Lange Zeit war es kaum vorstellbar, dass Studierende der Sozialen Arbeit rechte Einstellungen haben könnten, da das Fach und seine Protagonist_innen automatisch als reflektiert-links verstanden wurde. Dann gab es allerdings vermehrt Hinweise auf rechte Studierende, vor allem in Ost-Deutschland. Damit begann die Diskussion, ob bzw. wie rechts die Soziale Arbeit sei.

Sowohl die Mitte-Studien (zuletzt Zick und Küpper 2021) als auch die Leipziger Autoritarismus-Studien (Decker und Brähler 2020) weisen für die Bevölkerung in Deutschland ein beachtliches Maß rechtsaffiner sowie autoritärer Einstellungen aus (Sehmer et al. 2021, S. 5). Im Gegensatz zu abwehrenden Reaktionen auf erste Versuche der Thematisierung rechtsaffiner Tendenzen unter Studierenden der Sozialen Arbeit durch Albert Scherr (2006), gemeinsam mit Renate Bitzan (2007), wird inzwischen in Fachdiskursen die Vermutung artikuliert, dass derartige Einstellungen auch von einem Teil der Studierenden der Sozialen Arbeit vertreten werden könnten (u. a. Ehlert et al. 2020; Leidinger und Radvan 2019; Radvan und Schäuble 2019; Gutsche 2022; Besche 2022). Das Thema ist also diskutierbar geworden.

Der Beitrag stellt erste Ergebnisse meines Promotionsprojekts „Wahrnehmungen rechtspopulistischer und neurechter Einstellungen seitens Lehrender bei Studierenden der Sozialen Arbeit“Footnote 1 dar. Die Basis sind derzeit fünf qualitative leitfadengestützte Interviews mit Lehrenden der Sozialen Arbeit an fünf verschiedenen Hochschulen in Niedersachsen, Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Der Fokus des Samplings bezog sich zunächst auf Lehrende mit einer Denomination im Bereich Diversity, wurde nach zwei Gesprächen jedoch erweitert, da es Hinweise auf eine Themengebundenheit der auftretenden problematischen Äußerungen seitens Studierender gab. In der Folge haben die befragten Lehrenden auch anderslautende Denominationen mit soziologischen, methodischen oder gesellschaftspolitischen Schwerpunkten inne.

Einerseits ist festzustellen, dass die befragten Lehrenden den hegemonialen Diskurs innerhalb der eigenen Hochschulen als „, links-grün“ (I 4 Z. 55), „im links-liberalen Spektrum“ (I 3, Z. 132) oder „antifageprägt“ (I 3 Z. 134; I 1 Z. 7) einordnen. Dem gegenüber stehen jedoch Erfahrungsberichte der Befragten hinsichtlich einzelner Studierender, welche sich außerhalb der Hochschulen in neurechten oder rechtsextremen Kontexten engagieren. Innerhalb der Hochschulstrukturen und Lehrveranstaltungen fallen diese Studierenden, so wird berichtet, mehrheitlich nicht auf (I 1 Z. 163–165; I 3 Z. 110–112). Das Engagement wird der Hochschule in der Regel über andere Studierende oder antifaschistische Initiativen bekannt (I 5 Z. 685–692; I 1 Z. 240–244). Gleichzeitig gehen die Lehrenden davon aus, dass sich die Grenzen der Sagbarkeit gesamtgesellschaftlich verschoben haben und diese Verschiebungen auch in der Hochschule wahrnehmbarer werden (I 2 Z. 135–137; I 1 44–48; I 4 Z. 128–131). Diese Wahrnehmungen werden jedoch seitens der Lehrenden von offen rechts(extrem) agierenden Studierenden implizit (I 2) oder explizit abgegrenzt (I Z. 131–134; I 3 Z. 91–92; I 5 Z. 432–439; I 4 Z. 131–132).

Im Folgenden sollen Herausforderungen dargestellt werden, welche seitens fünf im Rahmen des Promotionsprojekts befragter Lehrender hinsichtlich des Umgangs mit problematischen Äußerungen von Studierenden in Lehrkontexten sowie deren Bearbeitung formuliert wurden.

„Da gibt es, relativ häufig, rassistische Beispiele“

Auffällig ist, dass die befragten Lehrenden ihre Beispiele eng an die von ihnen angebotenen Themen koppeln: So wird die Reproduktion von rassistischen Äußerungen von einer Lehrenden in Seminaren zum Thema Rassismuskritik verstärkt wahrgenommen (I 2 Z. 58–59), während Lehrende mit einem sozialpolitischen Schwerpunkt von autoritären und punitiven Perspektiven seitens Studierender berichten. In letzteren kommen Äußerungen zum Tragen, welche eine Kontrollfunktion Sozialer Arbeit als ebenso notwendig erachten, wie die Möglichkeit, Sanktionsmaßnahmen im Falle von unangepasstem oder verweigerndem Verhalten ergreifen zu können (I 4 Z. 109–113; I 1 Z. 10–21; I 5 Z. 123–125). In Grundlagenveranstaltungen zum Thema Kinderschutz wird demgegenüber eine Zunahme einer „Ethnisierung von Gewalt“ beschrieben: „Ich gebe auch ein Seminar zum Thema Kinderschutz aus pädagogischer und rechtlicher Perspektive mit einer Kollegin. Und da hat sich diese Ethnisierung von Gewalt zugespitzt in den letzten Jahren, würde ich sagen. Also die Frage: ‚Ist es denn nicht klar, dass in muslimisch markierten Familien deutlich mehr Gewalt vorkommt als in anderen?‘“ (I 4 Z. 142–146). Diese Zuschreibung erweist sich insofern als problematisch, als dass hier Zuschreibungen aufgrund einer angenommenen Verortung der Familien als „muslimisch“ vorgenommen wird. Mit dieser Zuschreibung wird ein Vorhandensein von Gewalt gegen Kinder verbunden und als stereotypes Merkmal generalisiert. Individuelle Realitäten werden so ausgeblendet, die zugeschriebene Differenzlinie dient als Kriterium der eigenen Abgrenzung gegenüber der Problematik.

Somit bieten Seminare zu verschiedenen Themen unterschiedliche thematische Anschlüsse, welche die Studierenden zu Äußerungen veranlassen können, die seitens der Lehrenden als problematisch wahrgenommen werden. Diese thematische Häufung stellt jedoch keine Ausschließlichkeit dar, berichtet doch eine Lehrende, dass Othering-Prozesse thematisch ungebunden in Lehrveranstaltungen zu unterschiedlichen Themen auftreten (I 2 Z. 80–82) und auch Äußerungen aus dem Spektrum der Ethnisierung von Gewalt, also einer bestimmten Form der rassistischen Stereotype, werden ebenfalls nicht in unbedingt in Seminaren mit rassismuskritischen Inhalten verortet, sondern treten vermehrt im Kontext von Veranstaltungen zum Thema Kinderschutz auf (I 4 Z. 142–144).

Lehrende schätzen diese problematischen Äußerungen zunächst als unreflektierte Reproduktion entsprechender gesamtgesellschaftlicher Diskurse ein (I 4 Z. 134–136; I 1 Z. 38–40; I 5 Z. 181–185) oder als aus dem Berufsalltag im Rahmen von Praktika rekurrierend. Dazu berichtet eine Lehrende von folgender Frage einer Studierenden: „‚Aber was soll ich denn machen, wenn in meine Familienberatung eine Mutter kommt und sagt, sie traue sich gar nicht mehr, ihre Tochter rauszuschicken, weil die muslimisch oder arabisch markierten Männer ja ihre Tochter verfolgen. Das ist doch so! Was soll ich denn da sagen?‘ Da wurde dann sozusagen diese Beratungsfrage an mich zurückgespiegelt, aber gar nicht reflektiert, wie voller rassistischer Konnotationen das Ganze ist.“ (4 Z. 82–90). Diese Beratungsanfrage ist insofern rassistisch konnotiert, als dass muslimisch oder arabisch markierte Männer unter den Verdacht der Distanzlosigkeit oder gar sexueller Übergriffe gegenüber Frauen gestellt werden. Diese Verknüpfung wird wiederum generalisiert und erschwert oder verhindert den Blick auf die Lebensrealität einzelner Personen, welche dieser konstruierten Gruppe zugerechnet werden. Die Zuschreibung wird seitens der Studierenden nicht hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts hinterfragt, sondern als Faktum wahrgenommen. Wie bei der Ethnisierung von Gewalt handelt es sich hier um eine rassistische Wissensordnung, welche bis zu diesem Zeitpunkt nicht reflektiert wurde.

Aus diesem Bericht lässt sich ablesen, dass die Reproduktion rassistischer Stereotype auch in die Praktika bzw. spätere Praxis getragen werden und dort folgenreich sein können, sofern sie im Rahmen des Studiums keine Bearbeitung erfahren. Folglich stimmen die befragten Lehrenden darin überein, dass derartige Äußerungen einer Bearbeitung bedürfen, zumindest jedoch nicht unwidersprochen bleiben sollten. Dabei formulieren Lehrende die Auseinandersetzung als Herausforderung, wie ich im Folgenden anhand zweier Positionierungen darstellen möchte.

Unsicherer Umgang mit rechten Äußerungen

„… muss ich sagen: ‚Ich möchte nicht, dass in diesem Raum rassistisch gesprochen oder diskriminierend oder verletzend gesprochen wird, denn hier sind Personen, die betroffen sind‘? Oder muss ich sagen: ‚Ja, um deine Lernerfahrung zu ermöglichen, muss ich es dir ermöglichen, hier auch zu sprechen‘?“ (I 2 Z. 268–272). Hier thematisiert die Lehrende eine mehrschichtige Anforderung zwischen dem Schutz von Diskriminierung betroffener Studierender einerseits und der Auseinandersetzung in Form eines dialogischen Lernprozesses auf der anderen Seite. Die Bearbeitung dieser widersprüchlichen Anforderung erfolgt situativ, die Lehrende verfügt über kein Handlungskonzept, welches sie als über den Einzelfall hinaus als „Paradebeispiel“ beschreiben könnte (I 2 Z. 250).

Eine andere Position findet sich in der Darstellung, dass der akademische Diskurs einen Raum darstellt, in welchem „maximal kontroverse Positionen soweit sie nicht, wenn man so will, strafrechtlich relevant sind und solang sie nicht den Tatbestand der persönlichen Beleidigung erfüllen, sprechbar sein sollen, weil das genau die Funktion eines akademischen Diskurses ist. Und an dem Punkt denk ich dann auch noch ’n bisschen pädagogisch, […]. Wo ich sagen würde, es hilft niemanden, wenn man Meinungen zum Schweigen bringt, weil sie dadurch nicht zum Verschwinden kommen.“ (I 3 Z. 70–77). Im Unterschied zu erstgenannter Position wird die Notwendigkeit der Thematisierung hervorgehoben, die Grenzen des Sagbaren werden hier jedoch durch das Strafrecht sowie persönliche Beleidigung gesetzt. Der Spielraum des Sagbaren wird von Lehrenden also anhand unterschiedlicher Leitlinien definiert.

Seitens der Lehrenden wird eine Moralisierung im Sinne des Hinweises auf eine rassistische oder diskriminierende Äußerung kritisch betrachtet, vielmehr betonen sie die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung (I 2 Z. 219–228; I 3 Z. 78–88; I 4 Z.). Sofern Betroffene der angesprochenen Differenzlinie im Raum sind, kann eine schnelle Reaktion in Form einer Einordnung als beispielsweise rassistisch eine entlastende Funktion darstellen. Sie erfahren insofern ein gewisses Maß an Schutz, als dass verdeutlicht wird, dass derartige Äußerungen nicht akzeptiert werden. Demgegenüber werden so Grenzen des Sagbaren vermittelt, welche dazu führen können, dass abweichende Positionen nicht mehr geäußert werden und sich so der Bearbeitung entziehen. Auch darauf lassen sich Hinweise finden: „[…] aber es gibt natürlich auch viele, die sich gar nicht äußern, wo man das nicht richtig einschätzen kann“ (I 4 Z. 56–57, I 3 Z.). „[…] aber das artikuliert sich in aller Regel nicht sozusagen, weil es tatsächlich ’ne Dominanz gibt, eines irgendwie aufgeklärt, reflektieren […] antirassistischen, genderkritischen Diskurses. (.) Ne? Und das teilt sich ja mit.“ (I 3 Z. 151–154). Hier verdeutlicht sich die Herausforderung, Personen zu Selbstpositionierungen zu ermutigen, um reflexive Prozesse zu ermöglichen und dem Schutz von Diskriminierungsbetroffenen: „[…] zum Beispiel Studierende mit Migrationshintergrund und die das dann ertragen müssen, wenn solche Äußerungen kommen oder sich tatsächlich dann auch ängstigen und nicht mehr wohlfühlen jedenfalls in der Situation. Und das ist dann, finde ich, auch Aufgabe der Lehrenden, da irgendeinen Umgang mit zu finden, dass diese Personen sich trotzdem sicher fühlen […]" (I 4 Z. 171–175).

Ein möglicher Umgang mit dieser Situation wird in gemeinsamen Regelungen hinsichtlich des kommunikativen Miteinanders geschildert, welche zu Beginn der Lehrveranstaltung vereinbart werden. Im Rahmen dieses Aushandlungsprozesses wird den Studierenden versichert, dass diskriminierende Äußerungen zum Lerngegenstand gemacht werden, diese Thematisierung jedoch nicht den Zweck eines „Vorführens“ haben soll. In der Akutsituation wird folgendes Beispiel zur Illustration gebraucht: „,Okay, ich habe gehört, Sie haben jetzt das Wort Rasse verwendet, ich gehe mal davon dass Sie […] die Debatte vielleicht noch nicht zu Kenntnis nehmen konnten […] und dann greife ich das auf und frage zurück […] was denn Ihrer Meinung nach mit dem Wort Rasse? Wofür steht das?“ (I 5 Z. 202–218).

Die Dilemmasituation zwischen der Zumutung an diskriminierungserfahrene Personen, der Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit problematischen Äußerungen und deren Wirkung auf Studierende, welche diese im Seminar einbringen, ist in den dargestellten Perspektiven nicht ganz auflösbar und mit weiteren Fragen wie der Einschätzung der persönlichen Verantwortung im Hinblick auf Studierende.

Gratwanderungen und Selbstaushandlungsprozesse

Im vorliegenden Beitrag konnten anhand bisher gewonnener Ergebnisse verschiedene Herausforderungen und Differenzlinien hinsichtlich der Wahrnehmung und Bearbeitung problematischer Äußerungen seitens Studierender im Rahmen des Studiums Sozialer Arbeit aufgezeigt werden. Auch wenn die hegemonialen Diskurse an Hochschulen von den Lehrenden mehrheitlich im demokratischen Spektrum verortet werden, finden sich dennoch Hinweise auf rechtsextrem organisierte Personen an den jeweiligen Hochschulen der interviewten Lehrenden. Diese fallen jedoch im Hochschulkontext in der Regel nicht durch problematische Äußerungen auf.

Darüber hinaus berichten die befragten Lehrenden von problematischen Äußerungen im Sinne rechtsaffiner oder autoritäre Äußerungen in Seminarkontexten. Bei der Bearbeitung derartiger Äußerungen im Rahmen der Lehre wird von den Lehrenden übereinstimmend ein Bedarf der Thematisierung formuliert. Diese Thematisierung ist aus Sicht der Lehrenden mit verschiedenen Aushandlungsprozessen verbunden. So stellen rechtsaffine und autoritaristische Äußerungen insofern eine Herausforderung dar, als dass es sich nicht „um einen beliebigen Lerngegenstand, zu dem im Rahmen eines offenen dialogischen Selbstverständigungsprozesses jegliche Sichtweise als gleichermaßen gültig und legitim angesehen werden kann“, wie Albert Scherr und Babara Schäuble (2006, S. 95) dies auch für die Bildungsarbeit zu Antisemitismus mit Jugendlichen beschreiben. Diese Illegitimität ergibt sich aus dem Anspruch, eine menschenrechtsbasierte Professionsethik im späteren Handeln umzusetzen und weiterhin „auszuschließen, dass Leistungen nach Situation, Sympathie oder menschenrechtswidrigen Vorstellungen gestaltet werden“ (Radvan und Schäuble 2019, S. 216).

Bisher erweisen sich die Ergebnisse als vielschichtig und eine Einschätzung zur Gesamtproblematik wäre verfrüht. Eine Interviewpartnerin hat jedoch eine Einschätzung in Bezug auf ein angrenzendes Thema getroffen, welche auch auf die bisherigen Ergebnisse der Untersuchung zutreffend erscheint: „[…] es gibt […] keine neurechte Hegemonie. Aber es gibt auch nicht nichts. […]. Also es gibt keinen Grund, um sich beruhigt zurückzulehnen und zu sagen, ja, alles super, wir haben überhaupt gar kein Problem. Und es gibt aber auch keinen Grund, um zu sagen, um Himmels willen, wir sind komplett unterlaufen.“ (I 2 Z. 635–639). Als Handlungsbedarfe lassen sich beispielsweise weitere systematische Auseinandersetzungen mit dem Thema auf unterschiedlichen Ebenen identifizieren: zum Beispiel in Bezug auf eine gelingende Auseinandersetzung mit problematischen Äußerungen seitens Studierender im Kontext des Studiums, aber auch hinsichtlich der Folgen für die Soziale Arbeit, sofern (unbewusste) vorurteilsbehaftete Einstellungsmuster mit in die Praxis getragen werden. Auch Verständigungsprozesse darüber, wie Sagbarkeiten im Hochschulkontext unter Berücksichtigung von Zumutungen für Betroffene verschiedener Differenzlinien gestaltet werden können, würden möglicherweise zu mehr Sicherheit im Umgang mit problematischen Äußerungen aufseiten der Lehrenden führen. So wünscht sich eine Lehrende: „Ja, und der erste Schritt wäre, überhaupt einen Reflektionsrahmen zu schaffen, […] das ist ja immer hilfreich, wenn man damit nicht allein ist mit so einem Problem, sondern sich auch austauschen kann mit Kolleginnen und Kollegen, sich gegenseitig beraten kann […] das allein wäre schon mal ein Fortschritt, wenn wir Zeit dafür hätten uns dafür einen Raum zu schaffen“ (I 4 Z. 264–269). Erste Thematisierungen liegen bereits vor, ob weitere folgen bleibt derzeit abzuwarten.