FormalPara Leserbrief zu

Mechsner S (2021) Endometrioseschmerz beherrschen. Schmerz 35:159–171. https://doi.org/10.1007/s00482-021-00543-8.

Sehr geehrte Frau Mechsner,

vielen Dank für Ihren umfangreichen und aufschlussreichen Artikel in Der Schmerz Juni 2021.

Ich habe eine Anmerkung:

Ihr Stufenschema zur Behandlung der Endometriose könnte dem Therapieregime in Ihrer universitären Einrichtung entsprechen, ist aber m. E. insgesamt für die Behandlung der Frauen auf den Kopf gestellt.

Wenn ich Ihre Aussagen im Artikel ernst nehmen darf, ist der Ausgangspunkt der Endometriose in einer Hyperreflexie des Uterus zu suchen (also einem funktionellen Agens), beginnt oft vor dem 20. Lebensjahr (also in einer entscheidenden Entwicklungsphase der Frau mit hormoneller Umgestaltung und den psychoemotionalen und körperlichen Zusammenhängen). Die Beschwerden bestehen vor den Endometrioseherden, die erst viel später nachgewiesen werden, und die Ausprägung der Beschwerden korreliert nicht mit der Ausprägung der Endometrioseherde.

Das legt nahe, dass schon der Schmerzbeginn in Verbindung mit einer länger bestehenden, zunächst schmerzfreien, myofaszial-dysfunktionalen Anspannung/Verspannung steht. Warum beginnen Sie bei Ihrem Stufenschema mit so invasiven Maßnahmen wie der Hormontherapie und der Operation und dann später erst mit den „komplementären“ Verfahren. Auch hier zuerst die extern angewendeten Maßnahmen (z. B. Akupunktur), und auch beim Beckenboden kommen erst die technischen Hilfsmittel und erst in zweiter Linie Maßnahmen, die die Selbstwirksamkeit im Blick haben, zu Wort.

Erst wenn die periphere und zentrale Sensibilisierung eingetreten ist, wollen Sie mit den multimodalen Maßnahmen zur Besserung der Selbstwirksamkeit einsetzen. Wir wissen doch aus der Praxis, dass eine Sensibilisierung und ein langer, pathologisierender Weg so schwer zurückzudrehen ist!

Meines Erachtens ist der Beckenboden Symbol für das, auf dem wir stehen. Bei diesen jungen Frauen muss zuerst und immer wieder mit genauer Anamnese (auch psychosozial) und klinischer Untersuchung (auch neuromuskulär/funktionell) und weiterer Diagnostik nach triggernden Umständen gesucht werden. Bei jeder Exazerbation könnte man versuchen, die Trigger in den Blick zu nehmen. Zuallererst und immer wieder begleitend zu allen anderen Maßnahmen, müssen Maßnahmen und Therapien mit Selbstwirksamkeitsaspekt angesprochen und angeboten werden. Ihre 4.–6. Stufe gehört also nach unten, das ist die Basis.