jugendpolitik hat sich – ausgehend von einer Initiative der EU-Kommission – spätestens seit 2011 in der Programmatik der Bundesregierung etabliert. Mit einem ressortübergreifenden und aktivierenden Ansatz soll die, bislang mit ihrem Fokus auf die klassische Jugendhilfe als defizitorientiert wahrgenommene „alte“ Jugendpolitik überwunden bzw. ergänzt werden. Da der Bund wenig eigene Kompetenzen im Bereich der Jugendpolitik aufweist, wird die Übernahme der Programmatik in den Ländern (und auch den Kommunen) zum interessanten Testfall für die Wirkkraft „weicher“ Politikansätze im deutschen Föderalismus. Der Beitrag untersucht, inwieweit Teile der Programmatik der „Eigenständigen Jugendpolitik“ in den Ländern aufgegriffen wurden und analysiert mittels eines strukturierten Vergleichs sowie einer vertiefenden Fuzzy-Set QCA die Bedingungen für die Übernahme der Programmatik. Die Ergebnisse zeigen, dass die herkömmlichen Ansätze der vergleichenden Policy-Analyse nur wenig zur Erklärung der vorzufindenden Muster beitragen können. Bei „weichen“ Steuerungsformen scheinen – soweit es fiskalische Spielräume erlauben – die Einzelinitiative von Akteuren („Entrepreneurship“) und die Existenz von fachlichen Netzwerken wichtiger zu sein als parteipolitische Faktoren.
Abstract
The article explores the adoption of the European and federal policy-initiative “Independent Youth Policy” in the German Länder. The concept stems from an initiative of the European Commission and has been established as a federal program since 2011. With an inter-departmental and activating approach, the initiative aims at overcoming the ‘old’ youth policy, which was perceived as departmentally captured and fixed on the compensation of problematic life-courses. As the federal level has only few own administrative competences in youth policies, the transposition of the program in the Länder (and its adoption by local governments) becomes an interesting test case for studying the response to soft law in the federal system of Germany. The article explores to what extent parts of the program “Independent Youth Policy” are adopted by the Länder. Furthermore, it analyses the conditions for a diffusion of the programs applying a structured comparison and a deepening fuzzy-set QCA. The results show that conventional approaches of comparative public policy contribute little to the explanation of the empirical patterns. In the adoption of soft law—as long as fiscal leeway permits—individual policy entrepreneurship and supportive professional networks seem to be more important than party-politics and other standard explanations.
Notes
Thüringen hat zum Zeitpunkt der Drucklegung eine weitergehende Initiative aufgelegt (vgl. LT-Drs. 6/4573), die aber Mitte 2018 noch nicht mit konkreten Maßnahmen hinterlegt ist.
Die genutzten Daten stammen dabei aus den Datenbanken des Statistischen Bundesamtes.
In der Terminologie der Policyanalyse wird eine Policy als „Output“ bezeichnet – im Gegensatz zum „Outcome“ der Verhaltensänderung von Akteuren in der realen Welt. In der Terminologie der QCA hingegen steht „Outcome“ für den zu analysierenden Sachverhalt.
In der Regel wird ein Konsistenzwert von mindestens 0,9 als hoch angesehen (Schneider und Wagemann 2007, S. 213).
Dies wird regelmäßig als Standard guter QCA-Praxis angesehen (Schneider und Wagemann 2007, S. 270).
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Beinborn, N., Grohs, S., Reiter, R. et al. „Eigenständige Jugendpolitik“: Varianz in den Ländern. Z Vgl Polit Wiss 12, 743–762 (2018). https://doi.org/10.1007/s12286-018-0398-5
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