1 Einleitung

Als „Engel aus dem Osten“ (Basler Zeitung 2012) und „stille Heldinnen“ (Kurier 2018) werden sie in den Medien bezeichnet; als „Wa(h)re Engel“ (Deutschlandfunk 2016) und „Haushaltssklavinnen“ (Blick 2017): die Arbeitskräfte, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz rund um die Uhr betagte Menschen in deren Privathaushalt betreuen. Die sogenannte 24 h-Betreuung hat sich in den drei Ländern – ebenso wie in anderen Wohlfahrtsstaaten des Globalen Nordens – in der letzten Dekade zu einem verbreiteten, aber auch kontrovers diskutierten Modell der Versorgung betreuungs- und pflegebedürftiger Menschen entwickelt. Auf einem neuen, transnationalen Dienstleistungsmarkt lässt sich insbesondere seit den EU-OsterweiterungenFootnote 1 ein Anstieg an Agenturen beobachten, die vorwiegend Frauen aus mittel- und osteuropäischen Staaten rekrutieren und für Betreuungs- und Pflegetätigkeiten an Privathaushalte vermitteln (vgl. u. a. Bachinger 2014; Chau 2017; Lutz 2007). Diese Arrangements sind Ausdruck einer tiefgreifenden Neuorganisation von Care, in der Prozesse der KommodifizierungFootnote 2 ebenso zum Tragen kommen wie die verstärkte Transnationalisierung von Sorgearbeit (Anderson und Shutes 2014; Aulenbacher et al. 2014). Basierend auf globalen Ungleichheiten sichern reichere Wohlfahrtsstaaten ihre soziale Reproduktion auf Kosten ärmerer Staaten (Hochschild 2001; Williams 2012).

Trotz der zunehmenden Verbreitung und Formalisierung der 24 h-Betreuung in Deutschland, Österreich und der Schweiz bleibt das Modell in allen drei Ländern umstritten. Vermittlungsagenturen, welche als Bindeglied zwischen Angebots- und Nachfrageseite eine Schlüsselposition auf den sich etablierenden Home-Care-Märkten einnehmen, sehen sich in den medialen Diskursen mit dem Vorwurf unlauterer und/oder ausbeuterischer Geschäftspraktiken konfrontiert. Auf ihren Webseiten bemühen sie sich – häufig direkt auf die mediale Diskussion bezugnehmend –, gesellschaftliche Zustimmung zum durch sie vermittelten 24 h-Betreuungsarrangement herzustellen. Als zentraler Bestandteil ihrer Rechtfertigungsstrategien versprechen die Unternehmen den Haushalten in allen drei Ländern ein legales Angebot entsprechend den jeweils geltenden Bestimmungen.

Der vorliegende Beitrag untersucht in ländervergleichender und -übergreifender Perspektive ebendiese Legalitätsnarrative, die auf den Webseiten von Agenturen prominent auftreten, aber noch nie vertieft analysiert wurden. Er fragt danach, auf welche Dimensionen von Legalität Agenturen Bezug nehmen und was es bedeutet, wenn Legalität zum zentralen Bezugspunkt der Herstellung von Legitimität wird; er setzt die Legalitätsnarrative mit den jeweiligen Regulativen und öffentlichen Diskursen in Beziehung und zeigt, wie durch die Bezugnahme auf Legalität prekäreFootnote 3 Arbeitsbedingungen und Machtungleichheiten in der 24 h-Betreuung entnanntFootnote 4 werden. Er macht darüber hinaus deutlich, wie die bestehenden Regulative den Markt strukturieren, auch wenn sie de facto häufig nicht durchgesetzt werden können.

2 Konzeptuelle und empirische Grundlagen

Die empirische Basis des Beitrags bilden zum einen eine Analyse der sich überschneidenden Gender‑, Care‑, Migrations- und Arbeits(markt)regimeFootnote 5 der drei Länder, zum anderen eine Untersuchung der Webseiten von Betreuungs- und Vermittlungsagenturen. Den gesellschaftlichen Kontext für die Entstehung und Etablierung der 24 h-Betreuung bildet in allen drei Ländern ein sich wandelndes Genderregime, in dem sich anstelle des vormals dominanten Ernährer-Hausfrauen-Modells ein modernisiertes bzw. modifiziertes Familienmodell etablieren konnte. Trotz einer Zunahme an weiblicher (Teilzeit‑)Erwerbstätigkeit werden Haushalts‑, Betreuungs- und Pflegeaufgaben weiterhin als innerfamiliär zu erbringende Tätigkeiten gesehen und vorrangig Frauen zugeschrieben (Appelt und Fleischer 2014; Backes et al. 2008; Bühler und Heye 2005). Angesichts der Lücken in der Verfügbarkeit und Leistbarkeit professioneller (mobiler) Betreuung sowie der Konstruktion der migrantischen Carearbeiter_innen als quasi Familienangehörige wird die 24 h-Betreuung zur scheinbar optimalen Lösung für die Beibehaltung des familialistischen Ideals der Betreuung zu Hause (Weicht 2010). Begünstigt wurde die Herausbildung der Home-Care-Märkte durch die Liberalisierung der innereuropäischen Migrationsregime. Bürger_innen mittel- und osteuropäischer Staaten erhielten Arbeitsmarktzugang, welcher sich in der Praxis aufgrund geschlechts- und ethnizitätsbasierter Arbeitsmarktsegregation jedoch häufig auf gesellschaftlich abgewertete Bereiche wie Carearbeit beschränkt (Bachinger 2014, S. 135). Hinsichtlich ihrer Einbettung in das jeweilige Gender‑, Care- und Migrationsregime weist die 24 h-Betreuung in Deutschland, Österreich und der Schweiz Gemeinsamkeiten auf. Die Form der arbeitsrechtlichen Regulierung zeigt hingegen wesentliche Unterschiede.

Wie sich Agenturen auf die gesetzlichen Grundlagen beziehen, untersucht der Beitrag anhand von Webseitenanalysen der Agenturen, die Ende 2017 in Frankfurt am Main, Wien und Zürich Carearbeiter_innen für die 24 h-Betreuung vermittelten. Dabei wurde ein mehrstufiger Ansatz verfolgt: Mit dem Ziel einer Bestandsaufnahme des vorhandenen Betreuungsmarktes in den drei untersuchten Städten erfolgte zunächst eine Erfassung aller Internetauftritte von Anbietenden transnationaler Arbeits- und Dienstleistungsangebote im Bereich der 24 h-Betreuung. Darauf basierend wurde ein Sample von 10 bis 20 Agenturen pro Land gebildet, welches die organisationale Diversität der Unternehmenslandschaft hinsichtlich der Dimensionen Rechtsform, Geschäftsmodell, Unternehmensgröße, Preisniveau, Dienstleistungsangebote und Rekrutierungsländer widerspiegelt. Der Prozess der Fallauswahl wurde beendet, wenn eine theoretische Sättigung erreicht war, d. h., durch die Hinzunahme weiterer Fälle keine zusätzlichen Einsichten mehr gewonnen werden konnten. Die so getroffene Auswahl bildete die Basis für die inhaltsanalytische Feinanalyse der Legalitätsnarrative. Hierfür wurden die Webseiten hinsichtlich der Bezugnahmen auf Legalität und Abgrenzung zu Mitbewerber_innen bzw. dem kritischen medialen Diskurs untersucht. Dabei wurden auch die Lücken und Auslassungen in den herausgearbeiteten Narrativen in den Blick genommen und danach gefragt, welche Aspekte der 24 h-Betreuung entnannt werden. Die Ergebnisse dieser Analyse werden in zwei länderübergreifenden Kapiteln ausgeführt, wobei die herausgearbeiteten Narrative beschrieben, einander gegenübergestellt und mit den jeweils geltenden Regulativen in Verbindung gesetzt werden. Diesen Kapiteln vorangestellt ist eine Übersicht über die rechtliche Rahmung des 24 h-Betreuungssektors in den drei untersuchten Ländern.

3 Die rechtliche Rahmung des 24 h-Betreuungsmodells in Deutschland, Österreich und der Schweiz

3.1 Das deutsche Entsendemodell und seine (Nicht‑)Regulierung

Die überwiegende Mehrheit betagter und pflegebedürftiger Menschen wird in Deutschland nach wie vor zu Hause betreut. Nicht klar ist dabei, wer genau die Pflege in den eigenen vier Wänden erbringt: So ist unbestritten, dass die staatlichen Pflegegeldleistungen die Grenzen zwischen bezahlter und unbezahlter Carearbeit verschieben und Pflegebedürftige bzw. deren Angehörige zunehmend transnationale Betreuungsdienstleistungen einkaufen (Dallinger und Eichler 2010, S. 174). Da in Deutschland kein offizielles Register für diesen Bereich existiert sowie ein Teil der migrantisch geleisteten 24 h-Betreuung im Irregulären stattfindet, ist eine quantitative Erfassung dieses Beschäftigungssektors äußerst schwierig. Schätzungen gehen jedoch von etwa 300.000 (Stiftung Warentest 2017, S. 88) bis rund 600.000 (Badische Zeitung 2015) migrantischen Carearbeiter_innen aus.

Die stark wachsende Zahl von Vermittlungsagenturen belegt ebenfalls die zunehmende Relevanz migrantisch erbrachter Betreuungsarbeit im Privaten. Identifizierte Stiftung Warentest (2017, S. 88) im Jahr 2009 noch ungefähr 60 Agenturen, betrug die Zahl sieben Jahre später bereits 266 (ebd.). Ende 2017 recherchierten wir 337 in Deutschland ansässige Agenturen, die im Internet eine 24 h-Betreuung nach Frankfurt und darüber hinaus bewarben. Der deutsche Staat begegnet dieser Entwicklung durch fehlende Regulierungen und/oder mangelnde Kontrollen komplizenhaft-mitwissend (Lutz 2017, S. 117). Aufseiten der Anbietenden wird dies u. a. mit Versuchen einer Institutionalisierung „von unten“ beantwortet. So kam es in den Jahren 2007 und 2014 zu Verbandsgründungen mit den erklärten Zielen, verbindliche Qualitätsstandards in diesem Geschäftsfeld zu implementieren und sich „als reguläre dritte Säule der Versorgung alter und kranker Menschen im Pflegeversicherungsgesetz“ (VHBP 2014) zu etablieren. Ob sich mit der Einführung formeller Organisationsstrukturen im Bereich der 24 h-Betreuung auch der informelle Charakter der Arbeitsbeziehungen verändert hat, bleibt allerdings anzuzweifeln.

Infolge der regulativen Lücke agieren Agenturen bislang in einer „Grauzone“, was auch an der Vielzahl der rechtlichen Bezugsrahmen offenbar wird. Nach der EntsendungFootnote 6 von Betreuungskräften, die unserer Erhebung zufolge bei über 70 % der untersuchten Agenturen das dominante Modell darstellt, ist die Vermittlung einer selbstständig tätigen Betreuungskraft eine weitere gängige Variante. Kosten werden bei der Entsendung vor allem über die im Herkunftsland niedrigeren Sozialabgaben eingespart, während die gesetzlichen Arbeitszeit- und Mindestlohnbestimmungen in Deutschland auch für im Ausland ansässige Unternehmen gelten (Rossow und Leiber 2017, S. 292). Gerade diese Standards sind bei einer „Rund-um-Uhr“-Verfügbarkeit aber kaum einhaltbar und im Privaten zudem äußerst schwierig kontrollierbar. Anders als in den Narrationen der Agenturen stets suggeriert, sind polnische BetreuungskräfteFootnote 7 darüber hinaus meist nicht auf Grundlage eines Arbeits- (umowa o pracę), sondern eines zivilrechtlichen Vertrags (umowa zlecenia) beschäftigt. Diese, in Polen wegen ihres geringen sozialen Schutzes auch als „Müllverträge“ (umowy śmieciowe) bekannten Beschäftigungsverhältnisse zeichnen sich durch fehlende arbeitsrechtliche Urlaubsregelungen und Kündigungsfristen sowie durch niedrigere Arbeitskosten aus (Trappmann 2012, S. 147 f.). Beim Selbstständigenmodell herrscht keine Bindung an die gesetzliche Arbeitszeit und den geltenden Mindestlohn, allerdings besteht das RisikoFootnote 8 der Scheinselbstständigkeit. Insgesamt kann festgehalten werden, dass jedes der praktizierten Beschäftigungsmodelle mit juristischen Fallstricken behaftet ist. Zusätzlich erschweren intransparente Geschäftspraktiken eine Beurteilung der bestehenden Angebote (Stiftung Warentest 2017, S. 88).

Während das Phänomen transnational erbrachter 24 h-Betreuung auf politischer Ebene noch ignoriert wird, findet es im öffentlichen Diskurs um den sogenannten Pflegenotstand doch eine vermehrte Beachtung (Lutz und Palenga-Möllenbeck 2010, S. 422). Das Arrangement an sich wird dabei kaum infrage gestellt. Vor dem Hintergrund des (westdeutschen) Ideals einer „home care society“ (Pfau-Effinger et al. 2008, S. 90) erscheinen Migrant_innen für Pflegebedürftige und deren Angehörige als eine unverzichtbare und finanziell tragbare Alternative zu einer stationären Unterbringung. Durchaus kritisch aufgegriffen werden bei dem Großteil der medialen Beiträge jedoch die mangelnde Rechtssicherheit und die Arbeitsbedingungen der Betreuungskräfte: „Wer nicht ins Altenheim will, driftet in die Illegalität ab“ (ZDF 2018) oder „Pflege rund um die Uhr – und mit wenigen Rechten“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung 2017).

3.2 Legalisierung der gelebten Praxis über das Selbstständigenmodell in ÖsterreichFootnote 9

In Österreich entwickelte sich ab den frühen 1990er-Jahren ein irregulärer Markt für die häusliche Versorgung pflegedürftiger Personen. Das HausbetreuungsgesetzFootnote 10 im Jahr 2007 sowie weitere Gesetzes- und Verordnungsänderungen führten zur Legalisierung der gelebten Praxis; die prekären Arbeitsverhältnisse der Carearbeiter_innen veränderten sich dadurch jedoch nicht wesentlich (Kretschmann 2010).

Obwohl die 24 h-Betreuung in Österreich auch in Form einer unselbstständigen Anstellung beim Haushalt der pflegebedürftigen Person bzw. bei Wohlfahrtsträger_innen ausgeübt werden kann, verfestigte sich rasch die selbstständige Beschäftigung auf Basis des freien Gewerbes der Personenbetreuung. Als Selbstständige sind Betreuungskräfte größtenteils, jedoch nicht vollständig sozialversicherungsrechtlich abgesichert; Arbeitszeitregelungen gelten für sie jedoch ebenso wenig wie beispielsweise kollektivvertragliche Mindestlöhne oder bezahlter Urlaub (Haidinger 2016, S. 103). Für die Ausübung des Gewerbes ist keinerlei Qualifikationsnachweis erforderlich. Lediglich wenn betreute Personen die staatliche Förderung zur 24 h-Betreuung von aktuell maximal 550 € pro Monat beziehen, gelten für die Personenbetreuer_innen (niedrige) Ausbildungsvoraussetzungen, von denen jedoch bereits durch Nachweis einer sechsmonatigen Praxiserfahrung abgesehen werden kann. Ursprünglich als Betreuungsberuf mit haushaltsnahen Tätigkeiten eingeführt, wurde der Kompetenzbereich der Betreuungskräfte durch die 2008 geschaffene Möglichkeit der Übertragung von Pflege- und (einfachen) ärztlichen Tätigkeiten erweitert.

Ende 2017 waren rund 62.000 Personenbetreuer_innen, davon etwa 95 % Frauen, in Österreich aktiv gemeldet.Footnote 11 Zur selben Zeit gab es 738 Agenturen (WKO 2018, S. 11), welche selbstständige Carearbeiter_innen in Haushalte betreuungs- und pflegebedürftiger Personen vermittelten. Während der Gewerbeschein für Personenbetreuung ursprünglich auch die Vermittlung von Betreuungskräften erlaubte, sind Agenturen erst seit Mitte 2015 durch die Einführung des eigenständigen Gewerbes der Organisation von Personenbetreuung einer eindeutigen Regulierung ihrer Tätigkeiten ausgesetzt. Damit einhergehende Standes- und Ausübungsregeln für VermittlungsagenturenFootnote 12 sollen Transparenz in die Branche bringen, welche immer wieder in der öffentlich-medialen Kritik steht.

Ein wiederkehrendes Thema dieser kritischen MedienberichterstattungFootnote 13 sind sogenannte schwarze Schafe unter den Agenturen, welche Betreuer_innen und/oder Betreute ausbeuten würden. Kritisiert und zum Teil skandalisiert werden etwa Knebelverträge, welche Carearbeiter_innen beispielsweise durch hohe Abschlagszahlungen exklusiv an eine Agentur bänden, oder Abzocke durch Agenturen, die sowohl von Haushalten als auch von Personenbetreuer_innen hohe Gebühren verlangen würden. Ein weiteres Beispiel für die thematisierte Ausbeutung von Carearbeiter_innen durch Agenturen ist die Inkassovollmacht: Trotz formaler Selbstständigkeit und der damit verbundenen, eigenständigen Rechnungslegung übernehmen Agenturen die Einhebung der Betreuungshonorare und geben diese – oft unter Zurückhaltung von Abschlägen oder Gebühren – an die Betreuungskräfte weiter. Gleichsam wird öffentlich wie auch medial wiederholt kritisiert, dass die Gründung einer Vermittlungsagentur keine fachspezifischen Kenntnisse voraussetzt. Aufgrund des Status als freies Gewerbe seien „Baumeister [sic], Versicherungsmakler [sic], Finanzberater [sic] und Autohändler [sic]“ (Verein ChronischKrank Österreich 2015, S. 2) in der Vermittlung tätig bzw. kann „[j]eder Lkw-Fahrer [sic] […] heute nebenbei Pflegekräfte vermitteln“ (Kurier 2017).Footnote 14 Die Berichterstattung insgesamt zeigt dabei zwei Geschädigte: die Haushalte und die Betreuungspersonen.

3.3 Fragmentierte rechtliche Rahmung im Schweizer Angestelltenmodell

Auch in der Schweiz ist in den letzten Jahren ein transnationaler Markt entstanden, auf dem Unternehmen Rund-um-die-Uhr-Betreuung für betagte Personen in deren Haushalten anbieten. Mehr als 60 spezialisierte AgenturenFootnote 15 vermitteln und verleihen in der deutschsprachigen Schweiz mittlerweile migrantische Arbeitskräfte – in der Regel Frauen aus Osteuropa und den neuen deutschen Bundesländern – in die Haushalte betreuungsbedürftiger Personen.Footnote 16

Die Liberalisierung des innereuropäischen Migrationsregimes erlaubt eine kurzfristige und flexible Rekrutierung von Arbeitskräften. Schweizer Agenturen profitieren davon, dass die Gesetzgebung mit dem Arbeitsvermittlungsgesetz zwei legale Beschäftigungskonstellationen für die transnationale Rekrutierung von Arbeitskräften schuf: Im Falle einer Personalvermittlung schließt der Haushalt einen Arbeitsvertrag direkt mit der Betreuungsperson ab, welche von der Agentur gegen eine Gebühr vermittelt wurde. Bei einem Personalverleih erfolgt die Anstellung durch die Agentur (van Holten et al. 2013, S. 41 f.). Unternehmen benötigen für beide Modelle jeweils eine kantonale und eine nationale Bewilligung. Anders als in Österreich verbietet die Schweizer Gesetzgebung Selbstständigkeit in der 24 h-Betreuung (Medici 2012, S. 6). Ebenfalls untersagt sind sogenannte Personalentsendungen von Unternehmen, die ihren Sitz im Ausland haben, wie dies in Deutschland praktiziert wird (ebd., S. 21). Ungeachtet dessen gibt es Agenturen, die auf diese Weise operieren, was ihnen etwa Einsparungen bei den Sozialversicherungsabgaben bringt (Schilliger 2014, S. 146).

Das liberalisierte Aufenthaltsregime überschneidet sich im Falle der Schweiz mit einem staatlich schwach regulierten Arbeitsregime. Berufstätigkeiten im Privathaushalt sind nicht dem Arbeitsgesetz unterstellt.Footnote 17 Damit gelten weder dessen Bestimmungen zur Arbeits- und Ruhezeit noch die Vorschriften zum Gesundheitsschutz (Medici 2012, S. 7). Der stattdessen zur Anwendung kommende nationale Normalarbeitsvertrag Hauswirtschaft legt Mindestlöhne für hauswirtschaftliche TätigkeitenFootnote 18 fest. Da aber zentrale Aspekte wie die Entschädigung des Bereitschafts- und Nachtdienstes nicht verbindlich geregelt sind, hat dies eine nur beschränkte Wirkung (Truong et al. 2012, S. ii). Für Angestellte eines Verleihunternehmens gilt ein Gesamtarbeitsvertrag, der Vorgaben zu den Mindestlöhnen macht, welche leicht über den Vorgaben des nationalen Normalarbeitsvertrages liegen.Footnote 19 Darüber hinaus gelten Normalarbeitsverträge auf kantonaler Ebene. Deren Bestimmungen sind indes nicht zwingend, sondern können mittels Arbeitsvertrags abgeändert werden (Medici 2012, S. 8).

Der komplizierte und fragmentiere arbeitsrechtliche Rahmen der 24 h-Betreuung bildet in der Schweiz den Ansatzpunkt politischer Regulierungsbemühungen. Lanciert wurde die politische Debatte im Jahr 2012, als eine Parlamentarierin den BundesratFootnote 20 mittels Vorstoß beauftragte zu prüfen, wie die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen für die 24 h-Betreuung verbessert werden können (Schmid-Federer 2012). Die Rahmung des 24 h-Betreuungsarrangements als Beschäftigungsverhältnis ermöglicht zudem eine gewerkschaftliche Interessenvertretung. Zwei große Schweizer Gewerkschaften fordern seit Jahren eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Carearbeiter_innen und die Unterstellung des Arbeitsplatzes Privathaushalt unter das Arbeitsgesetz (Unia 2018; VPOD 2017). Entgegen dieser Forderung entschied der Bundesrat im Juli 2017, dass die Branche weiterhin nicht dem Arbeitsgesetz unterstellt, sondern über kantonale Normalarbeitsverträge und damit über nichtzwingendes Recht reguliert werden soll (Schweizerischer Bundesrat 2017).

Die politische Debatte zur 24 h-Betreuung dreht sich folglich vornehmlich um die Regulierung der Arbeitsverhältnisse und der damit verbundenen Unternehmenspraktiken. Dies spiegelt sich auch im medialen Diskurs wider. In den letzten Jahren ist in der Schweiz eine durchaus breite öffentliche Debatte zur 24 h-Betreuung entstanden (Schwiter et al. 2018b). Dominiert wird diese von der Diskussion über die Arbeitsbedingungen der Carearbeiter_innen, wobei ein Bild von unseriösen Unternehmen und ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen gezeichnet wird. Die vorherrschenden Narrative unterstellen den Agenturen illegale Geschäftspraktiken: Sie würden überhöhte Gewinne auf Kosten der Betreuer_innen erwirtschaften, ohne Bewilligung operieren und Vorgaben bezüglich Mindestlöhnen und Sozialversicherungsbeiträgen missachten (ebd., S. 166 f.).

4 „Wir sorgen dafür, dass rechtlich alles im grünen Bereich ist.“ – Legalitätsnarrative von Vermittlungsagenturen

Konfrontiert mit dem Vorwurf unseriöser Unternehmenspraktiken, stellen die Agenturen aller drei Länder in ihren Internetauftritten den legalen Charakter der eigenen Tätigkeit heraus, wobei auf die unterschiedlichen Rechtslagen wie auch Mediendiskurse Bezug genommen wird. Kaum eine der untersuchten Webseiten verzichtet darauf, die rechtliche Grundlage ihres Angebots zu benennen und die Notwendigkeit gesetzeskonformen Handelns zu unterstreichen: „Was ist das Geheimnis einer wirklich sicheren 24 h Betreuung? Sich an geltende Gesetze und Vorschriften zu halten und dabei die höchstmögliche Qualität zu finden – das ist der zentrale Bestandteil“ (D6Footnote 21). Agenturen versichern ihren potenziellen Kund_innen, entsprechend den jeweils geltenden nationalen Bestimmungen zu agieren und generell ein gesetzeskonformes Dienstleistungs- und Arbeitsangebot zu gewährleisten. Als Beleg dafür verweisen Agenturen auf Gesetzestexte, Verordnungen, Bewilligungen, Zertifikate und/oder Musterverträge. Diese verschiedenen Elemente der Formalisierung sind als Sinnbild für Legalität oft prominent auf den Webseiten verlinkt oder stehen zum Download bereit.

Vor dem Hintergrund einer fehlenden spezifischen Regulierung der 24 h-Betreuung präsentieren die untersuchten Agenturen in Deutschland – unabhängig davon, auf welches Beschäftigungsverhältnis sie sich stützen – ihr jeweiliges Modell als einzig legale und faire Alternative zu den Angeboten der Konkurrenz. Essenzieller Bestandteil der Leistungsversprechen der Agenturen ist die Suggestion einer zeitlich grenzenlosen Verfügbarkeit über die Person der Betreuungskraft: Offensiv wird eine „24 h Pflege“, „24 h Pflegekraft“, „24 h Rufbereitschaft“, „Rundum-Betreuung Tag und Nacht“ usw. propagiert; lediglich im Kleingedruckten finden sich gegebenenfalls Hinweise darauf, dass auch bei dieser Form der häuslichen Betreuung gesetzliche Mindeststandards einzuhalten sind: „Die Bezeichnungen ‚24 h Betreuung‘, ‚24 h Pflege‘ etc. sind gängige Bezeichnungen für die von uns angebotene Dienstleistung. Um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen, weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass die von uns vermittelten Betreuungskräfte nicht 24 h tätig sind. Pausen- und Ruhezeiten sind bereits aufgrund von gesetzlichen Vorgaben strengstens einzuhalten“ (D9).

Wie „Arbeitszeit“ in diesem spezifischen Setting überhaupt zu definieren ist, bleibt auf den Webseiten der deutschen Agenturen allerdings offen. Nicht thematisiert werden darüber hinaus die gesetzlich geltenden Regelungen zu Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Vor allem der Umgang mit Pausenzeiten und möglichen nächtlichen Einsätzen wäre von hoher Relevanz, als im Angestelltenverhältnis eben auch diese Zeiten gegebenenfalls vergütet werden müssten. Implizit auf das Übereinkommen 189 der International Labour OrganizationFootnote 22 Bezug nehmend, bezeichnen einige Webseiten darum das angebotene Arrangement als „Betreuung in häuslicher Gemeinschaft“. Mit Verweis auf die im Arbeitszeitgesetz geregelte AusnahmeFootnote 23 hatte Deutschland bei dessen Ratifizierung im Jahr 2013 erklärt, Arbeitnehmer_innen, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen, von dessen Geltungsbereich auszunehmen und aufgrund der unklaren, knappen Begründung so auch die Tür zur Legitimation der 24 h-Betreuung geöffnet (Scheiwe und Schwach 2013, S. 1119).

Auch für das Legalitätsverständnis von Verleih- und Vermittlungsagenturen in der Schweiz spielen Arbeits(zeit)bestimmungen – und generell Arbeitsbedingungen – eine entscheidende Rolle. Diese stehen seit einigen Jahren aufgrund kritischer Medienberichterstattungen, gewerkschaftlicher Interessenvertretung und politischer Vorstöße (bspw. Marti und Ackermann 2016; Schmid-Federer 2012) im Zentrum der öffentlichen Debatte. Verhandelt wird wie in Deutschland das Spannungsfeld zwischen dem Versprechen einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung und der arbeitsrechtlichen Konformität des Arrangements. Dieses löst sich mit der Ausnahme des Privathaushaltes vom Arbeitsgesetz bis zu einem gewissen Grad zwar legalistisch gesehen auf, dennoch hat die institutionelle Rahmung des Arrangements über Beschäftigungsverhältnisse und die damit ermöglichte Gewerkschaftsarbeit zu einer Problematisierung der Arbeitsbedingungen geführt, zu der sich Agenturen positionieren müssen: „Faire Arbeitsbedingungen sind für uns eine Selbstverständlichkeit. Unsere Betreuerinnen [sic] arbeiten mit regulären Arbeitsverträgen, […] sind ordentlich in der Schweiz gemeldet und werden fair entlöhnt [sic]“ (CH3).

Darüber hinaus zielen die Narrative Schweizer Agenturen auf die Auflösung des (vermeintlichen) Widerspruchs zwischen Erschwinglichkeit und Legalität: „Wir wollen Ihnen eine finanziell tragbare Lösung anbieten und den Haushälterinnen [sic] eine gesicherte und legale Basis für Ihre [sic] aufopfernde Arbeit garantieren“ (CH12). Das Versprechen an die zukünftigen Kund_innen ist eine „Alternative […], mit der Sie preiswert […] und legal gepflegt werden können“ (CH6). Eine zentrale Dimension der beworbenen Legalität ist für viele Agenturen die Abführung der erforderlichen Sozialbeiträge: „[A]lle unsere Angestellten [erfüllen] zu 100 % die strengen Anforderungen des hier vorherrschenden Arbeitsrechts – inklusive aller Versicherungen und Sozialabgaben“ (CH8).

Letzteres nimmt, gekoppelt an die Selbstständigkeit der Betreuungskräfte, auch in den Legalitätsnarrativen österreichischer Vermittlungsagenturen eine zentrale Position ein: „Die Personenbetreuer/innen sind selbstständig tätig [und] haben in Österreich das Gewerbe der ‚Personenbetreuung‘ angemeldet […]. Sie sind in Österreich sozial-, kranken-, unfall- und pensionsversichert“ (A3). Den Agenturen dient also der rechtliche Rahmen der angebotenen Personenbetreuung zur Darstellung der eigenen Legalität. Um die Gesetzeskonformität des vermittelten Betreuungsarrangements zu unterstreichen, verweisen Agenturen auch auf die Einhaltung des gesetzlich vergleichsweise detailliert definierten Aufgabenprofils der Betreuungskräfte. Dessen Darstellung entspricht häufig (wortwörtlich) der GewerbeordnungFootnote 24, Informationen über die Delegation pflegerischer bzw. ärztlicher Tätigkeiten verweisen auf die entsprechenden Paragraphen des Gesundheits- und Krankenpflege- bzw. des Ärztegesetzes.Footnote 25 Agenturen heben dadurch nicht nur die Legalität des vermittelten Dienstleistungsangebots, sondern auch die eigene pflegerisch-medizinische Expertise hervor. Legalitätsnarrative sind im österreichischen Kontext also eng mit der Betonung der Professionalität von Betreuung und Vermittlung verbunden, Arbeitsbedingungen spielen dabei eine untergeordnete Rolle.

„Agenturen treten im Kontext der österreichischen Regulierungen also als VermittlerInnen legal rekrutierter Arbeitskräfte und legaler Dienstleistungsangebote auf“ (Aulenbacher et al. 2018, S. 50). Gleichzeitig weisen sie jedoch die Haftung für die versprochene Gesetzeskonformität von sich. Welche Betreuungs- und Pflegetätigkeiten wie erbracht werden, liege aufgrund der Selbstständigkeit der Betreuungskräfte alleine in deren Verantwortung.Footnote 26 Mit der damit vermeintlich einhergehenden Autonomie argumentieren auch deutsche Agenturen, die selbstständig tätige Kräfte vermitteln: „Selbstständige sind viel flexibler bei Ihrer [sic] Planung und haben mehr Entscheidungsfreiheit als angestellte Betreuungspersonen“ (D2). Zur Untermauerung dessen wird Österreich herangezogen: „Betreuungskräfte in Österreich können wählen, ob sie die Dienstleistung in Selbständigkeit oder im abhängigen Beschäftigungsverhältnis erbringen möchten. 95 % entscheiden sich aus den genannten Gründen für die Selbständigkeit“ (D1). Diese setzte sich in Österreich freilich nicht als Folge entsprechender Präferenzen der migrantischen Arbeitskräfte, sondern aufgrund der niedrigeren Kosten und der höheren Flexibilität für die Bezieher_innen der Betreuungsleistungen durch (Haidinger 2016, S. 103). Weil selbstständige Betreuungskräfte von Arbeits(zeit)schutzbestimmungen und Mindestlohnregelungen ausgenommen sind und nicht vollständig in das soziale Sicherungssystem des Landes, in dem sie 24 h-Betreuung leisten, integriert sindFootnote 27, bietet die Selbstständigkeit vornehmlich den vermittelnden Agenturen und den nachfragenden Privathaushalten Vorteile und erlaubt gleichzeitig die Ausblendung sozialer Hierarchien und Machtungleichheitsverhältnisse.

Zusammengefasst dient Legalität den Agenturen als zentraler Bezugspunkt für die Herstellung von Legitimität. Die unübersichtliche (Deutschland und Schweiz) und liberalistische (alle drei Länder) Regulierung der 24 h-Betreuung stellt indes, wie in den vorhergehenden Kapiteln dargestellt wurde, sehr niedrige Ansprüche an die inhaltliche Ausgestaltung der Betreuungsarrangements. Daher können Agenturen in allen drei Ländern mit Recht von sich behaupten, gesetzeskonform zu agieren, ohne dass dadurch bereits etwas über die Qualität der Arbeitsverhältnisse oder des Dienstleistungsangebots gesagt ist. Der vielfach getätigte Verweis auf Verträge und Gesetze betont die zunehmende Formalisierung der Carearbeit; dass in anderen Branchen übliche Qualifikations- und Arbeitsstandards im Bereich der 24 h-Betreuung unterlaufen werden, rückt in den Hintergrund. Zudem gestalten sich arbeitsrechtliche Kontrollen schwierig bzw. ist der Privathaushalt teilweise überhaupt von Kontrollen ausgenommen, wodurch gesetzliche Vorgaben in der Praxis häufig nicht zum Tragen kommen. Betreuungskräfte wiederum können vertragliche Bestimmungen, etwa hinsichtlich Arbeitszeitregelungen oder des konkreten Aufgabenbereichs, oft nicht durchsetzen, da sie im Vergleich zu den Pflegebedürftigen und/oder deren Angehörigen weniger Aushandlungsmacht besitzenFootnote 28 (Haidinger 2016, S. 93–95; Schilliger 2014, S. 150).

5 „Von solchen Geschäftsverhältnissen müssen und können wir uns klar distanzieren.“ – Abgrenzungsnarrative von Vermittlungsagenturen

Verbunden sind die Legalitätsverweise häufig mit Abgrenzungsnarrativen gegenüber anderen Agenturen, denen illegale und ausbeuterische Geschäftspraktiken vorgeworfen werden. Auf zahlreichen Webseiten sind negativ konnotierte oder gar skandalisierende Medienartikel über solche Unternehmen zu finden. Die konkreten Abgrenzungsbestrebungen weisen dabei länderspezifische Unterschiede auf, in denen sich, wie schon in den Legalitätsnarrativen, die nationale Rechtslage zur 24 h-Betreuung ebenso widerspiegelt wie der jeweilige mediale Diskurs. Angesichts der rechtlichen Unklarheiten auf dem Markt der 24 h-Betreuung in Deutschland bewerben Agenturen das eigene Angebot als eine für Privathaushalte sichere Alternative zu irregulären Beschäftigungsformen – oftmals auch mit Verweis auf drohende rechtliche Konsequenzen: „Das sichert Sie vor Annahme einer illegalen Betreuungstätigkeit rechtlich ab, die bei einer Aufdeckung erhebliche Strafen und Nachzahlungen für Sie bedeuten würde“ (D4). So unterstreicht eine polnische Betreuungskräfte nach Deutschland entsendende Agentur „[k]eine Schwarzarbeit, keine Scheinselbständigkeit, keine arbeitnehmerähnlichen Verhältnisse, kein Lohndumping“ (D6) zu betreiben, wobei das Negativimage der eigenen Branche bekräftigt wird und man sich zugleich davon distanziert: „Arbeitsbedingungen für entsendete Menschen aus Mittel- und Osteuropa werden zu oft missachtet. […] Derzeit existieren in der Branche leider überhaupt keine Standards. Wünschenswert sind Transparenzkriterien, die eine Ausbeutung des Personals verhindern – zum Wohle der Pflegeperson, eine Mindestqualifikation des Personals und eine Versicherungspflicht“ (ebd.).

Unterdessen erfolgt diese Abgrenzung von Agenturen in Österreich, wo Betreuung und Vermittlung als selbstständige Gewerbe gesetzlich anerkannt wurden, stärker über die Dimension der Vermittlungsqualität. Für eine hochwertige Betreuung sei entscheidend, dass Bedarfserhebung und Qualitätsvisiten von Fachkräften durchgeführt werden. Skepsis sei dementsprechend angebracht „bei Vermittlern [sic], die einen anderen Beruf haben, denn zum Beispiel ein Anwalt [sic] oder Finanzberater [sic] kann wahrscheinlich die Bedürfnisse einer an Alzheimer erkrankten Person nur schwer einschätzen“ (A3). Qualitätsvolle Vermittlung setze dazu genaue und persönliche Personalauswahl voraus bzw. eine, bei der „keine ausländische Agentur dazwischen“ (A1) ist. Zentrale Kritikpunkte sind darüber hinaus unseriöse „Billig-Angebote“ (A3), „leere Versprechen“ (A13) hinsichtlich des Preises und „versteckte Kosten“ (A5). Diese Abgrenzungsversuche greifen nicht nur den medialen Diskurs rein profitorientierter bzw. ausbeuterischer Agenturen auf, sondern verweisen auch auf die gesetzliche Vorschrift der transparenten Kostendarstellung, welche viele Agenturen in der Praxis nicht erfüllen (vgl. Österle et al. 2013).

In der Schweiz prägt die Regulierung der 24 h-Betreuung in Form von Personalvermittlung bzw. -verleih die Abgrenzungsnarrative von Agenturen. So werden der Besitz der entsprechenden Bewilligungen und die Einhaltung der arbeitsrechtlichen Mindestanforderungen zum Unterscheidungsmerkmal: „Prüfen Sie bitte bei Ihrer Analyse der verschiedenen Anbieter [sic], ob diese Bewilligungen vorhanden sind“ (CH3). Ein anderes Unternehmen warnt davor, dass „[b]ei den Billig-Pflegeagenturen […] Betreuerinnen [sic] oft ohne Arbeitsbewilligung zu prekären Bedingungen“ (CH4) arbeiten müssten. Mit expliziten Distanzierungen belegen Agenturen ihr eigenes Problembewusstsein und signalisieren Betroffenheit: „Von solchen Geschäftsverhältnissen müssen und können wir uns klar distanzieren. […] Es ist erschreckend zu sehen, unter welchen Bedingungen auch Schweizer Anbieter [sic] Pflege- und Betreuungskräfte anstellen und vermitteln“ (ebd.).

Mittels Abgrenzung von unseriösen Mitbewerber_innen betonen Agenturen nicht nur die eigene Rechtskonformität, sondern stützen gleichzeitig einen öffentlichen Diskurs, der die grundlegende Prekarität der 24 h-Betreuung auf ausbeuterische Praktiken einzelner sogenannter schwarzer Schafe unter den Agenturen reduziert. „Zahlreiche Agenturen sind sich ihrer Verantwortung bewusst und nehmen Qualität auch in der Organisation sehr ernst. Wie in jeder Branche gibt es jedoch auch in der Personenbetreuung nach wie vor Anbieter [sic], die es mit Transparenz und Kundenfreundlichkeit [sic] etwas zu locker nehmen“ (A14). Geschlechts-, ethnizitäts- und klassenbasierte Arbeitsteilungen und Ungleichheiten werden dadurch nicht grundsätzlich hinterfragt, sondern als Basis für das Funktionieren dieses Betreuungsarrangements implizit vorausgesetzt und die herrschaftsförmige Organisation von Care entnannt (z. B. Aulenbacher et al. 2014).

6 Fazit

24 h-Betreuung hat sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz in der letzten Dekade zu einem verbreiteten, aber auch kontrovers diskutierten und zum Teil skandalisierten Modell der Betreuung und Pflege im Privathaushalt entwickelt. Der vorliegende Beitrag erweitert den Forschungsstand zu diesem transnationalen Betreuungsarrangement in zweifacher Hinsicht: Zum einen bietet er eine fundierte Gegenüberstellung der rechtlichen Rahmung transnationaler Caredienstleistungen in den drei Ländern. Er zeigt auf, wie sich die Ausformung von 24 h-Betreuungsarrangements im konkreten sozialpolitischen und institutionellen Kontext der drei Länder jeweils unterschiedlich gestaltet: In Deutschland stellt die Entsendung das dominante, aber vor dem Hintergrund einer fehlenden spezifischen Regulierung umstrittene Modell dar. In Österreich berechtigt das Gewerbe der Organisation von Personenbetreuung Agenturen zur Vermittlung selbstständiger Personenbetreuer_innen. Und in der Schweiz ist der Verleih angestellter Betreuungskräfte an Haushalte sowie die Vermittlung von Betreuer_innen für eine Anstellung direkt im Haushalt über Agenturen mit Schweizer Sitz zulässig. Zum anderen ergründet der Beitrag die Positionierungen und Selbstdarstellungen von Vermittlungsagenturen in diesen rechtlich-institutionellen sowie den damit einhergehenden diskursiven Kontexten. Er zeigt, wie länderspezifische Regulative den Markt strukturieren, indem sie den medialen und politischen Diskurs prägen, an dem sich Unternehmen im Ringen um gesellschaftliche Anerkennung für das von ihnen vermittelte Betreuungsarrangement orientieren.

Die auf den Webseiten vorgefundenen Legalitäts- und Abgrenzungsnarrative weisen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede auf, die mit den jeweiligen Regimen in Verbindung gebracht werden können. So ist in Deutschland und der Schweiz die Abgrenzung von illegalen Beschäftigungsmodellen (und unlauter agierenden Vermittlungsagenturen) von zentraler Bedeutung. Hintergrund ist im ersten Fall die rechtlich uneindeutige Situation: Aufgrund des Fehlens einer eindeutigen Regulierung präsentieren deutsche Agenturen ihr jeweiliges Modell als einzig legale Alternative zu konkurrierenden Angeboten. Im Falle der Schweiz hat die institutionelle Rahmung des Arrangements über Beschäftigungsverhältnisse und die damit ermöglichte Gewerkschaftsarbeit zu einer öffentlichen Problematisierung unerlaubter Beschäftigungsformen und fehlender Unternehmensbewilligungen geführt. Konfrontiert mit medialer Skandalisierung sowie gewerkschaftlicher Thematisierung prekärer Arbeitsverhältnisse, sichern Agenturen in beiden Ländern ihren potenziellen Kund_innen die vollständige Legalität der angebotenen Dienstleistungen zu und versprechen dabei insbesondere Konformität mit den nationalen Arbeits(zeit)schutzbestimmungen. Aufgrund der Ausnahme vom Arbeitsgesetz (Schweiz) respektive der unklaren Anwendbarkeit und mangelnden Kontrollierbarkeit des Arbeitszeitgesetzes (Deutschland) beinhalten diese Bestimmungen im Vergleich zu anderen Sektoren indes deutlich weniger arbeitsrechtliche Vorgaben.

In Österreich stellt währenddessen die Selbstständigkeit der Betreuungskräfte Dreh- und Angelpunkt der Legalitätsverweise der Agenturen dar. Dabei beziehen sie sich einerseits auf die gewerberechtliche Meldung sowie die Integration in das Sozialversicherungssystem.Footnote 29 Andererseits spielen in den Legalitäts- und Abgrenzungsnarrativen österreichischer Agenturen das gesetzlich definierte Tätigkeitsprofil der Betreuer_innen sowie die pflegerische Expertise der Agenturen eine große Rolle – was zum einen die relativ detaillierte Regulierung der Betreuungstätigkeiten, zum anderen die mediale Kritik an fachfremden Vermittler_innen widerspiegelt. Die Legalitätsnarrative sind also eng mit der Betonung der Professionalität von Betreuung und Vermittlung verbunden, Arbeitsbedingungen spielen eine im Vergleich zu den zwei Nachbarländern untergeordnete Rolle.

Zusammengefasst sticht die Beteuerung eines rechtlich einwandfreien Angebots unter den national geltenden Regulativen als dominantes Narrativ auf den Webseiten der Betreuungs- und Vermittlungsagenturen hervor. Der prominente Verweis zeugt von einem öffentlichen Diskurs, der vom Gegenteil ausgeht und Agenturen unter Druck setzt, ihr eigenes Angebot legitimatorisch abzusichern. Mittels Abgrenzung von unseriösen Mitbewerber_innen wird die eigene Rechtskonformität zusätzlich betont. Die Einhaltung von Gesetzen sagt indes aufgrund der niedrigen Anforderungen der liberalistischen und zum Teil unvollständigen Regulierungen in der Regel noch nichts über die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses oder des Dienstleistungsangebots aus. Der Verweis auf Verträge, Gesetze und Bewilligungen lässt die Tatsache in den Hintergrund rücken, dass die in anderen Branchen üblichen Qualifikations- und Arbeitsstandards unterlaufen werden. Die grundsätzliche Prekarität der 24 h-Betreuung bleibt de-thematisiert, indem diese zum Problem einzelner Agenturen mit unlauteren Geschäftspraktiken gemacht wird. Strukturelle Prekarität und Machtungleichheiten in der 24 h-Betreuung werden damit weitgehend entnannt.