FormalPara Infobox

AWMF-Leitlinien Register Nummer: 060-004

Entwicklungsstufe: S2e

Convenor/Leitliniensekretariat: Prof. Dr. Christoph Fiehn

Inhaltlicher Stand: April 2018, Gültigkeit der Leitlinie: bis April 2023

Verabschiedung der Leitlinie durch den Vorstand der DGRh März 2018

Besonderer Hinweis: Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zur Zeit der Drucklegung der Leitlinie entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet.

Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische und therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung.

Einleitung

Moderne Therapiestrategien mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten haben das Bild der rheumatoiden Arthritis (RA) in neuerer Zeit stark verändert. Der Fortschritt ist u. a. ablesbar in geringerer radiologischer Progression, aber auch verbesserter Funktionalität von Patienten mit RA [31, 33, 128]. Zudem reduzieren moderne Therapien signifikant Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit [109], kardiovaskuläre Morbidität [8] und Gesamtmortalität [69] bei RA-Patienten und sind dabei kosteneffektiv [126].

Voraussetzung dieser positiven therapeutischen Entwicklung war das bessere pathophysiologische Verständnis der RA als entzündliche Systemerkrankung mit im Vordergrund stehender proliferativer Synovitis und inhärentem gelenkzerstörerischem Potential. Als logische Konsequenz folgte die Notwendigkeit der frühen und möglichst vollständigen und nachhaltigen Unterdrückung der Entzündung bei der RA. Neue Klassifikationskriterien der RA [5] erlauben die Erkrankung früher zu detektieren und das Konzept des Treat-to-Target (T2T) mit dem Ziel der Remission umzusetzen [92]. Diese Remission ist nun, deutlich strenger als früher, als nahezu vollständige Entzündungs- und Beschwerdefreiheit definiert ([30]; siehe Glossar, Tab. 1). Die Entwicklung neuer hochwirksamer und zielgerichteter Medikamente hat diese Entwicklung weiter begünstigt. Das Ziel der hier vorgestellten Leitlinie ist es, eine evidenz- und konsensbasierte Empfehlung für eine bestmögliche Therapie der RA in Deutschland nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu geben. Sie baut auf der S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) von 2012 auf [65].

Tab. 1 Glossar

Methoden

Bei der Konzeption und der Durchführung der Leitlinie wurde den Empfehlungen der European League Against Rheumatism (EULAR) [111] und des Manuals der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) (www.awmf.org/leitlinien) für die Erstellung von Empfehlungen und Leitlinien gefolgt. Es wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt (C. W.), die detailliert im Zusatzmaterial online beschrieben ist.

Die Sichtung der Literatur und die Erarbeitung von Vorschlägen für die Konsenstreffen erfolgte in 5 Arbeitsgruppen (AG Therapiealgorithmus, AG Treat-to-Target, AG Deeskalation, AG Personalisierte Medizin und AG JAK-Inhibitoren) mit den jeweiligen Leitern K. K, C. F., J. H., C. I.-K. sowie J. L.

Die Empfehlungen wurden in einem strukturierten Konsensprozess erarbeitet. Nach einem ersten konstituierenden Treffen wurde dieser Prozess in drei weiteren Treffen jeweils von externen, speziell geschulten Moderatoren (M. N. und H. S.) der AWMF ohne Interessenkonflikte geleitet. Dabei wurden jeweils Empfehlungsgrade nach der Systematik des Oxford Centre for Evidence-Based Medicine von 2009 (www.cebm.net) vergeben.

Vor Beginn des Konsensprozesses wurden die Interessenkonflikte der Teilnehmer mit einem von der AWMF entworfenen Fragebogen erfragt. Die dabei angegebenen Interessenkonflikte wurden durch 3 von der DGRh benannte Ombudspersonen (E. Genth, Aachen, W. Gross, Lübeck, H.-H. Peter, Freiburg) begutachtet. Wenn Interessenkonflikte vorlagen die den Ombudspersonen als bedeutend erschienen, wurde beschlossen, dass sich die jeweiligen Mitglieder der Gruppe bei den Konsens-Abstimmungen der Stimme zu enthalten hatten. Dies war der Fall, z. B. wenn vermutet wurde, dass Teilnehmer durch Beteiligungen an Firmen zur Durchführung von klinischen Studien oder aber durch sonstige direkte wirtschaftliche Interessen nicht die notwendige Unabhängigkeit haben könnten.

Der Risk of Bias (RoB) wurde nach der Methode ACROBAT-NRSI der Cochrane Bias Methods Group (methods.cochrane.org/bias/home und www.riskofbias.info) evaluiert (M. F.). Evidenztabellen wurden in modifizierter Form nach dem Standard der Evidence Tables Working Group des Guidelines International Network erarbeitet (www.g-i-n.net). In den jeweiligen Arbeitsgruppen wurden die dafür wichtigsten Referenzen der entsprechenden Themen ausgewählt. Die RoB-Tabellen lagen bei den Konsenstreffen und Diskussionen der jeweiligen Themen vor. RoB- und Evidenztabellen sind im Zusatzmaterial online einzusehen.

Ergebnisse

Allgemeine Prinzipien der Therapie

Übergeordnete Prinzipien

Die übergeordneten Prinzipien A–F sind in Tab. 2 aufgelistet.

Tab. 2 Prinzipien und Empfehlungen

Alle Prinzipien mit Ausnahme von D wurden einstimmig beschlossen. Bei der Zuständigkeit des internistischen Rheumatologen für das Management der RA (übergeordnetes Prinzip D) bestand ebenfalls eine hohe Übereinstimmung, es gab jedoch ein Minderheitsvotum (S. S.) in der Konsensgruppe das Wort „internistisch“ zu streichen.

Therapiealgorithmus und Empfehlungen

Der empfohlene Therapiealgorithmus, wie er in den Konsensgruppen erarbeitet wurde, ist in Abb. 1a–c dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Therapiealgorithmus für die Behandlung der RA mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten (Definitionen siehe Glossar, Tab. 1). Therapieanpassung in Woche 6 (Phase 1, Schritt 3) bedeutet die Optimierung der Therapie durch Anpassung der Dosierungen der Medikamente und ggf. dem Wechsel der Applikationsform (s. c. statt p. o.). Zu diesem Zeitpunkt sollten auch die Verträglichkeit der Medikation und die Adhärenz des Patienten an die Medikation überprüft werden (siehe auch Empfehlung Nr. 7). a Phase 1. b Phase 2. c Phase 3

Abb. 1
figure 2

(Fortsetzung)

Empfehlung 1

Sobald die Diagnose einer RA gestellt ist, soll eine Therapie mit DMARD begonnen werden. (Empfehlungsgrad A)

Der frühestmögliche Beginn einer DMARD-Therapie bei neu diagnostizierter RA (optimalerweise innerhalb von 12 Wochen nach Symptombeginn) wirkt sich positiv auf die Parameter Remission, therapeutisches Ansprechen, Funktionsstatus und radiologische Progression aus und wird in einer großen Zahl kontrollierter Studien belegt (Zusammenfassung und Übersicht unter [16]). Gegenwärtig ist noch unklar, ob der Beginn einer DMARD-Therapie überhaupt die Diagnose einer gesicherten RA erfordert und ob ein noch früherer Therapiebeginn zusätzlich den Langzeitverlauf positiv beeinflusst. Eine weitere Diskussion dazu ist künftig erforderlich. Die kontrollierte IMPROVED-Studie behandelte sowohl Patienten mit früher gesicherter RA und (noch) undifferenzierter Arthritis. In dieser Studie wurden durchweg hohe Remissionsraten [52] (LoE 1b) erreicht. Allerdings konnte auf die Frage, wie groß der Vorteil der Behandlung vor Diagnosesicherung tatsächlich ist, noch keine Antwort gefunden werden. Der Einsatz von Methotrexat (MTX) vs. Placebo bei undifferenzierter Arthritis („wahrscheinliche RA“) führte in der PROMPT-Studie nach 30 Monaten zur Verzögerung der radiologischen Progression und des Übergangs in eine gesicherte RA [116] (LoE 1b). Nach fünf Jahren gab es zwischen beiden Gruppen jedoch keine Unterschiede im Outcome [110] (LoE 2). Ein DMARD-Beginn bei vermuteter, aber noch nicht gesicherter RA ist somit noch nicht generell zu empfehlen, wenn auch im Einzelfall gute Gründe dafür sprechen können. Weitere Studien sind zur Eingrenzung der Subgruppe von Patienten notwendig, die von einer solchen sehr frühen Therapie profitiert (s. Forschungs-Agenda).

Empfehlung 2

Das Ziel der Therapie ist das Erreichen und die Erhaltung einer Remission. (Empfehlungsgrad A)

Es besteht ein Konsens zur Messung der klinischen Krankheitsaktivität mit einem Composite-Score bei T2T. Dabei können z. B. der DAS28, CDAI oder SDAI genutzt werden (siehe Glossar, Tab. 1) (Empfehlungsgrad A). Das Ziel von T2T ist, einen Krankheitsaktivitätsscore zu erreichen, der einer Remission entspricht. Der Vorteil dieser Vorgehensweise wurde durch eine Vielzahl von klinischen Studien belegt [103]. Die inzwischen nicht mehr zeitgemäßen alten EULAR-Response-Kriterien [117] haben eine zu hohe klinische Aktivität und das Fortschreiten der Gelenkzerstörung zugelassen. Diese Beobachtungen wurden z. B. in der SWEFOT-Studie erhoben [84]. Daher ist es Konsens, dass die neuen EULAR/ACR-Kriterien für die Remission (Boole’sche Kriterien oder Index-basierte Kriterien i. S. des SDAI, siehe Glossar) [30] das Ziel des T2T sein sollten (Empfehlungsgrad A). Nach Meinung der Konsensgruppe ist in der Praxis des Rheumatologen der SDAI praktikabler als die, nach den neuen Remissionskriterien ebenfalls mögliche Boole’sche Definition der Remission. In einer Post-Hoc-Analyse der prospektiven randomisierten AGREE-Studie wurde gezeigt, dass Patienten mit einer erreichten SDAI-Remission ein signifikant besseres Outcome sowohl in der Funktion (HAQ) als auch in strukturellen Veränderungen zeigten [100]. In dieser Studie zur Untersuchung der frühen RA erreichten ca. 23 % der Patienten bei einer initialen Kombinationstherapie von MTX und einem bDMARD eine SDAI-Remission. Das Ziel der SDAI-Remission ist also durchaus realistisch. Wenn nicht anders möglich, kann auch ein Krankheitsaktivitätsscore, der einer niedrigen Krankheitsaktivität entspricht, insbesondere bei schon länger bestehender und schlecht oder unzureichend kontrollierter RA, eine akzeptable Alternative zum T2T-Ziel Remission sein (zur Definition der Aktivität siehe Glossar, Tab. 1).

Empfehlung 3

Kontrollen der Krankheitsaktivität sollten bei aktiver Erkrankung häufig (alle 1–3 Monate) und mit einem Composite Score erfolgen. Wenn 3 Monate nach Beginn der Therapie keine Verbesserung zu sehen ist oder wenn nach 6 Monaten das Ziel nicht erreicht wird, sollte die Therapie geändert werden. (Empfehlungsgrad B)

Konsens war es, sich den Empfehlungen der EULAR anzuschließen [13], dass Kontrollen der Krankheitsaktivität bei aktiver Erkrankung häufig erfolgen sollten (etwa alle 1–3 Monate), mit Änderungen der Therapie nach 3 bzw. 6 Monaten je nach Erreichen einer Verbesserung bzw. des Therapiezieles (Abb. 1a, Phase 1, Schritt 3–7). Die Verbesserung ist dabei durch eine mindestens 50 %ige Reduktion des jeweiligen Composite Scores definiert (Empfehlungsgrad B). Die Empfehlung ergibt sich aus den Beobachtungen, dass die Krankheitsaktivität früh im Verlauf ein wichtiger Prädiktor für das Outcome [3, 4] und eine 50 %ige Reduktion der Krankheitsaktivität ein geforderter Schwellenwert für eine signifikante Verbesserung jeweils nach einem Jahr ist [17, 112]. Die älteren EULAR-Response-Kriterien [117] als Definition des therapeutischen Ansprechens wurden daher verlassen.

Empfehlung 4

Methotrexat (MTX) soll als erstes csDMARD eingesetzt werden, ein Vorteil für eine initiale Kombination mehrerer csDMARDs ist nicht sicher belegt. (Empfehlungsgrad A)

MTX gilt heute in allen Leitlinien unter den konventionellen synthetischen DMARDs (csDMARDs) als Mittel der ersten Wahl („anchor drug“, Abb. 1a, Phase 1, Schritt 1 [97]). Es ist die innerhalb dieser Gruppe bestuntersuchte Substanz in Monotherapie sowie als Kombinationspartner mit anderen DMARDs. Ein kontrollierter Vergleich mit anderen csDMARDs in der Erstlinientherapie existiert allerdings nicht. Zur Wirksamkeit von MTX in der Monotherapie wurde z. B. in einer Metaanalyse aus sieben RCTs im Dosisbereich 5–25 mg/Woche über 52 Wochen eine im Vergleich zu Placebo signifikante Wirksamkeit belegt, die gepoolte Risk-Ratio für eine ACR50-Response lag bei 3,0, die number needed to treat (NNT) bei 7 [71] (LoE 1a). In der gleichen Auswertung lag die Rate unerwünschter Ereignisse über 12 Wochen unter MTX bei 45 % vs. 15 % unter Placebo, schwere unerwünschte Ereignisse traten über 27–52 Wochen jedoch nicht signifikant häufiger auf (3 % vs. 2 %). Eine ACR70-Response ist mit einer MTX-Monotherapie innerhalb von 6 Monaten bei 25 % der Patienten erreichbar [91] (LoE 5). Ein optimierter Einsatz in Kombination mit Glukokortikoiden (GC, siehe unten) führt innerhalb von 16 Wochen zu einer Remissionsrate von 73,6 %, die auch nach einem Jahr noch bei 60,2 % liegt [122] (LoE 2), wie die randomisierte belgische CareRA-Studie ergab.

In dieser Studie wurde auch gezeigt, dass eine Starttherapie mit mehreren csDMARDs (in diesem Fall MTX + Sulfasalazin bzw. MTX + Leflunomid) keine Vorteile gegenüber MTX + GC bietet und mit einer höheren Rate unerwünschter Wirkungen verbunden ist [122]. Auch in den aktuellen EULAR-Empfehlungen [97] werden nach systematischer Bewertung der Literatur csDMARD-Kombinationen für die Starttherapie nicht mehr empfohlen. Eines der Hauptargumente für diese Entscheidung war neben der besseren Verträglichkeit der Monotherapie, dass in allen Studien, die vermeintlich Vorteile der csDMARD-Kombinationstherapie boten, in der MTX-Kontrollgruppe entweder die Dosierung oder die begleitende GC-Therapie nach heutigem Wissensstand inadäquat gewählt war.

Neben guter Wirksamkeit und Verträglichkeit bietet MTX spezielle Vorteile, wie einen breiten Dosierungsrahmen und verschiedene verfügbare Applikationsformen. Als optimale Startdosis werden bei fehlenden Kontraindikationen 15 mg/Woche empfohlen, da hierbei die Balance zwischen möglichst schnellem Wirkeintritt und Verträglichkeit am ausgewogensten scheint [124] (LoE 1a). Eine rasche Dosissteigerung bis auf 25 mg/Woche scheint nach neueren Studiendaten bei fehlenden Gegenanzeigen, wie z. B. Nierenfunktionsstörungen, möglich und erhöht die Wirksamkeit bei nur geringen Verträglichkeitsproblemen: so wurde in der C‑EARLY-Studie in der MTX-Kontrollgruppe die Dosis zweiwöchentlich um 5 mg bis auf 25 mg gesteigert und damit trotz nicht-optimierter GC-Begleittherapie eine anhaltende Remissionsrate von 15 %, LDA-Rate von 28,6 % und ACR50-Response von 52,6 % erreicht. Die Rate medikationsbedingter Therapieabbrüche lag bei nur 8,6 % [25] (LoE 1b).

Wegen Resorptionsproblemen bei einem Teil der Patienten und eingeschränkter Bioverfügbarkeit oberhalb 15 mg bei oraler Applikation [87] (LoE 2) erscheint ein Beginn der MTX-Therapie in parenteraler Form (üblicherweise subkutan) vorteilhaft. Das belegt eine RCT mit signifikant höherem ACR20- und ACR70-Ansprechen (78 vs. 70 % bzw. 41 vs. 33 % [9]) (LoE 1b) und eine große prospektive kanadische Kohortenstudie [51] (LoE 2), in der die subkutane Applikation u. a. zu einer signifikant niedrigeren Krankheitsaktivität sowie einer niedrigeren Rate von Therapieversagen und -wechsel führte. Bei erfolglosem Beginn mit einer oralen MTX-Therapie sollte vor einem Substanzwechsel noch ein Versuch mit subkutaner Applikation gemacht werden [76] (LoE 1a).

Die MTX-Gabe sollte standardmäßig durch Folsäure-Substitution (einmalig 5(–10) mg ca. 24 h nach der MTX-Gabe) begleitet werden. Nach den Resultaten eines systematischen Reviews [89] (LoE 1a) kann hierdurch das Auftreten von Hepatotoxizität (relative Risikoreduktion 77 %), gastrointestinalen Nebenwirkungen und Übelkeit (26 %) sowie Abbrüchen wegen schwerer unerwünschter Ereignisse (61 %) signifikant reduziert werden, numerisch auch das Auftreten einer Stomatitis (26 %).

Empfehlung 5

Falls MTX nicht einsetzbar ist (z.B. wegen Kontraindikationen), soll eine Therapie mit Leflunomid oder mit Sulfasalazin begonnen werden. (Empfehlungsgrad A)

Als therapeutische Alternativen für MTX gelten innerhalb der csDMARD-Gruppe in erster Linie Leflunomid (übliche Tagesdosis von 20 mg) oder Sulfasalazin (übliche Tagesdosis 2000 mg) (Abb. 1a, Phase 1, Schritt 2). Beide Substanzen haben sich in länger zurückliegenden Studien als ähnlich wirksam wie MTX erwiesen. Allerdings war die MTX-Dosierung geringer als heute üblich [97]. Für den Vergleich MTX vs. Leflunomid existiert eine Metaanalyse auf der Basis von 4 RCTs, welche die Gleichwertigkeit beider Substanzen belegt [42] (LoE 1a). In einem Placebo-kontrollierten RCT wurden Leflunomid und Sulfasalazin miteinander verglichen und boten ebenfalls gleiche Wirksamkeit [95] (LoE 1b). Antimalariamittel stellen hinsichtlich der Wirkstärke keine gleichwertige Alternative dar, da für sie eine Hemmung der radiologischen Progression nicht nachgewiesen ist [97]. Ihr Einsatz kommt daher – neben der Kombinationstherapie – nur in Ausnahmefällen in Frage. Als besonderer Vorteil von Hydroxychloroquin ist jedoch der mehrfach nachgewiesene kardioprotektive Effekt zu erwähnen [88] (LoE 2). Weitere früher häufig verwendete csDMARDs sind heute entweder nicht mehr verfügbar (parenterales Gold) oder kommen nur noch in Ausnahmefällen zur Anwendung (Azathioprin, Ciclosporin A).

Empfehlung 6

Glukokortikoide (GC) sollten bei initialer Therapie ergänzend zum csDMARD gegeben werden. Empfehlenswert ist eine Startdosis bis 30mg Prednisolonäquivalent/Tag mit Reduktion auf eine niedrige Dosis („low-dose“) innerhalb von acht Wochen. Die GC-Therapie soll auf 3–6 Monate beschränkt werden. Eine zusätzliche intraartikuläre GC-Gabe kann sinnvoll sein. (Empfehlungsgrad A)

GC sind heute aufgrund ihrer unmittelbar einsetzenden anti-inflammatorischen und destruktionsinhibierenden Wirkung ein obligatorischer Bestandteil der Starttherapie in Kombination mit csDMARD (Abb. 1a, Phase 1). Als optimale Startdosis haben sich in mehreren Studien 30 mg Prednisolon p. o./Tag erwiesen [20, 123]. Die früher z. B. im COBRA-Schema verwendete höhere Startdosis von 60 mg bietet demgegenüber keinen zusätzlichen Vorteil [20] (LoE 1b). Bisher ist nicht untersucht worden, ob auch Startdosen von 10 oder 20 mg ähnlich gut wie 30 mg wirken (s. Forschungs-Agenda). Bis zur Klärung dieser Frage sollte daher die Startdosis fallbezogen im Bereich 10–30 mg gewählt werden. Im weiteren Verlauf sollte die Dosis zügig (möglichst innerhalb von 8 Wochen [97]) reduziert werden mit dem Ziel einer Tagesdosis von 5 mg Prednisolon oder weniger (siehe Infobox 1).

Infobox 1 „Niedrig-dosierte“ Glukokortikoidtherapie und „angestrebte“ Glukokortikoiddosis bei RA

Die noch gültige Definition der EULAR für eine niedrig-dosierte Glukokortikoidtherapie als Langzeittherapie liegt bei ≤7,5 mg Prednisolonäquivalent/d ([24, 54]; siehe Glossar, Tab. 1 und Empfehlung 6). Dies beinhaltet das mögliche Missverständnis, dass es sich hierbei um eine Dosis mit vertretbaren Risiken handelt. Tatsächlich wurden in den letzten Jahren eine Vielzahl von Daten erhoben, welche zeigen, dass Glukokortikoide dosisabhängig auch im niedrigen Dosisbereich signifikante Risiken, z. B. durch ein erhöhtes Infektionsrisiko [68], mit sich bringen. Eine Arbeitsgruppe der EULAR hat dies systematisch untersucht und ist zu der Meinung gekommen, dass nur in einem Dosisbereich von ≤5 mg Prednisolonäquivalent ein akzeptabel niedriges Risiko für eine Gefährdung des Patienten durch die Therapie besteht [106]. Dies auch nur bei Patienten, welche kein hohes Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung haben. Analog zu den „Klug entscheiden“-Empfehlungen der DGRh von 2016 [32] empfiehlt die Konsensgruppe daher, dass eine Dosis von 5 mg Prednisolonäquivalent als Langzeittherapie nicht überschritten werden sollte. Die Glukokkortikoidtherapie sollte auf die niedrigst-mögliche Dosis, am besten bis zum kompletten Absetzen, reduziert werden. Bezüglich der idealen Glukokortikoiddosis zum Therapiebeginn (Empfehlung 6) soll betont werden, dass eine Dosis bis 30 mg Prednison/d bedeutet, dass diese i. d. R nicht überschritten werden sollte und häufig auch niedrigere Dosen indiziert und ausreichend sind.

Die jeweils gültigen Leitlinien-basierten Empfehlungen zur Prophylaxe der Osteoporose, wie z. B. die Substitution von Vitamin D und ggf. Calcium sollten beachtet werden.

In einzelnen Studien haben sich weitere initiale GC-Applikationsformen, wie z. B. ein initialer Puls mit 250 mg i. v. Methylprednisolon [78] (LoE 1b) oder die einmalige i. m.-Gabe von 120 mg Methylprednisolon [19] (LoE 1b) als langfristig wirksam erwiesen. Angesichts der gut belegten Risiken von höher dosierten Glukokortikoiden in der Therapie der RA können daraus nach gegenwärtigem Wissensstand aber keine generellen Empfehlungen abgeleitet werden (s. Forschungs-Agenda).

Die langfristige Anwendung von GC kann zu unerwünschten Nebenwirkungen führen wie die Osteoporose, als auch kardiovaskuläre Risiken, Infektionsrisiken und gesteigerte Mortalität (Literatur Übersicht unter [82], LoE 1a). Das gilt insbesondere für den Dosisbereich >5 mg Prednisolon/Tag [106] (LoE 5). Darüber hinaus gibt es keine Evidenz dafür, dass bei optimierter DMARD-Therapie die langfristige GC-Gabe tatsächlich einen zusätzlichen Nutzen mit sich bringt. Der systemische Einsatz von GC sollte deshalb auf einen Zeitraum von 3 bis maximal 6 Monaten beschränkt sein [97]. Die lokal-intraartikuläre Gabe von GC in einzelne Gelenke mit hoher Entzündungsaktivität ist eine in der Praxis viel angewandte zusätzliche Möglichkeit. Es gibt hierzu jedoch nur wenige kontrollierte Kurzzeituntersuchungen und Langzeituntersuchungen fehlen (s. Forschungs-Agenda). In der randomisiert-kontrollierten CIMESTRA-Studie hat diese Therapie als additive Therapie zu ausgezeichneten Langzeitergebnissen in einem untersuchten Zeitraum von bis zu 5 Jahren geführt [53] (LoE 1b).

Empfehlung 7

Bei Verfehlen des Therapieziels mit der optimierten Starttherapie soll die Therapie eskaliert werden. Bei Fehlen von ungünstigen Prognosefaktoren und moderater Krankheitsaktivität kann eine Kombination mehrerer csDMARDs eingesetzt werden. Bei hoher Krankheitsaktivität und/oder Vorliegen ungünstiger Prognosefaktoren soll die Kombination eines csDMARD (in der Regel MTX) mit einem bDMARD oder tsDMARD zum Einsatz kommen. (Empfehlungsgrad A)

Wenn nach spätestens 12 Wochen unter optimierter Starttherapie noch kein adäquates Therapieansprechen bzw. wenn spätestens nach 24 Wochen noch keine Remission erreicht werden konnte, muss die Therapie angepasst werden (siehe Empfehlung 3 und Abb. 1a, Phase 1, Schritte 3–7). Optimierte Starttherapie in den ersten 6–12 Wochen bedeutet dabei u. a., dass MTX unter Monitoring von Nebenwirkungen und Beachtung von Gegenanzeigen (u. a. Niereninsuffizienz) in der Dosis gesteigert werden sollte (i. R. aber nicht mehr als 25 mg s. c./Woche, siehe Empfehlung 4). Auch die Kontrolle der Adhärenz und der Verträglichkeit der Medikation spielt gerade zu diesem Zeitpunkt eine wichtige Rolle. Wurde die Therapie mit oralem MTX begonnen, sollte bei fehlendem klinischem Ansprechen binnen 6 Wochen die Therapie auf s. c. umgestellt werden, insbesondere bei Wochendosen >15 mg (Empfehlung 4, [87]; siehe Abb. 1a, Phase 1). Auch die kurzfristige Erhöhung der oralen GC-Dosis (i. d. R. nicht >30 mg/Tag, siehe Empfehlung 6) und/oder intraartikuläre GC-Injektionen in einzelne Gelenke können in der ersten Phase nötig sein. Die weitere Therapieentscheidung sollte dann anhand von Prognosefaktoren erfolgen (siehe Tab. 3; Abb. 1b, Phase 2, Schritt 2). Fehlen negative Prognosefaktoren, kann zu Woche 12 bzw. 24 eine Änderung der csDMARD-Strategie erwogen werden (Abb. 1b, Phase 2, Schritt 4). Eine Kombinationstherapie verschiedener csDMARD-Therapien, die MTX beinhaltet, ist in dieser Situation einem Wechsel auf eine MTX-freie csDMARD-Therapie vorzuziehen [63]. Die robusteste Datenlage besteht für eine Kombinationstherapie verschiedener csDMARDs nach dem s. g. O’Dell-Schema, bestehend aus MTX/Sulfasalazin/Hydroxychloroquin [50], wobei es keinen direkten Vergleich gegen die auch häufig angewandte Kombination aus MTX/Leflunomid gibt. Im Falle einer frühen MTX-Intoleranz sollte eine alternative csDMARD-Therapie gewählt werden.

Tab. 3 Mögliche Prädiktoren für eine schlechtere Prognose

Beim Vorliegen ungünstiger Prognosefaktoren (siehe Tab. 3) sollte bei Verfehlen des Therapiezieles unter optimierter Starttherapie (ausreichendes Ansprechen zu Woche 12 bzw. Remission zu Woche 24) bereits früher eine Therapie mit einem bDMARD oder einem tsDMARD erwogen werden (siehe Abb. 1b, Phase 2, Stufe 3). Eine Präferenz für die eine oder andere Substanzgruppe kann an dieser Stelle nicht ausgesprochen werden (siehe Empfehlung 8). Auf Grund der längeren Erfahrung kommen bisher nach dem ersten csDMARD-Versagen bevorzugt bDMARDs zur Anwendung. Alle bDMARDs oder tsDMARDs sollten, sofern möglich mit MTX kombiniert werden (siehe auch Empfehlung 9).

Empfehlung 8

Nach unzureichendem Ansprechen zweier csDMARD-Therapien soll eine bDMARD- oder tsDMARD-Therapie zum Einsatz kommen. (Empfehlungsgrad A)

Der sequentielle Einsatz mehrerer csDMARDs bzw. csDMARD-Kombinationen führt nach den Ergebnissen der BeST-Studie und aus der britischen ERAN-Kohorte spätestens ab dem 2. Wechsel nur noch zu einem sehr geringen Zuwachs an Respondern. Bei Verzicht auf eine Eskalation in Form von zielgerichteten Therapien mit bDMARD oder tsDMARD kommt es in einem großen Anteil zum Nichterreichen der Therapieziele [41, 62] (LoE 2). Darüber hinaus ergibt sich mit der Anzahl der erfolglosen Wechsel ein beträchtlicher Zeitverlust, der eine vermehrte radiologische Destruktion [41] und dauerhaft einen eingeschränkten Funktionsstatus [62] mit sich bringt.

Hieraus ergibt sich, dass bDMARDs bzw. tsDMARDs bei unzureichendem Ansprechen zweier csDMARD-Therapien spätestens 6 Monate nach Behandlungsbeginn zum Einsatz kommen sollten (Abb. 1, Phase 2, Stufe 3). Welches bDMARD oder tsDMARD verwendet wird, kann in Anbetracht der Gleichwertigkeit der zur Verfügung stehenden Substanzen individuell (z. B. anhand patientenindividueller Kriterien) entschieden werden (s. Forschungs-Agenda). Rituximab hat zwar erst nach dem Versagen mindestens eines TNF-Inhibitors eine Zulassung, in besonderen Therapiesituationen (z. B. Lymphom- oder TBC-Anamnese, begleitende Vaskulitis o. ä.) kann aber der Einsatz auch schon direkt nach Versagen von csDMARDs sinnvoll sein (LoE 5).

tsDMARDs, derzeit namentlich die JAK-Inhibitoren (JAKi) Tofacitinib und Baricitinib, sind eine gleichwertige alternative Therapieoption zu bDMARDs nach Versagen einer csDMARD-Therapie (LoE 1b; Abb. 1b, Phase 2, Schritt 3; [23, 34, 64, 108, 113, 120]). In einer randomisierten Studie wurde eine Überlegenheit von Baricitinib gegenüber Adalimumab jeweils in Kombination mit MTX bezüglich des primären Endpunktes (ACR20-Ansprechen) gezeigt [108]. Die gegenwärtige Studienlage erlaubt allerdings nicht, eine generelle Überlegenheit bezüglich der Wirksamkeit der JAKi gegenüber der gesamten Klasse der bDMARDs anzunehmen (LoE 5).

Empfehlung 9

Jede bDMARD- und tsDMARD-Therapie soll wenn möglich mit MTX kombiniert werden. (Empfehlungsgrad A)

Für alle bDMARDs und tsDMARDs liegen Studienergebnisse vor, die Vorteile für die Kombination mit MTX im Vergleich zu monotherapeutischem Einsatz zeigen (Übersicht unter [15, 77], LoE 1a). MTX sollte daher bei fehlenden Kontraindikationen zumindest so lange kombiniert werden, bis eine anhaltende Remission vorliegt. MTX kann in dieser Kombination niedriger dosiert werden als bei alleinigem Einsatz von MTX. Unter randomisiert-kontrollierten Bedingungen erwies sich eine wöchentliche MTX-Dosis von 10 mg im Vergleich zu 20 mg als Kombinationspartner von Adalimumab als gleichwertig [11] (LoE 1b).

Steht MTX als Kombinationspartner nicht zur Verfügung, so liegen für die IL-6-Rezeptor-Inhibitoren Tocilizumab und Sarilumab als auch für das tsDMARD Baricitinib die besten Monotherapie-Ergebnisse vor: Tocilizumab hat in zahlreichen Studien eine gute monotherapeutische Wirkung bewiesen (Übersicht unter [16, 77]) und sich ebenso wie Sarilumab im Head-to-Head-Vergleich mit Adalimumab als monotherapeutisch überlegen erwiesen [12, 37] (LoE 1b). Baricitinib zeigt klinisch in der Monotherapie die gleiche Wirksamkeit wie in Kombination mit MTX, die Kombination bietet jedoch im radiologischen Outcome noch Vorteile [36] (Evidenzgrad 1). Im Fall von Tofacitinib zeigt eine neue, erst nach der systematischen Literaturrecherche publizierte Vergleichsstudie mit Adalimumab, dass Tofacitinib nur in Kombination mit MTX, nicht aber als Monotherapie, gleichwertig zu Adalimumab ebenfalls in Kombination mit MTX ist [35]. JAKi sollten deswegen mit csDMARDs kombiniert werden (Evidenzgrad 5). Für die Monotherapie besteht in Deutschland eine Zulassung für Baricitinib, für Tofacitinib nur, wenn MTX nicht vertragen wird oder eine Therapie mit MTX ungeeignet ist [36, 66].

Für die Anwendung anderer csDMARDs als Kombinationspartner für bDMARDs oder tsDMARDs ist die Evidenz bisher sehr begrenzt: Nicht-interventionelle und Kohortenstudien zeigen (bei teils kleinen Fallzahlen), dass auch Leflunomid als Kombinationspartner geeignet ist, liefern aber auch widersprüchliche Ergebnisse [73] (LoE 2) (s. Forschungs-Agenda).

Empfehlung 10

Bei nicht ausreichendem Ansprechen (Verfehlen des Therapieziels) oder Unverträglichkeit der ersten bDMARD-Therapie soll der Wechsel auf ein alternatives bDMARD mit gleichem oder anderem Wirkprinzip oder auf ein tsDMARD erfolgen. Ein nochmaliger Wechsel ohne Änderung des Wirkprinzips ist nicht sinnvoll. (Empfehlungsgrad A) Wird die Therapie nach csDMARDs mit einem tsDMARD anstatt einem bDMARD begonnen, so sollte bei Nichtansprechen auf ein bDMARD gewechselt werden. (Empfehlungsgrad D)

Wenn sich nach Versagen von csDMARDs auch eine bDMARD-Therapie als nicht ausreichend wirksam erweist, so ist prinzipiell der Wechsel auf ein weiteres bDMARD mit gleichem Wirkmechanismus, auf ein bDMARD mit anderem Wirkmechanismus oder auf ein tsDMARD möglich (Abb. 1c, Phase 3, Schritt 2). Gute Ergebnisse sind in kontrollierten Studien für alle 3 Möglichkeiten in RCTs, Register-Auswertungen und Metaanalysen gezeigt worden, formell allerdings nur nach Versagen einer TNF-Inhibitor-Therapie [10, 38, 47, 48, 93, 96] (LoE 1b). Eine bessere Wirkung bei Wechsel des Wirkmechanismus nach vorheriger erfolgloser anti-TNF-Therapie wird durch eine randomisierte Studie mit offenem Design nahegelegt [43] (LoE 2). Aus dieser methodisch nicht unproblematischen Studie kann aber eine generelle Empfehlung für einen solchen Wechsel noch nicht abgeleitet werden (s. Forschungs-Agenda).

Für den Einsatz von JAKi nach Versagen von nicht-TNF-Biologika liegen keine ausreichenden Studiendaten vor, es ist jedoch anzunehmen, dass auch dieses Vorgehen möglich ist (LoE 5).

Eine evidenzbasierte Empfehlung für das weitere Vorgehen, nachdem ein tsDMARD kein ausreichendes Ansprechen gezeigt hat, kann bisher nicht gegeben werden, da weder für den nachfolgenden Wechsel auf ein bDMARD noch auf ein zweites tsDMARD Daten aus Studien oder ausreichende Erfahrungen vorliegen (s. Forschungs-Agenda).

Es fehlen derzeit noch randomisierte Placebo-kontrollierte Studien für die Wirksamkeit und Sicherheit von 1.) anti-TNF-Therapie nach bDMARD mit anderen Wirkprinzipien, 2.) anti-IL-6-Therapie nach anderen anti-IL-6-Therapien oder 3.) JAKi-Therapie nach einer Therapie mit einem nicht-anti-TNF bDMARD oder einem anderen JAKi (s. Forschungs-Agenda).

Biosimilars.

Die Konsensgruppe stimmt mit der kürzlich veröffentlichten Empfehlung einer internationalen Task Force überein [60] (LoE 5), dass zugelassene Biosimilars für bDMARDs in gleicher Weise wie die entsprechenden Originalpräparate eingesetzt werden können, um die jeweils geeigneten Patienten zu behandeln.

Bei nicht ausreichender Wirksamkeit eines Originator-Biologikums (boDMARD) wird ein Wechsel zum korrespondierenden Biosimilar (bsDMARD) nicht empfohlen, auch wenn formell ein solches Vorgehen nicht untersucht ist (Empfehlungsgrad D).

Treat-to-target (T2T)

Nutzen von T2T

Der Nutzen von T2T in der Behandlung der RA wurde in einer Vielzahl von Studien, (als Beispiel angeführt die NEO-RACo-Studie [81]) immer wieder gut belegt. Die aktuelle Datenlage dazu haben Stoffer et al. [101] zusammengefasst. Es gibt daher einen Konsens, dass T2T in der Behandlung der RA wichtig und empfehlenswert ist (Empfehlungsgrad A, siehe übergeordnete Empfehlung E). Dies sollte konsequent geschehen (Empfehlungsgrad B), denn eine geringe Adhärenz des Arztes zu T2T verschlechtert den Outcome des Patienten [64]. Die Herausforderung des T2T ist daher vor allem, dieses auch tatsächlich in der Praxis zu implementieren. Systematische Untersuchungen der Umsetzung von T2T in der Versorgungswirklichkeit, wie z. B. die CAPEA-Studie [1], und auch regelmäßige Aufklärung nicht nur von Rheumatologen, sondern auch rheumatologischen Fachassistenten und Patienten über die Wichtigkeit von T2T sind notwendig, damit T2T besser wirksam werden kann.

Messmethoden und Ziele des T2T

Anwendung von T2T in speziellen Populationen von RA-Patienten.

Die Konsensgruppe hat die Frage untersucht, ob es Populationen innerhalb der Patienten mit RA gibt, für die T2T nicht anzuwenden ist. Studien zur Anwendung von T2T bei älteren RA-Patienten, bei Menschen mit Komorbidität/en oder mit länger existierender RA liegen jedoch nicht vor. Die Evidenz ist daher als gering zu bewerten. Es gibt aber andererseits keine Hinweise, dass bei diesen Populationen T2T nicht angewendet werden kann (s. Forschungs-Agenda). Da es Daten aus internationalen Registern und der deutschen Kerndokumentation gibt [56], dass ältere Patienten mit RA oft inadäquat behandelt werden, sieht die Konsensgruppe auch hier die Notwendigkeit der Anwendung von T2T (Empfehlungsgrad D). Die Meinung der Konsensgruppe ist, dass Alter und Komorbidität kein Grund sind, auf das Prinzip des T2T zu verzichten. Individuelle Faktoren müssen allerdings berücksichtigt werden.

Bildgebung bei T2T.

Die Messung der strukturellen Veränderungen im konventionellen Röntgen mit Hilfe von validierten Scores [111] ist der Goldstandard zur Messung des Verlaufs der RA. Bewertet werden dabei die Erosivität und die Gelenkspaltverschmälerung der Gelenke von Händen und Füßen. Neue Therapien der RA haben alle an dem Kriterium der Hemmung der radiologischen Progression ihre Wirkung belegt. Unter dem Einfluss moderner Therapiestrategien ist die Anzahl der Patienten mit radiologisch sichtbaren Strukturveränderungen jedoch deutlich geringer geworden und T2T hat das Ziel, dessen Auftreten primär zu verhindern. Als empfohlene Methode des T2T werden die radiologischen Kontrolluntersuchungen in der hier vorgestellten Leitlinie deswegen nicht mehr erwähnt. Unabhängig spielt die Röntgenuntersuchung und insbesondere der Nachweis von Erosionen im konventionellen Röntgen aber immer noch eine wichtige Rolle, sowohl für die initiale Diagnosestellung der RA, für die Prognoseabschätzung, wie auch im Falle eines Neuauftretens oder einer Zunahme von Erosionen als Signal zur Therapieanpassung.

Zur Bedeutung von Ultraschall im Management der RA gibt es eine Vielzahl von aktuellen Arbeiten. So zeigen prospektive Kohortenstudien, dass die Nutzung von Ultraschall zu einer besseren Einschätzung der Krankheitsaktivität bei RA-Patienten führen kann [18, 74] und dass Ultraschall sehr rasch ein Ansprechen auf eine Therapie mit einem bDMARD nachweist [74]. Zwei aktuell publizierte, prospektive randomisierte Studien zur frühen RA, die ARTIC- und die TaSER-Studie [18, 46], haben untersucht, ob der Einschluss von validierten Ultraschall Scores in einen klinischen Composite Score im Rahmen des T2T zu einem besseren Outcome im Vergleich zu einer Gruppe ohne Ultraschall führt. Das Ergebnis war jedoch, dass das Zielkriterium der Remission in beiden Studien mit oder ohne Nutzung von Ultraschall genauso häufig erreicht wurde. In der TaSER-Studie zeigte die Ultraschallgruppe außerdem einen häufigeren Einsatz von bDMARDs, ohne dass ein signifikanter klinischer Nutzen eintrat.

Nach der derzeitigen Studienlage zur frühen RA verbessert eine Therapiestrategie, die sich an einer sonographischen Remission orientiert, verglichen mit einer DAS28-orientierten Strategie das mittelfristige Outcome der Patienten nicht, trotz des vermehrten Einsatzes intensiver und teurer Therapien in dieser Gruppe. Ein Langzeit-Follow-up dieser Studien existiert jedoch noch nicht (s. Forschungs-Agenda). Die Benutzung eines Composite Scores mit einem Ultraschall unter Einbezug der Gelenke, kann im Rahmen des T2T daher bisher nicht empfohlen werden (Empfehlungsgrad A).

Die Datenlage zum Einsatz von MRT-Kontrollen im T2T ist bisher für eine Beurteilung noch nicht ausreichend. Dazu läuft derzeit eine prospektive randomisierte Studie (www.clinicaltrials.gov; IMAGINE-RA NCT01656278).

Es ist aufgrund o. g. Daten Konsens in der Leitliniengruppe, dass Ultraschall und MRT wichtige Instrumente für die Beurteilung der Krankheitsaktivität, hilfreich bei der Diagnosestellung und in Einzelfällen auch für Therapieentscheidungen der RA sind. Ihr genereller Nutzen für die Therapieentscheidung nach T2T der RA ist jedoch noch nicht ausreichend belegt (s. Forschungs-Agenda).

Biomarker und individualisierte Medizin

Das Thema „individualisierte Medizin“ (engl.: personalized health care (PHC)) hat in den letzten Jahren, u. a. aufgrund der zahlreichen neuen zur Verfügung stehenden medikamentösen Interventionsmöglichkeiten, weiter an Bedeutung gewonnen. Die Leitliniengruppe der DGRh hält daher – analog zur EULAR – zu diesem Thema eine übergeordnete Empfehlung für sinnvoll (Tab. 2, C). Es bestand eine große Übereinstimmung, dass das Konzept einer personalisierten Medizin mittels Biomarkern sinnvoll ist. Biomarker sollten u. a. die Auswahl bestimmter Medikamente für bestimmte Patientengruppen erleichtern, das Ansprechen auf die Therapien oder auch für Nebenwirkungen voraussagen und eine Individualisierung in der Dosierung oder der Beendigung der Therapien ermöglichen. Hierzu wurden in den letzten Jahren eine Reihe von interessanten und vielversprechenden Studien und Ansätzen publiziert. Allerdings gibt es bisher keine in der alltäglichen Praxis etablierte und anwendbare Biomarker, die eine Individualisierung auf Patientenebene erlauben (s. Forschungs-Agenda). Die umfangreichste Datenlage existiert aktuell zu der Frage, ob Anti-CCP-Antikörper und/oder Rheumafaktoren (RF) Prädiktoren für Ansprechen sind. Es gibt Hinweise, dass beide Zell-gerichteten Therapien (anti-CD20 und CTLA-4-Ig) im Falle eines hoch positiven Antikörpernachweises (Anti-CCP) in Bezug auf Abatacept und eines positiven Antikörpernachweises (Anti-CCP und RF) in Bezug auf Rituximab eine Überlegenheit für das klinische Ansprechen (z. B. DAS28-Reduktion oder Erreichen der Remission) gegenüber einer TNF-Inhibitor-Therapie haben könnten [27, 44, 57, 101]. Die Evidenzstärke ist aber nicht so hoch, dass eine generelle Empfehlung für oder gegen eine bestimmte Therapie bei Anti-CCP-/RF-positiven Patienten ausgesprochen werden kann (Evidenzstärke C).

Weitgehender Konsens besteht darin, dass Patienten mit Autoantikörpern i. S. von Anti-CCP-Antikörpern und/oder RF (insbesondere bei hohen Konzentrationen) eine schlechtere Prognose für den Verlauf der RA und gewisser Ko-morbiditäten haben. Diese Tatsache bildet sich auch in dem konsentierten Therapiealgorithmus zusammen mit früher Erosivität als ungünstiger Prognosefaktor ab (siehe Abb. 1b). Andere mögliche Prädiktoren für eine schlechtere Prognose sind in Tab. 3 aufgeführt.

Weitere Beispiele von Prädiktoren für ein schlechteres Ansprechen sind u. a. auch folgende Konstellationen:

Höheres Alter der Patienten [80] und längere Krankheitsdauer der RA, inkomplette B‑Zell-Depletion bei einer RTX-Therapie [125], der Nachweis von s. g. anti-drug-Antikörpern (ADA) bzw. niedrige Medikamentenspiegel im Serum ([75], s. unten), Rauchen (siehe auch Infobox 2) sowie das initiale Nichtansprechen auf GC, bzw. eine lange Dauer bis zum ersten Ansprechen unter DMARDs [127].

Infobox 2 Lebensstil-Interventionen und DMARD-Therapie bei RA

Es existiert ein gut belegter Zusammenhang sowohl zwischen Adipositas [72] wie auch Rauchen [85, 86] mit einer schlechteren Prognose wie auch geringerem Ansprechen auf DMARD-Therapien bei RA. Darüber hinaus erhöhen diese Faktoren das kardiovaskuläre Risiko und haben negativen Einfluss auch auf andere Komorbiditäten. Die Einwirkung auf eine Lebensstiländerung gehört daher bei betroffenen RA-Patienten zu den ärztlichen Aufgaben. Ob eine Intervention mit dem Ziel der Gewichtabnahme und der Rauchentwöhnung den Verlauf und das Ansprechen auf DMARDs jedoch verbessern kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Bei einer prospektiven Untersuchung mit übergewichtigen RA-Patienten und stabiler DMARD-Therapie zeigte eine Reduktionsdiät eine Verbesserung der Krankheitsaktivität abhängig vom Ausmaß der Gewichtabnahme [45]. Auch nach bariatrischer Chirurgie bei RA-Patienten wurde eine deutliche Verbesserung der Krankheitsaktivität beobachtet [102]. Im Gegensatz dazu war in einer Kohortenuntersuchung das Beenden des Rauchens im Beobachtungszeitraum von 2–8 Jahren nicht mit einem günstigeren Verlauf assoziiert, es zeigte sich sogar eine etwas höhere Krankheitsaktivität in dieser Gruppe [7]. Prospektive, kontrollierte Studien müssen daher die Wirksamkeit von Lebensstilinterventionen auf das DMARD-Ansprechen in Zukunft noch besser belegen. Wegen des großen Nutzens auf die Komorbiditäten der RA werden das Anstreben eines normalen BMI wie auch die Rauchentwöhnung jedoch trotzdem stark empfohlen.

Eine besondere Situation besteht für Patienten, bei denen wegen einer Kontraindikation oder einer Nebenwirkung kein MTX in Kombination mit einem bDMARD oder tsDMARD gegeben werden kann. Für diese Patienten hat sich ein Vorteil einer IL-6-Rezeptor- oder einer JAK-Inhibition mit Baricitinib gegenüber einem TNF-Inhibitor gezeigt (jeweils in Studien gegen Adalimumab, siehe auch Therapiealgorithmus Abb. 1b, Phase 2, Schritt 3; [12, 13, 22, 36, 37, 59]). Insgesamt ist der Einsatz von MTX bei guter Verträglichkeit in der Regel einer Monotherapie mit bDMARDs weiter vorzuziehen (siehe Empfehlung 9), u. a. auch, weil die Induktion von ADA reduziert und dadurch das Risiko eines sekundären Wirkverlustes gesenkt werden kann. Trotz der Hinweise, dass der Nachweis von Antikörpern gegen bDMARDs und/oder niedrige Serum-Konzentrationen mit einem schlechteren Ansprechen bzw. mit einem Wirkverlust assoziiert sein können, wird die routinemäßige Bestimmung von ADA zur Steuerung der Therapie gegenwärtig noch nicht empfohlen.

Neben Prädiktoren für ein gutes bzw. fehlendes Ansprechen besteht auch Bedarf an Prädiktoren für unerwünschte Ereignisse, um durch die gezieltere Auswahl von DMARDs bei Patienten potentielle Nebenwirkungen zu vermeiden. Auch hier existiert kein singulärer Marker, der im Rahmen der Leitlinie empfohlen werden kann (s. Forschungs-Agenda). Ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht aber insbesondere in den ersten 6 Monaten nach Beginn einer bDMARD-Therapie. Generelle Risikofaktoren für Infektionen stellen außerdem u. a. vorausgegangene Infekte, die Anzahl der cs- und bDMARD-Vortherapien, ein hohes Alter, GC in höheren Dosierungen, Komorbiditäten wie Lungenerkrankungen oder Niereninsuffizienz oder eine hohe Krankheitsaktivität mit konsekutiver Immobilisierung (z. B. reduziertem HAQ) dar [68, 105, 129]. Das individuelle Risiko für Infektionen kann unter http://www.biologika-register.de/home/risikoscore-fuer-infektionen/ abgeschätzt werden.

Zusammenfassend muss jede Substanz sorgsam anhand von Sicherheitsaspekten und den Komorbiditäten des Patienten ausgewählt werden. Für eine Empfehlung bestimmter Substanzen in individuellen Therapiesituationen fehlt generell eine hohe Evidenz und es wird deshalb im Rahmen dieser Leitlinie auf konkrete Empfehlungen verzichtet. In der individualisierten Medizin im Sinne einer „PHC“ liegt ohne Zweifel ein möglicher Schlüssel für ein besseres Outcome und eine Reduktion von Nebenwirkungen und ggf. auch von Kosten. Der momentane Therapiealltag muss aber noch ohne solche „Biomarker“ auskommen und es besteht hoher Bedarf an Studien und wissenschaftlichen Projekten, die in der Forschungs-Agenda aufgeführt sind.

Deeskalation der DMARD-Therapie

Option der Deeskalation

Die Autoren unterscheiden zwischen der Deeskalation von GC, die auf jeden Fall weitmöglichst erfolgen sollte, und der von DMARDs (siehe übergeordnetes Prinzip F, Tab. 2). In der Regel sollten zunächst die GC beendet werden, bevor überhaupt eine Deeskalation des/der DMARDs in Erwägung gezogen wird. Eine Deeskalation der DMARD-Therapie kann unter bestimmten Bedingungen sinnvoll sein (siehe unten). Nach derzeitigem Kenntnisstand existieren außer unerwünschten Wirkungen keine konkreten medizinischen Gründe, die eine Deeskalation notwendig machen würden, insbesondere da der Krankheitsverlauf unter reduzierter Therapie nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden kann. Medizinisch ist daher eine Abwägung von potentiellem Nutzen durch temporäre Vermeidung einer Exposition von Medikamenten gegenüber dem Risiko eines Schubes („Flare“; Definition siehe Glossar, Tab. 1) nicht möglich. Im Falle einer langfristig erfolgreichen Deeskalation kann diese von gesundheitsökonomischem Vorteil sein. Eine finale Einschätzung der Kosteneffizienz einer Deeskalation ist schwierig, da es bisher keinen anerkannten Schwellenwert der Akzeptanz gibt, wie viele Jahre Lebensqualität man bereit ist zu verlieren, um im Gegenzug Kosten einzusparen.

Kriterien für eine Deeskalation

Wenn die Therapie deeskaliert werden soll, muss nach erfolgtem Ausschleichen der Glukokortikoidmedikation (vgl. Empfehlung 6) eine anhaltende Remission („sustained remission“) über mindestens 6 Monate bestehen (Empfehlungsgrad D).

Grundsätzlich muss das Ziel sein, unter einer Deeskalation die Krankheitskontrolle zu erhalten. Nach welchen Kriterien ein Patient für eine Deeskalation selektiert werden kann, ist aufgrund der aktuellen Evidenzlage nicht zu beantworten. Wichtig – wie bei allen Therapieentscheidungen – ist es, dass eine Deeskalation nur nach den Grundsätzen der partizipativen Entscheidungsfindung (engl.: „shared decision“ siehe übergeordnetes Prinzip A und Infobox 3) erfolgt.

Infobox 3 Partizipative Entscheidungsfindung (PEF, engl. shared decision-making)

Die Empfehlung, die Behandlung der Patienten auf der Basis einer gemeinsamen Entscheidungsfindung durchzuführen, findet sich heute in den übergeordneten Prinzipien wichtiger Leitlinien zur Therapie der RA [90, 97] ebenso wie in den Empfehlungen der internationalen T2T-Task Force [92]. Gemeint ist damit eine umfassende Besprechung, die u. a. Informationen über Krankheitsmerkmale, diagnostische Prinzipien, Therapieziele und Nutzen/Risiko der einzelnen Therapieoptionen beinhaltet und auf dieser Basis in gemeinsame Entscheidungen mündet. Als Richtschnur hierfür kann eine Sammlung von 16 „Standards of Care“ gelten, die von einer europäischen Arbeitsgruppe (eumusc.net project) unter Mitwirken von Patienten erarbeitet wurde [104].

Die PEF stärkt die Zufriedenheit des Patienten und kann zu einer Optimierung der Beziehung zwischen Arzt und Patient führen. Daneben ist mehrfach nachgewiesen worden, dass die Adhärenz gegenüber der medikamentösen Therapie hierdurch verbessert wird [70, 81]. Noch unklar ist, inwieweit sich auch das Langzeit-Outcome der RA damit verbessern lässt. Als Argument gegen die Machbarkeit der partizipativen Entscheidungsfindung wird oft der Zeitmangel in der rheumatologischen Sprechstunde angeführt. Hier gilt es sicherlich Kompromisse zwischen Zeitablauf und Patientenwünschen zu schließen. Abhilfe könnte z. B. die Unterstützung im Rahmen der Patientenedukation durch geschulte Fachassistenz schaffen. Die häufige Konstellation, in welcher Patienten den Wunsch äußern, die Therapieentscheidungen dem Rheumatologen zu überlassen, kann als Sonderform der PEF akzeptiert werden.

Das Prinzip der PEF gilt für sämtliche Empfehlungen dieser Leitlinie, von besonderer Bedeutung ist PEF jedoch als Grundlage eines Therapieabbaus im Stadium der anhaltenden Remission (siehe Kap. Deeskalation) und des Wechsels vom boDMARD zum bsDMARD. Wenn Kostenfaktoren Therapieentscheidungen bestimmen, wie z. B. bei der generellen Umsetzung von bDMARDs auf bsDMARDs in manchen Gesundheitssystemen [40] oder bei Einflussnahme von Kostenträgern auf medizinische Entscheidungen, werden die Prinzipien des PEF oft nicht berücksichtigt. Dies ist auch einer der wichtigen Kritikpunkte an solchen Maßnahmen.

In den bisher vorliegenden Deeskalationsstudien wurden verschiedene Kriterien für eine Remission oder niedrige Krankheitsaktivität herangezogen, die als Voraussetzung für eine Deeskalation dienten.

In der Regel wird in diesen Studien eine sog. anhaltende Remission („sustained remission“) als Einschlusskriterium gefordert. Diese ist üblicherweise über einen DAS28-Score <2,6 über mindestens 6 Monate definiert (z. B. angewendet in HONOR [107], IDEA [78], RETRO [49], STRASS [29]). Einige Studien verwenden auch die sog. anhaltend niedrige Krankheitsaktivität „sustained low-disease activity“ mit einem DAS28 <3,2 als Einschlusskriterium (z. B. DRESS [118], DOSERA [121]).

Die Leitliniengruppe gibt zu bedenken, dass als Composite Score für die Definition der Remission in den Deeskalationsstudien die DAS28-Remission herangezogen wurde, die aber – wie bereits oben bei Empfehlung 2 dargelegt – möglicherweise als nicht ausreichend anzusehen ist. Es könnte daher nicht nur in Bezug auf die T2T-Strategie, sondern auch als Voraussetzung für die Deeskalation sinnvoll sein, eine anhaltende (also mindestens 6 Monate währende) SDAI-Remission oder eine solche nach den Boole’schen Kriterien zu fordern, bevor eine Deeskalation vorgenommen wird. Daten dazu, ob die anhaltende SDAI-Remission tatsächlich zu einer niedrigeren Rezidivrate bei Deeskalation als die DAS28-Remission führt, liegen jedoch nicht vor.

Tab. 4 fasst die wichtigsten Parameter zusammen, die bisher als Faktoren für ein erhöhtes Flarerisiko identifiziert werden konnten und Tab. 5 diejenigen Parameter, die mit einer anhaltenden Remission oder anhaltend niedrigen Krankheitsaktivität nach Dosisreduktion und/oder Absetzen von DMARDs assoziiert sind.

Tab. 4 Risikofaktoren für ein erhöhtes Rezidivrisiko bei Deeskalation einer DMARD-Therapie
Tab. 5 Faktoren welche mit einer anhaltenden Remission oder LDA nach Tapering/Absetzen von DMARDs assoziiert sind

Bisher liegen nur wenige Studien vor, welche Risikofaktoren für ein Flare bzw. Faktoren für eine anhaltende Remission unter Deeskalation untersucht haben (s. Forschungs-Agenda). Die Studien kamen teilweise zu widersprüchlichen Ergebnissen. Bei den bisher vorliegenden Studien handelt es sich zumeist um RCTs, in denen bestimmte Deeskalationsstrategien miteinander verglichen wurden und die Patienten in den jeweiligen Therapiearmen nach möglichen Risikofaktoren (z. B. Anti-CCP-Antikörper-Status) stratifiziert wurden oder um unkontrollierte Studien. Damit ist die Evidenzlage als Grad 2 bzw. 3 zu bewerten.

Ablauf einer Deeskalation von DMARDs

Zum Zeitpunkt der Literatursuche wurde in den bisher publizierten Deeskalationsstudien fast ausschließlich die Deeskalation der bDMARDs bei Patienten untersucht, die eine Kombinationstherapie aus csDMARDs und bDMARDs erhielten. Aufgrund dieser Datenlage ist folgendes festzustellen:

Die Deeskalation von bDMARDs könnte bei Patienten sinnvoll sein, die parallel mit einem csDMARD (i. d. R. MTX) behandelt werden (Empfehlungsgrad D).

Generell kann aber eine Empfehlung, in welcher Reihenfolge die DMARDs reduziert werden sollen, aufgrund einer fehlenden Datenlage (also von Studien, die das Outcome einer bDMARD vs. csDMARD-Deeskalation vergleichen) nicht gegeben werden (s. Forschungs-Agenda).

In der CAMEO-Studie wurde MTX in einem Studienarm im Rahmen der Deeskalation beendet. Diese Strategie war der unveränderten Fortführung der Therapie aus MTX/Etanercept nicht gleichwertig. Ein Vergleich zum Absetzen von Etanercept unter Fortführung von MTX wurde allerdings nicht durchgeführt [61]. So könnte es ebenso sinnvoll sein bei Patienten mit einer bDMARD- und csDMARD-Kombination das csDMARD zuerst zu deeskalieren.

Eine Deeskalation sollte grundsätzlich in Form eines „Taperings“ (Dosisreduktion) oder „Spacings“ (Verlängerung der Applikationsintervalle) erfolgen. Ein sofortiges Absetzen der DMARD-Therapie wird nicht empfohlen (Empfehlungsgrad C). Die Deeskalation sollte unter engmaschiger rheumatologischer Verlaufskontrolle vorgenommen werden (Empfehlungsgrad D).

Bei fehlenden konkreten Empfehlungen erfolgte in den meisten hierzu vorliegenden Studien eine Halbierung der Dosis entweder durch Applikation der halben bDMARD-Dosis unter Beibehaltung des Applikationsintervalls oder durch eine Verdoppelung des Applikationsintervalls. Bei diesem Vorgehen besteht ein gering erhöhtes Risiko für ein Rezidiv im Vergleich zur unveränderten Fortsetzung der bDMARD-Therapie (z. B. PRESERVE: LDA: 82,6 vs. 79,1 % bei Fortführung vs. Dosisreduktion von ETA auf 25 mg/Woche oder DOSERA: SR/LDA 52 % vs. 44 % bei Fortführung vs. Dosisreduktion von ETA auf 25 mg/Woche) [6, 28, 29, 49, 98, 121]. Ein komplettes Absetzen der bDMARDs führte in den vorliegenden Studien zu hohen Rezidivraten von ca. 40 bis 80 % nach 6–18 Monaten und ist daher nur in Ausnahmefällen zu erwägen [6, 26, 28, 39, 49, 55, 58, 67, 98, 107, 121].

Besteht eine ausschließliche csDMARD- oder eine ausschließliche bDMARD-Therapie, so kann bei anhaltender Remission ebenfalls eine Deeskalation dieser Therapie erwogen werden. Dies bedeutet im Falle der ausschließlichen Therapie mit einem csDMARD nicht das komplette Absetzen der Therapie, was nur sehr selten möglich sein wird, wohl aber die Ermittlung der individuell notwendigen Dosis zum Erhalt einer Remission.

Abbruch der Deeskalation und Reeskalation

Im Falle eines Flares unter Deeskalation kann durch Wiederaufnahme der ursprünglich verabreichten Dosis der Vortherapie in der Regel eine erneute Remission erreicht werden (Empfehlungsgrad A).

In Studien zur Deeskalation wurde diese bei Auftreten eines Flares beendet und die Therapie wieder intensiviert, d. h. wenn ein Wiederaufflammen der Erkrankung festgestellt wurde [55, 115].

Eine einheitliche Definition für den Flare existiert bisher nicht. Die OMERACT-Arbeitsgruppe hat ein „Core Set“ von Parametern definiert, die in der Definition eines Flares Berücksichtigung finden sollen ([14]; siehe Glossar, Tab. 1). In der klinischen Praxis entspricht ein Flare einer Zunahme der Krankheitsaktivität, die den Arzt veranlasst, die Therapie wieder zu eskalieren (siehe Glossar, Tab. 1). Darüber hinaus existiert eine DAS28-basierte Definition, die einen Flare als Anstieg des DAS28 zwischen zwei Untersuchungen um 1,2 Punkte (oder 0,6 bei aktuellem DAS28 größer 3,2) beschreibt, also die Umkehr der EULAR-Response-Definition [21]. Die Verwendung des DAS28-Score für die Definition einer Krankheitsaktivität ist aus den oben genannten Gründen möglicherweise nicht optimal. Die Leitliniengruppe empfiehlt daher die im Glossar verwendete Definition des Verlusts von Remission oder niedriger Erkrankungsaktivität durch Anstieg der Krankheitsaktivität, gemessen anhand von Composite Scores, über eine tägliche Variation der Beschwerden hinaus. Diese Empfehlung ist nicht evidenzbasiert (Empfehlungsgrad D).

Diskussion

Die hier beschriebene neue S2e-Leitlinie ist das Ergebnis eines Konsensprozesses deutscher Rheumatologen/-innen mit systematischer Bewertung der aktuellen Evidenz zur Behandlung der RA. Sie lehnt sich an die aktuell ebenfalls neu überarbeitete EULAR-Empfehlungen [97] an, setzt in manchen Punkten jedoch auch andere Akzente. Gegenüber früheren Leitlinien wurden einige methodische Neuerung eingeführt: so wurden die Interessenkonflikte aller Teilnehmer der Leitliniengruppe von Ombudspersonen, welche die DGRh bestimmt hat, bewertet und der Konsensprozess wurde jeweils von unabhängigen Moderatoren der Arbeitsgemeinschaft der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften (AWMF) geleitet. Beide Maßnahmen dienten dem Ziel, einen möglichst unabhängigen und objektiven Konsensprozess zu erreichen. Inhaltlich wurde erstmals der Stellenwert der JAK-Inhibitoren definiert und detaillierter als früher haben wir diskutiert, welche Daten existieren, um Therapieentscheidungen im Sinne einer individualisierten Medizin und für eine Deeskalation der DMARD-Therapien zu treffen. Auch inhaltlich spiegelt diese neue Leitlinie im Vergleich zu der vorherigen [65] neben einer gewissen Kontinuität auch viele Neuentwicklungen wider.

Die wichtigste Absicht der Autoren dieser Leitlinie ist es, dem Rheumatologen auf der Basis der vorhandenen Evidenz Entscheidungshilfen für das therapeutische Vorgehen auf dem aktuellsten Stand zur Verfügung zu stellen. Es ist zu hoffen, dass im nächsten Schritt die Inhalte der LL tatsächlich in die Versorgung der RA-Patienten implementiert werden. Gegenwärtig bestehen bei der Umsetzung des T2T-Prinzips hierzulande noch Defizite: Eine aktuelle Auswertung der Kerndokumentation der Deutschen Rheumazentren hat gezeigt [2], dass z. B. bei jedem zweiten erfassten RA-Patienten bei Anwendung des T2T-Prinzips eine Therapiemodifizierung vorgenommen werden müsste, da das Therapieziel einer Remission oder LDA nicht erreicht ist. Auch die CAPEA-Studie [1], die Auswertung des zweijährigen Krankheitsverlaufes einer Früharthritiskohorte in Deutschland, belegt Defizite: So änderte sich der Anteil der Patienten mit moderater oder hoher Krankheitsaktivität in dieser Studie zwischen Monat 6 und 24 nicht, er lag nach 2 Jahren noch immer bei 37 %. Dennoch erhielten im Gesamtverlauf nur 10 % eine csDMARD-Kombination und 12 % ein bDMARD, 47 % der Patienten standen noch unter GC.

Auch wenn die Prinzipien des evidenzbasierten Vorgehens so weit wie möglich bei der Erstellung der LL angewendet wurden, hat sich gezeigt, dass nach wie vor längst nicht alle relevanten Fragen wirklich evidenzbasiert zu beantworten sind, da entsprechende Studien fehlen. Für die Zukunft bleibt somit viel weitere Arbeit zu leisten. Die Leitliniengruppe hat versucht, dem mit einer Forschungs-Agenda Rechnung zu tragen.

Forschungs-Agenda

Therapiealgorithmus

  • Sollte eine DMARD-Therapie bereits im Frühstadium einer undifferenzierten Arthritis, bei Risikofaktoren für die Entwicklung einer RA, auch ohne dass die ACR/EULAR Klassifikationskriterien erfüllt sind, begonnen werden und wenn ja wie?

  • Ist der Beginn einer DMARD-Therapie auch bei sehr geringer Aktivität der RA sinnvoll?

  • Gibt es Situationen/Konstellationen, in denen eine Starttherapie mit hierfür zugelassenen bDMARDs zu empfehlen ist?

  • Wie ist die Wirksamkeit und Sicherheit anderer csDMARDs, wie Leflunomid und Sulfasalzin, im Vergleich zu MTX in der initialen Therapie und als Kombinationspartner mit bDMARDs und tsDMARDs?

  • Wie ist die Wirksamkeit und Sicherheit oraler Gaben von Glukokortikoiden sowohl in der Therapie initial (z. B. Prednisolonäquivalent 10–30 mg/Tag) als auch im Verlauf z. B. bei der Therapie eines Flares

  • Ist eine Therapie mit intraartikulären GC zusätzlich zur Therapie mit DMARDs effektiv und wie viele intraartikuläre Injektionen pro Gelenk sind in welchem Zeitraum sinnvoll und unbedenklich?

  • Wie valide sind die Kriterien zur Auswahl von Patienten für b‑ oder tsDMARD-Therapie versus DMARD-Kombination nach inadäquatem Ansprechen auf das erste DMARD?

  • Ist das Langzeit-Outcome für den Einsatz von bDMARDs oder tsDMARDs nach dem ersten csDMARD im Vergleich zur dem nach einer zweiten csDMARD-Strategie unterschiedlich? Haben Risikofaktoren (ACPA-Positivität, Erosivität usw.) einen Einfluss?

  • Wie ist die Wirksamkeit und Sicherheit von b‑ oder tsDMARDs, wenn als erstes bDMARD kein TNF-Inhibitor gegeben wurde?

  • Wie ist die Präferenz und Adhärenz von oralen tsDMARDs im Vergleich zu bDMARDs und in Kombination mit csDMARDs?

  • Was sind die Gründe und Mechanismen für den sekundären Wirkverlust von DMARDs und wie kann dieser vermieden werden?

  • Was bewirken DMARDs bzw. DMARD-Kombinationen im Hinblick auf verschiedene Komorbiditäten, z. B. das kardiovaskuläre Risiko, pulmonale Manifestationen, Diabetes u. a.?

Treat-to-Target (T2T)

  • Ist T2T bei allen RA Patienten, z. B. auch bei hochbetagten und/oder erheblich komorbiden Patienten, sinnvoll?

  • Welche Möglichkeiten der engmaschigen Verlaufsbeurteilung im initialen Therapiestadium der RA gibt es und welche Rolle kann a) Telemedizin und b) Delegation an rheumatologische Fachassistenten dabei spielen?

  • Welche Rolle spielen MRT und Sonographie in der Verlaufsbeurteilung des T2T?

  • Wie kann eine Verbesserung der Adhärenz zu T2T in der rheumatologischen Routineversorgung bewirkt werden?

Biomarker und Individualisierte Medizin

  • Welche Rolle spielen genetische oder immunologische Marker für die Prognose der RA oder die Therapieentscheidungen?

  • Gibt es Prädiktoren für das Ansprechen oder das Nicht-Ansprechen auf ein bestimmtes bDMARD oder tsDMARD?

  • Welche Prädiktoren gibt es für das Erreichen des Therapieziels früh im Verhandlungsverlauf?

  • Welche Rolle kann die Messung von „anti-drug antibodies“ (ADA) und/oder von Medikamentenkonzentrationen im Blut in der klinischen Praxis für die Festlegung der Dosis oder des Dosierungsintervalls von DMARDs spielen?

  • Welches sind die Prädiktoren für das Auftreten von unerwünschten Ereignissen?

Deeskalation

  • Wie ist die Kosten-Nutzen-Analyse einer Deeskalationstherapie bei RA?

  • Welche Prädiktoren gibt es für eine erfolgreiche Deeskalation und für einen Flare?

  • Was ist die richtige Deeskalationsstrategie bezüglich der Reihenfolge der zu deeskalierenden DMARDs (bDMARD, tsDMARD oder csDMARD)?

  • Was ist die richtige Deeskalationsstrategie? Dosisreduktion oder Spacing, rasche oder langsame Deeskalation, maximal Halbierung der Dosis oder weitere Dosisreduktion?