Der Schwindel der Landkranken
Die Seekrankheit kannte schon Hippokrates. Von einer Landkrankheit wusste er wohl noch nichts.
Hippokrates sagte, das Segeln auf dem Meer bringe den Körper in Unordnung. Bis zu einer Beschreibung des umgekehrten Phänomens, nämlich massiven Beschwerden durch Schwindel, gestörtes Gleichgewicht und das Gefühl von Bootsbewegungen, die den Gang an Land nach längerer Fahrt auf einem Schiff begleiten, dauerte es noch einige Zeit. Eine Beschreibung des persistenten Mal-de-Debarquement-Syndroms lieferten die Neurologen Brown und Baloh erst 1987.
Migräne kann das Krankheitsbild zusätzlich begleiten
Eine Übersicht über das Mal-de-Debarquement-Syndrom gibt ein neuer Artikel der Neurologinnen Saha, Phoenix, und Cha, Minneapolis. Im Vergleich zur einfachen "Landkrankheit" dauert das Mal-de-Debarquement-Syndrom mehr als 48 Stunden. Die vier Diagnosekriterien sind:
Persistierender Schwindel, beschrieben als ein Schwanken, Schaukeln, Auf-und-Ab-Dümpeln oder Taumeln.
Beginn binnen 48 Stunden nach Verlassen eines Fahrzeugs (z.B. Schiff)
Nachlassen der Symptome bei erneuter Bewegung, wie etwa beim Autofahren.
Keine ungewöhnlichen Merkmale wie Hörverlust oder Koordinationsstörungen.
Nicht ganz einfach, aber wichtig ist die Differenzialdiagnose zur vestibulären Migräne. Die Schwierigkeit rührt teils daher, dass Migräne oft das Mal-de-Debarquement-Syndrom begleitet. Allerdings haben Migränemedikamente keinen Einfluss auf dessen Symptome.
"Ein Mal-de-Debarquement-Syndrom sollte aufgrund klinischer Kriterien diagnostiziert werden", so Saha und Cha. Neuroradiologische Bildgebung, Tests der vestibulären Funktion und Audiometrie lieferten wenig Ertrag, sofern keine untypischen Merkmale vorlägen. Besonders Drehschwindel, Hörverlust sowie dysfunktionale Augenbewegungen würden nicht zum Mal-de-Debarquement-Syndrom passen. rb
Saha K, Cha YH. Mal de Debarquement Syndrome. Semin Neurol 2020; doi.org/10.1055/s-0039-3402740