Zusammenfassung
Die vorliegende Studie setzt unsere Analysen der Kontaktierungsprozesse im Online-Dating (KZfSS 2/2009) fort. Da Paarbeziehungen auf einer konsensuellen Entscheidung für eine gemeinsame Beziehung beruhen, widmet sich der vorliegende Beitrag der Frage, wie Männer und Frauen auf Erstkontaktversuche reagieren. Die Datenstruktur von Online-Dating-Börsen bietet eine einzigartige Chance, soziologisch im Detail zu rekonstruieren, wie Paarbeziehungen als konsensuelle Wahlhandlung nach und nach entstehen. Der Beitrag liefert vier wichtige Befunde: Erstens dokumentiert er, dass nur 20 % aller Erstkontaktereignisse tatsächlich beantwortet werden. Das ist ein überraschend kleiner Anteil. Zweitens bestätigt er die austauschtheoretische Homophiliehypothese. Diese besagt, dass ähnliches Bildungsniveau, tendenzielle Altersgleichheit und eine vergleichbare physische Attraktivität den Aufbau reziproker Beziehungen deutlich begünstigen. Drittens zeigt sich, dass Frauen noch immer große Probleme haben, sich auf Angebote von Männern einzulassen, die ein niedrigeres Bildungsniveau haben als sie selbst. Männer hingegen haben weniger Probleme auf die Angebote höhere qualifizierter Frauen zu antworten. Die relative Seltenheit der Paare in Deutschland, bei denen die Frauen höhere Bildungsressourcen haben als ihre Partner, ist deshalb scheinbar vor allem auf die Präferenzen der Frauen und nicht die der Männer zurückzuführen. Viertens findet die vorliegende Studie keine Hinweise für die Gültigkeit der Tradeoff-These. Das heißt, es findet kein Austausch von physischer Attraktivität gegen Bildungsressourcen bei der Partnerwahl statt.
Abstract
This study continues our analyses of contacting behavior in online dating (KZfSS 2/2009). As the beginning and continuation of a relationship is based on consensual decisions of both partners to interact, we concentrate on the question if and how potential partners indeed reply to contact offers. Data from online dating platforms therefore offer a unique opportunity for sociologists to study how partnerships are initiated and how they develop over time. This contribution provides four important empirical results: Firstly, it demonstrates that only 20% of all first contact offers are answered. This is a surprisingly small proportion. Secondly, it supports the hypothesis of homophily. According to this hypothesis, people with similar education, age and physical attractiveness should prefer each other and thus are more likely to form couples. Third, it shows that women still have severe problems to reply to contact offers from lower educated men, while men are already less reluctant to reply to higher educated women. Thus, the rarity of couples where women are higher educated than their partners are to a large proportion the consequence of women’s preferences rather than men’s preferences. Finally, our study does not find any support for the trade-off hypothesis, indicating that women do not exchange their physical attractiveness for men’s educational resources, and vice versa.
Notes
Die Ausdrücke „im Alltagsleben“ oder „im Alltag“ sind im Folgenden stets auf Phänomene und Prozesse bezogen, die nicht im Internet, also nicht im virtuellen Raum („offline“) stattfinden. Dabei handelt es sich um eine rein sprachliche Konvention, welche die Lesbarkeit des Textes erleichtern soll.
Zwar kann man davon ausgehen, dass gerade diese Merkmale im Onlinedating häufig zu einem gewissen Grad „beschönigt“ werden, jedoch nicht allzu sehr von den realen Tatsachen abweichen dürften (Hancock et al. 2007; weitere Verweise in der empirischen Analyse). Schließlich müssen die Akteure, die ja am Aufbau einer Beziehung interessiert sind, davon ausgehen, dass falsche Angaben spätestens beim ersten realen Aufeinandertreffen auffliegen und damit die Beziehung scheitern könnte.
Obwohl man argumentieren kann, dass das traditionelle Familienmodell in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich an empirischer Relevanz sowie Zustimmung in der Bevölkerung verloren hat, gibt es gerade in der empirischen Familienforschung zahlreiche Belege dafür, dass dieser Idealtyp eine erhebliche theoretische Erklärungskraft besitzt (vgl. z. B. Schulz 2010 am Beispiel der Arbeitsteilung im Haushalt).
Das Bildungsniveau ist hier ein wichtiger Indikator für sozioökonomisches Statuspotential, da Bildungsabschlüsse in modernen Gesellschaften individuelle Arbeitsmarkt-, Einkommens- und Karrierechancen maßgeblich bestimmen.
In unserem Beobachtungsfenster war das Versenden der Nachrichten kostenfrei möglich.
Unter einem Erstkontakt verstehen wir die erste Kontaktaufnahme (per E-Mail) zwischen zwei Nutzern auf einer Internetkontaktbörse, unter der Voraussetzung, dass zwischen diesen Nutzern vorher noch keine Interaktionsbeziehung bestand (Skopek et al. 2009).
Prinzipiell interpretieren wir die Beantwortung eines Erstkontaktes durch einen Empfänger als Erwiderung des Kontaktinteresses. Da wir allerdings den Inhalt der Nachricht nicht kennen, muss dies bei näherem Hinsehen natürlich nicht zwangsläufig stimmen. So kann ein Empfänger theoretisch auch ohne jegliches Kontaktinteresse einen Erstkontakt beantworten, beispielsweise aus reiner Höflichkeit oder Fairness. Aufgrund unserer Datenrestriktionen sind wir auf diese Annahme in dieser Untersuchung angewiesen. Zukünftige Forschung muss versuchen, diese Problematik im Detail zu analysieren.
Hierbei handelt es sich um Nutzer, die mindestens einmal eine Nachricht abschicken (sei es ein Erstkontakt oder eine Antwort) und damit ein Minimum an Aktivität auf der Plattform aufweisen. Da sowohl Initiatoren als auch Empfänger selektive Nutzergruppen repräsentieren, sollen aktive Nutzer als theoretische Referenzpopulation betrachtet werden.
Die Gründe hierfür können vielfältig sein, z. B. kann der Nachrichtentext die Antwortneigung beeinflussen oder die angeschriebene Person kein aktiver Nutzer mehr sein oder Ähnliches. Um diesem Aspekt näher nachgehen zu können, bedarf es jedoch detaillierterer Nutzer-Tracking-Daten (wie z. B. Zugriffsstatistiken) oder Befragungsdaten, die zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht vorliegen. So muss eine ausführliche Analyse dieses Phänomens zukünftiger Forschung vorbehalten bleiben.
Skopek (2010) konnte in einer weiteren Untersuchung zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit einen Erstkontakt zu erhalten sowie die Anzahl erhaltener Erstkontakte (Ankunftsrate) ebenfalls geschlechtsspezifisch strukturiert sind. So erhalten Männer mit höherem Bildungsniveau häufiger Erstkontakte als Männer mit niedrigem oder jüngere Frauen häufiger als ältere. Die Wahrscheinlichkeit Erstkontakte zu verschicken, hängt maßgeblich von der Anzahl erhaltener Erstkontakte ab: Wer keine oder nur wenige Erstkontakte erhält, tendiert stärker zu einer aktiven Kontaktstrategie.
Unser Datensatz enthält keine Nutzerfotos, sondern nur den Hinweis darauf, dass ein Foto im Profil hinterlegt wurde. Deshalb ist eine Bewertung der Attraktivität durch unabhängige Personen, wie sie z. B. von Hitsch et al. (2010b) verwendet wird, nicht möglich.
Wie weiter oben erwähnt, ist die Verlässlichkeit der Angaben zur äußeren Erscheinung möglicherweise Beschönigungen seitens der Nutzer ausgesetzt. Dies haben wir mit einem Vergleich der Stichprobe „aktiver“ Nutzer aus unseren Daten mit der internetnutzenden Bevölkerung anhand von ALLBUS-Daten des Jahres 2004 untersucht (vgl. Skopek 2010). Festzuhalten ist, dass Nutzer durchschnittlich nahezu die gleiche Körpergröße angeben wie Internetnutzer im ALLBUS. Beschönigt wird offenbar eher beim Gewicht; unsere Nutzer präsentieren sich durchschnittlich etwa 2–3 kg leichter, als es auf Basis des Gewichts der Internetbevölkerung zu erwarten wäre. Hieraus resultiert schließlich ein zwischen 1 und 2 Einheiten niedrigerer Body-Mass-Index.
Vgl. „Global Database on Body-Mass-Index“, World Health Organisation (WHO): http://apps.who.int/bmi/index.jsp?introPage=intro_3.html (Stand: 19.07.2010).
In gewisser Weise impliziert ja bereits das Wort „normal“ eine bestimmte sozial konstruierte und damit durchaus normativ gehaltvolle Vorstellung von einer als positiv perzipierten physischen Erscheinung, während die Begriffe „über“ und „unter“, von „Fettleibigkeit“ (Adipositas) ganz zu schweigen, auf eine eher weniger erstrebenswerte Abweichung von diesem „Normal“ hindeuten.
Da wir eine hinsichtlich des Alters sehr breite Stichprobe verwenden, stellen die Ergebnisse den „gemeinsamen Nenner“ verschiedener, potenziell unterschiedlicher Alterssegmente von Empfängern dar. Daher haben wir die in Tab. 2 folgenden Modelle auch getrennt für einzelne Altersgruppen berechnet. Es fanden sich sowohl bei jüngeren als auch älteren Nutzern sehr ähnliche Effekte.
Berechnung der Odds-Ratios: OR = exp(ßx).
Die Modelle für weibliche Empfänger in Tab. 2 wirken erklärungskräftiger, da die Effekte meist mit geringerer Irrtumswahrscheinlichkeit signifikant sind (p £ 0,001). Dies liegt an den deutlich höheren Fallzahlen der Modelle 2a und 2b (39 552 Erstkontakte bei weiblichen im Vergleich zu 10 922 bei männlichen Empfängern), welche die geschätzten Standardfehler der Koeffizienten reduzieren. Weitere inhaltliche Implikationen ergeben sich hieraus allerdings nicht.
Es bleibt anzumerken, dass der Anteil der durch die Modellvariablen erklärten Varianz im durchschnittlichen Bildungsniveau des Kontaktpartners (R2 = 0,06) sowie in der mittleren Attraktivität des Kontaktpartners (R2 = 0,04) relativ gering ist. Dies liegt zum Teil in dem Abstraktionsniveau der Modelle begründet, die die potenzielle Heterogenität der Effektstärken in bestimmten Subpopulationen von Nutzern außer Acht lassen. Beispielsweise zeigten sich in separaten Rechnungen für einzelne Altersklassen zum Teil deutlich höherer Anteile erklärter Varianz. Da wir jedoch aufgrund unserer Fragestellung inhaltlich primär an der Korrelation der Variablen und nicht an der Vorhersagekraft des Modells interessiert sind, ist die Höhe des R2-Wertes an dieser Stelle nur von sekundärer Bedeutung.
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Dieser Aufsatz ist im Rahmen des DFG-Projekts „Prozesse der Partnerwahl bei Online-Kontaktbörsen“ entstanden. Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Förderung des Projekts. Insbesondere danken wir unserem Kooperationspartner für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit und die Bereitstellung der faktisch anonymisierten Daten.
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Schulz, F., Skopek, J. & Blossfeld, HP. Partnerwahl als konsensuelle Entscheidung. Köln Z Soziol 62, 485–514 (2010). https://doi.org/10.1007/s11577-010-0107-0
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