Liebe Leserinnen und Leser,

dieses Editorial schreibt sich für uns deutlich schwieriger als üblich. Leider sind seit unserem letzten Heft zwei wichtige Wegbegleiter der Statistik in Deutschland verstorben. Frau Professorin Dr. Susanne Rässler verstarb für uns alle völlig unerwartet am 29. August 2018, im Alter von 55 Jahren. Mit Fertigstellung dieses Heftes hat uns nun auch die Nachricht erreicht, dass Herr Professor Dr. Walter Krug am 30. Oktober 2018, im Alter von 78 Jahren, verstorben ist.

Susanne Rässler war Inhaberin des Lehrstuhls für Statistik und Ökonometrie in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und dem ASTA-Wirtschafts- und Sozialstatistisches Archiv (WiSoStA) eng verbunden. Seit Gründung des WiSoStA war sie Mitglied des Herausgeberbeirats. Sie war aber nicht nur eine Kollegin, sie war auch Freundin und wissenschaftliche Lehrerin für uns.

Ihren akademischen Werdegang begann sie nach einer Ausbildung bei der Siemens AG mit dem Studium der Betriebswirtschaftslehre 1990, welches sie, was sie auch immer gern betonte, als „Diplomkaufmann“ abschloss. Im Anschluss wurde sie im Fach Statistik bei Prof. Dr. Hans Schneeberger sowie dessen Nachfolger Prof. Dr. Ingo Klein an der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg promoviert.

Nach der Habilitation 2001 und anschließender Tätigkeit als Wissenschaftliche Oberassistentin leitete sie ab 2004 als Wissenschaftliche Direktorin das Kompetenzzentrum Empirische Methoden am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg und den Bereich Produkt- und Programmanalyse in der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit. Im Jahr 2007 wurde sie zunächst auf eine Professur in Computational Statistics an der Frankfurt School of Finance & Management berufen und erhielt im gleichen Jahr den Ruf auf den Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.

Seit Beginn ihrer wissenschaftlichen Laufbahn beschäftigte sich Susanne Rässler mit einem Spezialgebiet der Statistik, der multiplen Imputation fehlender Daten. Neben ihren Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der statistischen Analyse unvollständiger Daten forschte und publizierte sie in den Themengebieten Stichprobentheorie, Datenfusion und Datenanonymisierung sowie zu rechenintensiven und Bayesianischen Verfahren. Schon seit dem Studium und während ihrer gesamten wissenschaftlichen Laufbahn war sie in zahlreichen akademischen Gremien aktiv und unermüdlich als wissenschaftliche Gutachterin tätig. Susanne Rässler gehörte der Deutschen Statistischen Gesellschaft (DStatG), der American Statistical Association (ASA), der International Association of Survey Statisticians (IASS) und der Methodensektion der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) an. Zudem war sie Gründungsmitglied der European Association of Methodology (EAM) und des Statistiknetzwerks Bayern.

Wegweisend war Susanne Rässler auch in der Lehre. Gemeinsam mit der Professur für Wirtschafts- und Sozialstatistik in Trier und dem Institut für Statistik und Ökonometrie an der Freien Universität Berlin etablierte sie den gemeinsamen Masterstudiengang Survey Methodology. Dieser Masterstudiengang ist auch mit dem ‚European Master of Official Statsitics‘ ausgezeichnet, eine Initiative in der sich Susanne Rässler ebenfalls stark engagierte.

Der amtlichen Statistik war sie in vielen Feldern verbunden. Hervorzuheben sind hierbei ihre Mitgliedschaften in der Zensuskommission von 2007 bis 2013 und im Wissenschaftlichen Beraterkreis der Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder von 2014 bis 2017, darüber hinaus war sie Gutachterin zum Gerhard-Fürst-Preis des Statistischen Bundesamtes und gewähltes Mitglied im Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten von 2008 bis 2014.

Zuletzt haben wir noch eng in der Vorbereitung der Tagung ‚Conference of European Statistics Stakeholders 2018‘ in Bamberg zusammengearbeitet (https://www.uni-bamberg.de/en/cess2018/). Eine Konferenz die sie, wie immer, mit großem Eifer anging aber leider nicht mehr erlebte.

Wir gedenken einer herausragenden Wissenschaftlerin, die der Statistik in Deutschland, bis zuletzt sehr eng verbunden war.

Professor Dr. Walter Krug war als Mitarbeiter des Statistischen Bundesamtes und in der Folge als Hochschullehrer an der Universität Trier ein Brückenbauer zwischen akademischer und amtlicher Statistik. Zu seinem Gedenken wird ein Nachruf im kommenden Heft erfolgen.

Wie im Leben, so auch in diesem Editorial, nach der Trauer erfolgt der Übergang zum Alltag und somit zu den Inhalten des vorliegenden Hefts.

‚Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen‘ so soll es schon Mark Twain gesagt haben, teilweise wird dieser Satz aber auch dem Kabarettisten Karl Valentin zugeschrieben. Prognostiker werden diesen Satz so lieben wie der Statistiker den Satz von Winston Churchill zur Statistik, der diesen aber wohl auch nie gesagt hat. Transparenz in der methodischen Vorgehensweise ist für beide Disziplinen eine Grundvoraussetzung, um das Vertrauen der jeweiligen Datennutzer zu erlangen und zu erhalten. Auf dieser Basis untersuchen Ullrich Heilemann und Karsten Müller (2018) in ihrem Beitrag ‚Wenig Unterschiede – Zur Treffsicherheit Internationaler Prognosen und Prognostiker‘ die Vorhersagekraft von Wachstums- und Inflationsprognosen und kommen letztendlich zu ähnlichen Einschätzungen wie der einleitende Satz. Das Fazit hinsichtlich der Leistungsfähigkeit von Vorausschätzungen seitens der beiden Autoren ist daher eher zurückhaltend. So formulieren sie ‚Die länderweise Treffsicherheit ist absolut und relativ gesehen bescheiden und unterscheidet sich wenig, auch was Wendepunktprognosen und Prognoserevisionen angeht‘. Für die zugrundeliegenden Analysen haben die Autoren für neunzehn Länder die Methoden und Ergebnisse verschiedener Prognoseanbieter für den Zeitraum 2001 bis 2015 untersucht. Ein weiteres Resultat ihrer Arbeit ist, dass mögliche Verbesserungen der Treffsicherheit der Wachstumsprognosen auch für die Zukunft eher zurückhaltend zu beurteilen sind. Insgesamt ein sehr ernüchterndes Bild für einen empirischen Bereich, der sehr stark von der Politik wie von der interessierten Öffentlichkeit beachtet wird.

Der Beitrag ‚A note on how to normalise the Geary-Khamis index of purchasing power parity‘ von Utz-Peter Reich (2018) diskutiert ein Verfahren, welches die Weltbank zum Vergleich verschiedener Größen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) ihrer Mitgliedstaaten verwendet. Die Weltbank nutzt den Geary-Khamis Index zur Transformation von Aggregaten der VGR, um diese trotz unterschiedlicher Währungen mittels Kaufkraftparitäten vergleichbar zu gestalten. Der Geary-Khamis Index ist ein homogenes System linearer Gleichungen, mit dem verschiedene volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen real verglichen werden können. Der vorliegende Aufsatz diskutiert den Aufbau des Index, beschreibt Schwächen des Ansatzes und schlägt eine alternative Berechnungsweise vor. Zusätzlich wird in diesem Beitrag ein Vorschlag für eine Interpretation in Bezug auf die internationale Wirtschaft erörtert.

Quantile spielen auch in verschiedenen Fragestellungen der Wirtschaft eine große Rolle. In der Theorie ist das Quantil einer Verteilung eindeutig definiert. Soll dieses jedoch aus Umfragedaten geschätzt werden, ist dies nicht mehr der Fall. Ann-Kristin Kreutzmann (2018) macht in ihrem Artikel auf die große Anzahl an unterschiedlichen Quantilsdefinitionen aufmerksam und zeigt, dass selbst die gängigen Statistikprogramme wie SPSS, R, SAS und Stata zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Die Programme unterscheiden sich auch in den Möglichkeiten, Gewichte zu berücksichtigen und Schätzer für die Unsicherheit zu erhalten. Eine empirische Evaluation einer Auswahl an Quantilsdefinitionen zeigt die Herausforderungen der Schätzung von Quantilen im Kontext von Einkommens- und Vermögensverteilungen.

Auf Grund der steigenden Anzahl an Kindern und Jugendlichen und dem dadurch wachsenden Bedarf an Betreuungsangeboten gibt es ein großes Interesse, Gebiete mit einer Unterversorgung zu identifizieren. Mit Hilfe eines Kerndichteschätzers und georeferenzierten Daten, zeigen Ulrich Rendtel und Milo Ruhanen (2018) Konzentrationsgebiete von unterschiedlichen Altersgruppen zwischen 0 und 18 auf und stellen diese gemeinsam mit der vorhandenen Versorgung auf Karten dar. Die Ergebnisse für die Stadt Berlin zeigen, dass die regionale Verteilung von Kitas und Grundschulen angemessen ist, während die Versorgung von Kinderarztpraxen Mängel aufweist. Die Anwendung basiert auf Daten aus dem Open-Data-Portal für die Stadt Berlin und ist somit ein Beispiel für die sinnvolle Nutzung von Open Data.

Malte Schierholz (2018) beschäftigt sich mit der Frage „Und was machen Sie beruflich?“. Während diese Frage im Alltag meist einfach zu beantworten ist, bringt sie im Kodierungsprozess von Umfragen oft Probleme mit sich. Zum einen gibt es unterschiedliche Klassifikationen, um Berufe einzuordnen, z. B. die deutsche Klassifikation der Berufe 2010 und die International Standard Classification of Occupations 2008, und zum anderen ist es oft schwierig, die offenen Antworten der Umfrageteilnehmer zum Beruf den Berufskategorien dieser Klassifikationen zuzuordnen. Um diesen Kodierungsprozess zu verbessern, beschreibt Malte Schierholz (2018) eine Hilfsklassifikation, die direkt bei der Befragung hilft, den Beruf des Befragten in die beiden oben genannten Klassifikationen einzuordnen. Zukünftigen Anwendern steht diese Hilfsklassifikation online zur Verfügung.

Das Interview für dieses Heft führte Walter Krämer (2018) mit Günter Bamberg. Mit nur 29 Jahren erhielt Günter Bamberg seinen ersten Ruf auf einen Lehrstuhl für Statistik, diesen von der Universität Augsburg. Viele Leser werden Günter Bamberg (2017) als Hauptautor eines der meistverkauften deutschsprachigen Statistiklehrbücher, mittlerweile in der 18. Auflage, kennen. Günter Bamberg war und ist in vielen statistischen Fachgesellschaften aktiv. So in der Deutschen Statistischen Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Finanzwirtschaft und in der Gesellschaft für Operations Research oder im Verein für Socialpolitik als Mitglied im Theoretischen Ausschuss und als Gründungsmitglied des Ausschusses für Ökonometrie (1977), und in der Deutschen Forschungsgemeinschaft als gewählter Fachgutachter für Statistik (1980 bis 1988). Günter Bamberg kann auf eine lange akademische Erfahrung zurückblicken, in dem die Statistik eine wechselvolle Zeit erlebt hat. In diesem Sinne liest sich auch das Interview sehr spannend.

An dieser Stelle bedanken wir uns auch für die Einreichungen bei AStA Wirtschafts- und Sozialstatistisches Archiv. Ohne Sie, liebe Autorinnen und Autoren, würden wir keine so interessanten und unterhaltsamen Artikel lesen können. Weiterer Dank gehört auch den Mitgliedern des Beirats der Zeitschrift und den zahlreichen Gutachtern, die durch ihre großartige und ehrenamtliche Arbeit konstruktiv zur Qualität des AStA Wirtschafts- und Sozialstatistisches Archiv beitragen.

Nun wünschen wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, viel Spaß beim Lesen der letzten Ausgabe von AStA Wirtschafts- und Sozialstatistisches Archiv im Jahr 2018. Zusätzlich wünschen wir Ihnen und Ihren Familien ein frohes Weihnachtsfest sowie alles Gute für das Jahr 2019.

Timo Schmid und Markus Zwick