García-Vigara A et al (2022) Non-use of information and communication technology as a predictor of frailty in postmenopausal midlife and older women. Maturitas 156:60–64.
FormalPara Hintergrund.Gebrechlichkeit ist ein klinisch erkennbarer Zustand, bei dem eine verringerte physiologische Reserve und Funktion zu einer verminderten Fähigkeit führt, mit Stressfaktoren umzugehen. Folgen dieses Zustands sind ein erhöhtes Risiko für Hospitalisationen, Stürze, Behinderung, Heimeinweisung und Sterblichkeit [1, 2]. Das Älterwerden ist eine der Hauptdeterminanten für Gebrechlichkeit [3], aber auch für die Menopause wurde ein Zusammenhang gezeigt [4]. Die rasche Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) bietet Möglichkeiten, Endnutzer/-innen im Hinblick auf Gesunderhaltung zu befähigen. Parallel dazu gibt es Bestrebungen von Institutionen, Kliniken und Regierungsstellen, das Gesundheitswesen digital zu transformieren. Eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung dieses Ziels ist die Bereitschaft des/der Endnutzers/-in, IKT zu nutzen, zu verstehen und umzusetzen (Stichwort: [digitale] Gesundheitskompetenz, „[digital] health literacy“). Diese Kompetenz hängt u. a. vom Alter und Geschlecht ab, wobei es kaum Studien zu älteren Frauen gibt. Ziel der Querschnittsstudie war es zu ermitteln, ob der Gebrechlichkeitsstatus mit der IKT-Nutzung bei postmenopausalen Frauen im mittleren und höheren Lebensalter zusammenhängt.
FormalPara Zusammenfassung.Alle in einer Gemeinde lebenden Frauen, die sich zur Vorsorgeuntersuchung in einem Gesundheitszentrum vorstellten, wurden zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Der postmenopausale Status war das einzige Einschlusskriterium. Ausgeschlossen wurden Frauen, die nach Einschätzung des Arztes/der Ärztin aufgrund einer sensorischen Vorerkrankung (z. B. Erblindung, Hörminderung) keine IKT einsetzen können.
Zur Beurteilung der Gebrechlichkeit wurde der Fried-Phänotyp [5] herangezogen. Dieser Index setzt sich aus fünf Kriterien zusammen: 1) ungewollter Gewichtsverlust (≥ 4,5 kg im letzten Jahr), 2) subjektive Erschöpfung, (3) Schwäche (reduzierte Handkraft), 4) langsame Gehgeschwindigkeit beim Gehen einer definierten Strecke, 5) geringe körperliche Aktivität (Kurzversion des Minnesota Leisure Time Physical Activity Questionnaire; [6]). Eine Teilnehmerin galt als „robust“, wenn sie keines der fünf Kriterien erfüllte. „Prägebrechlichkeit“ war definiert als das Vorhandensein von einem oder zwei Kriterien und „Gebrechlichkeit“ als das Vorhandensein von mindestens drei Kriterien. Es wurden vier Arten der IKT-Nutzung untersucht: das Internet für E‑Mails, das Internet für andere Funktionen und soziale Medien (WhatsApp, Facebook). Es wurden 409 Frauen im mittleren Alter von 67,5 Jahren in die Studie eingeschlossen. Von denen waren 33 % gebrechlich, 39 % prägebrechlich und 28 % robust. Das durchschnittliche Bildungsniveau war niedrig bis mittel. Der wirtschaftliche Hintergrund war eher gemischt, wobei 45,7 % der Frauen ihre finanzielle Situation als gut bezeichneten. 40 % erfüllten die Kriterien für Multimorbidität, was im Bereich des altersbezogenen Bevölkerungsstandards lag. 63 % der Frauen nutzten IKT, 54,5 % soziale Medien. Von den Internetnutzerinnen nutzten 43 % dieses für Recherchen und 32 % für E‑Mail. Im Falle der sozialen Medien waren 99 Frauen WhatsApp-Nutzerinnen, 34 nutzten Facebook und 90 nutzten beides. Gebrechliche Frauen (27 %) nutzten signifikant seltener irgendeine IKT-Kategorie als prägebrechliche (77 %) oder robuste (85 %) Frauen (p < 0,001). Besonders auffallend war der Unterschied bei der Anwendung von WhatsApp (robuste Frauen 85 %, prägebrechliche Frauen 45 %, gebrechliche Frauen 15 %). Die multivariate logistische Regression zeigte, dass die Nichtnutzung von IKT ein Prädiktor für Gebrechlichkeit war, während IKT-Nutzerinnen eher robust (OR 10,62, 95 %-KI 5,34–21,10) oder prägebrechlich (OR 9,03, 95 %-KI 5,18–15,74) waren.
Kommentar
Die Studie zeigt, dass die IKT-Nutzung umgekehrt mit dem Gebrechlichkeitsstatus in einer Kohorte postmenopausaler Frauen mittleren/älteren Alters assoziiert war. Für die angestrebte digitale Transformation im Gesundheitswesen ist das eine wichtige Information. IKT könnte also z. B. zur Vorbeugung von Gebrechlichkeit bei postmenopausalen Frauen genutzt werden. Darüber hinaus könnte eine Gebrechlichkeit ggf. durch Veränderung des IKT-Nutzungsverhaltens frühzeitig erkannt und dann aktiv durch z. B. Förderung der Teilnahme an Gesundheitsförderungsprogrammen entgegengewirkt werden. Die Herausforderung wird in der Erreichbarkeit der weniger oder gar nicht IKT-affinen (gebrechlichen) postmenopausalen Frauen liegen. Spannend wäre es zu wissen, inwiefern eine Hormonersatztherapie (HRT) Einfluss auf die IKT-Nutzung hat und ob sich im Rahmen eines digitalen Trackings eine HRT vorteilhaft auf die Entwicklung einer Gebrechlichkeit auswirkt.
Literatur
Fernandez-Garrido J et al (2018) Frailty and leucocyte count are predictors of all-cause mortality and hospitalization length in non-demented institutionalized older women. Exp Gerontol 103:80–86
Gifford KA et al (2019) Frailty is related to subjective cognitive decline in older women without dementia. J Am Geriatr Soc 67(9):1803–1811
Mitnitski AB et al (2017) Aging, frailty and complex networks. Biogerontology 18(4):433–446
Ruan H et al (2020) Menopause and frailty: a scoping review. Menopause 27(10):1185–1195
Fried LP et al (2001) Frailty in older adults: evidence for a phenotype. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 56(3):M146–56
Ruiz Comellas A et al (2012) Validation of a Spanish short version of the minnesota leisure time physical activity questionnaire (VREM). Rev Esp Salud Publica 86(5):495–508
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Open access funding provided by University of Bern
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Katrin Schaudig, Hamburg
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Stute, P. Nichtnutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie als Prädiktor für Gebrechlichkeit bei postmenopausalen Frauen. Gynäkologische Endokrinologie 20, 213–215 (2022). https://doi.org/10.1007/s10304-022-00464-4
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