Mit dem Hospiz- und Palliativgesetz wurden 2015 u. a. Rahmenbedingungen geschaffen, um die Angebote und Qualität der palliativen Versorgungsstrukturen in Krankenhäusern weiterzuentwickeln. So wurden Finanzierungsgrundlagen für Palliativstationen und multiprofessionelle Palliativdienste innerhalb eines Krankenhauses etabliert und mit entsprechenden Anforderungen hinterlegt. Dies wirft die Frage auf, wie sich die Soziale Arbeit strukturell und inhaltlich in diesem spezifischen Versorgungsbereich etabliert und entwickelt (hat) und welche professionsspezifischen Herausforderungen sich hieraus ergeben.

Mehrheitlich besteht bei Menschen am Lebensende der Wunsch, die verbleibende Lebenszeit in der häuslichen Umgebung und damit der bestehenden, gewohnten Lebenswelt zu verbringen (Deutscher Hospiz und PalliativVerband e. V. (DHPV) 2017). Für Menschen mit einem palliativmedizinischen Versorgungsbedarf ist ein Krankenhaus jedoch nach wie vor für die Mehrheit der Ort des Todes (Dasch und Zahn 2021; Pivodic et al. 2016). Hieraus leiteten sich die Anforderungen ab, dass an den Orten, an denen ein großer Prozentsatz der Bevölkerung verstirbt, eine qualitativ hochwertige Versorgung sowie ausreichend palliativmedizinische Versorgungsangebote zur Verfügung stehen sollten. Ausgangpunkt der palliativen Bemühungen sollte es sein, Rahmenbedingungen zu gestalten, in denen Betroffene selbstbestimmt und wertgeschätzt Entscheidungen über den Ort des Sterbens sowie die Ausgestaltung der medizinischen, pflegerischen und psychosozialen Versorgung treffen können (Schütte-Bäumner 2017). Im Kontext der stationären Krankenhausbehandlung erfolgt die spezialisierte stationäre Palliativversorgung (SSPV) in Form von Palliativstationen oder eines fachabteilungsübergreifenden palliativen Konsildienstes im Krankenhaus.

Die Palliativstation ist eine räumlich eigenständige Station oder ein eigenständiger Bereich innerhalb einer Allgemeinstation von mindestens fünf Betten. „Das Ziel der Palliativstationen ist es, krankheits- und therapiebedingte Beschwerden zu lindern und, falls möglich, den Zustand des Patienten zu stabilisieren sowie den Patienten und seine Angehörigen psychologisch und sozial so zu unterstützen, dass die Entlassung nach Hause oder die Verlegung in eine andere Versorgungsstruktur möglich wird“ (Radbruch und Payne 2011, S. 264). Dabei bestehen spezifische Aufnahmekriterien, Anforderungen an die fachlichen Qualifikationen der Mitglieder des multiprofessionellen Teams sowie an die infrastrukturelle sowie räumliche Ausstattung. Konkretisiert werden die Anforderungen über den Operationalisierungsschlüssel (OPS). Mit dem Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) aus dem Jahr 2015 wurde die Palliativversorgung in Krankenhäusern gestärkt und entsprechende Leistungen sind seitdem über die OPS abrechenbar (vgl. Artikel 4 und 4a HPG). Der OPS bildet die Grundlage für Krankenhäuser zur Leistungsabrechnung und berücksichtigt für Leistungen der Palliativversorgung neben der regulären Behandlungspauschale spezifische Zusatzentgelte. Für Palliativstationen ergeben sich die Mindestanforderungen aus der OPS 8-98e.

Ergänzend oder ersatzweise zur Palliativstation existiert innerhalb des Krankenhauses auf Grundlage der Struktur- und Mindestmerkmale in der OPS 8-98h ein Palliativdienst, auch Palliativkonsildienst genannt. Dieser zeichnet sich ebenfalls durch ein multiprofessionelles Team, bestehend aus weitergebildetem ärztlichem und pflegerischem Personal sowie einer der definierten weiteren Berufsgruppe (s. unten), aus. „Ein zentrales Ziel des Palliativkonsilteams ist die Linderung der zahlreichen Symptome der Palliativpatienten in verschiedenen Abteilungen des Krankenhauses durch ein Mentoring des diensthabenden Personals und durch Unterstützung der Patienten und ihrer Angehörigen“ (Radbruch und Payne 2011, S. 266). Ebenfalls soll der Übergang der Patient_innen von der stationären in die ambulante Palliativversorgung unter Hinzunahme der Fachexpertise aus dem Palliativdienst vereinfacht werden.

Einbindung der Sozialen Arbeit in der stationären Palliativversorgung

Fachkräfte der Sozialen Arbeit sind in spezialisierten palliativen Versorgungsangeboten, orientiert an den Empfehlungen des Europarats (Council of Europe 2003, S. 43), des National Advisory Committee on Palliative Care (Mid-Western Health Board 2001, S. 64) und dem Qualitätsanforderungen der European Association for Palliative Care (Radbruch und Payne 2011, S. 263), integraler Bestandteil des multiprofessionellen Teams. Diese Anforderung spiegelt sich ebenfalls in der Abrechenbarkeit von palliativmedizinischen Leistungen im Krankenhaus wieder. Im Rahmen der spezialisierten stationären palliativmedizinischen Komplexbehandlung (OPS 8-98e) ist der Einsatz von mindestens zwei Professionen aus den Therapiebereichen Sozialarbeit/Sozialpädagogik, Heilpädagogik, Psychologie, Physiotherapie/Ergotherapie, künstlerische Therapie (Kunst- und/oder Musiktherapie) oder Entspannungstherapie in einem Umfang von sechs Stunden je Woche und pro Patient erforderlich. Ähnlich verhält es sich in der spezialisierten palliativmedizinischen Komplexbehandlung durch einen Palliativdienst (OPS 8-98h). Hier besteht das multiprofessionelle Team aus dem ärztlichem und pflegerischem Dienst sowie mindestens einer Fachkraft der definierten Berufsgruppen Sozialarbeit/Sozialpädagogik, Psychologie/Psychotherapie, Physiotherapie oder Ergotherapie (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte 2022).

Konkrete Anforderungen an die personelle Ressourcenausstattung für die Soziale Arbeit auf Palliativstationen lassen sich jedoch lediglich aus der S3-Leitlinie Palliativmedizin ableiten. Demnach sind pro aufgestelltem Bett 0,2 vollzeitäquivalente Vertreter_innen weiterer Therapiebereiche, wie z. B. Sozialdienst, Psychologie, Physiotherapie, Ergotherapie, Künstlerische Therapien, Case Management, Seelsorge oder Apotheke vorzuhalten (Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF 2020, S. 72f). An diesen personellen Anforderungen orientieren sich ebenfalls der Erhebungsbogen für Onkologische Spitzenzentren und Onkologische Zentren (Deutsche Krebsgesellschaft 2021, Kapitel 9.3.14) sowie der Erhebungsbogen für Palliativstationen zur Zertifizierung und Anerkennung von Palliativstationen (Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin 2021, S. 11). Aus den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin für Palliativstationen ergibt sich ein Personalbesetzung der ergänzenden Berufsgruppen, wie z. B. Sozialarbeit/Sozialpädagogik, Psychologie, Physiotherapie oder künstlerische Therapie von insgesamt sechs Stunden pro Patient (Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) 2007). Allerdings sind alle Anforderungen und Empfehlungen für die verschiedenen Professionen innerhalb des multiprofessionellen Teams hinsichtlich der Personalressourcen allgemein formuliert, so dass sich für die Soziale Arbeit zwar ableiten lässt, dass die Berufsgruppe integraler Bestandteil des muliprofessionellen Palliativteams ist, jedoch Qualifikationsanforderungen und erforderliche Personalressourcen für das stationäre Handlungsfeld unspezifisch verbleiben.

Aufgaben der Sozialen Arbeit in der stationären Palliativversorgung

Die Organisation der nachstationären Patientenversorgung hat mit der sozialrechtlichen Verankerung des Entlassmanagements als Bestandteil der Krankenhausbehandlung gem. §39 Abs. 1a SGB V an Bedeutung gewonnen und ist damit Bestandteil der Versorgungsaufgabe des Krankenhauses geworden. Dies hat dazu geführt, dass sich die Aufgabenschwerpunkte von Sozialdiensten in Krankenhäusern stark auf die auch ökonomisch sowie klinikprozessual bedeutsame Beratung, Koordination und interne wie externe Organisation des Entlassmanagements fokussieren (Müller-Baron und Kurlemann 2021, S. 172–175). Insbesondere bei komplexen palliativen Versorgungsbedarfen in einem komplizierten, nicht selten unübersichtlichen Versorgungssystem hat eine fachlich fundierte Beratung sowie ein methodisch-planvolles Handeln in der Fallarbeit durch die Expertise der Sozialen Arbeit eine sehr hohe Relevanz (Schütte-Bäumner 2017). Der hohe Stellenwert von Schnittstellenarbeit und nahtloser Überleitungsaufgabe spiegelt sich ebenfalls in den fachlichen Standards zur Hospiz- und Palliativversorgung wieder (Radbruch und Payne 2011, S. 265f). Ambulante Strukturen der Palliativversorgung zeichnen sich durch eine hohe Ausdifferenzierung orientiert an den jeweiligen Bedürfnislagen der Adressat_innen aus. Gleichsam sind die Angebote und Kapazitäten insbesondere in der pflegerischen Palliativversorgung regional sehr heterogenen verfügbar. Die Entwicklung passgenauer ambulanter, sektorenübergreifender Unterstützungsleistungen und tragfähiger palliativer Anschlussversorgungen erfordert somit konzeptionell und methodisch ein professionelles Vorgehen durch die Fachkräfte der Sozialen Arbeit.

Insbesondere in der Auseinandersetzung mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung und innerhalb einer palliativen Behandlungsintention ergeben sich zwangsläufig hohe individuelle psychosoziale Belastungen, die bei der Alltags- und Lebensbewältigung der Betroffenen sowie deren Nahestehenden nicht selten zu Überforderungen führen können. So stellen der Verlust von sozialen Rollen, Sicherheit und Orientierung aufgrund der Erkrankung, der Wegfall finanzieller Sicherheiten, die erforderliche Beanspruchung sozialer Netzwerkstrukturen bei gleichzeitigen Schwierigkeiten in den sozialen Interaktionsfähigkeiten und der progrediente Autonomieverlust bzw. der ausgeprägte Wunsch nach maximaler Selbständigkeit und Selbstbestimmung wichtige Interventionsbezüge für die Soziale Arbeit im klinischen Kontext dar (Bucher 2021, S. 334ff.; Schneider und Walther 2021, S. 213ff.).

Abseits der genannten Aufgabenschwerpunkte rückt innerhalb der Versorgungssystems Krankenhaus die frühe Integration in palliative Versorgungsstrukturen, sog. „early integration“, bei Patienten_innen mit fortschreitenden lebenslimitierenden Erkrankungen zunehmend in den Fokus. Hieraus leitet sich die Forderung ab, dass palliative Versorgungsbedarfe weit vor der terminalen Lebensphase über Palliativdienste im stationären Setting ermittelt und durch entsprechende Angebote gedeckt werden (Ateş et al. 2021, S. 178f). Mit der Expertise der Sozialen Arbeit im Kontext partizipativer, adressatenorientierter Frühintegration bieten sich in dem Modell der Advanced Care Planning (ACP) innovative Ansätze der Unterstützungsleistung. Konkrete Themenfelder der Beratung durch die Soziale Arbeit können hier die vorausschauende Hilfsmittel- und Versorgungsplanung, die Aufklärung und Information zu rechtlichen Fragestellungen (z. B. Vorsorgedokumente, Patientenverfügung) und die reflexive Kommunikation mit den Patient_innen und deren sozialem Umfeld über die Lebensphase des Sterbens und der Zeit danach sein (Alt-Epping 2015, S. 304; Kiepke-Ziemes und Schönhofer-Nellessen 2021, S. 276). Somit verfolgt Soziale Arbeit in der ACP die Stärkung der Gesundheitskompetenz, um Adressat_innen zu befähigen, zukünftige Behandlungs- und Versorgungsentscheidungen antizipativ und selbstbestimmt treffen zu können.

Exemplarische Anforderungen an das professionelle Handeln von Fachkräften

Die skizzierten Anforderungen aus dem Entlassmanagement erfordern eine starke Lösungsorientierung und ein fokussiertes Handeln in durchaus strukturellen Zwängen durch die Mitarbeitenden des Krankenhausozialdienstes. Gleichsam ergeben sich insbesondere in der Arbeit in palliativen Settings komplexe, vielschichtige und individuelle Problemkonstellationen. Professionelles Handeln in der Sozialen Arbeit versteht sich demnach nicht als Handeln nach schematischen, sozialarbeiterischen Standards, sondern berücksichtigt die individuellen Handlungs- und Falllogiken (Pantucek-Eisenbacher 2015). Damit bekommt die interpersonale Beziehung zwischen Fachkraft und Adressat_innen eine starke Bedeutung, weil erst auf dieser Basis ein hermeneutischer Zugang und verschiedene Perspektiven auf „den Fall“ möglich werden, abseits der entlassrelevanten Fragestellung (Müller 2017, S. 19ff.). Hinzu kommt, dass die Konfrontation mit dem Lebensende nicht nur das Individuum betrifft, sondern ebenso das soziale System hiervon auf einer emotionalen Ebene und im Wandel von sozialen Rollen hin zu einer Palliative-Care-Rolle betroffen sind. Soziale Arbeit befindet sich hier in einer Moderations- und Aushandlungsfunktion, in der divergente Erwartungen und Bedürfnislagen in dem nicht selten tabuisierten Themenfeld des Sterbens aufeinandertreffen. Professioneller Umgang bedeutet hier eine reflexive Auseinandersetzung und Klärung der unterschiedliche Sachaspekte im Sinne des „Falls von“, im multiprofessionellen Team aber auch im Fallbezug der Abgleich des sozialarbeiterischen Handelns mit dem „Fall für“ sowie das Bewusstsein und das eigene Ausrichten auf die Mitarbeit mit den Adressat_innen als „Fall mit“ (Müller 2017, S. 46ff.). Anhand dieser Terminologie ermöglicht sich ein breites, multiperspektivisches Verständnis des Falles, aus dem sich partizipative Interventionen und Lösungen erarbeiten lassen.

Versorgung am Lebensende bedeutet Angewiesensein auf professionelle sowie natürliche Netzwerke. Professionelle Netzwerke (z. B. spezialisierte Ambulante Palliativversorgung, ärztlich-therapeutische Versorgung) stellen hierbei institutionelle Ressourcen zur Verfügung und zeichnen sich idealerweise durch eine hohe Stabilität und eine permanente Verfügbarkeit aus. Die natürlichen oder primären Netzwerke (z. B. Familie, Freunde) kennzeichnet ein informeller Charakter mit einer hohen Vertrautheit und Stabilität durch starke Bindungen, setzen aber eine Zugehörigkeit voraus, um soziale Ressourcen entfalten zu können (Schönig und Motzke 2016, S. 36ff.). Soziale Netzwerke lassen sich hinsichtlich ihrer Qualitäten und damit Funktionen der sozialen Unterstützung unterscheiden in emotionale, instrumentelle, informationelle, freundschaftlich/soziale Unterstützung sowie Feedback durch den sozialen Vergleich (Wills und Shinar 2000). In der stationären Palliativversorgung bedeutet Netzwerkarbeit durch die Soziale Arbeit auf der individuellen Ebene die systematische Analyse sozialer Ressourcen sowie das Heben sozialer Unterstützung(spoteniale), orientiert an den konkreten Bedürfnislagen der Adressat_innen. Auch hier sind Moderationskompetenzen erforderlich, um zwischen Unterstützungsempfängern und Unterstützungsgebern tragfähige, realistische und transparente Beziehungen in einer belastenden Lebenssituation zu gestalten. Mit diesen Interventionen trägt die Profession der Sozialen Arbeit aktiv dazu bei, dass Menschen in ihrer letzten Lebensphase soziale Integration und Teilhabe erfahren.