Liebe Leserin, lieber Leser,

die Transformation der Energieversorgung ist ein Prozess mit ungewissem Ausgang. Historisch betrachtet ermöglichte die Ablösung von Biobrennstoffen wie Holz durch fossile Brennstoffe, zunächst Kohle, eine Entwicklung der menschlichen Gesellschaft in nie dagewesenem Tempo und in vielgestaltiger Weise. Ohne die aus der Kohle gewonnene Nutzenergie wäre die Industrielle Revolution nicht möglich gewesen. Später kamen noch das viel praktischere und vielfältiger einsetzbare Rohöl sowie die Kernenergie hinzu – auch wenn Letztere die in sie gesetzten Hoffnungen nie zu erfüllen vermochte. Dass der Einsatz der Fossilen auch mit Nebenwirkungen einherging, die von Unglücksfällen bei der Gewinnung über Umweltschäden bis hin zu ihrer Rolle als Treiber des globalen Klimawandels reichen, hat sie bis heute nicht vollständig diskreditiert. Dabei hat der Russland-Ukraine-Krieg 2022 die mit der Verfügbarkeit und dem Einsatz fossiler Energieträger einhergehenden geopolitischen Implikationen in aller Deutlichkeit in das kollektive Bewusstsein gerufen.

Fürsprecher*innen des fossil-atomaren Energiesystems gibt es trotzdem noch immer reichlich, weil Wachstumsorientierung und Akkumulationszwang zentrale Funktionsimperative der kapitalistischen Wirtschaftsordnung sind. Der Wechsel hin zum Einsatz der „Erneuerbaren“ ist eine Geschichte von Gewinnen und Verlusten, Fehlsteuerungen und womöglich auch überzogenen Erwartungen. In Deutschland sind bedeutende Erfolge bisher allenfalls im Bereich der Stromerzeugung feststellbar, wobei auch hier der Umbau des Stromverteilungssystems sowie der Energiespeicherung noch keineswegs so weit fortgeschritten sind, wie es wünschenswert und auch notwendig wäre. Die Bereitstellung von Heiz- und Prozesswärme – und zunehmend auch von Energie zur Gebäudekühlung – fällt gegenüber dem Stromsektor weit zurück, und der Bereich der Mobilität stagniert trotz des relativen (staatlich subventionierten) Booms der Elektroautos eher.

In dieser Gemengelage vielfältiger, teils unvereinbarer Ziele und Interessen hat die Geographie ihren festen Platz. Sie vermag beispielsweise die Ansprüche und Auswirkungen der Erneuerbaren auf den Raum, die planerische Sicherung der benötigten zusätzlichen Flächen, die Ausweisung von Vorranggebieten, die Untersuchung der Veränderungen des Landschaftsbildes oder die Förderung der Ziele der Nachhaltigkeit zu beschreiben und zu erklären. Insofern liegt es nahe, dass eine der fachlichen Praxis zugewandte Zeitschrift wie der STANDORT ein Themenheft zu Energiewenden herausgibt. Wir freuen uns, dass es gelungen ist, mit den hier abgedruckten Beiträgen die Facetten von Energiewenden auch abseits der oben umrissenen großen Züge zu beleuchten. Die Autor*innen liefern interessante Einblicke auch in bisher weniger intensiv betrachtete Bereiche dieses großen Themenfeldes. Vor allem ist es gelungen, den Blick über den Tellerrand hinaus auch auf Herausforderungen außerhalb Deutschlands zu richten.

In diesem Sinne wünschen wir eine anregende Lektüre – und natürlich: Glück auf!