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Dieser Beitrag ist Teil einer Serie zu den wichtigsten Intensivmedizinische Studien aus 2018/2019. Weitere Teile der Serie sind:

Da viele Studien unter Akronymen „gehandelt“ werden, gibt Tab. 1 einen Überblick über die im vergangenen Jahr erschienenen Studien unter gleichzeitiger Nennung der jeweiligen Akronyme (sofern vorhanden).

Tab. 1 In den Jahren 2018/2019 erschienene intensivmedizinische Studien und die Bedeutung der Akronyme

Das „acute respiratory distress syndrome“ (ARDS) beschreibt ein akutes Lungenversagen, dem verschiedene Ursachen zugrunde liegen können. Die Diagnosestellung und Einteilung in 3 Schweregrade erfolgt nach den Berlin-Kriterien aus dem Jahr 2012 unter Berücksichtigung des Horovitz-Quotienten (arterieller Sauerstoffpartialdruck (paO2), dividiert durch die inspiratorische Sauerstofffraktion (FIO2)) (Tab. 2; [2]):

Tab. 2 Berlin-Definition des „acute respiratory distress syndrome“ (nach Ranieri et al. [2])

Die Sterblichkeit des ARDS ist hoch und variiert je nach Erkrankungsschwere von 27 bis über 60 % [3,4,5,6]. Ein ARDS kann als Reaktion auf eine Systemerkrankung auftreten oder Folge einer direkten Lungenschädigung sein. Durch die direkte oder indirekte Schädigung kommt es durch die Freisetzung proinflammatorischer Zytokine zu einer überschießenden Immunreaktion mit Invasion neutrophiler Granulozyten. Diese setzen zytotoxische Substanzen und reaktive Sauerstoffspezies frei; ein Prozess, der zu einer erhöhten vaskulären Permeabilität mit konsekutivem, alveolärem Ödem und über einen Surfactant-Mangel zur Atelektasenbildung führt [7].

Zur Therapie der Hypoxämie bis zur Erholung der Lungenfunktion ist in vielen Fällen eine invasive Beatmung notwendig. Um eine weitere ventilatorassoziierte Lungenschädigung zu vermeiden, ist die konsequente Umsetzung lungenprotektiver Beatmungsregime essenziell [1, 8]:

  • Tidalvolumen: maximal 6 ml/kg ideales Körpergewicht,

  • inspiratorische Druckdifferenz („driving pressure“) ≤15 cm H2O,

  • maximaler inspiratorischer Spitzendruck möglichst bei <30 mbar,

  • Einstellung eines adäquaten positiven endexspiratorischen Beatmungsdruckes („positive end-expiratory pressure“, PEEP),

  • ggf. Bauchlage,

  • ggf. Relaxierung.

FormalPara Originalpublikation

Combes A, Hajage D, Capellier G et al (2018) Extracorporeal membrane oxygenation for Severe Acute Respiratory Distress Syndrome. N Engl J Med 378:1965–1975

Die Anwendung der extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) als „Rescue“-Lungenersatzverfahren gewann über die letzten Jahre zunehmend an Bedeutung. Die Anwendungszahlen und die Anzahl der Zentren, in denen eine ECMO eingesetzt werden kann, nahmen trotz der hohen Therapiekosten über die letzten Jahre hinweg stetig zu [9, 10]. Die Frage, ob über den Einsatz der ECMO eine Verbesserung der Prognose erreicht werden kann, wird derzeit kontrovers diskutiert. Eine randomisierte, kontrollierte Studie von Peek et al. [11] aus dem Jahr 2009 zeigte vielversprechende Ergebnisse für eine Prognoseverbesserung durch eine ECMO-Therapie, jedoch bei eingeschränkter Aussagekraft aufgrund des methodischen Vorgehens der Studie. Die EOLIA-Studie [12] befasste sich ebenso mit dieser Fragestellung. In die randomisierte, kontrollierte Multizenterstudie wurden 249 Patienten mit schwerem ARDS eingeschlossen. Die Diagnosestellung des ARDS erfolgte anhand der American–European-Consensus-Conference-Definition von 1994, da die Studie vor Veröffentlichung der Berlin-Definition aus dem Jahr 2011 geplant wurde [13]. Zusätzlich mussten die Patienten bei Einschluss in die Studie für weniger als 7 Tage mechanisch beatmet worden sein und mindestens eines der folgenden 3 Kriterien erfüllen:

  • Horovitz-Quotient <50 mm Hg über 3 h,

  • Horovitz-Quotient <80 mm Hg über 6 h,

  • pH-Wert im arteriellen Blut <7,25 mit einem pCO2 >60 mm Hg über 6 h.

Es erfolgte die Randomisierung in 2 Gruppen: Bei der ECMO-Gruppe wurde umgehend die ECMO-Therapie begonnen. Die Kontrollgruppe wurde weiterhin konventionell mittels lungenprotektiver Beatmung therapiert, jedoch war ein Wechsel auf eine „Rescue“-ECMO-Therapie möglich, wenn die Sauerstoffsättigung über 6 h unter 80 % lag, kein irreversibles Organversagen vorlag und der behandelnde Arzt der Meinung war, dass das Behandlungsergebnis des Patienten durch eine ECMO-Therapie verbessert werden könnte.

Der primäre Endpunkt der Studie war die 60-Tage-Sterblichkeit, während das Therapieversagen (definiert als Beginn einer ECMO-Therapie in der konventionellen Gruppe oder Versterben der Patienten), die Sterblichkeit zu verschiedenen Zeitpunkten und diverse ECMO-assoziierte Komplikationen sekundäre Endpunkte darstellten.

Die Studie wurde nach der vierten Interimsanalyse von 249 Patienten abgebrochen, da sich bezüglich des primären Endpunkts kein signifikanter Unterschied zeigte. Bei Randomisierung waren die beiden Gruppen in Bezug auf die Baseline-Daten vergleichbar.

Die Sterblichkeit nach 60 Tagen lag bei 35 % in der ECMO-Gruppe und bei 46 % in der Kontrollgruppe (p = 0,09). Bei 35 Patienten (28 %) der Kontrollgruppe wurde eine „Rescue“-ECMO-Therapie durchgeführt, sodass sich die Gruppen signifikant bezüglich des sekundären Endpunkts Therapieversagen unterschieden: ECMO-Gruppe 35 % vs. Kontrollgruppe 58 % (p < 0,001). Zwanzig von 35 Patienten (57 %) der Kontrollgruppe, bei denen eine „Rescue“-ECMO-Therapie durchgeführt werden musste, verstarben im Rahmen des Behandlungsverlaufs.

Durch die EOLIA-Studie konnte kein signifikanter Überlebensvorteil für die ECMO bei Patienten mit schwerem ARDS gezeigt werden. Um einen signifikanten Vorteil zu zeigen, wäre mit der angenommenen Studien-Power eine absolute Reduktion der Sterblichkeit von 20 % durch die ECMO notwendig gewesen. Jedoch ergeben sich in einer nachträglich durchgeführten Bayes-Analyse (ein statistisches Vorgehen, mit dem man die Wahrscheinlichkeit für eine Risikoreduktion errechnen kann) deutliche Hinweise für einen Überlebensvorteil der ECMO-Therapie [14]. Außerdem könnten die Ergebnisse zum Nachteil der ECMO-Gruppe durch die Möglichkeit der „Rescue“-ECMO-Therapie in der Kontrollgruppe beeinflusst worden sein.

Die Frage, ob für die ECMO-Therapie ein signifikanter Überlebensvorteil in Studien gezeigt werden kann, bleibt also auch nach der EOLIA-Studie unbeantwortet [12]. Entsprechend dem Studienprotokoll der EOLIA-Studie liegt es jedoch in vielen Fällen eines schweren ARDS nahe, eine ECMO als „Rescue“-Therapie anzuwenden. Entscheidend ist es, individuell für jeden Patienten den richtigen Zeitpunkt für den Beginn einer ECMO-Therapie zu finden.

FormalPara Originalpublikation

Simonis FD, Serpa Neto A, Binnekade JM et al (2018) Effect of a low vs. intermediate tidal volume strategy on ventilator-free days in intensive care unit patients without ARDS: a randomized clinical trial. JAMA 320:1872–1880

Bei einem ARDS führt eine lungenprotektive Beatmungsstrategie mit niedrigem Tidalvolumen (6–7 ml/kgKG), verglichen mit einer Beatmung mit höheren Tidalvolumina (10–15 ml/kgKG), zu einem Überlebensvorteil [15]. Es ist bisher allerdings unklar, ob Patienten, die nicht an einem ARDS leiden, ebenfalls von einer Beatmung mit niedrigen Tidalvolumina profitieren. Eine multizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie aus den Niederlanden beschäftigte sich mit der Fragestellung, ob eine Beatmung mit niedrigen Tidalvolumina (4–6 ml/kgKG) einer Beatmung mit höheren Tidalvolumina (10 ml/kgKG) bezüglich der beatmungsfreien Tage innerhalb von 28 Tagen nach Aufnahme auf Intensivstation überlegen ist (PReVENT-Studie) [16]. Es wurden chirurgische und internistische Patienten, bei denen eine Beatmungsdauer über 24 h erwartet wurde und nach der Berlin-Definition kein ARDS vorlag, eingeschlossen. Sekundäre Endpunkte waren die Sterblichkeit, die Dauer des Krankenhaus- und Intensivaufenthalts und die Entwicklung eines ARDS, einer Pneumonie, einer schweren Atelektase sowie eines Pneumothorax. Die Gruppe mit niedrigen Tidalvolumina umfasste 475 Patienten und wurde mit einem Tidalvolumen von 6 ml/kgKG unter Nutzung einer volumenkontrollierten Beatmung oder eines druckunterstützten Spontanbeatmungsmodus beatmet. Sofern möglich, wurde anschließend das Tidalvolumen auf 4 ml/kgKG reduziert. Die minimale Druckunterstützung lag bei 5 cm H2O. Eine Spontanatmung mit höheren Tidalvolumina wurde toleriert. In die Gruppe mit höheren Tidalvolumina wurden 480 Patienten eingeschlossen, für die ein maximaler Plateaudruck von 25 cm H2O festgelegt wurde. Falls dieser überschritten werden musste, reduzierte man das Tidalvolumen, um den Grenzwert nicht zu überschreiten. Um das Studienprotokoll einzuhalten, wurden keine zusätzliche Analgosedierung oder Muskelrelaxation durchgeführt.

Insgesamt wurden 961 Patienten auf 6 Intensivstationen randomisiert (477 Patienten mit niedrigen Tidalvolumina vs. 484 Patienten mit höheren Tidalvolumina). Bezüglich des primären Endpunkts zeigte sich im Median kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen (21 vs. 21 beatmungsfreie Tage bis Tag 28). Auch bezüglich der sekundären Endpunkte konnte kein signifikanter Unterschied gezeigt werden. Patienten der Gruppe mit niedrigem Tidalvolumen hatten einen signifikant höheren CO2-Partialdruck und einen niedrigeren Blut-pH-Wert.

Die PReVENT-Studie [16] konnte keinen Vorteil für eine Beatmungsstrategie mit niedrigem Tidalvolumen für Patienten ohne ARDS zeigen. Jedoch wurden auch in der Kontrollgruppe hohe Plateaudrücke (>25 cm H2O) und damit exzessive Barotraumata vermieden. Daraus ergibt sich, dass bei Patienten ohne ARDS eine Hyperkapnie und eine daraus folgende respiratorische Acidose nicht zugunsten kleiner Tidalvolumina toleriert werden müssen, zumindest, solange hohe Spitzendrücke vermieden werden. Generell können Patienten ohne ARDS nach den Ergebnissen der PReVENT-Studie mit moderaten Tidalvolumina (6–8 ml/kgKG) beatmet werden.

FormalPara Originalpublikation

Beitler JR, Sarge T, Banner-Goodspeed VM et al (2019) Effect of titrating Positive End-Expiratory Pressure (PEEP) with an esophageal pressure–guided strategy vs. an empirical high PEEP-FiO2 strategy on death and days free from mechanical ventilation among patients with Acute Respiratory Distress Syndrome. JAMA 321:846–857

Eine optimale Einstellung des positiven endexspiratorischen Drucks (PEEP) soll ein Kollabieren der Alveolen in der Exspirationsphase verhindern und dadurch die beatmungsassoziierte Schädigung der Lunge reduzieren. Wird ein zu hoher PEEP gewählt, kann dies über hohe Beatmungsdrücke ebenfalls zu einer Schädigung des Lungengewebes führen.

Eine prospektive, randomisierte, kontrollierte Studie, in die Patienten mit mildem bis schwerem ARDS von 14 nordamerikanischen Intensivstation eingeschlossen wurden, untersuchte, ob eine PEEP-Titration anhand des Ösophagusdrucks einer Einstellung des PEEP nach einer empirischen Tabelle überlegen ist [17]. Eine Studie von Talmor et al. [18] konnte 2008 eine verbesserte Oxygenierung und Compliance für eine Einstellung anhand des Ösophagusdrucks zeigen.

Primär wurde ein kombinierter Endpunkt aus Überleben und beatmungsfreien Tagen bis zum 28. Tag nach Einschluss in die Studie evaluiert. Der Ösophagusdruck entspricht näherungsweise dem intrapleuralen Druck. In der Interventionsgruppe wurde der PEEP so gewählt, dass der transpulmonale Druck (Atemwegsdruck minus Pleuradruck) zwischen 0–6 cm H2O lag, nie jedoch niedriger oder wesentlich höher. Das Atemzugvolumen wurde zwischen 4–8 ml/kgKG gewählt und bei endinspiratorischem transpulmonalem Druck >20 cmH20 reduziert bzw. bei Dyspnoe oder Acidose erhöht. In der Kontrollgruppe wurde die niedrigste mögliche Kombination nach einer empirischen FIO2-PEEP-Tabelle gewählt, um eine ausreichende Oxygenierung zu gewährleisten. Eingeschlossen wurden insgesamt 200 Patienten (Interventionsgruppe: n = 102, Kontrollgruppe: n = 98).

Hinsichtlich des primären Endpunkts zeigte sich kein Unterschied zwischen den Studiengruppen (p = 0,92). Nach 28 Tagen waren 33 Patienten (32,4 %) der ösophagusdruckgesteuerten Gruppe und 30 Patienten (30,6 %) der Kontrollgruppe verstorben (p = 0,88). Bezüglich beatmungsfreier Tage und sonstiger sekundärer Endpunkte gab es ebenfalls keine signifikanten Unterschiede. Die beiden Studiengruppen wurden trotz verschiedener Vorgehensweisen bei der Einstellung des PEEP jedoch sehr ähnlich beatmet. Bezüglich der Beatmungsparameter, des endexspiratorischen Ösophagusdrucks, des PEEP, des transpulmonalen endinspiratorischen Plateaudrucks, der „driving pressure“ sowie des Horovitz-Quotienten zeigten sich im Mittel innerhalb der ersten 7 Studientage keine signifikanten Differenzen. Basierend auf den Ergebnissen dieser Studie ist eine PEEP-Titration anhand empirischer Tabellen, wie in diesem Fall diejenige der Kontrollgruppe der OSCILLATE-Studie [19], der Einstellung anhand des Ösophagusdrucks gleichwertig.

FormalPara Originalpublikation

Perkins GD, Mistry D, Gates S et al (2018) Effect of protocolized weaning with early extubation to noninvasive ventilation vs. invasive weaning on time to liberation from mechanical ventilation among patients with respiratory failure: the breathe randomized clinical trial. JAMA 320:1881–1888

Die Entwöhnung von der invasiven Beatmung sollte möglichst frühzeitig nach standardisierten Protokollen durchgeführt werden [20]. Eine randomisierte, kontrollierte Studie aus Großbritannien [21] untersuchte, ob bei Patienten mit komplizierter Beatmungsentwöhnung die Extubation mit anschließender, nichtinvasiver Beatmung die Dauer bis zur Entwöhnung von jeglicher Beatmung, im Vergleich zu konventionellen Weaning-Protokollen, verkürzen kann. Dafür wurden 364 Patienten auf 41 Intensivstationen eingeschlossen, die mindestens 48 h über einen endotrachealen Tubus beatmet wurden und bei denen ein Versuch der Spontanatmung fehlgeschlagen war. Das konventionelle, invasive Weaning-Protokoll sah eine druckunterstützte Spontanatmung über den Tubus vor. Die Druckunterstützung wurde im Intervall von 2 h um 2 cm H2O reduziert, wenn der Patient keine Anzeichen für Dyspnoe oder respiratorische Erschöpfung zeigte. Ansonsten wurde die Druckunterstützung um 2 cm H2O erhöht. War der täglich durchgeführte Spontanatmungsversuch erfolgreich, erfolgte die Extubation.

Bei dem nichtinvasiven Vorgehen erfolgte die Extubation mit Wechsel auf eine nichtinvasive Beatmung mittels Beatmungsmaske bereits, sobald der behandelnde Arzt ein Weaning für möglich hielt. Es wurden am Respirator zunächst die gleichen Einstellungen, wie bei der invasiven Beatmung beibehalten, und es wurde ebenfalls alle 2 h reevaluiert. Bezüglich der Dauer bis zur Beatmungsfreiheit zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen. Jedoch waren beim nichtinvasiven Protokoll die Dauer der invasiven Beatmung (1 vs. 4 Tage) und die Anzahl der Beatmungstage (3 vs. 4 Tage) signifikant reduziert. Zudem erhielten die Patienten der nichtinvasiven Weaning-Gruppe weniger antibiotische Therapie aufgrund von respiratorischen Infektionen (60,4 % vs. 70,3 %). Dabei zeigte sich kein signifikanter Unterschied bezüglich Sterblichkeit, Reintubations- oder Tracheostomierate und dem Auftreten unerwünschter Ereignisse [21].

Ein nichtinvasives Weaning-Protokoll verkürzt also nicht die Zeit bis zur Entwöhnung von der Beatmung (invasiv und nichtinvasiv). Die Dauer der invasiven Beatmung kann dadurch aber ohne zusätzliches Risiko für den Patienten verkürzt werden.

FormalPara Originalpublikation

Azoulay E, Lemiale V, Mokart D et al (2018) Effect of high-flow nasal oxygen vs. standard oxygen on 28-day mortality in immunocompromised patients with acute respiratory failure: the HIGH randomized clinical trial. JAMA 320:2099–2107

Eine invasive Beatmung sollte besonders bei immunsupprimierten Patienten vermieden werden. Eine Möglichkeit zur Behandlung einer akuten Oxygenierungsstörung ist die „High-flow“-Sauerstofftherapie [22]. Die randomisierte, multizentrische HIGH-Studie [23] untersuchte auf 32 Intensivstationen in Frankreich den Einfluss einer High-flow-Sauerstofftherapie auf die 28-Tage-Sterblichkeit bei immunsupprimierten Patienten mit hypoxämischem, respiratorischem Versagen im Vergleich zu einer Standardsauerstofftherapie. Für den Einschluss in die Studie mussten folgende Kriterien erfüllt sein:

1. Immunsuppression, definiert als: Langzeit- (>3 Monate) oder Hochdosissteroideinnahme (>0,5 mg/kgKG und Tag), sonstige Immunsuppressivaeinnahme, Z. n. Organtransplantation, Tumorerkrankung mit Chemotherapie in den vergangenen 5 Jahren, maligne hämatologische Erkrankungen oder primäre Immundefizienz;

2. hypoxämisches respiratorisches Versagen definiert als: Sauerstoffpartialdruck <60 mm Hg oder Sauerstoffsättigung <90 % bei Raumluft, Tachypnoe >30/min oder klinische Zeichen der Atemnot.

Die High-flow-Sauerstofftherapie wurde mit einem Flow von 50 l/min und einer FIO2 von 100 % begonnen; anschließend wurde diese mit dem Ziel einer Sauerstoffsättigung von 95 % angepasst. Auch in der Kontrollgruppe mit Standardsauerstofftherapie wurde die Flussrate (maximal 15 l/min) entsprechend gewählt, um eine Zielsättigung von 95 % zu erreichen.

Insgesamt wurden 778 Patienten randomisiert. Sowohl bezüglich der 28-Tage-Sterblichkeit (High flow 35,6 % vs. Standard 36,1 %) als auch der Sterblichkeit auf der Intensivstation und im Krankenhaus zeigten sich keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Auch die Anzahl der Patienten, die invasiv beatmet werden mussten, unterschied sich nicht signifikant.

Die HIGH-Studie konnte damit bei immunsupprimierten Patienten keinen Überlebensvorteil einer High-flow-Sauerstofftherapie im Vergleich zu einer Standardsauerstofftherapie nachweisen [23].

FormalPara Originalpublikation

Casey JD, Janz DR, Russell DW et al (2019) Bag-mask ventilation during tracheal intubation of critically Ill adults. N Engl J Med 380:811–821

Stellt eine endotracheale Intubation bei kritisch kranken Patienten auf der Intensivstation ein besonderes Risiko dar? Durch eine vorgeschädigte Lunge, Sepsis und zeitkritische Intubationssituationen kann es einerseits schneller zu einer Hypoxämie mit Abfall der Sauerstoffsättigung kommen, andererseits besteht ein erhöhtes Aspirationsrisiko durch gastrointestinale Blutungen, fehlende Nüchternheit und Passagestörungen. Ob eine Beutel-Maske-Beatmung zwischen Narkoseeinleitung und Intubation bei kritisch kranken Patienten durchgeführt werden soll, wird daher kontrovers diskutiert.

Eine amerikanische, randomisierte, kontrollierte Studie zu dieser Fragstellung wurde im Februar 2019 publiziert [24]. Bei der Interventionsgruppe wurde eine Beutel-Maske-Beatmung zwischen Narkoseeinleitung und Intubation durchgeführt, bei der Kontrollgruppe erfolgte die klassische „rapid sequence induction“ ohne Zwischenbeatmung. Primärer Endpunkt war die tiefste, gemessene Sauerstoffsättigung von Beginn der Narkoseeinleitung bis 2 min nach endotrachealer Intubation. Sekundärer Endpunkt war der Anteil an Patienten, die mit der Sauerstoffsättigung auf Werte unter 80 % abfielen. Ausschlusskriterien waren Schwangerschaft, mechanischer Ileus oder wenn der behandelnde Arzt die Entscheidung für oder gegen eine Maskenbeatmung getroffen hatte und somit keine Randomisierung stattfinden konnte.

In die Studie wurden insgesamt 401 Patienten eingeschlossen. Eine Beutel-Maske-Beatmung wurde bei 199 Patienten durchgeführt. Der Median der tiefsten Sauerstoffsättigung lag bei 96 %. 10,9 % der Patienten fielen mit der Sauerstoffsättigung auf Werte unter 80 % ab. In die Gruppe ohne Zwischenbeatmung wurden 202 Patienten eingeschlossen. Der Median der tiefsten Sauerstoffsättigung lag hier bei 93 %. 22,8 % dieser Patienten fielen mit der Sauerstoffsättigung auf Werte unter 80 % ab. Es konnte damit ein signifikanter Vorteil für eine Beutel-Maske-Beatmung bei der endotrachealen Intubation bezüglich der Vermeidung einer Hypoxämie gezeigt werden (p = 0,01). Die Aspirationsrate im Rahmen der Intubation unterschied sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen (p = 0,41) (Abb. 1; [24]).

Abb. 1
figure 1

Sauerstoffsättigung (SpO2) und Aspirationsrate der Gruppen mit und ohne Maskenbeatmung

Eine Beutel-Maske-Beatmung zwischen Narkoseeinleitung und Intubation bei Patienten auf Intensivstation kann die Patientensicherheit durch signifikante Reduktion einer schweren Hypoxämie ohne begleitende Erhöhung des Aspirationsrisikos verbessern. Jedoch wurden Schwangere und Patienten mit hohem Risiko für eine Aspiration durch eine mechanische Passagestörung von der Studie ausgeschlossen. Besonders bei Hochrisikopatienten sollte also eine kritische Abwägung zwischen Aspirations- und Hypoxämierisiko erfolgen.

FormalPara Originalpublikation

Chu DK, Kim LH, Young PJ et al (2018) Mortality and morbidity in acutely ill adults treated with Liberal Versus Conservative Oxygen Therapy (IOTA): a systematic review and meta-analysis. Lancet 391:1693–1705

Sauerstoff ist eines der am häufigsten (und vielerorts noch immer unkritisch) verwendeten Medikamente bei (kritisch kranken) Patienten. Die 2018 veröffentliche IOTA-Metaanalyse untersuchte die Effekte einer liberalen Sauerstofftherapie, verglichen mit einer konservativen Therapie, auf die Sterblichkeit und Morbidität von akut erkrankten Patienten [25]. In die Analyse wurden 25 randomisierte, kontrollierte Studien mit insgesamt 16.037 Patienten eingeschlossen. Es wurden chirurgische und konservative Patienten mit folgenden Grunderkrankungen untersucht: Sepsis, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Herzstillstand, Schädel-Hirn-Trauma, Beinischämie und Hohlorganperforation. Die Metaanalyse zeigte eine signifikant geringere Sterblichkeit bei Patienten, die eine konservative Sauerstofftherapie mit niedrigeren Zielwerten für die periphere Sauerstoffsättigung erhalten hatten. Die eingeschlossenen chirurgischen Patienten entwickelten unter liberaler Sauerstofftherapie zwar signifikant weniger im Krankenhaus erworbene Infektionen, jedoch ohne Einfluss auf die Sterblichkeit. Sonstige Parameter wurden durch die Sauerstofftherapie aber nicht beeinflusst. Die Autoren der Studie geben als Schwellenwert für die periphere Sauerstoffsättigung, ab dem eine Sauerstoffgabe das Behandlungsergebnis negativ beeinflusst, einen Wert von 94–96 % an.

Sauerstoff ist ein wichtiges Medikament bei der Behandlung einer Hypoxämie. Wie bei jedem Medikament ist die richtige Dosierung jedoch entscheidend, um den Patienten durch dessen Gabe nicht zu schädigen. Es sollte die minimal mögliche Dosierung gewählt werden, um einen adäquaten Zielwert für die Sauerstoffsättigung von max. 94–96 % zu erreichen.

Zusammenfassung: Beatmung und Sauerstofftherapie

Die Studie Extracorporeal Membrane Oxygenation for Severe Acute Respiratory Distress Syndrome (EOLIA) konnte keinen Überlebensvorteil für die Therapie mithilfe der extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) beim schweren „acute respiratory distress syndrome“ (ARDS) zeigen. Jedoch ergeben sich Hinweise, dass die Anwendung der ECMO das Überleben der Patienten verbessern könnte. Wenn eine lungenprotektive Beatmung nicht aufrechterhalten werden kann, sollte die Anwendung einer ECMO-Therapie in Betracht gezogen werden. Bei Patienten ohne ARDS zeigte die Anwendung kleiner Tidalvolumina gegenüber mittleren Tidalvolumina keine Vorteile. Ein nichtinvasives Weaning-Protokoll erwies sich als sicher bei reduziertem Bedarf an invasiver Beatmung und Antibiotika für die Therapie respiratorischer Infektionen, ohne die Gesamtbeatmungsdauer zu verkürzen. Bei immunsupprimierten Patienten zeigte die High-flow-Sauerstofftherapie keinen Überlebensvorteil gegenüber einer Standardsauerstofftherapie. Eine Beutel-Maske-Beatmung zwischen Narkoseeinleitung und Intubation bei Patienten auf Intensivstation kann die Patientensicherheit durch Prävention schwerer Hypoxämien ohne begleitende Erhöhung des Aspirationsrisikos verbessern. Eine dauerhafte, übermäßige Sauerstoffgabe bei kritisch kranken Patienten sollte vermieden werden. Zielwerte der Sauerstoffsättigung über 94–96 % sollten nicht angestrebt werden.