Liebe Leserinnen und Leser,

wir alle wissen: Die Zukunft ist schwer zu prognostizieren. Entsprechend fällt es auch bei Investitionsprojekten leicht, das zu rechnen, was politisch gewollt ist. Und nicht immer gelingt es, Manipulation und Politik sauber von Unsicherheit und Wissensdefizit zu trennen. Gerade in den viel beschworenen Zeiten hoher Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität müssen Controller aber so weit wie möglich sicherstellen, dass das Potenzial einer Investition auch realistisch erfasst wird und die Risiken hinreichend berücksichtigt sind. Dazu müssen sie verstehen, welche mittelbaren und unmittelbaren Risiken mit einer Investition verbunden und wie diese zu bewerten sind. Und sie sollten einschätzen können, wie resilient die Investition gegenüber externen, unkontrollierbaren Schocks ist. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, bedarf es aber mehr als der routinierten und fehlerfreien Anwendung der richtigen Methodik - ein Thema, das in Lehrbüchern häufig im Vordergrund steht. Essenziell sind in unseren Augen vor allem das systematische Infragestellen der Prämissen, das verstärkte Arbeiten mit Szenarien, der (möglichst) offene und politikfreie Dialog im Management, die enge Zusammenarbeit von Risikomanagement und Controlling und nicht zuletzt eine hinreichende Nähe zum Geschäft.

Wie kann diese Nähe sichergestellt werden? Nun, am besten dadurch, dass Investitionsentscheidungen dort getroffen werden, wo auch das relevante Wissen und - hoffentlich - die unternehmerische Verantwortung stecken: dezentral, vor Ort. Wie sollten Unternehmen also die Genehmigungsschwellen für Investitionen gestalten? Wie dezentrales Empowerment und Kontrolle ausbalancieren? Und wie schnell und flexibel kann die Ressourcenallokation nach erfolgter Genehmigung eines Investitionsantrags adjustiert werden? Wichtige Fragen, die nicht immer einfach zu beantworten sind. Nur so viel: Tradierte Ansätze stoßen in einem veränderten Kontext schnell an Grenzen, und es scheint uns kein Zufall zu sein, dass dezentrales Empowerment und dynamische Ressourcenallokation zunehmend im Mittelpunkt der Diskussion stehen. Auch weil es in einem Kontext hoher Unsicherheit gar nicht immer möglich ist, den Erfolg von Projekten hinreichend ex ante zu prognostizieren, muss sichergestellt sein, dass Investitionsentscheidungen nicht nur an der richtigen Stelle, sondern auch zum richtigen Zeitpunkt getroffen werden. Aus der Forschung und Entwicklung kennen wir dieses Vorgehen schon länger: Ein immer wieder neu evaluiertes Projektportfolio und das Prinzip von Versuch und Irrtum ersetzen hier häufig die eine, frühe Entscheidung für oder gegen die Investition.

Lassen Sie uns noch auf einen zweiten Aspekt hinweisen, der das Investitionscontrolling aktuell zu einem spannenden Thema macht: Wie kann das Thema Nachhaltigkeit mit der traditionellen Investitionsrechnung versöhnt werden? Wie und in welchem Umfang ist es möglich, die verschiedenen Aspekte der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit rechenbar zu machen? Und wenn nicht, sollten dann ausgewählte Aspekte der Nachhaltigkeit einen zweiten beziehungsweise dritten Filter neben der ökonomischen Profitabilität und dem strategischen Fit bilden? Kann es im Einzelfall auch legitim sein, in soziale und ökologische Projekte zu investieren, die sich nicht vollumfänglich rechnen? Und wie gehe ich als Controller mit solchen Ansinnen um? Fragen über Fragen, die in den nächsten Jahren nichts an Relevanz einbüßen werden.

Viel Spaß bei der Lektüre wünschen Ihnen

figure 1

Utz Schäffer

figure 2

Jürgen Weber