Im Jahr 2013 lebten 16,5 Mio. Menschen mit einem Migrationshintergrund in Deutschland, wovon ca. 1,5 Mio. älter sind als 65 Jahre. Für diese Population existieren bisher keine systematischen Angaben zur Anzahl Demenzerkrankter, was das Gesundheitssystem vor eine Herausforderung stellt, deren Dimension kaum einzuschätzen ist. In diesem Beitrag wird daher anhand verschiedener frei zugänglicher Datensätze die Prävalenz von Demenz für verschiedene Ethnien in Deutschland und deren Verteilung auf die einzelnen Bundesländer geschätzt.

Hintergrund

In Deutschland wird die Prävalenz an Demenz erkrankter Menschen auf ca. 1,5 Mio. Menschen geschätzt, wobei die Prävalenz jährlich steigt. Die Inzidenz wird mit 300.000 Neuerkrankungen/Jahr angegeben. Aktuellen Prognosen zufolge wird sich die Anzahl der Erkrankten bis 2050 auf 3 Mio. Menschen erhöhen [5]. Die hohe Inzidenz und Prävalenz stellen eine Herausforderung für das Gesundheitssystem und die Gesellschaft als Ganzes dar [7, 26]. Aus diesem Grund wurde am 19. September 2012 die „Allianz für Menschen mit Demenz“ durch die Bundesfamilienministerin und den Bundesgesundheitsminister gegründet [6]. Ziele der Allianz sind die Weiterentwicklung von Hilfen und Unterstützung für Betroffene sowie die Förderung von Verständnis und Sensibilität für Menschen mit Demenz und ihre pflegenden Angehörigen. Beim Umgang mit der Demenz sind nicht nur medizinische und pflegerische Aspekte zu beachten. Genauso wichtig ist ein biografischer, sozialer, kultureller und spiritueller Zugang zu den betroffenen Menschen, ihren Familien und ihren pflegenden Angehörigen [18, 22]. Demenzversorgung muss kultursensibel sein!

Eine Handlungsempfehlung der Allianz besagt deshalb: „Das Versorgungssystem muss daher individuell ausgerichtet sein und passende Unterstützungsangebote […] bieten […] für Menschen mit Migrationshintergrund […]“ [8]. In Deutschland lebten im Jahr 2013 16,5 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund. Das waren 20,5 % der Gesamtbevölkerung [9]. Bei geschätzten 1,5 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund, die älter als 65 Jahre sind, wird die Gruppe der Demenzerkrankten eine relevante Größe in der Versorgung darstellen. Der Wissensstand über diese Gruppe ist jedoch derzeit unzureichend. Migrationshintergrund stellt einen Risikofaktor für die Gesundheit dar [4]. Besondere Gruppen von Migranten nehmen verfügbare Gesundheitsleistungen [16], darunter auch Pflegeleistungen [25], kaum in Anspruch. Da die Demenz in Deutschland unterdiagnostiziert ist [13], ist davon auszugehen, dass dies bei der Gruppe der Migranten eher noch ausgeprägter der Fall ist. Gründe für die geringere Inanspruchnahme werden auf Sprachbarrieren/Analphabetismus [2], kulturelle Unterschiede im Verständnis von Krankheit/Gesundheit oder im Umgang damit [3, 17, 18] oder das Fehlen kulturspezifischer Informationen und Angebote [2] zurückgeführt. Ein erheblicher Anteil von Personen mit Migrationshintergrund wird nur schwer vom Gesundheitssystem erreicht, und, wo dies gelingt, kommt es häufig zu Problemen in der Verständigung [2, 21]. Eine differenzierte Schätzung der Anzahl an Demenz erkrankter Menschen mit verschiedenem Migrationshintergrund ist notwendig, um die Größe und Art der Herausforderung auf das Gesundheitssystem abschätzen und ihr durch differenzierte Planung begegnen zu können. Eine Studie aus dem Jahre 2014 schätzte die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund mit einer demenziellen Erkrankung auf 105.543 [11]. Jedoch beruht diese Schätzung nicht auf länderspezifische Prävalenzen. Stattdessen wurden die für Deutschland geltenden Prävalenzzahlen auf die verschiedenen Gruppen angewandt. Zudem wurde für die Analyse nicht nach einzelnen Ethnien unterschieden, sondern generell nach Menschen mit Migrationshintergrund, Ausländern und (Spät‑)Aussiedlern.

Das Ziel der vorliegenden Analyse ist eine nach Bundesländern und Prävalenzen in den Heimatländern der verschiedenen Ethnien differenzierte Schätzung der Zahl an Demenz erkrankter Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland.

Methode

Die Analyse basiert auf der Zusammenführung verschiedener, öffentlich verfügbarer Datensätze zur Prävalenz von Demenz und zu Bevölkerungszahlen von Menschen mit Migrationshintergrund.

Die Definition des Statistischen Bundesamtes beschreibt, dass „einen Migrationshintergrund hat, wer durch Geburt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder wer mindestens einen Elternteil hat, der durch Geburt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt“. Dazu zählen in erster Linie Ausländer, (Spät‑)Aussiedler und Eingebürgerte, aber auch deren Kinder [9]. Soweit möglich wird diese Differenzierung in den Analysen berücksichtigt. Die Daten des Statistischen Bundesamtes werden nach Geschlecht und Bundesland getrennt aufgeführt.

Die Konzeptualisierung von Demenz orientiert sich an den Vorgaben, die Alzheimer’s Disease International und Alzheimer Europe für ihre Berechnungen zugrunde gelegt haben. Diese schließen Menschen ein, die 60 bzw. 65 Jahre alt sind und eine diagnostizierte Demenz aufweisen, die nach klinischen Kriterien festgestellt wurde [1, 19].

Für die Analysen wurden folgende Datensätze verwendet:

  1. 1.

    Dementia in Europe. Yearbook 2013 der Alzheimer Europe. Alzheimer Europe listet hier für verschiedene europäische Länder die Anzahl der Demenzerkrankten in verschiedenen Alterskategorien auf [1].

  2. 2.

    World Population Prospects. Key findings & advance tables der United Nations (2017) führt für verschiedene Länder die Gesamtpopulation auf [27].

  3. 3.

    World Population Prospects Volume II: Demographic Profiles der United Nations (2017). Die United Nations geben hier an, wie hoch der prozentuale Anteil der über 65-Jährigen an der jeweiligen Population eines Landes ausfällt [28].

  4. 4.

    World Alzheimer Report 2015 der Alzheimer’s Disease International. Hier werden Prävalenzzahlen für Personen ab 60 Jahren verschiedener Weltregionen, wie Europa, Asien oder Afrika und deren Subregionen, angegeben [19].

  5. 5.

    Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus 2016 des Statistischen Bundesamtes (2017). Im Mikrozensus wurden im Rahmen einer Zufallsstichprobe 365.700 Haushalte mit 744.000 Personen u. a. zu verschiedenen demografischen und soziodemografischen Merkmalen befragt. Die hier genutzte Fassung fokussiert dabei auf die Lage der Menschen mit Migrationshintergrund [9].

Um angeben zu können, wie viele Menschen mit einem Migrationshintergrund in Deutschland schätzungsweise eine demenzielle Erkrankung aufweisen, wurden im ersten Schritt Prävalenzen für Demenz der verschiedenen Herkunftsländer ermittelt. Dafür wurden für Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, die Türkei und das Vereinigte Königreich diese Prävalenzen anhand des Dementia in Europe. Yearbook 2013, des World Population Prospects. Key findings & advance tables und des World Population Prospects Volume II: Demographic Profiles geschätzt, indem der prozentuale Anteil der Demenzerkrankten aus einem Land an dessen Population der über 65-Jährigen bestimmt wurde. Für Bosnien, Kosovo, die Russische Föderation, Serbien, die Ukraine, Marokko, Ägypten, Algerien, Libyen, Tunesien, die Vereinigten Staaten, Irak, Iran, Kasachstan, Syrien, Afghanistan, China, Indien, Pakistan, Vietnam, Australien und Ozeanien wurden die Prävalenzzahlen des „World Alzheimer Report 2015“ verwendet. Diese länderspezifischen Prävalenzen für Demenz wurden angewandt auf die jeweiligen Gruppen von Menschen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland leben und über 65 Jahre alt sind. Die Angaben zu den hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund wurden aus Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus 2016 entnommen. Das Produkt aus der Anzahl von Menschen mit Migrationshintergrund über 65 Jahre einer Ethnie und der entsprechenden Herkunftslandprävalenz stellt die Anzahl derer dar, die in dieser Gruppe eine demenzielle Erkrankung aufweisen.

Die Anzahl an Menschen mit einem Migrationshintergrund und einer Demenz wurde für jedes Herkunftsland bestimmt und daraufhin für die einzelnen Bundesländer und für ganz Deutschland aufaddiert. Anschließend wurde der prozentuale Anteil der Erkrankten an der Population der Menschen mit Migrationshintergrund über 65 Jahre errechnet.

Im nächsten Schritt wurde aus diesen Angaben eine Auflistung der 15 Ethnien mit den höchsten geschätzten Erkrankungsfallzahlen in Deutschland zusammengestellt.

Schließlich wurde eine kontinentspezifische Aufschlüsselung der Häufigkeit von Demenzerkrankungen bei Menschen mit Migrationshintergrund erstellt. Hierfür wurden aus dem World Alzheimer Report 2015 die kontinentspezifischen Prävalenzen von Asien, Europa, Amerika, Afrika und Australien übernommen und multipliziert mit der Anzahl von Menschen aus den jeweiligen Kontinenten, die in Deutschland leben und älter als 65 Jahre sind.

Alle Angaben wurden sowohl für die Gesamtgruppe der Menschen mit Migrationshintergrund als auch für die Gruppe der Personen mit eigener Migrationserfahrung (Personen mit Migrationshintergrund der 1. Generation) berechnet.

Ergebnisse

Wie in Tab. 1 zu sehen ist, lebten in Deutschland im Jahr 2016 18.576.000 Menschen mit einem Migrationshintergrund, von denen 1.862.000 Menschen älter als 65 Jahre sind. Von diesen entfällt ein Großteil auf die 1. Generation der hier lebenden Personen mit Migrationshintergrund. In dieser Alterskohorte leiden schätzungsweise 96.480 Menschen an einer Demenzerkrankung. Die meisten Erkrankten finden sich mit ca. 93.800 Erkrankten ebenfalls in der 1. Generation. Die größere Anzahl an Personen mit einer demenziellen Erkrankung findet sich im Westen Deutschlands mit ca. 39.300 Erkrankten (in den Neuen Bundesländern ca. 7200 Erkrankte). In Nordrhein-Westfalen (ca. 26.000 Erkrankte), Baden-Württemberg (ca. 18.000 Erkrankte) und Bayern (ca. 16.700 Erkrankte) leben die meisten Betroffenen. Die wenigsten in Brandenburg und Sachsen-Anhalt (je ca. 650 Erkrankte), Thüringen (ca. 530 Erkrankte) und Mecklenburg-Vorpommern (ca. 470 Erkrankte) (Tab. 1). Nach Herkunftsland stammt die größte Gruppe von Menschen mit einer demenziellen Erkrankung aus Polen (ca. 14.000 Erkrankte), gefolgt von Italien (ca. 8920 Erkrankte), Türkei (ca. 8840 Erkrankte), Rumänien (ca. 6430 Erkrankte) und der Russischen Föderation (ca. 6300 Erkrankte) (Tab. 2). Aus anderen Kontinenten (Asien, Amerika, Afrika und Australien) stammen 12,97 % der an Demenz erkrankten Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland (Tab. 3).

Tab. 1 Menschen mit Migrationshintergrund (MmM) und Demenz in Deutschland
Tab. 2 Ethnien mit den häufigsten Demenzerkrankungen in Deutschland
Tab. 3 Häufigkeit von Demenzerkrankungen von MmM in Deutschland, aufgeschlüsselt nach Kontinenten

Diskussion

Die vorliegenden Analysen zeigen die Anzahl der an Demenz erkrankten Menschen mit Migrationshintergrund auf Basis länderspezifischer Prävalenzzahlen separat nach ausgewählten Herkunftsländern sowie summarisch für alle deutschen Bundesländer. Im Ergebnis leben in Deutschland annähernd 96.500 (ca. 5,2 %) der 1,86 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund mit einer demenziellen Erkrankung. Die Schätzung der Gesamtzahl liegt dabei in einem ähnlichen Bereich wie die Schätzung von Drewniok [11]. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die tatsächliche Anzahl der Demenzerkrankten höher liegt, da die Demenz unterdiagnostiziert ist [12, 13] und daher die Verwendung der publizierten Prävalenzrate zu einer konservativen Schätzung führt.

Trotz dieser Limitation ist mit diesen Zahlen eine Aussage zu Demenzerkrankten unter den Menschen mit Migrationshintergrund möglich. Bisher gab es nach bestem Wissen der Autoren keine Analyse, die die Prävalenz von Demenz bei Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland ethnien- bzw. kontinentspezifisch dargelegt hat. Die vorliegenden Zahlen können Einrichtungen und Vertretern des Gesundheits- und Versorgungssystems helfen, die Größenordnung der auf sie zukommenden Herausforderung einzuschätzen und bei der Ressourcenplanung, aber auch bei der kultursensiblen Ausrichtung der Angebote helfen. So kann auf Länderebene die Handlungssteuerung verbessert werden, was relevant ist, da die Bundesländer unterschiedliche Verteilungen hinsichtlich der Menschen mit Migrationshintergrund aufweisen (Tab. 1). Diese Tatsache spiegelt sich entsprechend auch in der Anzahl von Menschen mit einem Migrationshintergrund und einer demenziellen Erkrankung wider, wobei besonders Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern in den kommenden Jahren mit einer deutlich ansteigenden Anzahl an Demenz erkrankter Menschen mit Migrationshintergrund konfrontiert werden.

Die Allianz für Menschen mit Demenz hat diesbezüglich in einer Handlungsempfehlung angegeben, dass das Versorgungssystem besser auf Menschen mit Migrationshintergrund eingehen muss [8]. Eine notwendige Voraussetzung für die Umsetzung dieser Empfehlung ist die Kenntnis darüber, wie viele Personen mit welchem Migrationshintergrund betroffen sind. Hier soll die vorliegende Analyse eine Lücke schließen.

Die vorliegenden Hochrechnungen weisen mehrere Einschränkungen auf. Zunächst ist unklar, ob es angemessen ist, für die verschiedenen Ethnien die jeweiligen Prävalenzen der Herkunftsländer zu verwenden. Zudem weisen die Angaben zur Prävalenz z. T. große Unterschiede auf, z. B. sind die Prävalenzen von Italien (8,92 %), Österreich (8,24 %) und Kroatien (7,65 %) wesentlich größer als die Prävalenzen von Kasachstan (4,20 %), der Türkei (4,25 %) und der Ukraine und Serbien (je 4,6 %) (Tab. 2). Für diese deutlichen Unterschiede besteht kein berechtigter Grund. Sie könnten aber zum einen durch die angewandte Methodik der Studien erklärt werden. Die Prävalenzraten, die für die Berechnungen herangezogen wurden, beruhen auf Metaanalysen bzw. einem systematischen Review. Die zugrunde liegenden Studien weisen einige Schwächen auf, z. B. in der Qualität oder aufgrund der Tatsache, dass für einige Länder bzw. Regionen mehr Studien bezüglich Prävalenz vorliegen als für andere Länder. Auch Unterschiede im diagnostischen Prozedere der zugrunde liegenden Studien können zu Unterschieden in den resultierenden Prävalenzangaben führen [19]. Zum anderen kann die Erkrankungsrate von Demenz abhängig sein von der ethnischen Zugehörigkeit, was in einem unterschiedlichen Demenzrisiko resultiert. So konnten Studien in den USA aufzeigen, dass Afroamerikaner und Hispanoamerikaner mit 10,5 % bzw. 7,6 % anstelle von 3,4 % ein höheres Risiko für eine Demenz vom Alzheimer-Typ aufweisen. Dabei ist die Zugehörigkeit zur afroamerikanischen bzw. hispanoamerikanischen ethnischen Gruppe direkt und unabhängig mit der Prävalenz von Alzheimer assoziiert [10, 23]. Darüber hinaus ist ein Großteil der Differenz in der Prävalenz von Demenz noch nicht zu erklären.

Durch die Anwendung dieser Prävalenzen auf der Bundeslandebene wird eine Clusterung von Migration nicht berücksichtigt. Demnach könnten durch die Anwendung vorhandene regionale oder lokale Cluster nicht erfasst werden, oder im Gegensatz werden künstliche Cluster gebildet, die nicht vorhanden sind. Nichtsdestotrotz stellt der hier gewählte Ansatz den mit den zurzeit verfügbaren Daten bestmöglichen Ansatz dar.

Eine weitere Limitation betrifft die nicht immer deckungsgleichen Alterskategorien der herangezogenen Datenquellen. So werden die Prävalenzen der Alzheimer’s Disease International auf die Gruppe der Personen ab 60 Jahren bezogen, während in der vorliegenden Hochrechnung diese auf die Altersgruppe der über 65-Jährigen angewandt wurde. Dies bedeutet, dass die entsprechenden resultierenden Zahlen von Erkrankten unterschätzt werden. Weiterhin ist anzumerken, dass die Zahlen des Statistischen Bundesamtes auf Hochrechnungen basieren, die gerundet werden, wobei auch widersprüchliche Zahlen resultieren können. Für das Saarland weisen die Angaben beispielsweise darauf hin, dass unter den 19.000 Menschen mit Migrationshintergrund, die 65 Jahre oder älter sind, alle über eigene Migrationserfahrungen verfügen, was bedeuten würde, dass es keine Menschen mit Migrationshintergrund in der zweiten Generation gäbe. Genauere Zahlen würden primäre Erhebungen in prospektiven Designs erfordern, die in den betroffenen Gruppen mit erheblichen methodischen Herausforderungen verbunden sind. Jedoch ist es aufgrund vielfältiger Gründe, wie Sprachbarrieren, Angst und Misstrauen, eine Herausforderung, Menschen mit Migrationshintergrund zur Teilnahme an Studien zu bewegen [14, 20]. Zudem besteht die Möglichkeit, dass die hier verwendeten Anzahlen von Personen mit Migrationshintergrund, aber ohne eigene Migrationserfahrung, unterschätzt werden, da diese sich ausschließlich auf Kinder beziehen, die im Haushalt der Eltern leben.

Die hier vorgestellten Hochrechnungen beziehen sich auf das Jahr 2016 und stellen somit nur eine Momentaufnahme dar. Tatsächlich wird der Anteil älterer Menschen mit einem Migrationshintergrund ebenso wie in der deutschstämmigen Bevölkerung ansteigen und damit auch die Prävalenz der demenziellen Erkrankungen. Völlig unklar ist, wie sich die Lage der Menschen der 2. Generation mit einer Demenz darstellen wird. Diese Menschen mit Migrationshintergrund sind in Deutschland geboren und aufgewachsen, deshalb ist anzunehmen, dass sich bei ihnen sowohl Versorgungsbedarfe als auch die Inanspruchnahme von den Personen der 1. Generation unterscheiden. Dies wird in besonderem Maße auf verschiedene Kulturen zutreffen, wobei auch der Erfolg der Integration eine wichtige Rolle spielen wird. Obwohl dies schwer quantitativ belegt werden kann, gehen wir davon aus, dass die Verfügbarkeit von kulturspezifischen Einrichtungen und Angeboten in Deutschland bei Weitem noch nicht ausreicht und in den kommenden Jahren verstärkt auf- und ausgebaut werden muss. Gleichzeitig müssen die Bemühungen zur Erfassung von Primärdaten sowohl zur Morbidität als auch zur Versorgungssituation von Menschen mit Migrationshintergrund fortgesetzt und, wo erforderlich, weiter intensiviert werden [15, 20, 24].

Fazit für die Praxis

  • Die Gruppe der Menschen mit Demenz und Migrationshintergrund stellt allein von ihrer Anzahl her eine relevante Größe in der Versorgungslandschaft dar. Es besteht Handlungsbedarf bei der Erforschung und kultursensiblen Versorgung der Betroffenen.

  • Die Bundesländer sind verschieden stark betroffen. Zum einen, was die Anzahl der Menschen mit Demenz und Migrationshintergrund angeht. Zum anderen, was den Migrationshintergrund angeht. Strategien zum Umgang und zur besseren Versorgung müssen kultursensibel und regional angepasst entwickelt und umgesetzt werden.