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Studien zur pathologischen Physiologie des Liquor cerebrospinalis

IV. Mitteilung. Die Normomastixreaktion und die modifizierte Mastixreaktion (m. M.R.), ihre kolloidchemischen Grundlagen und ihre pathophysiologische Bedeutung für die Klinik

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Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Kolloidchemisch

Eine weitgehende Aufklärung des kolloidchemischen Mechanismus der Mastixreaktion ist auf Grund der modernen Kenntnisse des elektrochemischen Verhaltens der Eiweißkörper in den Körpersäften heute möglich:

  1. 1.

    Bringt man ein Mastixsol mit einer Eiweißlösung zusammen, so entsteht ein Eiweißmastixkomplex. Dieser Komplex enthält mehr oder weniger die elektrochemischen Eigenschaften des Proteins.

  2. 2.

    Die Ladung (ζ-Potential) von Kolloiden ist deren Wanderungsgeschwindigkeit im elektrischen Feld proportional und für die Stabilität des Sols verantwortlich zu machen. Diese elektrochemischen Eigenschaften sind von der Ionenkonzentration (Ionenstärke) einschließlich dem pH des Milieus abhängig.

  3. 3.

    Beim Ansetzen von Verdünnungsreihen, wie sie bei der Mastixreaktion üblich sind, muß daher der beim Verdünnen mit Normosal immer vorhandene pH-Effekt ausgeschaltet werden. In allen Röhrchen soll das gleiche pH herrschen (7,05±0,05). Dies wird durch Dialysieren der Eiweißlösung (Liquors) gegen einen entsprechenden Puffer erreicht. (m. M. R.)

  4. 4.

    Die drei in wesentlicher Konzentration im Liquor vorkommenden Serumeiweißkörper, nämlich das Albumin, das β-Globulin und das γ-Globulin haben bei pH 7 eine in der genannten Reihenfolge abnehmende kataphoretische Wanderungsgeschwindigkeit. Daher flockt der γ-Globulin-Mastixkomplex unter bestimmten Bedingungen, unter denen die Albumin-Mastixteilchen stabil bleiben. Die β-Globulin-Mastix-Partikel sind bei den gleichen Bedingungen und bei höheren Eiweißkonzentrationen stabil, fallen aber bei niederen aus. Das β-Globulin zeigt also einen ausgesprochenen Konzentrationseffekt, der für seine Charakterisierung von besonderer Bedeutung ist.

  5. 5.

    Bei der m. M.R. gibt also das Albumin keine Fällung, das γ-Globulin eine starke Flockung, die in den höchsten Konzentrationen am ausgeprägtesten ist (Linkskurve). Das γ-Globulin fällt nur in einem bestimmten Konzentrationsbereich (mittelständige Kurve).

  6. 6.

    Bei Mischungen der drei Eiweißkörper hemmt bzw. verringert das Albumin in allen Konzentrationen fast gleichmäßig die Fällung der beiden anderen, das β-Globulin hemmt die des γ-Globulins bei höheren und fördert sie bei niederen Konzentrationen.

  7. 7.

    Durch entsprechendes Mischungsverhältnis der drei Eiweiβkörper des Serums läßt sich jede mögliche Kolloidkurve erzeugen. Umgekehrt erlaubt der Kurventypus Rückschlüsse auf das Mischungsverhältnis.

Klinisch bzw. pathologisch.

Eine weitgebende Aufklärung der pathologisch-physiologischen Bedeutung der Mastixreaktion ist auf Grund der eben dargestellten Erkenntnisse möglich:

  1. 1.

    Esist nicht gerechtfertigt, ein spezifisches Paralyse-, Schizophrenie-, Normaleiweiß usw. im Liquor anzunehmen. Derartige Schlußfolgerungen beruhen auf einer unzureichenden Methodik in der Untersnchungstechnik der Liquoreiweißkörper.

  2. 2.

    Die Liquoreiweißkörper sind vielmehr, von seltenen Ausnahmen abgesehen, Serumeiweißkörper, die aus dem Plasma durch normale oder erkrankte Capillaren in den Liquor gelangten.

  3. 3.

    Das Mischungsverhältnis der in den Liquor übergetretenen SerumEiweißkörper ist bei den verschiedenen pathologischen Verhältnissen verschieden. Wir nennen das Exbzw. Transsudat serös, wenn die Zusammensetzung dem Serum entspricht, vorwiegend albuminös, wenn das Albumin besonders stark vertreten ist und vorwiegend γ-globulinös, wenn das γ-Globulin dieerkrankten Capillar membranen bevorzugt durchdringt.

  4. 4.

    Der Kurventypus bei der m.M.R. zeigt unter Berücksichtigung der Gesamteiweißkonzentration den Typus des Trans (Ex-)sudates an. Ein entsprechender Schlüssel ist in dieser Arbeit angegeben (Abb. 10).

  5. 5.

    Bei Eiweißdurchlässigkeit der Capillaren, infolge von Stauungshyperämien (z. B. bei Geschwülsten des Zentralnervensystems) findet sich ein vorwiegend albuminöses oder seröses Transsudat.

  6. 6.

    Die Entzündungsprozesse kann man entsprechend der Zusammensetzung des Exsudates einteilen. Die m.M.R. läßt den Entzündungstypus erkennen. Hierin liegt ihr eigentlicher diagnosticher Wert bei diesen Erkrankungen.

  7. 7.

    Die Entzündungen mit vorwiegend γ-globulinösem Exsudat verdienen besondere Beachtung. Sie kommen vornehmlich bei der progressiven Paralyse und bei der multiplen Sklerose vor. Da das γ-Globulin antikörperhaltig ist, liegt die Vermutung nahe, daß dieser Mechanismus dazu dient, möglichst viel antikörperhaltiges Protein unter Schonung der anderen Serumeiweißbestände an das antigenhaltige Gewebe heranzuführen.

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Unter Mitwirkung von E. Strauss und H. Dauser.

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Scheid, K.F., Scheid, L. Studien zur pathologischen Physiologie des Liquor cerebrospinalis. Arch. f. Psych. u. Zeitschr. Neur. 179, 316–336 (1948). https://doi.org/10.1007/BF00353298

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