Die Entscheidung, wann Reanimationsmaßnahmen beendet oder unter Umständen gar nicht erst eingeleitet werden sollten, gehört zu den schwierigsten, die Mediziner treffen können. „Keinem Arzt“, so formulierte der Kölner Kardiologe Prof. Ingo Ahrens das Dilemma, „fällt es leicht, den Patienten irreversibel in den Tod zu schicken“ [1]. Der Wunsch, den Tod abzuwenden, führt in der Praxis jedoch nicht selten zu absurden Situationen. So kommt es offenbar immer wieder vor, dass z. B. ein Notarzt exzessive Reanimationsmaßnahmen einleitet, obwohl der schwerstkranke Pflegeheimbewohner, zu dem er gerufen wurde, in einer Patientenverfügung explizit festgelegt hat, dass er keine Wiederbelebung wünsche.

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Wünscht der Patient das Unterlassen einer Reanimation, ist dem Folge zu leisten.

© Kiryl Lis / stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodellen)

„Jede Intervention an einem Menschen bedarf zu ihrer Legitimation neben der Indikation noch der Zustimmung des Patienten“, so Prof. Fred Salomon, Lemgo, in der Zeitschrift „Notfall + Rettungsmedizin“ [2]. Das gelte nicht nur für den Beginn, sondern auch für die Weiterführung einer Behandlung. Speziell bei der Reanimation müsse man nicht nur das Teilziel „Wiederbelebung der Vitalgrößen“ im Blick haben, sondern auch das Ziel eines vom Patienten „zu bejahenden Lebens“. Vor allem eine Klinikeinweisung und die dort fortgesetzten Interventionen zum Lebenserhalt trotz womöglich schwerster Beeinträchtigungen sind Maßnahmen, die der Patient möglicherweise vehement abgelehnt hätte.

Patientenverfügung muss rasch verfügbar sein

In der von Zeitdruck und Stress geprägten Notfallsituation dürfte es allerdings oft schwierig sein, die Wertvorstellungen und Lebenskonzepte des Patienten zu eruieren. Salomon empfiehlt (Heim-)Ärzten und Pflegern daher, frühzeitig mit dem Patienten offen über dessen „Werte, Lebenskonzepte, mögliches Leid sowie Sterben und Tod“ zu kommunizieren. Das Ergebnis müsse „in einem rasch verfügbaren Bogen dokumentiert werden, der kurz, übersichtlich und klar die Position des Patienten und seinen vorausverfügten Willen erkennen lässt“.

Gezielt nach getroffenen Vereinbarungen fragen

Pflegeeinrichtungen könnten von vornherein „organisatorisch festlegen, dass bei klarer Willensäußerung der Rettungsdienst vermieden wird“. Den Notärzten selbst legt Salomon nahe, „Handlungsautomatismen zu vermeiden“. Auch die in Leitlinien zur Reanimation gegebenen Handlungsempfehlungen müssten situationsbedingt kritisch beurteilt werden. Wie der Experte betonte, sei es gerade auch in der Notfallsituation hilfreich, „gezielte Fragen nach getroffenen Vereinbarungen und vorbestehenden Willensbekundungen“ zu stellen.

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs, ist Sterbehilfe durch Behandlungsabbruch dann gerechtfertigt, „wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen“ (BGH 2 StR 454/09 vom 25. Juni 2010). „Auf dieser Grundlage“, so Salomon, „darf auch eine Reanimation beendet werden.“