Die Ursachen von Prostatakrebs sind auch heute noch weitestgehend unbekannt. Ein bekanntes Risiko ist die genetische Prädisposition. Große Fortschritte wurden bei der besseren Detektion und nichtinvasiven Charakterisierung erreicht. Die so gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen einen individualisierten Einsatz von Diagnostik und Therapie. Betroffene können dadurch besser Chancen und Risiken für sich differenzieren und so besser informiert mitentscheiden.

Die früher gewählte Bezeichnung „populationsbasiertes Screening“ ist definiert als die vom Untersucher ausgehende systematische Untersuchung asymptomatischer Personen mit dem Risiko für eine Erkrankung und verfolgt zwei wesentliche Ziele: die Reduktion der Mortalität und eine Erhaltung der Lebensqualität. Ob ein derartiges systematisches Screening durch Bestimmung des PSA(prostataspezifisches Antigen)-Wertes auch für das Prostatakarzinom anwendbar ist, ist seit vielen Jahren Gegenstand kontroverser Diskussionen und haben den PSA-Wert in ein schlechtes Licht gerückt.

Neben der Ethnie und familiären Disposition gilt das Alter als wichtigster Risikofaktor für eine Erkrankung. Während das Risiko, in den nächsten 10 Jahren an einem Prostatakarzinom zu erkranken, im Alter von 45 Jahren bei 0,4 % liegt, erhöht sich dieses ab 65 Jahren auf 5,1 %. Diese Gruppe muss zweifelsfrei früh die Möglichkeit zu Testung angeboten bekommen. Ebenso sollen Karzinome mit hohem Progressionsrisiko früh identifiziert werden, die zu Metastasierung mit entsprechender Morbidität und Mortalität sowie hohen Behandlungskosten führen können. Hierin liegt zweifelsfrei die entscheidende Aufgabe der Früherkennung.

Diese biologisch aggressiveren Karzinome können je nach Konstellation mittels radikaler Prostatektomie oder externer Radiotherapie mit kurativem Ansatz behandelt werden. Karzinome von niedrigem Progressionsrisiko müssen nicht sofort behandelt werden, bedürfen aber, wie beispielsweise die PROTECT-Studie 2016 mit einer relativ hohen klinischen Progressionsrate zeigte, einer modernen und zielgerichteten aktiven Überwachung. Werden diese Karzinome trotz fehlender Dringlichkeit kurativ therapiert, erfahren Patienten ggf. unnötig früh die Nebenwirkungen der Therapie in Bezug auf Miktions‑, Sexual- und Darmfunktion. Man spricht daher oft von einer Überdiagnostik und Übertherapie durch die PSA-Testung beim Prostatakarzinom. Die Rate hierfür liegt Studien zufolge bei 20–40 %. Durch eine geschickte Kombination von guter Diagnostik und dem Einsatz der aktiven Überwachung bis zum Progress kann diese Rate heute auf <20 % gesenkt werden.

Warum hat der PSA-Wert ein Imageproblem?

Durch die Popularität des PSA als Screening- und als Rezidivmarker Ende der 1980er-Jahre stieg die Inzidenz des Prostatakarzinoms weltweit rasant an und korreliert seitdem mit dem Ausmaß der PSA-Testung. Da die Mortalität jedoch eine langsamere Reduktion zeigte, kamen Ende der 1990er-Jahre Zweifel an der breiten PSA-Testung auf.

Grundlage der Diskussionen waren insbesondere zwei prospektiv randomisierte, kontrollierte Studien, die Männer mit und ohne Screening miteinander verglichen und 2009 in der gleichen Ausgabe des New England Journal of Medicine publiziert wurden: In der amerikanischen PLCO-Studie führte ein PCA-Screening mit PSA und digital rektaler Untersuchung (DRU) bei ca. 76.000 Männern nach einem Follow-up von 15 Jahren nicht zu einem Effekt auf das Gesamtüberleben und die prostatakarzinomspezifische Mortalität. Allerdings wurde in nachfolgenden Analysen festgestellt, dass ungefähr 86 % der Männer auch PSA-Testungen im Kontrollarm der Studie erhielten und somit eine hohe Kontaminationsrate vorlag. Die ERSCP-Studie konnte in Europa hingegen bei deutlich niedrigerer Kontaminationsrate einen relativen Mortalitätsvorteil von 21 % zugunsten der Screeninggruppe zeigen.

In Deutschland sprechen die Krebsregisterdaten für einen Vorteil der PSA-Testung hinsichtlich der krebsspezifischen Mortalität: Zwischen 1994 und 2017 konnte ein Rückgang von 30 auf 19 Todesfälle pro 100.000 Männer beobachtet werden. Als weiteren entscheidenden Vorteil der Verwendung des PSA belegte das Cochrane Review von Ilic 2013, dass durch die PSA-Testung zudem ca. 60 % weniger lokal fortgeschrittene und metastasierte Prostatakarzinome diagnostiziert werden.

Eine aktualisierte Analyse der verfügbaren Studienergebnisse führte dann 2018 dazu, dass die US Preventive Services Task Force ihre Empfehlung korrigierte und sich nun für das Angebot einer PSA-Testung an Männer zwischen 55–69 Jahren ausspricht.

Dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Ende 2020 nach einer erneuten negativen Nutzenbewertung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) basierend auf den alten PSA-Screeningstudien gegen einen individualisierten PSA-Test als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gestimmt hat, ist zwar formal korrekt, in Anbetracht der Weiterentwicklungen und der aktuellen Datenlage hin zu einer deutlichen Reduktion der Überdiagnostik durch eine in der Leitlinie bereits empfohlenen risikoadaptierten Früherkennung aber eine nicht nachvollziehbare Entscheidung.

Auch der Hinweis der Fachgesellschaft gegenüber dem G‑BA, wegen des zunehmenden Stellenwerts des Basis-PSA-Wert zumindest diesen den Männern als GKV-Leistung zu ermöglichen, wurde vom G‑BA zwar in einer Variante als Beschlussvorlage übernommen, scheiterte letztlich bei der G‑BA-Abstimmung aber knapp an einer Stimme. Dabei ist basierend auf populationsbasierten Screeninganalysen aus Schweden von Hans Lilja und Andrew Vickers sowie Sekundäranalysen bspw. aus der PCLO-Studie belegt, dass der Basis-PSA-Wert im Alter < 50 Jahren einen hohen prädiktiven Wert hat und damit sehr früh wichtige Hinweise auf ein klinisch signifikantes Prostatakarzinom mit Metastasierung im weiteren Verlauf des Lebens gibt.

Dieses Konzept der risikoadaptierten PSA-Bestimmung wird auch in der deutschen multizentrischen PROBASE-Studie an inzwischen knapp 47.000 rekrutierten Männern zwischen 45 und 50 Jahren untersucht. Erste Zwischenergebnisse wurden auf dem Deutschen Krebskongress 2020 präsentiert und zeigten, dass bei 90 % der Männer in diesem Alter der PSA im Niedrigrisikobereich lag und das PSA-Intervall auf 5 Jahre festgelegt werden konnte. Nur 0,8 % benötigten eine Biopsie, ein Karzinom wurde bei einem Drittel nachgewiesen, größtenteils im niedrigen Risikostadium.

Zudem hat die multiparametrische MRT in den vergangenen Jahren einen hohen Stellenwert zur besseren Detektion signifikanter Karzinome erlangt, sodass diese auch leitliniengerecht in der Primärdiagnostik angeboten werden sollte. Da allerdings auch mit MRT noch bis zu 16 % signifikanter Karzinome übersehen werden, sollte eine nachfolgende Biopsie weiterhin gezielt und systematisch erfolgen. Durch eine qualitativ hochwertige MRT kann andererseits die Rate an unnötigen Biopsien eines Niedrig-Risiko-Karzinoms gesenkt werden.

Zusammenfassend muss der PSA-Wert im Jahr 2021 bei informierten Männern die Grundlage eines individualisierten risikoadaptierten Früherkennungskonzepts ab einem Alter von 45 darstellen. Durch die aktuellen Entwicklungen in der Bildgebung und die auch dadurch verbesserte Strategie der aktiven Überwachung werden in der klinischen Realität jetzt bereits klinisch signifikante Karzinome frühzeitiger erkannt und dadurch Morbidität, Mortalität und Kosten durch Metastasierung gesenkt. Durch die gleichzeitige Reduktion der Überdiagnose von Niedrig-Risiko-Karzinomen ist mit moderner Urologie das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Früherkennung bereits jetzt schon messbar verändert.

Univ.-Prof. Dr. Maurice Stephan Michel

Univ.-Prof. Dr. Peter Albers