Karrieren verändern sich durch die Globalisierung der Arbeitsmärkte, sich verändernde arbeitsmarktpolitische Rahmenbedingungen, die Digitalisierung der Arbeit sowie die Flexibilisierung der Arbeitswelt. Der Wertewandel innerhalb von jungen, nachstrebenden Kohorten beeinflusst zudem individuelle Karrierepläne sowie Merkmale von Karrieren, welche diese interessant machen. Erwerbstätige können sich nicht mehr nur auf die eine Organisation oder eine einmal erlangte Beschäftigungsfähigkeit verlassen, um eine passende, gesunde und erfolgreiche Laufbahn zu finden bzw. zu gestalten. Stattdessen sind Eigeninitiative und Orientierung gefordert. Die Organisation sorgt demnach nicht mehr vor, weil die Bindung an das Unternehmen oft nicht mehr auf Dauer angelegt ist (Kauffeld & Spurk, in Druck).

Trotzdem verlaufen nach neuen Erkenntnissen und Annahmen, insbesondere in Europa, Karrieren immer noch innerhalb einer Organisation ab (Rodrigues und Guest 2010). Organisationen sollten sich daher darauf einstellen, dass die oben aufgeführten Veränderungen des Karrierekontextes auch innerorganisationale Karrieren beeinflussen. Daher müssen Organisationen Modelle entwickeln, die einzelnen gerecht werden, Beschäftigungsfähigkeit erhalten und auch auf sich wandelnde Werte von Arbeitnehmern eingehen, um auch künftig als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Mitarbeiter entscheiden sich für Organisationen in Abhängigkeit von den gebotenen Entwicklungsmöglichkeiten, worunter auch die Karriereentwicklung im weitesten Sinne fällt.

Im Gegensatz zum vermehrten Fokus auf Karrieren unabhängig von Organisationen (Hall 2002; Peiperl und Baruch 1997) beleuchtet dieses Themenheft Karrieren weitgehend mit einem organisationalen Bezug. Dabei wird zur Kenntnis genommen, dass das Thema „Karriere“ immer von zwei Seiten (innerhalb und außerhalb von Organisationen) betrachtet werden kann. Gleichzeitig wird deutlich gemacht, wie mehrere Arbeiten zeigen konnten, dass der stabile, organisationale Kontext weiterhin ein wichtiger Bestandteil von heutigen Karrieren ist (Dries et al. 2008; Dries und Verbruggen 2012; Kovalenko und Mortelmans 2014; Rodrigues und Guest 2010).

Darüber hinaus ist der Begriff „Karriere“ für dieses Heft bewusst gewählt: Während eine Laufbahn neutral konnotiert ist und berufliche Stationen und Erfahrungen aller Art umfasst, ist die Karriere im vorliegenden Verständnis mit Erfolg und Aufstieg verbunden (Kauffeld & Spurk, in Druck). Karrieren können dabei als einer Abfolge von einzelnen Funktionen (innerhalb und/oder außerhalb von Organisationen) mit den dazugehörigen Vergütungen verstanden werden. Aber auch individuelle arbeitsbezogene Erfahrungen als individuell erlebte Sequenzen von Meinungen, Einstellungen und Verhalten, welche mit arbeitsrelevanten Erfahrungen, Aktivitäten und Vergütungen zusammenhängen, werden betrachtet. Insgesamt sollen somit weitere aktuelle Ansätze und Ergebnisse mit hoher Relevanz für das (organisationale) Karrieremanagement über verschiedene Lebensphasen vorgestellt werden.

Räder stellt in Ihrem Beitrag Karriere als Ergebnis des Personalmanagements vor. Der Beitrag zeigt auf, dass optimalerweise ein sinnvoll abgestimmtes Bündel an HR-Maßnahmen die Karriere von Mitarbeitenden beeinflussen und fördern kann. Dies wird jedoch bisweilen in Forschung und Praxis zu wenig berücksichtigt. Gubler, Coombs und Arnold ergänzen diese Sicht in ihrem Beitrag mit einer empirischen Studie, in der sie die Lücke zwischen Karriereerwartungen und der Realität analysieren. Im Detail zeigten sich mehrere Unterschiede zwischen erwarteten bzw. hilfreichen und tatsächlich verfügbaren organisationalen Karrieremanagement-Angeboten in der IT Industrie. So wurden Leistungsbeurteilungen als sehr verfügbar aber wenig hilfreich von Beschäftigten eingestuft. Bei klaren Aufstiegskriterien und Karrierecoaching wurde dies genau entgegengesetzt eingestuft. Ähnlich zu diesem Beitrag untersuchten Burk und Wiese unterschiedliche angebotene Karrieremodelle und damit verbundene Attribute für hochqualifizierte Promovierte aus den MINT-Fächern. In diesem Beitrag wird zudem explizit auf Geschlechtsunterschiede bei der Karrieregestaltung eingegangen. So fanden Frauen beispielsweise weniger Zugang zu strukturierten Laufbahnmodellen. Debus und Körner betrachten das Konzept der Überqualifizierung explizit aus einer organisationalen Perspektive heraus. Neben einem generellen Überblick zu karriererelevanten Auswirkungen von Überqualifizierung, wird ein Modell postuliert, welches Reduktion von Überqualifizierung durch proaktives Verhalten erklären soll. Moser und Galais betrachten Self-Monitoring und dessen Auswirkungen unter einer kurz- und längerfristigen Perspektive unter der Berücksichtigung von sowohl positiven als auch negativen Aspekten. Im Gegensatz zu diesem individuellen Faktor, beleuchten Barthauer und Kauffeld die Rolle des kontextuellen Faktors der sozialen Netzwerke für die Karriereentwicklung. Abschließend wird in einem Beitrag von Naegele und Hess die späte Karrierephase nach der Rente genauer betrachtet. Hier wird insbesondere darauf eingegangen, welche Vorstellungen Rentnerinnen und Rentner von der Arbeit im Ruhestand haben und welche Karrieremodelle derzeit diesbezüglich umgesetzt werden.

Insgesamt beschäftigen sich die Beiträge somit mit verschiedenen Erwerbstätigengruppen, welche für Organisationen eine wichtige Ressource darstellen und für die somit auch gezielt Karriereoptionen entwickelt werden sollten. Neben empirischen Beiträgen zeigen einige Beiträge auch konzeptionell auf, welche Themen für Karrieren in Organisationen eine wichtige Bedeutung erlangen könnten bzw. bereits haben. Neben dem Einstieg in die Karriere sind dabei mehrere Karriere- und Lebensphasen bis in das Rentenalter zu berücksichtigen. Nur bei einer sinnvollen und realistischen Kombination von individuellen Werten und Karriereplänen mit organisationalen Zielen lässt sich langfristig ein nachhaltiges (organisationales) Karrieremanagement etablieren und erfolgreich umsetzen (Baruch und Peiperl 2000; De Vos und Van der Heijden 2015)

Simone Kauffeld & Daniel Spurk