Einleitung

Die Energiewende erfordert die Verfügbarkeit einer Vielzahl an strategischen mineralischen Rohstoffen. Eines der zentralen Metalle, das von der Europäischen Kommission als kritischer Rohstoff definiert wurde, ist Lithium (Europäische Kommission 2020). Bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts waren die Hauptanwendungen für das Alkalimetall der Einsatz in der Keramik- und Glasindustrie, als Schmiermittel oder für Aluminiumlegierungen. Heute wird der größte Teil für die Herstellung von Lithium-Ionen-Akkus verwendet (Liu et al. 2019; Schmidt 2017). Aufgrund ihrer höheren Energiedichte, den niedrigen Entladungsraten, langen Lebenszyklen und schnellem Ladeprozess im Vergleich zu Nickel-Metallhydrid- oder Bleiakkumulatoren (Kavanagh et al. 2018; Lee et al. 2011; Schmidt 2017), fanden sie zunächst Anwendung im Bereich von Kameras oder Mobiltelefonen. Heute ist der Einbau in Elektroautos der wichtigste Wachstumsmarkt. Um mit den Reichweiten der Verbrennungsmotoren konkurrieren zu können, werden große elektrische Speicherkapazitäten benötigt, was in entsprechend großen Batterien resultiert (Lee et al. 2011; Srinivasan et al. 2008), wobei der Anteil reinen Lithiums in einer Batterie für ein Elektroauto ca. 10–14 kg beträgt (Xu et al. 2020).

Aufgrund der hohen Nachfrage und der Preisentwicklung werden global neue Lithiumquellen evaluiert, auch um umweltschonendere Alternativen zum konventionellen Bergbau oder der Extraktion aus den Wässern von Salzseen zu finden. Zurzeit wird die Lithiumextraktion aus geothermalen Wässern als neue Gewinnungsmethode diskutiert, die auch eine Produktion in Deutschland möglich erscheinen lässt. Diese Arbeit bewertet unterschiedliche Technologien, die für die Extraktion von Lithium aus Thermalwässern in der Literatur vorgeschlagen werden. Der Fokus liegt auf der Erklärung der Grundprinzipien der Prozesse sowie auf der Herausarbeitung der technischen Herausforderungen für die Integration in einen geothermischen Kraftwerksprozess. Dafür werden veröffentlichte Versuchsergebnisse verwendet und diskutiert. Im zweiten Teil dieser Studie (Goldberg et al. 2022) wird der Lithiummarkt genauer betrachtet sowie der mögliche Beitrag geothermischer Reservoire für die Lithiumgewinnung in Deutschland abgeschätzt.

Geothermale Fluide in Deutschland

Um die Anwendbarkeit bestehender Lithiumextraktionstechnologien auf geothermale Wässer in Deutschland bewerten zu können, wird im Folgenden der Wasserchemismus der dafür in Frage kommenden Geothermieregionen betrachtet (Tab. 1).

Tab. 1 Table 1 Hydrochemie der Thermalwässer unterschiedlicher Geothermieregionen in DeutschlandHydrochemical characteristics of thermal water from different geothermal regions in Germany

Energieproduktion aus tiefen geothermalen Wässern findet in Deutschland vorwiegend in drei geologischen Großstrukturen statt: Dem Oberrheingraben (ORG), dem Bayrischen Molassebecken (BMB) und dem Norddeutschen Becken (NDB). Die drei Regionen weisen niedrige bis mittlere Temperaturen in den geothermischen Reservoiren auf (120–250 °C) und gehören zu den nichtmagmatischen geothermalen Systemen (Moeck 2014; Sanjuan et al. 2022).

Der Malm-Aquifer im Bayrischen Molassebecken, speziell im Großraum München, stellt einen der Nutzhorizonte mit dem stärksten Ausbau geothermischer Energiegewinnung in Deutschland dar. Jedoch zeigen die dort genutzten Fluide keine nennenswerten Lithiumkonzentrationen und im Allgemeinen nur eine sehr geringe Mineralfracht (ca. 2–6 g/l) (Mayrhofer et al. 2014).

Beim Norddeutschen Becken handelt es sich ebenfalls um ein sedimentäres Becken auf kristallinem Grundgebirge, jedoch mit einem grundverschiedenen Chemismus der Reservoirfluide (Moeck 2014; Sanjuan et al. 2022). Am Geothermiestandort Großschönebeck werden z. B. Lösungsgehalte > 300 g/l erreicht. Hauptionen der Fluide sind Ca, Na und Cl, die 70–98 % der Gesamtsalinität ausmachen (Regenspurg et al. 2016, 2010). Neben dem Reservoirwasser enthalten die Fluide auch hohe Mengen an nichtkondensierbaren Gasen in einem Gas-Wasser-Volumenverhältnis von 1:1 bis 1,6:1 (Regenspurg et al. 2010). Die Hauptkomponenten der Gasphase sind N2 und CH4 sowie in geringeren Mengen He, CO2, H2, schwere Kohlenwasserstoffe und Ar (Regenspurg et al. 2010).

Die geothermisch genutzten Thermalwasserreservoire im Oberrheingraben zeigen Salinitäten von bis zu 120 g/l. Diese Na-Cl-Wässer zeigen ähnliche Gas-Wasser-Verhältnisse wie die Fluide im Norddeutschen Becken mit bis zu 1,6:1 (Eggeling et al. 2018; Sanjuan et al. 2016). Am Standort Soultz-sous-Forêts wurde ein Gasanteil von 0,13 Gew.-% gemessen, am Standort Bruchsal ca. 0,5 Gew.-% (Eggeling et al. 2018; Sanjuan et al. 2016). Hauptkomponente der Gase ist typischerweise CO2 mit 80–90 Vol.-%. Daneben wurden N2 (6–10 Vol.-%) und CH4 (2–7 Vol.-%) im Fluid gemessen. Am Standort Landau ist Stickstoff mit ca. 48 Vol.-% die Hauptkomponente. CO2 ist dort mit 44 Vol.-% enthalten.

Geothermale Fluide als Lithiumressource

Lithium kommt in relativ hohen Konzentrationen in den geothermalen Fluiden des ORG und des NDB vor, wenn auch nicht vergleichbar mit den höchsten Konzentrationen der Salare in Südamerika (Tab. 2). Welche Lithiumgehalte, Reservoirgröße und Fließrate als ausreichend für eine ökonomische Extraktion angesehen werden, hängt vom Stand der Technik, dem Extraktionsverfahren und dem Weltmarktpreis ab. Meerwasser enthält zum Vergleich nur 0,18 mg/l Lithium (Stoffyn-Egli und MacKenzie 1984). Moderate Lithiumkonzentrationen > 1 mg/l finden sich in Europa in einigen ausgewählten Regionen: neben dem ORG und dem NDB auch in Cornwall, Nordengland, dem französischen Zentralmassiv, dem Pariser Becken und im westlichen Apennin (Sanjuan et al. 2022). Über die Konzentration von Lithium in geothermalen Fluiden anderer europäischer Regionen wurde bislang wenig publiziert. Daher kann das Potenzial in anderen europäischen Regionen nicht abschließend bewertet werden.

Tab. 2 Table 2 Lithiumkonzentrationen unterschiedlicher Wässer und Solen in Deutschland und Südamerika. Verglichen werden die Lithiumkonzentrationen und Entnahmebedingungen von Wässern aus Geothermie‑, Kohlenwasserstoff- und Heilwasserbohrungen in Deutschland sowie von Salaren in Chile und ArgentinienLithium concentrations of different waters and brines in Germany and South America. Lithium concentrations and extraction conditions of waters from geothermal, hydrocarbon, and hot water wells in Germany and salars in Chile and Argentina are compared

In Deutschland werden die höchsten Li-Konzentrationen und Fließraten vor allem in durch Tiefbohrungen erschlossenen Reservoiren erreicht (Tab. 2). Die höchsten Konzentrationen reichen an die Untergrenze des Konzentrationsbereichs der Salare in Argentinien heran, wo bereits kommerziell Lithium produziert wird. Bei einem effektiven technologischen Ansatz könnten diese Fluide in Deutschland eine umweltschonende und wirtschaftliche Ressource darstellen.

Wasser-Feststoff-Wechselwirkungen in Geothermiekraftwerken

In einem geothermischen Kraftwerkskreislauf wird auf unterschiedliche Art das Wasser-Gas-Feststoff-Gleichgewicht beeinflusst, was zum unkontrollierten Ausfallen mineralischer Ablagerungen führen kann. Dieser Prozess, wird auch als „Scaling“ bezeichnet, die mineralischen Ablagerungen als „Scales“. Ein wichtiger Scaling-Treiber ist die für die Energieproduktion benötigte Temperaturabsenkung. Mineralphasen, wie beispielsweise amorphes SiO2, BaSO4, CaSO4, NaCl und KCl, zeigen eine Abnahme der Löslichkeit in Wasser mit sinkenden Temperaturen (Appelo 2015; Hörbrand et al. 2018). Eine Mineralgruppe, die vor allem in Hochtemperatursystemen ein besondere Herausforderung darstellt, sind amorphe Silikatphasen (Goldberg et al. 2021; Gunnarsson und Arnórsson 2005; Spitzmüller et al. 2021). In einem Wasser mit ca. 2,6 mol gelöstem NaCl (ca. 150 g/l), in der Größenordnung der Salinitäten im ORG, sind bei 150 °C ca. 200 mg/l Si löslich, bei 100 °C 110 mg/l und bei 25 °C ca. 40 mg/l (Chen und Marshall 1982; Marshall und Warakomski 1980). Auch für Baryt (BaSO4) ändert sich die Löslichkeit in einem Wasser mit 3 mol NaCl (TDS von ca. 180 g/l) von ca. 100 mg/l bei 150 °C zu ca. 77 mg/l bei 95 °C und zu ca. 44 mg/l bei 50 °C (Monnin 1999; Templeton 1960). Mineralphasen wie CaCO3 oder CaMg[CO3]2 zeigen hingegen ein retrogrades Löslichkeitsverhalten, also eine verbesserte Löslichkeit mit sinkender Temperatur. Auch die Löslichkeit von CO2 steigt mit abnehmender Temperatur (Appelo 2015; Hörbrand et al. 2018). Die Löslichkeit von CO2 verschlechtert sich jedoch deutlich mit sinkendem Druck, was bedeutsam für die (obertägige) Druckentlastung des Wassers ist. In einem Wasser bei 150 °C und 2 mol NaCl (ca. 120 g/l) sind bei 300 bar Druck in einem geothermalen Reservoir ca. 42 g/l CO2 (4,2 Gew.-%) löslich. Bei gleichem Druck und gleicher Salinität verändert sich die Löslichkeit bei 60 °C zu ca. 40 g/l. Bei Druckentlastung dieses Wassers bei 150 °C auf 100 bar sinkt die Löslichkeit auf ca. 21 g/l und bei 10 bar auf ca. 1,5 g/l. Bei 10 bar und einer Temperatur von 60 °C, vergleichbar mit den Bedingungen in einem Geothermiekraftwerk nach der Energieproduktion, sind 5 g/l (0,5 Gew.-%) CO2 löslich (Duan et al. 2006; Duan und Sun 2003). Die Ausgasung des im Wasser als Kohlensäure gelösten CO2 führt zu einer Erhöhung des pH-Wertes und einer Verschiebung des Kalk-Kohlensäure-Gleichgewichts. Reines Wasser kann bei einem CO2-Partialdruck von 100 bar bei 100 °C 0,88 g/l CaCO3 lösen. Bei einer Verminderung des CO2-Partialdrucks bei gleicher Temperatur auf 10 bar vermindert sich die Löslichkeit auf 0,51 g/l (Miller 1952). Beim gleichen CO2-Partialdruck von 10 bar sind jedoch bei 60 °C wiederum 0,99 g/l CaCO3 löslich aufgrund der retrograden Löslichkeit von CO2 und CaCO3 (Miller 1952). Die Wasser-Mineral-Wechselwirkungen müssen folglich nicht nur standortspezifisch, sondern auch abschnittsspezifisch (bezogen auf die Förderung und Reinjektion des Fluids und die Prozessierung während der Extraktion) in einer Geothermieanlage betrachtet werden. Ebenso komplex ist das Lösungsverhalten von SiO2 in Abhängigkeit von pH-Wert und gelösten Ionen im Wasser. In reinem Wasser bei einem pH-Wert von 7 sind bei 25 °C ca. 61 mg/l Si als SiO2 löslich (Marshall und Warakomski 1980). Mit steigendem pH-Wert steigt die Löslichkeit von amorphem SiO2 kontinuierlich auf ca. 260 mg/l bei einem pH-Wert von 10,4 an (Marsh et al. 1975). Bei Anwesenheit von Ca und pH > 10 reduziert sich die Menge der aquatischen Si-Spezies durch die Ausfällung von Calcium-Silikat-Hydratphasen (CSH-Phasen) stark (Greenberg und Chang 1965; Spitzmüller et al. 2021). Bei Anwesenheit von Ca liegt die Löslichkeit bei 25 °C und pH 10,5 nur noch ca. 41 mg/l, bei pH 11,4 sogar nur bei 7,1 mg/l (Greenberg und Chang 1965). Zudem kann die Veränderung des Redoxpotenzials und des pH-Werts die Bildung von BaSr-Sulfaten und Polymetallsulfiden bedingen (Regenspurg et al. 2015a, Nitschke et al. 2014). In Sulfaten können dabei 226Ra und 228Ra und in den Sulfiden 210Pb eingebaut werden (Nitschke et al. 2014).

Die beschriebenen Prozesse stellen gerade aufgrund der in Geothermiekraftwerken gegebenen Fließraten von bis zu 80 l/s im ORG eine Herausforderung dar. Auch durch geringe relative Ausfällungen pro Liter können sich über die Zeit größere Mengen an Feststoffen ansammeln und zu Schäden an der obertägigen Anlage, Verringerung des Bohrlochdurchmessers bis hin zum Verlust einer Bohrung sowie zu Verstopfungen der Wegsamkeiten im Injektionsbereich eines Reservoirs führen. Daher sind Scales eine der größten Herausforderungen bei der geothermischen Energieproduktion, unabhängig vom Reservoirtyp (Eggeling et al. 2018; Gunnarsson und Arnórsson 2005; Hörbrand et al. 2018; Nitschke et al. 2014; Regenspurg et al. 68,69,a, b; Scheiber et al. 2019b). Dennoch stellen sie keine unkontrollierbare Einschränkung für die geothermische Energieerzeugung dar. Mit entsprechenden Maßnahmen (Zugabe von Inhibitoren, Druckhaltung) sind die Ausfällungen zu kontrollieren, bedürfen aber stets einer standortspezifischen Evaluation und sind bis heute Gegenstand der Forschung (Eggeling et al. 2018; EVA‑M 2021; Scheiber et al. 2019a). Entsprechend werden unkontrollierte Ausfällungen in der Geothermie- oder Extraktionsanlage auch als eine große Herausforderung für eine assoziierte Rohstoffextraktion gesehen (Goldberg et al. 2021; Spitzmüller et al. 2021).

Methoden

Standardisierte Technikbewertung – Technologiereifegrad

Um den Stand der unterschiedlichen Technologien zu quantifizieren, wurde die Skala des Technologiereifegrads (Technology Readiness Level: TRL) verwendet. Diese wurde in den 1970er-Jahren von der NASA entwickelt, mit dem Ziel die technologische Reife von Entwicklungen systematisch klassifizieren zu können und den Stand unterschiedlicher Technologien untereinander vergleichbar zu machen (Mankins 2009, 1995). Die Skala wird weiterhin im Rahmen des Horizon 2020-Programms der Europäischen Union verwendet, um Förderziele zu definieren. Dafür hat die Europäische Kommission die Anwendbarkeit der Skala auf Energiefragen und explizit auch Geothermie getestet, bestätigt und angepasst, wodurch diese in manchen Punkten leicht von der originalen Skala abweicht (De Rose et al. 2017). Die unterschiedlichen Reifegrade und deren Definition sind in Tab. 3 festgehalten.

Tab. 3 Table 3 Unterteilung der Technologiereifegrade nach Mankins (1995, 2009) mit geothermie-spezifischen Ergänzungen nach De Rose et al. (2017)Definition of technology readiness levels according to Mankins (1995, 2009) with adaptation for geothermal systems (De Rose et al. 2017)

Der (finanzielle) Aufwand für das Erreichen der einzelnen Stufen ist dabei keineswegs linear und weiterhin sehr technologiespezifisch (Mankins 2009, 1995; Straub 2015). In den ersten drei Stufen sind die Kosten und der Aufwand noch niedrig bis moderat im Vergleich zu einer etwaigen späteren Systemanwendung. (Mankins 2009; van der Spek et al. 2017). Die Entwicklung und Validierung erster Anlagenteile für TRL 4 stellen einen ersten deutlichen Sprung dar, der ein Vielfaches des Investments für das Erreichen des TRL 3 betragen kann (Mankins 2009). Für das Erreichen von TRL 5 müssen moderate bis hohe Kosten angenommen werden, ähnlich jenen zum Erreichen von TRL 4 bis hin zu einem Vielfachen davon. (Mankins 2009; van der Spek et al. 2017). Das Erreichen eines ersten Demonstrators in finaler Größe und Leistungsfähigkeit (TRL 6/7) stellt meist eine Kosteneskalation dar und nimmt einen signifikanten Teil der Gesamtentwicklungskosten ein. Aufgrund des deutlich komplexeren Detailgrads kommt es hier zu einer Vielzahl unvorhersehbarer technischer Probleme, die zusätzlicher Anpassungen bedürfen. Dieser Entwicklungsstand kann im Normalfall nicht mehr von regulären Forschungseinrichtungen alleine erreicht werden (Mankins 2009; van der Spek et al. 2017). Das Fertigstellen und Implementieren einer ersten Produktionsanlage ihrer Art in der Zielumgebung (TRL 8) stellt das Ende der Systementwicklung dar, mit einem geschätzten Aufwand, der den fünf- bis zehnfachen Kosten aller vorangegangener Stufen entspricht (Mankins 2009; van der Spek et al. 2017). TRL 9 beschreibt den erfolgreichen Betrieb der neuen Technologie. Die Kosten können je nach Technologie noch hoch sein, sind aber in der Regel deutlich geringer als zum Erreichen von TRL 8 (Mankins 2009; van der Spek et al. 2017).

Basierend auf der TRL-Skala wurden unterschiedliche Lithiumextraktionstechnologien bewertet. Weiterhin wurden benötigte Materialströme basierend auf einem Standardfall verglichen. Hierfür wurde von einer geothermischen Fließrate von 80 l/s ausgegangen und einem Lithiumgehalt von 200 mg/l. Dies entspricht einer Best-case-Annahme für bekannte Reservoire in Deutschland.

Extraktionstechnologien

Für die Rohstoffgewinnung aus Thermalwässern ist eine Extraktionstechnik anzustreben, die den chemischen Zustand des Thermalwassers im Kraftwerk und Reservoir so wenig wie möglich verändert und gleichzeitig eine hohe Extraktionseffizienz erreicht. Eine Veränderung der Fluidzusammensetzung soll weder die obertägige Anlage, noch den bohrlochnahen Bereich um die Injektionsbohrung negativ beeinflussen. Als Kriterien für die Bewertung der Extraktionstechnologien wurden in dieser Studie Ionenselektivität, das Verhältnis von Materialaufwand zur Lithiumausbeute, die chemischen Eigenschaften des benötigten Materials (Zyklenfestigkeit) und der nötige Energieeinsatz verwendet. Ziel unseres Vergleichs ist es, herauszuarbeiten, welche Technikaspekte besondere Herausforderungen beim Einsatz in Geothermiekraftwerken darstellen. Zusätzlich geben wir einen abgeleiteten Technologie-Reifegrad an, der sich ausschließlich auf wissenschaftlich begutachtete Studien stützt. Generell ist zu beachten, dass ein direkter Vergleich und eine Bewertung der Extraktionstechniken durch eine nicht konsistente Datenlage erschwert wird (Battistel et al. 2020; Liu et al. 2019; Stringfellow und Dobson 2021).

Flüssig-Flüssig-Extraktion

Bei der Flüssig-Flüssig-Extraktion werden gelöste Stoffe eines flüssigen Ausgangsmediums in ein ebenfalls flüssiges Lösungsmittel (engl. Solvent, daher auch die Bezeichnung Solventextraktion) überführt (Liu et al. 2019). Grundvoraussetzung dafür ist, dass sich das Ausgangsmedium nicht mit dem Lösungsmittel mischt, jedoch bei Kontakt den zu extrahierenden Stoff austauscht. Organische Lösungsmittel können relevante Mengen Lithiumchlorid aufnehmen und auch eine Selektivität gegenüber anderen Kationen zeigen (Liu et al. 2019; Stringfellow und Dobson 2021). Vielversprechende Ansätze für die Gewinnung von Lithium aus hochsalinaren Wässern sind u. a. die Verwendung von Tributylphosphaten (TBP), verdünnt mit Methylisobutylketon oder Kerosin (Liu et al. 2019; Nguyen und Lee 2018; Shi et al. 2018; Xiang et al. 2017, 2016; Yu et al. 2019), die Anwendung von Kronenethern (Liu et al. 2019; Swain 2016; Zhang et al. 2021) oder der Einsatz von ionischen Flüssigkeiten (Liu et al. 2019; Park et al. 2014; Shi et al. 2017).

Bei der Extraktion mittels TBP wird zusätzlich zu den Lösungsmitteln eine Koextraktionsreagenz verwendet, wie z. B. FeCl3. Aus dem FeCl3 bildet sich in chloridreichen Wässern zusammen mit den Lösungsmitteln ein Komplex, der über einen Kationenaustauschprozess das Lithium bindet (Abb. 1). Für diesen Prozess müssen die beiden Flüssigkeiten und die Koextraktionsreagenz ein chemisches Gleichgewicht erreichen, wobei im Folgenden die Phasen wieder getrennt und das Lithium aus dem Lösungsmittelkomplex mittels hochkonzentrierter Säure zurückgewonnen werden. Abschließend werden Lösungsmittel und Koextraktionsreagenz unter der Verwendung von Laugen regeneriert (Liu et al. 2019; Nguyen und Lee 2018; Shi et al. 2018; Xiang et al. 2016).

Abb. 1 Fig. 1
figure 1

Beispiele für die Funktionsweise einer Flüssig-Flüssig-Extraktion: a Extraktionszyklus einer Flüssig-Flüssig-Extraktion angepasst nach D. Shi et al. (2018). Dargestellt sind die vier Schritte der Extraktion mit einem Lösungsmittel (nL) und einer Koextraktionsreagenz, beispielhaft dargestellt mit Tributylphosphaten (TBP) als Lösungsmittel und FeCl4 als Koextraktionsreagenz. Die Extraktion erfolgt im Beispiel aus einer Sole, welche neben Lithium auch weitere Störkationen (M+) enthält. b Einbauprinzip von Lithium in eine Kronenether-Struktur nach Swain (2016)

a Illustration of a liquid-liquid extraction cycle adapted after D. Shi et al. (2018). Shown are the four typical extraction steps using a solvent (nL) and a co-extraction reagent, in our example tributyl phosphates (TBP) and FeCl4, respectively. The extraction in the example is performed from a brine containing lithium and other interfering cations (M+). b Principle of incorporation of lithium into a crown ether structure according to Swain (2016)

Die Funktion von Kronenethern basiert auf dem „Hard and Soft Acids and Bases“-Konzept (HSAB/Pearson-Konzept) (Pearson 1963; Swain 2016). Demnach binden starke Säuren bevorzugt an starke Basen und schwache Säuren an schwache Basen (Pearson 1963). Bei Kronenethern fungiert Sauerstoff als Donoratom, das eine starke Base bildet und eine sehr gute Reaktivität mit gelösten Alkalimetallkationen wie Lithium zeigt, die wiederum eine starke Säure darstellen (Liu et al. 2019; Swain 2016; Zhang et al. 2021). Die Kationen werden dadurch im Zentrum der Kroenetherstruktur gebunden (Abb. 1) (Boulatov et al. 1999; Itoh et al. 1991). Nach Aufnahme des Lithiums kann die organische Etherphase von der Wasserphase z. B. über Zentrifugieren getrennt werden und das Lithium mit Säure aus den Ethern rückgelöst werden (Itoh et al. 1991; Zhang et al. 2021). Konkurrierende Ionen wie z. B. Na, Ka, Mg, oder Ca können in der gleichen Größenordnung wie Lithium in die Etherstruktur eingebaut werden (Itoh et al. 1991; Zhang et al. 2021). Daher muss die Rücklösung von Li aus den Ethern in mehreren Schritten erfolgen. Na und K können zunächst bei einem pH-Wert von 7–8 aus den Ethern gelöst werden, da Li erst bei einem niedrigeren pH-Wert freigegeben wird, während Ca und Mg in der organischen Phase verbleiben (Itoh et al. 1991).

Als ionische Flüssigkeiten werden Salze mit Schmelztemperaturen unter 100 °C bezeichnet, die aus organischen Kationen und organischen oder anorganischen Anionen bestehen (Park et al. 2014; Shi et al. 2017). Für die gezielte Rohstoffextraktion können sie direkt als Extraktionsmittel dienen oder in Kombination mit anderen organischen Lösungsmitteln als Ko-Extraktionssubstanz verwendet werden (Liu et al. 2019; Shi et al. 2017; Stringfellow und Dobson 2021; Swain 2017). Auch bei diesem Ansatz müssen die ionischen Flüssigkeiten zunächst vom lithiumführenden Fluid separiert und im Anschluss für die Auslösung des Lithiums mit Säure behandelt werden (Shi et al. 2017).

Bei der Flüssig-Flüssig-Extraktionsanwendung wurde im Labor aus wässrigen Lösungen bis zu 90 % des enthaltenen Lithiums extrahiert (Liu et al. 2019; Yu et al. 2019). Durch Extraktion mittels TBP wurde nach fünf Extraktionsdurchgängen 90 % Extraktionseffizienz erreicht. Bei einmaligem Kontakt lag die Rate bei ca. 40 % (Yu et al. 2019). Zum größten Teil lassen sich die diskutierten Lösungsmittel nach der Lithiumgewinnung regenerieren und wiederverwenden. Hierzu werden große Mengen an Säure für die Mobilisierung des Lithiums benötigt sowie meist auch Natronlauge zur Regeneration (Liu et al. 2019; Shi et al. 2017; Yu et al. 2019). Der Materialverbrauch ist entsprechend in eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung mit einzubeziehen wie auch der Verbleib der Säuren und Laugen nach der Behandlung mit Blick auf den ökologischen Fußabdruck. Zudem kommt es sowohl beim Kontakt mit dem Trägerfluid als auch bei der Aufbereitung im Anschluss zu geringen Verlusten der Lösungsmittel (Liu et al. 2019; Shi et al. 2017). Darüber hinaus stellen Säuren und Basen aufgrund ihrer Korrosivität hohe Ansprüche an das Material der Reaktionsgefäße und der Rohrleitungen einer Extraktionsanlage. Eine weitere Herausforderung sind die Volumenströme bei der Flüssig-Flüssig-Extraktion. Je nach Lösungsmittel variieren die Verhältnisse von geothermalem Fluid zu Lösungsmittel zwischen 1:1 und 1:2,5 (Flexer et al. 2018; Garrett 2004; Shi et al. 2017; Yu et al. 2019; Zhang et al. 2021). Dies erfordert für die hohen Fließraten in Geothermiekraftwerken einen entsprechend hohen Lösungsmitteleinsatz, wobei die Lösungsmittel allerdings eine ausreichende Kontaktzeit mit dem Ausgangsfluid von mindestens 10 bis 30 min benötigen (Shi et al. 2017; Yu et al. 2019). Ein kontinuierliches Durchflusssystem mit Fließraten von 80 l/s würde ein Reaktionsvolumen von 48–144 m3 benötigen, um entsprechende Verweilzeiten für das geothermale Fluid zu erreichen. Für die Extraktion muss zusätzlich das Volumen für das Lösungsmittel bereitgestellt werden. Ausgehend von einem 1:1 Verhältnis von Lösungsmittel und geothermalem Fluid würden zwischen 96 m3 und 288 m3 für Verweilzeiten von 10 bis 30 min benötigt werden. Das Trennen der Phasen benötigt noch einmal eine Reaktionszeit in der gleichen Größenordnung, kann jedoch durch den Einsatz von Zentrifugen verkürzt werden (Shi et al. 2018; Swain 2017; Yu et al. 2019). Die gelösten Ionen im Rücklösungswasser können zudem eine Herausforderung darstellen, da sie die Li-Gewinnung und Rücklösung negativ beeinflussen können (Yu et al. 2019).

Allgemein bieten die Flüssig-Flüssig-Technologien ein hohes Potenzial und haben im Labor sehr gute Extraktionseffizienzen erzielt. Die der Realität eines Geothermiekraftwerks am ehesten entsprechende Versuchsreihe wurde im Labor bei Raumtemperatur mit einem Geothermalwasser durchgeführt. Das Wasser wurde vor den Experimenten auf ca. 350 g/l Gesamtsalinität aufkonzentriert und enthielt 700 mg/l Li (Yu et al. 2019). Dadurch wurde die grundlegende Funktion experimentell nachgewiesen und in einer Laborumgebung getestet, was einem TRL von 3–4 entspricht (Mankins 2009, 1995; De Rose et al. 2017). Für den technischen Einsatz im Anlagenmaßstab eines Geothermiekraftwerks sollten jedoch unterschiedliche Parameter wie die Reaktionszeit, der benötigte Volumenstrom und der Chemikalieneinsatz optimiert werden, um einen wirtschaftlichen Einsatz zu ermöglichen. Auch für die in einem geothermischen Kreislauf benötigte Druck- und Temperaturhaltung sind Lösungen zu entwickeln.

Selektive Extraktion mittels Sorption

Für die Verwendung anorganischer Sorbentia zur selektiven Ionenabscheidung werden unterschiedliche Ansätze und Materialien erforscht, wie z. B. Titanoxide, Manganoxide, Aluminiumhydroxide oder Zeolithe. Dabei liegt der aktuelle Fokus der Forschungsprojekte darauf, die Leistung der Sorbentia mit Blick auf ihre Beladungskapazität und Wiederverwendbarkeit zu optimieren (Liu et al. 2019; Stringfellow und Dobson 2021). Das Grundprinzip beruht auf Ionenaustausch und physikalischer Adsorption und Absorption. Bei den Prozessen wird der gelöste Rohstoff an einen Feststoff gebunden, der dem Fluid zugegeben oder von diesem durchströmt wird. Nach dem Kontakt zwischen Sorptionsmittel und dem zu gewinnenden Rohstoff muss dieser aus dem beladenen Sorbens rückgelöst werden. Je nach Anwendung wird der Feststoff dafür zunächst abfiltriert oder die Durchflusszelle, in der er sich befindet, direkt behandelt.

Manganoxide mit Spinellstruktur zeigen eine sehr gute Effizienz zur Lithiumextraktion (Liu et al. 2019; Slunitschek et al. 2021; Stringfellow und Dobson 2021; Weng et al. 2020). Die Manganoxide werden unter Zugabe von Lithium synthetisiert, wodurch dieses in die Kristallstruktur eingebaut wird. Nach dem Herauslösen des Lithiums verbleibt eine Lücke, weshalb von (Lithium‑)Ionensieben gesprochen wird (Liu et al. 2019; Weng et al. 2020). Die Bindung des Lithiums erfolgt über Redox-Reaktionen und Ionenaustausch an und im Kristallgitter (Abb. 2; Weng et al. 2020; Liu et al. 2019). Beim Ionenaustausch werden H+-Kationen aus dem Kristallgitter durch Li+-Kationen der wässrigen Lösung ausgetauscht. Durch das Freisetzen von H+ in das Wasser sinkt der pH-Wert, weshalb sich eine Pufferung auf hohe pH-Werte positiv auf die Beladungskapazität und benötigte Reaktionszeit auswirkt (Liu et al. 2019; Weng et al. 2020). Bei der Redox-Reaktion wird davon ausgegangen, dass Mn3+ disproportioniert und zu gleichen Teilen in Mn2+ und Mn4+ zerfällt. Dies ermöglicht eine Bewegung von Elektronen im Kristallgitter (Abb. 2) und damit den Einbau von Li+. Jedoch führt es auch zur Auflösung des Sorbens und Freigabe von Mn2+ in das Fluid (Feng et al. 1992; Liu et al. 2019). Nach dem Kontakt des Sorptionsmittels mit dem lithiumhaltigen Fluid kann das Lithium vom Sorbens über eine Säurebehandlung gelöst werden (Liu et al. 2019; Ryu et al. 2019; Stringfellow und Dobson 2021; Weng et al. 2020). Die erreichten Beladungskapazitäten bei Tests in Meerwasser oder Sole liegen bei Mangansorbentia bei 20–60 mg/g (Liu et al. 2019; Ryu et al. 2016; Weng et al. 2020; Zandevakili et al. 2014). Kapazitäten > 30 mg/g wurden bei pH-Werten zwischen 10 und 13 erzielt (Liu et al. 2019). Hohe initiale Lithiumgehalte begünstigen die Extraktionseffizienz (Ryu et al. 2016). Mit den entsprechenden Mengen an Sorbens konnten so bis zu 90 % des Lithiums aus unterschiedlichen Solen im Labor gewonnen werden (Zandevakili et al. 2014). Die höchsten Werte bezüglich der Extraktionseffizienz (90 %) und Beladungskapazitäten (62 mg/g) wurden bei Experimenten bei 30 °C unter Einsatz von 100 mg Sorbens für 100 ml Wasser und einer Reaktionszeit von 120 h erreicht. Hierzu wurde die Sole eines Salzsees mit ca. 230 g/l Salinität und ca. 17 mg/l Li verwendet (Zandevakili et al. 2014).

Abb. 2 Fig. 2
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Funktionsweise der Lithiumextraktion mit Manganoxiden (nach Feng et al. 1992). a Einbau von Lithium in die Struktur der Manganoxide. Der Einbau erfolgt über zwei Prozesse: Ionenaustausch und Redox-Reaktion. b Rücklösung des Lithiums aus der Struktur durch die Behandlung mit Säure

Principle of lithium extraction with manganese oxides according to Feng et al. (1992). a Incorporation of lithium into the structure of manganese oxides. The incorporation takes place via two processes: Ion exchange and redox reaction. b Redissolution of lithium from the structure by treatment with acid

Die auf Titanoxiden basierenden Sorbentia sind in ihrem Wirkungsmechanismus den Manganoxidsorbentia sehr ähnlich, zeigen jedoch eine höhere Stabilität über mehrere Be- und Entladezyklen, sind dafür aber weniger selektiv (Liu et al. 2019; Stringfellow und Dobson 2021). Für einen optimalen pH-Bereich von 8–13 liegen ihre Beladungskapazitäten im Bereich 20–30 mg/g (Liu et al. 2019).

Die Lithiumgewinnung mit Aluminiumhydroxiden basiert auf dem Einbau von Lithium in Oktaederlücken von geschichteten Aluminiumhydroxid-Mineralen (z. B. Gibbsit) unter der Bildung von Lithium-Aluminium-Doppelhydroxid-Chlorid (LADH-CL) (Isupov et al. 1999; Paranthaman et al. 2017; Stringfellow und Dobson 2021; Wu et al. 2019). Gleichzeitig wird zwischen den einzelnen Schichten Chlorid gebunden, was eine Produktion von Lithiumchlorid bei der Rücklösung vereinfacht (Jiang et al. 2020; Wu et al. 2019). Im Vergleich zu den o. g. Sorbentia ist die Beladung deutlich geringer und erreicht weniger als 8 mg/g (Isupov et al. 1999; Jiang et al. 2020; Stringfellow und Dobson 2021). Für die Desorption wird keine Säure benötigt, was den Verlust an Sorbens minimiert. Dafür werden aber große Mengen Wasser im Verhältnis Wasser zu Sorbens von 100:1 benötigt (Isupov et al. 1999). In einer Sensitivitätsanalyse (Jiang et al. 2020) wurde ein optimaler pH-Wert von 7 bestimmt sowie eine Beladungsdauer von 60 min für 50 % Beladung und 600 min für das Erreichen des Gleichgewichts. Unter Berücksichtigung dieser Parameter konnten bis zu 90 % des Lithiums aus Solen im Labor gewonnen werden (Isupov et al. 1999; Wu et al. 2019).

Eine weitere Methode ist die Gewinnung von Lithium mittels natürlicher und künstlich synthetisierter Zeolithe. Diese erreichen über den Einbau mittels Ionenaustausch Beladungskapazitäten von 5 mg/l und befinden sich noch im Anfangsstadium der Entwicklung für den Einsatz in Thermalwässern (Stringfellow und Dobson 2021; Wísniewska et al. 2018).

Die direkte Lithiumgewinnung mittels Sorbentia zählt zu den besterforschten Methoden. Darunter erzielen Mangan- und Titansorbentia die höchsten Beladungskapazitäten (Liu et al. 2019; Stringfellow und Dobson 2021). Dennoch ist der Materialeinsatz bei Beladungen von max. 40 mg/g Sorbens nicht zu vernachlässigen, wenn Fluide mit Lithiumkonzentrationen von bis zu 200 mg/l bei Fließraten von 80 l/s behandelt werden sollen. Um die teilweise langen Reaktionszeiten von 24–120 h (Liu et al. 2019; Ryu et al. 2019; Zandevakili et al. 2014) für eine volle Beladung zu erreichen, werden bei einem kontinuierlichen Volumenstrom sehr große Reaktionsgefäße benötigt. Auch wenn die Extraktion kein Teil der geothermischen Energieproduktionseinheit ist, müssen entsprechende Reaktionsgefäße, Verweilzeiten etc. in den Thermalwasserkreislauf integrierbar sein. Eine weitere spezifische Herausforderung für diese Art der Sorbentia ist, dass sie während der Desorption abgebaut werden. Dies erhöht den Materialverbrauch zusätzlich. Auch die Folgen eines Eintrags von Mangan oder Titan in das geothermische Reservoir ist zu betrachten. Die Auflösungsraten schwanken dabei zwischen 1–7 % beim ersten Einsatz eines frisch synthetisierten Sorbens und liegen danach bei ca. 1 % pro Zyklus (Ryu et al. 2016; Zandevakili et al. 2014). Für den optimalen Extraktionsbereich mit hohen pH-Werten sind Laugen zur Pufferung des Systems nötig, die den Materialeinsatz zusätzlich erhöhen. In basischen pH-Bereichen besteht außerdem die Gefahr von karbonatischen und CSH-Scales, die die Effektivität des Sorbens vermindern könnten. Zudem kann es auch zum Einbau konkurrierender Ionen, wie z. B. Na, in das Kristallgitter kommen (Zandevakili et al. 2014). Der Materialverbrauch vergrößert sich zudem durch die benötigte Säure für die Rücklösung des Lithiums.

LADH-CL benötigen zur Pufferung des Systems Laugen bzw. Säuren, wenn der optimale pH-Bereich von 7 erreicht werden soll. Nachteile stellen die geringe Beladung von maximal 8 mg/g und der hohe Wasserbedarf dar. Um eine Extraktionsrate von 50 % zu erreichen, wird nach Jiang et al. (2020) eine ca. 60-minütige Reaktionszeit benötigt. Das Reaktionsvolumen muss mindestens den Durchfluss von 60 min fassen können, was bei 80 l/s 288 m3 entspräche. Bei Wässern mit einer Konzentration von 200 mg/l Lithium würden somit 57.600 g Lithium zirkulieren. Um davon 50 % innerhalb einer Stunde zu extrahieren, werden bei einer Gesamtkapazität von 8 mg/g ca. 7,2 t Aluminiumhydroxid-Sorbens sowie die 100-fache Menge, also 720 t Wasser für die Rücklösung benötigt. Auch wenn dieses Wasser im nächsten Zyklus nach Aufbereitung genutzt werden kann, ist das Volumen dennoch eine Schlüsselgröße zur Dimensionierung der Anlage. Aus der hohen Wassermenge resultiert auch ein niedriger Lithiumgehalt in der extrahierten Lösung, der vor einer Weiterverarbeitung einer Aufkonzentration und der Wasserrückgewinnung bedarf.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die unterschiedlichen Sorbentia und deren Funktion im Labor sehr gut erforscht sind und effiziente Ergebnisse erzielen. Versuche mit realen geothermalen Wässern zeigen das hohe Potenzial der Sorbentia. Der Technologie-Reifegrad für Mangan- und Titansorbentia wird basierend auf der verfügbaren Literatur zwischen 3 und 4 beurteilt, da einzelne Komponenten und die Grundfunktion bereits experimentell getestet wurden. Nach Berichten über erfolgreiche Feldtests (Rettenmaier et al. 2021; Stringfellow und Dobson 2021) wird der Reifegrad von Aluminiumhydroxiden höher eingeschätzt. Für den Einsatz mit realen Wässern in einem Geothermiekraftwerk muss für den Einsatz von Titan- oder Mangansorbentia die Stabilität verbessert werden. Im Falle von Aluminiumhydroxid steht die Beladungskapazität im Entwicklungsfokus. Allgemein wird für die Sorbentia die Kinetik, mit der die Lithiumaufnahme abläuft, zu verbessern sein. Da die Verweilzeiten die Größe der benötigten Reaktionsgefäße maßgeblich beeinflussen, ist in Anbetracht der hohen Fließraten in den Geothermiekraftwerken eine schnelle Teilbeladung der Sorbentia einer hochgradigen (oder gar vollständigen) aber deutlich langsameren Beladung vorzuziehen. Weiterhin stellen sich bei langen Verweilzeiten neue Probleme der Temperaturhaltung und kinetischer Reaktionen ein.

Elektrochemische Methoden

Das Grundprinzip der elektrochemischen Abscheidung von Lithium beruht auf der selektiven Anziehung von positiv geladenen Lithiumkationen an eine Arbeitselektrode unter Anlegen einer Spannung. Anionen und störende Elemente werden an eine Gegenelektrode gebunden (Battistel et al. 2020; Calvo 2019; Liu et al. 2019). Ähnlich zu den Sorbentia, können Mangan- und Titanoxide als Arbeitselektroden verwendet werden (Battistel et al. 2020; Calvo 2019; Liu et al. 2019; Stringfellow und Dobson 2021). Der große Vorteil der elektrochemischen Ansätze ist die schnelle Bindung des Lithiums und eine Rücklösung ohne Chemikalieneinsatz (Battistel et al. 2020). Die elektrochemischen Methoden zeigen schon bei niedrigen initialen Lithiumgehalten ab 7 mg/l eine gute Selektivität, sind jedoch auf eine Maximalkonzentration von ca. 350 mg/l Lithium beschränkt (Battistel et al. 2020; Palagonia et al. 2017). Die am häufigsten diskutierten Methoden sind die elektrochemische Ionenpumpe und die Elektrodialyse. Beide Methoden verwenden eine Arbeitselektrode, die Lithium binden kann. Die maximalen Beladungskoeffizienten liegen bei 30–40 mg/g (Battistel et al. 2020; Calvo 2019; Liu et al. 2019; Stringfellow und Dobson 2021).

Bei einer Ionenpumpe wird das Lithium durch Anlegen einer Spannung an der Arbeitselektrode gebunden und Chlorid an der Gegenelektrode, die z. B. aus Nickel oder Silber besteht (Abb. 3; Battistel et al. 2020; Liu et al. 2019; Romero et al. 2021; Zhao et al. 2019). Im nächsten Schritt wird die Sole aus der Kammer gespült und durch eine Rückgewinnungslösung (Meerwasser oder Sole) ersetzt. In einem dritten Schritt wird das gebundene Lithium durch eine Spannungsumkehr freigegeben (Battistel et al. 2020; Zhao et al. 2019).

Abb. 3 Fig. 3
figure 3

a Schematische Darstellung einer elektrochemischen Ionenpumpe welche Manganoxid als Arbeitselektrode für Lithium verwendet. Angepasst nach Battistel et al. (2020). b Schematische Darstellung zweier unterschiedlicher Ansätze für die Lithiumanreicherung mittels Elektrodialyse. Ansatz A beruht auf einer Membran, die für Lithium permeable ist, andere Ionen aber weitgehend zurückhält. Ansatz B verwendet den umgekehrten Ansatz einer lithiumblockierenden Membran. Angepasst nach Liu et al. (2019)

a Schematic representation of an electrochemical ion pump using manganese oxide as working electrode for lithium. Adapted from Battistel et al. (2020). b Schematic representation of two different approaches for lithium enrichment using electrodialysis. Approach A is based on a membrane that is permeable for lithium but blocks largely other ions. Approach B uses a lithium blocking membrane. Adapted from Liu et al. (2019)

Bei der Elektrodialyse werden elektrochemische und membranbasierte Methoden verbunden (Abb. 3) und zusätzlich ionenselektive Membranen verwendet (Li et al. 2019a; Liu et al. 2019; Mroczek et al. 2015; Stringfellow und Dobson 2021). Diese trennen bei Anliegen einer Spannung selektiv Lithiumkationen und Chloridanionen und erlauben damit eine Anreicherung (Mroczek et al. 2015). In einem zweiten Schritt kann über eine Spannungsumkehr der zu gewinnende Rohstoff wieder an eine Trägerlösung abgegeben werden (Battistel et al. 2020; Li et al. 2019a; Liu et al. 2019). Die Technologie wurde für niedrigsalinare geothermale Wässer im Labor getestet (Mroczek et al. 2015). Für höhersalinare Wässer wurden in Laborversuchen mehrere bipolare Membranen hintereinander geschaltet, um damit inkrementell Ionen aus der Fluidphase zu entziehen (Calvo 2019; Li et al. 2019a).

Da die elektrochemischen Abscheidemethoden auf den gleichen Mechanismen basieren wie sie bereits heute in Lithium-Ionen-Batterien zum Einsatz kommen, sind die Prozesse sehr gut verstanden (Liu et al. 2019). Die Beladungszeiten sind i. A. deutlich niedriger (< 20 min) als bei der Verwendung von anorganischen Sorbentia (Battistel et al. 2020). Durch das Anlegen der Spannung werden keine Chemikalien für die Rücklösung oder Regeneration benötigt. Je nach Methode schwankt die benötigte Energie zwischen 1 und 60 Wh/mol ohne Berücksichtigung der Pumpenenergie (Battistel et al. 2020; Liu et al. 2019). In einem Geothermiekraftwerk mit einer Fließrate von 80 l/s und 200 mg/l Lithium zirkulieren in einer Stunde 8300 mol Lithium (ca. 0,31 t/h Lithiumkarbonat-Äquivalent LCE). Für eine vollständige Extraktion ergäbe das einen Energieverbrauch von 8,3–498 kWh. Bei der genannten Fließrate liegt die elektrische Leistung bei ca. 4 MW, womit die Extraktion 0,2–12,4 % der produzierten elektrischen Energie benötigen würde, ohne Berücksichtigung der benötigten Pumpenenergie.

Im Vergleich der elektrochemischen Methoden wird von einer höheren Effektivität der Ionenpumpe ausgegangen (Battistel et al. 2020). Die Elektrodialyse wurde zwar bereits erfolgreich im kleinen Maßstab mit geothermalen Fluiden getestet (Kanoh et al. 1993; Mroczek et al. 2015), jedoch stellt die Haltbarkeit der selektiven Membranen eine Herausforderung für das Skalieren auf einen Anlagenmaßstab dar (Li et al. 2019a). Ein Problem ist die maximale Beladungskapazität der Arbeitselektroden von 30–40 mg/g. Für einen effektiven Einsatz in einem Geothermiekraftwerk ist daher die technische Ausführung der Reaktionszelle von größter Relevanz (Battistel et al. 2020; Calvo 2019; Zhao et al. 2019). Die korrosive Natur der Thermalwässer ist eine Gefahr für die Integrität der Elektroden und kann die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen (Calvo 2019). Zudem wurden bei elektrochemischen Wasseraufbereitungsprozessen pH-Wertschwankungen festgestellt, die unkontrollierte Mineralausfällungen auslösen können (Arulrajan et al. 2021; Dykstra et al. 2017; Mroczek et al. 2015; Obata et al. 2020). Besonders das Anreichern von zweiwertigen Kationen wie Ca2+, Mg2+, Fe2+ und Karbonaten kann hier die Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit beeinträchtigen (Arulrajan et al. 2021). Beim Einsatz von Membranen in der Elektrodialyse besteht zusätzlich die Gefahr, dass diese durch Ablagerungen verstopft werden (Li et al. 2019a; Zhang et al. 2018).

Trotz vieler offener Punkte wird den elektrochemischen Methoden ein sehr großes Potenzial für eine kommerzielle Nutzung im Anlagenmaßstab zugesprochen, vor allem aufgrund der kurzen Beladungszeit sowie des geringen Chemikalienbedarfs (Battistel et al. 2020; Calvo 2019; Liu et al. 2019; Zhao et al. 2019). Basierend auf den ersten erfolgreichen Laborversuchen, wird der Technologie-Reifegrad zwischen 3 und 4 geschätzt.

Membrantechnologien

Wie die Elektrodialyse basieren reine Membrantechnologien auf dem Einsatz von Lithium-selektiven Membranen. Die selektive Trennung kann dabei über die Ionengröße, Oberflächenladung oder chemische und physikalische Eigenschaften erfolgen (Stringfellow und Dobson 2021). Dabei gibt es eine große Variation an Membrantechnologien, wobei die Membran selbst die Trennung hervorruft oder der Träger für Lösungsmittel oder Sorbentia sein kann (Li et al. 2019a).

Nanofiltration, als Beispiel einer Membrantechnologie, ermöglicht die selektive Abscheidung multivalenter von monovalenten Ionen (Li et al. 39,40,a, b; Sun et al. 2015). Besonders bei magnesiumreichen Fluiden bietet sich eine Behandlung mittels Nanofiltration an, da Mg bei vielen Methoden mit Li aufgrund ähnlicher Ionenradien konkurriert (Schmidt 2017; Sun et al. 2021). Die Abscheidung erfolgt in einem druckbetrieben Prozess über die Porengröße sowie die Ladung der Membran (Li et al. 39,40,a, b; Sun et al. 2015). Nanofiltrationsanlagen sind bereits im industriellen Maßstab verfügbar und werden auch zur Wasseraufbereitung eingesetzt. Die Technik wurde zur Lithiumextraktion an komplexen Fluiden getestet (Li et al. 39,40,a, b; Sun et al. 2015). Der Einsatz der Nanofiltration zur Lithiumabscheidung erfolgt immer in Kombination mit einer Vor- oder Nachbehandlung zur Abtrennung der Störionen, da andere einwertige Kationen wie Na oder K ebenfalls die Membran durchdringen (Li et al. 39,40,a, b; Somrani et al. 2013; Sun et al. 2015).

Ein weiterer Ansatz ist die Kombination von Membrandestillation und Kristallisatoren. Die Membrandestillation ist ein temperaturgetriebenes Verfahren, das über eine wasserabweisende Membran kontaktlos eine Aufkonzentration bis hin zur Kristallisationsgrenze ermöglicht (Li et al. 2019a; Quist-Jensen et al. 66,65,b, a). Der temperaturgetriebene Prozess ermöglicht eine netto-energieneutrale Wasserbehandlung für geothermale Systeme. Hierbei wird eine warme Eingangslösung an einer hydrophoben Membran vorbei geleitet, auf deren anderen Seite sich ein kalter Permeatstrom befindet, wodurch ein Dampfdruckgefälle entlang der Membran entsteht, weshalb das Wasser diese als Dampf passieren und im Permeatstrom kondensieren kann. Durch den Entzug von Wassermolekülen in Form des abgeschiedenen Dampfs kommt es zur relativen Anreicherung der Feststoffe im Eingangswasserstrom (Quist-Jensen et al. 2016a; Winter et al. 2017). Mit dem Wasser des Permeatstorms ließe sich sogar Frischwasser als Co-Produkt gewinnen (Li et al. 2019a; Macdonio 2015). Ähnlich wie die Nanofiltration ermöglicht die Membrandestillation nur eine Anreicherung der Mineralphasen bis hin zur Sättigungsgrenze. Großskalige Anlagen zur Wasseraufbereitung mittels Membrandestillation wurden bereits im Anlagenmaßstab im Dauerbetrieb mit Meerwasser (34 g/l Salinität) (Winter et al. 2017) und im Prototypmaßstab im Geothermiekraftwerk Insheim im ORG (Goldberg et al. 2021) getestet. Die Wirtschaftlichkeit für die Wassergewinnung mittels Membrandestillation wurde für hochsalinare Wässer (ca. 100 g/l) aus der Schiefergasgewinnung bewiesen (Tavakkoli et al. 2017). Für die eigentliche Lithiumextraktion muss ein separater Prozess oder Kristallisator verwendet werden (Li et al. 2019a; Quist-Jensen et al. 66,65,b, a).

Bei der Methode der „Supported Liquid Membrane“ werden Membranen mit Lösungsmitteln beladen, die für die Flüssig-Flüssig-Extraktion verwendet werden (Li et al. 2019a; Sharma et al. 2016). Diese Membranen können dann wie andere Membransysteme durchströmt werden (Ma et al. 2000). Dadurch verbinden sich die Vorteile der Flüssig-Flüssig-Behandlung mit einem deutlich verminderten Lösungsmittel- und Platzbedarf. Unter Laborbedingungen wurde dieser Ansatz für die Lithiumextraktion mit niedrigsalinaren Lösungen getestet und erreichte in Kreislaufprozessen innerhalb 120 min bei pH-Werten von 9,5 bzw. 12,5 Extraktionsraten von über 90 % (Ma et al. 2000; Sharma et al. 2016).

Analog können auch Membranen mit Ionensieben bestückt werden, was eine anlagentechnische Anwendung erleichtert (Li et al. 2019a). Dadurch wird die große Oberfläche und Selektivität der Sorbentia mit den Vorteilen der Membran kombiniert, die das Sorbens stationär hält und einen niedrigen Energieverbrauch gewährleistet (Li et al. 2019a). Die mit dem Sorbens bestückten Membranen konnten Beladungen von 30 mg/g erreichen. Der größte Teil der Beladung findet bei diesem Ansatz innerhalb von 60 min Kontaktzeit statt und zeigt damit eine vergleichsweise schnelle Kinetik (Li et al. 2019a; Sun et al. 2016).

Die Membranprozesse können in der Rohstoffgewinnung aus Thermalwässern unterschiedliche Anwendungen finden. Nanofiltration und Membrandestillation sind effektive Methoden zur Aufkonzentration der Wässer und sind über ihren druck- bzw. temperaturgetriebenen Prozess sehr gut in einen geothermischen Kreislauf integrierbar. Durch die Aufkonzentration können auch niedrigsalinare Wässer auf einen Lithiumgehalt gebracht werden, der eine Rohstoffextraktion ermöglicht. Die Membrantechnologien zur direkten Lithiumabscheidung, die Sorbens oder Lösungsmittel mit Membranen kombinieren, sind noch in einem Entwicklungsstadium. Eine selektive Abscheidung erfolgte bereits erfolgreich im Labormaßstab, jedoch bedarf es noch der Skalierung auf einen Anlagenmaßstab (Li et al. 39,40,a, b; Ma et al. 2000; Sharma et al. 2016; Sun et al. 2016). Der Technologie-Reifegrad liegt dabei zwischen 3 und 4. Durch die Kombinationen konnte die Leistungsfähigkeit der einzelnen Extraktionsmethoden in manchen Bereichen verbessert werden. Herausforderungen wie beispielsweise die Rücklösung des Lithiums mit Säuren oder der Abbau von Sorbentia oder Lösungsmitteln bleiben aber bestehen. Hinzu kommen neue, membranspezifische Herausforderungen wie das Verstopfen der Membranen durch mineralische Ausfällungen in den Poren. Hiervon hebt sich jedoch die Membrandestillation ab, die ein geringeres Potenzial für Verstopfungen zeigt. Weitere Herausforderungen sind die Komplexität der Membranherstellung sowie die damit verbundenen hohen Kosten (Li et al. 2019a).

Aktuelle Extraktionsprojekte

Weltweit wird an Techniken zur direkten Lithiumextraktion aus Salar-Fluiden oder Thermalwässern mit hohen Lithiumkonzentrationen geforscht (Tab. 4). Beispiele sind die Arbeiten von Livent in Catamarca (Argentinien) und von verschiedenen Firmen in Qinghai (China) (Grant 2020). Pilotarbeiten von Livent (früher FMC) gehen auf die 1990er-Jahre zurück (Grant 2020). Eine kommerzielle Produktion mit direkter Lithiumgewinnung mittels Sorptionstechnik (Sorbentia wurden nicht spezifiziert) gibt es seit den 2000er Jahren in Catamarca (Argentinien) (Grant 2020). Versuche, diese Technologie auf Thermalwässer zu übertragen, gab es zuerst in der Salton Sea Region (Imperial Valley, USA). Nach ersten Laborstudien zur Lithiumextraktion mittels Fällung von Lithiumaluminatkomplexen (Bertold und Baker 1976) und Lithiumkarbonat (Palmer et al. 1975), wurde das dortige Thermalwasser als eine wichtige Ressource für Lithium in Betracht gezogen (Bertold und Baker 1976). Tatsächlich umgesetzt wurde dann jedoch die Extraktion anderer Elemente wie z. B. K und Ca, Mn und Fe (1965–1990, verschieden Firmen) oder Zn (CalEnergy, um das Jahr 2000) (Stringfellow und Dobson 2021). SimbolMaterials stellte in den 2010er Jahren eine kommerzielle Lithiumproduktion aus geothermischen Fluiden fertig (Stringfellow und Dobson 2021). Durch die Volatilität des Marktes standen die Firmen dort aber unter starkem finanziellem Druck. Projekte mussten meist vorzeitig aufgegeben werden. Durch eine zunehmende Nachfrage und steigende Lithiummarktpreise (Schmidt 2017) sind neue Akteure hinzugekommen, die nach eigenen Aussagen bereits 2024 mit dem Beginn der Produktion im Geothermiefeld von Salton Sea jenseits des Pilotstadiums rechnen (Energy Source Minerals 2022). Auch in Europa laufen mehrere Projekte (Tab. 4), die sich mit der direkten Lithiumextraktion aus Thermalwässern beschäftigen.

Tab. 4 Table 4 Aktuelle Forschungsprojekte und kommerzielle Ansätze zur direkten Lithiumgewinnung aus geothermalen Fluiden. Informationen über die (industriellen) Projekte stammen mangels Verfügbarkeit nicht aus wissenschaftlich begutachteten Veröffentlichungen, sondern wurden aus Firmenkommunikationen entnommen, die nicht unabhängig geprüft und bewertet werden könnenCurrent research projects and commercial approaches for direct lithium extraction from geothermal fluids. Information about the (industrial) projects is not taken from scientifically peer-reviewed publications due to lack of availability but was taken from company communications that cannot be independently verified and evaluated

Diskussion und Fazit

Die direkte Extraktion von Lithium aus Thermalwässern ist technisch nicht trivial, wurde jedoch vielfach erfolgreich im Labor durchgeführt. Die nächste Hürde ist die Umsetzung der Technologien in Felddemonstratoren und der Test in der Einsatzumgebung. Ein Vergleich der Technologien (Tab. 5) zeigt, dass sämtliche Methoden Hürden bei einer Integration in einen Kraftwerksprozess überwinden müssen, aber auch individuelle Vorteile aufweisen. Die wesentlichen Herausforderungen für die Erreichung der technologischen Reife lassen sich in vier Hauptpunkten zusammenfassen:

  • Verweilzeit/Platzbedarf: Die Verweilzeit ist ein maßgeblicher Parameter für die Integration in einen Kraftwerksprozess, da sie maßgeblich die Größe der Reaktionsinfrastruktur beeinflusst. Elektrochemische Methoden und die Flüssig-Flüssig-Extraktion stechen hier positiv heraus, da bei diesen Methoden hohe Extraktionseffizienzen von 90 % in kurzen Zeiträumen (< 60 min) erreicht werden. Die unterschiedlichen Sorbentia können schnell (≈ 60 min) niedrige Extraktionsraten (z. B. 50 %) erreichen. Für eine volle Beladung der Sorbentia werden allerdings Zeiträume von mehreren Stunden bis Tagen benötigt. Diese Zeiträume können z. B. durch die Kombination mit Membranverfahren verkürzt werden. Ein großer Platzbedarf kann aber auch durch die Menge der benötigten Extraktions- oder Rücklösesubstanzen entstehen. Diese Menge ist maßgeblich beeinflusst durch die spezifische Beladungskapazität Q der verwendeten Substanzen:

    $$Q=\frac{\left(c_{0}-c_{e}\right)\cdot V_{\text{fluid}}}{m_{\mathrm{sub}}}$$
    (1)

    mit:

    • Q = Beladungskapazität [mg/g]

    • c0 = Initiale Lithiumkonzentration [mg/l]

    • ce = Lithiumkonzentration nach Extraktion [mg/l]

    • Vfluid = Verarbeitetes Thermalwasservolumen [l]

    • msub = Masse der eingesetzten Extraktionsubstanz [g]

    Die Lösungsmittel der Flüssig-Flüssig-Extraktion werden für eine effektive Extraktion im ein- bis zweieinhalbfachen Verhältnis zum Thermalwasserstrom benötigt, was einen sehr großen Platzbedarf und damit einen Nachteil darstellt. Bei Lithium-Aluminium-Doppelhydroxid-Chlorid (LADH-CL) wird ein großes stationäres Wasservolumen benötigt, in der Größenordnung mehrerer 100–1000 t samt Aufbereitungsanlage.

    Insbesondere stellen die großen Reaktionsvolumina eine Herausforderung für Kraftwerke dar, in denen der Thermalwasserkreislauf zur Vermeidung von Scaling unter Druck gehalten wird. In Abhängigkeit von der Extraktionsmethode kann sich aufgrund von Druckniveau und Volumenstrom ein enormes Druckinhaltsprodukt ergeben. Daraus können signifikante Anforderungen an die Extraktionsinfrastruktur und die technische Umsetzung entstehen.

  • Materialabbau/-bedarf: Die Zersetzung von Extraktionssubstanzen und der Chemikalienbedarf beim Betrieb sind für einen wirtschaftlichen Einsatz einer Methode relevant. Die elektrochemischen Methoden und die Extraktion mittels Aluminiumhydroxid-Sorbentia sind die einzigen Verfahren, die in den Laborversuchen ohne zusätzliche Chemikalienzugabe für den Extraktionsprozess auskommen (Battistel et al. 2020; Isupov et al. 1999). Alle anderen Lösungsmittel und Sorbentia benötigen Säuren und Basen zur Lithiumrücklösung und Regeneration sowie für die Einstellung eines idealen pH-Bereichs für die Extraktion. Zudem wurde bei den Sorbentia auch eine Teillösung der Extraktionssubstanzen festgestellt.

  • Scalingpotenzial: Das Scalingpotenzial (Gefahr unkontrollierter, mineralischer Ausfällungen) wird maßgeblich durch den pH-Wert, die Temperatur und die Wechselwirkungszeit mit den Extraktionsmaterialien beeinflusst. Bei den beschriebenen Technologien mit langen Verweilzeiten (> 60 min) können kinetische Reaktionen stattfinden, die bei einer kurzen Verweilzeit nicht beobachtet würden (Setiawan et al. 2019). Das Ausfällungsrisiko kann durch eine mögliche Abkühlung während der Kontaktzeit mit dem Sorbens verstärkt werden. Eine Anpassung des pH-Wertes zur Verbesserung der Extraktionsbedingungen verändert den Wasserchemismus und kann Scaling induzieren. Bei elektrochemischen Verfahren können durch das Anlegen der Spannung lokal pH-Änderungen von ±2 entstehen, die Scaling induzieren können (Arulrajan et al. 2021; Dykstra et al. 2017; Mroczek et al. 2015; Obata et al. 2020). Die Sorbentia sowie die „Supported-Liquid-Membranen“ haben einen idealen pH Bereich, der nur durch Pufferung erreicht wird. Bei LADH-CL liegt dieser Bereich bei pH 7, bei den anderen Verfahren (Mangan- und Titanoxid) wurden beste Effizienzen bei pH 9–13 experimentell nachgewiesen (Liu et al. 2019). Insbesondere in den hohen pH-Bereichen (> 10) übersättigen unterschiedliche Mineralphasen, wie CSH-Phasen, und können zu Ausfällungen führen (Goldberg et al. 2021; Greenberg und Chang 1965; Spitzmüller et al. 2021).

  • Energieverbrauch: Der Energieverbrauch hat Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit einer kombinierten Energie- und Rohstoffgewinnung. Bei einem stromerzeugenden Kraftwerk verringert sich die Menge des Stroms, der in das Netz eingespeist werden kann, steht dafür aber CO2-neutral und zuverlässig zur Verfügung. Bei einem reinen Wärmekraftwerk müsste der Strom zusätzlich eingekauft werden. Bei allen Methoden wird durch Pumpen, Rührgefäße, Zentrifugen oder Regeltechnologien ein zusätzlicher Energieverbrauch entstehen. Bei den elektrochemischen Methoden wird zusätzlich Energie für die Extraktion gebraucht.

Tab. 5 Table 5 Verschiedene direkte Extraktionsverfahren für Lithium aus Thermalwässern im Vergleich. Die Tabelle gibt einen Überblick über Vor- und Nachteile der Technologien, Betriebsparameter während der Extraktionsprozesse, sowie eine auf dem Literaturvergleich basierte Abschätzung des Technologie-Reifegrads (TRL)Different direct extraction processes for lithium from thermal waters. The table gives an overview of advantages and disadvantages of the technologies, operating parameters during the extraction process, as well as an estimation of the technology readiness level (TRL) based on the literature review

Der Vergleich der unterschiedlichen Technologien zeigt, dass eine selektive Extraktion von Lithium aus geothermalen Wässern technologisch möglich ist und im Labor validiert wurde. Ein Transfer auf einen Prototypen- oder Anlagenmaßstab ist jedoch keinesfalls trivial. Die prognostizierte Extraktionseffizienz von 90 % wurden in idealisierten Laborversuchen bei Raumtemperatur, im stationären Betrieb und meist nur mit langen Verweilzeiten erreicht. Lange Verweilzeiten sind in einem Geothermiekraftwerk aufgrund der großen Volumenströme jedoch kaum zu erzielen. Für eine Implementierung sind daher geringere Extraktionseffizienzen zugunsten schnellerer Kinetik zu bevorzugen oder die Arbeit auf einem Teilstrom, da ansonsten ein deutlich höherer Materialeinsatz und Platzbedarf einzuplanen ist. Für das Erreichen einer Effizienz von 50 % ist bei unterschiedlichen Methoden eine 60-minütige Verweilzeit nötig (Jiang et al. 2020; Yu et al. 2019), die mit Blick auf Fließraten von 80 l/s eine Herausforderung darstellt. Dies gilt insbesondere, da das Thermalwasser bei der Energieproduktion unmittelbar zurück in den Untergrund geleitet wird und damit normalerweise eine kurze obertägige Verweilzeit hat (Brasser et al. 2014; Schilling et al. 2022).

Eine Extraktion wird durch das Korrosions- und Scalingpotenzial der Wässer erschwert, was bereits aus der geothermischen Energieproduktion bekannt ist. Dieses ist jedoch mit einer gezielten Behandlungsstrategie kontrollierbar (Eggeling et al. 2018; Nitschke et al. 2014; Scheiber et al. 79,78,b, a). Die Korrosions- und Scalingproblematik verstärkt sich infolge von Prozessen zur Fluidkonzentration, Abkühlung während der Reaktionszeit oder pH-Wert-Änderungen zur Verbesserung der Extraktionseffektivität. Wie sich dies jedoch im Detail auf die Lithiumextraktion auf Produktionsskala auswirkt, kann nur im Rahmen eines In-situ-Langzeitanlagentest (TRL 7–8) evaluiert werden. Punktuelle Prototypentests geben darüber nur bedingt Auskunft. Grant (2020) hebt beispielsweise hervor, dass ein einfacher Transfer der Erkenntnisse von einer Anlage auf andere Standorte aufgrund unterschiedlicher Thermalwasserzusammensetzung nicht uneingeschränkt möglich ist. Extraktionseffizienzen im laufenden Betrieb bleiben deshalb aufgrund fehlender großskaliger Demonstratoren spekulativ. Die im Labor erreichten Extraktionseffizienzen betrugen unter Idealbedingungen 50–90 % bei teilweise sehr langen Verweilzeiten. Da im laufenden Anlagenbetrieb mit realen Wässern und hohen Fließraten die Anforderungen an Material, Technik und Volumenkapazität der Reaktoren ungleich höher sind, sind vergleichbar hohe Effizienzen nicht zu erwarten. Deshalb sind beim heutigen Stand der Technik Extraktionseffizienzen am unteren Ende der Bandbreite der Laborexperimente im laufenden Betrieb plausibler als die vielfach diskutierten, optimistischeren Szenarien.