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Evolution und Geschichte

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Book cover Soziologische Aufklärung 2

Zusammenfassung

Keine Theorie erreicht das Konkrete. Das ist nicht ihr Sinn, nicht ihr Ziel. Es wäre daher schon im Ansatz verfehlt, das Verhältnis der Geschichte zu welcher Theorie auch immer unter der Prämisse zu diskutieren, daß die Bewährung in der Annäherung ans Konkrete zu suchen sei. Das hat man in einer langanhaltenden Kontroverse über Evolutionismus versus Kulturgeschichte vor allem in der Ethnologie versucht, (1)* ohne mehr zu erreichen als eine Kritik überzogener Abstraktionen der Evolutionstheorie, die als Kritik gleichsam in der Luft hängen bleibt, (2) und eine Forderung nach Wiederverbindung, die nicht näher angeben kann, wie dies zu geschehen habe (3). Die neuere interdisziplinäre Diskussion besteht dann in dem Versuch, die Soziologie auf hinreichend konkretisierte und dadurch (!) für Historiker brauchbare Konzepte abzutasten (4). Dafür spricht vieles. Der Historiker kann auf diese Weise anschließen an die soziologische Theorie sozialer Bewegungen und kollektiven Verhaltens, an den Forschungskomplex Schichtung und Mobilität, an die Soziologie von Herrschaftsorganisationen und Bürokratien — um nur einiges zu nennen. Andererseits muß man sehen, daß dadurch das eigentliche Theorieangebot der Soziologie für die Geschichte ausgespart wird — eben die Theorie soziokultureller Evolution (5). Die folgenden Überlegungen möchten dazu beitragen, eine Überprüfung dieser Tendenz und eine Kooperation von Historikern und Soziologen an einer Theorie gesellschaftlicher Evolution anzuregen.

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Anmerkungen

  1. Für einen Überblick siehe Rüdiger Schott, Der Entwicklungsgedanke in der modernen Ethnologie, Saeculum 12 (1961), S. 61–122. Wesentlich anders verlief die die spätere Soziologie bestimmende amerikanische Diskussion, die der älteren Evolutionstheorie die Kategorie des „social process“ entgegensetzte, um normative und pauschal-deskriptive Theorien zu vermeiden, aber nie eine scharfe Entgegensetzung anstrebte. Vgl. etwa den Tagungsband Social Process: Papers Presented at the Twenty-sixth Annual Meeting of the American Sociological Society Held at Washington D. C., December 28–31, 1932, Chicago 1933.

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  2. Siehe etwa J. D. Y. Peel, Spencer and the Neo-Evolutionists, Sociology 3 (1969), S. 173–191.

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  3. Siehe etwa Kenneth E. Bock, The Acceptance of History: Towards a Perspective for Social Science, Berkeley 1956.

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  4. Vgl. namentlich die Sammelbände Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Geschichte und Soziologie, Köln 1971, insb. den Beitrag von Seymour M. Lipset, und Peter Christian Ludz (Hrsg.), Soziologie und Sozialgeschichte, Sonderheft 16 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Opladen 1973.

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  5. Auch in diesem Bereich wiederholt sich dann übrigens nochmals die gleiche, wenig fruchtbare Fragestellung, ob nicht die konkreteren „speziellen Evolutionstheorien“ der „generellen Evolutionstheorie” vorzuziehen seien, im Anschluß an Marshall D. Sahlins, Evolution: Specific and General, in: ders., und Elman R. Service, Evolution and Culture, Ann Arbor Mich. 1960, S. 12–44. In ganz anderer Intention verwendet Klaus Eder, Komplexität, Evolution und Geschichte, in: Franz Maciejewski (Hrsg.), Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie: Beiträge zur Habermas-Luhmann-Diskussion Bd. 1, Frankfurt 1973, S. 9–42, diese Unterscheidung in Parallele zur Unterscheidung determinierender (ökonomischer) = genereller und dominanter (kultureller) = spezieller Evolutionsfaktoren.

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  6. Alle seit der Jahrhundertwende, zum Teil schon seit Spencer polemisch formulierten, stereotyp wiederholten Argumente des sog. Neo-Evolutionismus — Evolution sei kein notwendiger Prozeß, Evolution sei nicht unilinear, Evolution sei nicht kontinuierlich, Evolution sei nicht irreversibel — dienen im Grunde der Zerstörung der Vorstellung eines evolutionären Prozesses; nur das Fazit wird im allgemeinen nicht gezogen. Siehe etwa Herbert Spencer, Principles of Sociology Bd. I, 3. Aufl., London/Edinburgh 1885, S. 93 ff.; L. T. Hobhouse/G. C. Wheeler/M. Ginsberg, The Material Culture and Social Institutions of the Simpler People: An Essay in Correlation, London 1915, Neudruck 1965, S. 1 ff.; Shmuel N. Eisenstadt (Hrsg.), Readings in Social Evolution and Development, Oxford 1970, Introduction: Social Change and Social Development, insb. S. 17 ff. für den geringen Fortschritt der Argumentation.

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  7. Dieses Ziel verfolgt anscheinend Paul Ridder, Historischer Funktionalismus, Zeitschrift für Soziologie 1 (1972), S. 333--352.

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  8. So unter Orientierung an sehr eng gewählten wissenschaftstheoretischen Prämissen Richard Mönch, Soziologische Theorie und historische Erklärung, Zeitschrift für Soziologie 2 (1973), S. 163–181.

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  9. Vgl. Donald T. Campbell, Variation and Selective Retention in Socio-Cultural Evolution, in: Herbert R. Barringer/Georg!. Blanksten/Raymond W. Mack, Social Change in Developing Areas: A Reinterpretation of Evolutionary Theory, Cambridge Mass. 1965, S. 19–49; neu gedruckt in General Systems 14 (1969), S. 69--85. Campbell faßt allerdings die Funktionen der Selektion und der Stabilisierung mit dem Begriff selective retention zu stark zusammen.

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  10. Hierzu näher Niklas Luhmann, Einführende Bemerkungen zu einer Theorie symbolisch generali- sierter Kommunikationsmedien, in diesem Bande, S. 170–192; ders., Macht, Stuttgart 1965.

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  11. Unbestreitbar gibt es dadurch Abhängigkeitsbeziehungen zwischen organischer und soziokultureller Evolution, die jedoch nicht ausreichen, um die Mechanismen soziokultureller Evolution, geschweige denn ihre Resultate, „historisch zu erklären“. Vgl. dazu Eric H. Lenneberg, The Capacity for Language Acquisition, in: JerryA. Fodor/Jerold Katz (Hrsg.), The Structure of Language: Readings in the Philosophy of Language, Englewood Cliffs N. J. 1963, S. 579–603; Jacques Monod, Zufall und Notwendigkeit: Philosophische Fragen der modernen Biologie, München 1971, S. 161 ff., 197 ff.

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  12. Daß die Evolutionstheorie damit nach den Kriterien mancher Wissenschaftstheoretiker aus dem Bereich wissenschaftlich vertretbarer Aussagen ausscheiden müßte, ist viel diskutiert worden. Siehe nur Michael Scriven, Explanation and Prediction in Evolutionary Theory, Science 130 (1959), S. 477–482; Adolf Grünbaum, Temporally-Asymmetric Principles, Parity Between Explanation and Prediction, and Mechanism Versus Teleology, Philosophy of Science 29 (1962), S. 146–170. Die Antworten auf diese Diskrepanz sind verschieden ausgefallen. Sie sollten in erster Linie den Wissenschaftstheoretikern Anlaß geben, ihre Erkenntnisansprüche zu überprüfen, denn Evolutionstheorien arbeiten, zumindest im Bereich der Naturwissenschaften, recht erfolgreich. Sie könnten aber auch die Evolutionstheorie veranlassen, ihre Hypothesen deutlicher zu formulieren.

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  13. Parallelüberlegungen für den Fall der organischen Evolution, die ebenfalls gegen alle Wahrscheinlichkeit unheimlich schnell verläuft, könnten darauf hinweisen, daß die Differenzierung der Mechanismen Mutation, natürliche Auslese und reproduktive Isolation von Populationen sogar durch Differenzierung verschiedener Systemebenen gesichert ist, so daß Nicht-Koordination der Mechanismen untereinander („Zufall“) mit einem hohen Maße an Feinregulierung auf jeder Ebene kompatibel ist. Weitere Erklärungen für besondere Beschleunigungen kommen hinzu.

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  14. Vgl. etwa Bronislaw Malinowski, The Problem of Meaning in Primitive Languages, in: C. K. Ogden/I. A. Richards (Hrsg.), The Meaning of Meaning, 10. Aufl. 5. Druck London 1960, S. 296–336; Lorna Marshall, Sharing, Talking, and Giving: Relief of Social Tensions Among ! Kung Bushmen, Africa 31 (1961), S. 231–249.

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  15. Eben deshalb kann jetzt erst Rhetorik und Persuasivkunst als besondere Form der Ausnutzung von Sprache zum Problem werden. Diesen Zusammenhang betonen (mit weiteren interessanten Hinweisen zur Entstehung von Kommunikationsmedien als Folge von Schrift) Jack Goody/Ian Watts, The Consequences of Literacy, Comparative Studies in Society and History 5 (1963), S. 304–345.

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  16. Mit „vorherrschend“ soll gesagt sein, daß die anderen Formen nicht schlechthin ausgeschlossen sind, aber eine sekundäre, sekundierende Rolle spielen. Nur wegen solcher Oberschneidungen ist überhaupt Evolution in kleineren Schritten möglich. So gibt es in archaischen Gesellschaften vor Obergang zu Stadtkultur und Schriftgebrauch bereits Ansätze zur Schichtenbildung und zu funktionaler Differenzierung auf der Ebene von Rollen. Und in der modernen Gesellschaft gibt es nach wie vor Gründe für die Beibehaltung von segmentären Differenzierungen und von schichtenmäßigen Differenzierungen, die sich aus der funktionalen Differenzierung selbst ergeben.

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  17. Am „Profit“ ist dabei nicht die Höhe des Gewinns das Problem — Reichtum hat es immer gegeben —, sondern die nichtvertragliche Grundlage des Einkommens im Unterschied zu Arbeitseinkommen, Zins oder Rente. Das zwingt dazu, Profit — ähnlich wie Passion und ähnlich wie curiositas — in einem sozial nicht gebundenen, legitimationslosen Raum zu institutionalisieren. Vgl. auch den knappen Oberblick zur Problemgeschichte von Harold B. Ehrlich, British Merkantilist Theories of Profit, The American Journal of Economics and Sociology 14 (1955), S. 377–386.

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  18. Entsprechende Bemühungen der soziologischen Theorie — vgl. z. B. D. F. Aberle/A. K. Cohen/ A. K. Davis/M. J. Levy Jr./F. X. Sutton, The Functional Prerequisites of a Society, Ethics 60 (1950), S. 100–111; Marion J. Levy, The Structure of Society, Princeton N. J. 1952 — können trotz immer neuer Bemühungen.— siehe Walter Goldschmidt, Comparative Functionalism: An Essay in Anthropological Theory, Berkeley/Los Angeles 1966; Leslie Sklair, The Sociology of Progress, London 1970, S. 189 ff. — als gescheitert gelten. Sie werden heute nur noch in der recht komplizierten Form der Parsons’schen Theorie vertreten, deren Verknüpfung mit der Evolutionstheorie Parsons selbst bisher nicht gelungen ist.

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  19. Dies ist das Thema von Shmuel N. Eisenstadt, The Political System of Empires, New York 1963.

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  20. Dies gilt wohl generell, aber mit charakteristischen Unterschieden je nach dem Ausmaß der Verrechtlichung von Politik. Vgl. dazu den Vergleich chinesischer und europäischer Gilden bei Hosea Ballou Morse, The Gilds of China: With an Account of the Gild Merchant or Co-Hong of Canton, London 1909.

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  21. Vgl. zu solchen Versuchen allgemein Limon C. Freeman/Robert F. Winch, Societal Complexity: An Empirical Test of a Typology of Societies, American Journal of Sociology 62 (1957), S. 461–466; Robert L. Caneiro/Stephen F. Tobias, The Application of Scale Analysis to the Study of Cultural Evolution, Transactions of the New York Academy of Sciences 26 (1963), S. 196–207; Robert K. Leik/Merlyn Mathews, A Scale for Developmental Processes, American Sociological Review 33 (1968), S. 72–75; Gary L. Buck/Alvin L. Jacobson, Social Evolution and Structural-Functional Analysis: An Empirical Test, American Sociological Review 33 (1968), S. 351–352; Herbert Bergmann, Einige Anwendungsmöglichkeiten der Entwicklungsskalierung von Leik und Mathews, Zeitschrift für Soziologie 2 (1973), S. 207–226. Ferner für besondere Funktionsbereiche etwa Guy E. Swanson, The Birth of Gods: The Origin of Primitive Beliefs, Ann Arbor 1960; Richard D. Schwartz/James C. Miller, Legal Evolution and Societal Complexity, The American Journal of Sociology 70 (1964), S. 159–169; Mark Abrahamson, Correlates of Political Complexity, American Sociological Review 34 (1969), S. 690–701; Joseph P. Farrell, Guttman Scales and Evolutionary Theory, An Empirical Examination Regarding Differences in Educational Systems, Sociology of Education 42 (1969), S. 271–283; Fred W. Riggs, The Comparison of Whole Political Systems, in: Robert T. Holt/Johan E. Turner (Hrsg.), The Methodology of Comparative Research, New York 1970, S. 73–121.

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  22. Sehr typisch ist der Ausweg, Strukturtypen nur zu kontrastieren und die Frage, wie es zur Änderung kommt, offen zu lassen bzw. aus dem Kontrast selbst spekulativ zu beantworten. Siehe statt vieler Bert F. Hoselitz, Social Structure and Economic Growth, Economia Lnternazionale 6 (1953), S. 52–77 (insb. S. 70). Als Kritik dieser unzureichenden Behandlung des sozialen Wandels siehe etwa Anthony D. Smith, The Concept of Social Change: A Critique of the Functionalist Theory of Social Change, London 1973, insb. S. 43 ff., 137 ff.

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  23. Vgl. dazu auch Norbert Elias, Was ist Soziologie?, München 1970, S. 178 ff.: Man könne, nickwärtsblickend, notwendige Vorbedingungen weiterer Entwicklung ausfindig machen, die gleichwohl vorwärtsblickend (und auch: modo futuri exacti) nur Bedingungen der Möglichkeit, nicht auch Bedingungen der Notwendigkeit dieser Entwicklung sind. Die Frage bleibt: wieso interessiert das?

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  24. Eine gute Einführung in die neuere Geschichte dieser Problemstellung bietet Hans Michael Baumgartner, Kontinuität und Geschichte: Zur Kritik und Metakritik der historischen Vernunft, Frankfurt 1972. Älteres Gedankengut muß man unter dem Stichwort „Bewegung“ suchen. Vgl. etwa Friedrich Kaulbach, Der philosophische Begriff der Bewegung: Studien zu Aristoteles, Leibniz und Kant, Köln/Graz 1965; August Nitschke, Naturerkenntnis und politisches Handeln im Mittelalter: Körper—Bewegung—Raum, Stuttgart 1967. Dieser Hinweis vor allem deshalb, weil die Metapher der Bewegung in unserem Problembereich immer noch als Anschauungshilfe und Reflexionsstop benutzt wird.

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  25. Bei der Übernahme des Kontingenzbegriffs ist zu beachten, daß er auch in einer engeren, mit dem Kausalbegriff schon harmonisierten Fassung vorliegt und dann so viel besagt wie „abhängig von…“, nämlich von Ursachen. Vor allem diese Begriffsfassung hat aus Gründen, die in der Theologie zu suchen sind, die Tradition bestimmt, während modaltheoretische Analysen mehr zur Klärung ihrer Implikationen eingesetzt worden sind. Vgl. etwa Martha Freundlieb, Studie zur Entwicklung des Kontingenzbegriffs, Diss. Bonn 1933; Gerard Smith, Avicenna and the Possibles, The New Scholasticism 17 (1943), S. 340–357; Guy Jalbert, Nécessité et contingence chez saint Thomas d’Aquin et chez ses prédécesseurs, Ottawa 1961. Zur Hochscholastik ferner Cornelio Fabro, Intorno alla nozione tomista di contingenza, Rivista di Filosofia Neoscolastica 30, (1938), S. 132–149; Thomas B. Wright, Necessary and Contingent Being in St. Thomas, The New Scholasticism 25 (1951), S. 439–466; Guy Picard, Matière, contingence et indéterminisme chez saint Thomas, Laval Théologique et Philosophique 22 (1966), S. 197–233; Celestino Solaguren, Contingencia y creaciön en la filosofia de Duns Escoto, Verdad y Vida 24 (1966), S. 55–100.

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  26. Auch Friedrich H. Tenbruck, Die Soziologie vor der Geschichte, in: Peter Chr. Ludz a.a.O., S. 29–58, macht Soziologen und Historiker darauf aufmerksam, wie sehr Strukturen und historische Lagen „unterbestimmt“ sein können in bezug auf das, was aus ihnen folgt.

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  27. In der kybernetischen Theorie würde man von Teilfunktionen sprechen, deren Differenzierung die Lernfähigkeit des Systems durch Interdependenzunterbrechungen erhöht. Vgl. W. Ross Ashby, Design for a Brain, 2. Aufl. London 1954.

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  28. Vgl. Louis Althusser, Contradiction et surdetermination, in ders., Pour Marx, Paris 1965, S. 85 ff. Zur Interpretation im Kontext marxistischer Strukturtheorie vgl. auch Peter Chr. Ludz, Der Strukturbegriff in der marxistischen Gesellschaftslehre, in: Ludz a.a.O. (1973), S. 419–447 (426 ff.).

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  29. So die Unterscheidung von dominanten und determinierenden Strukturen bei Klaus Eder a.a.O. im Anschluß an die Doppelung des Reproduktionsbegriffs in Produktion von Sachen und Produktion von sozialen Beziehungen bei Louis Althusser/Etienne Balibar, Lire le Capital, Paris 1971 Bd. II, S. 79 ff.

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  30. So das Konzept der „hierarchy of control“ mit der Unterscheidung kontrollierender und konditionierender Strukturen bei Talcott Parsons; zur Anwendung auf evolutionäre Gesellschaftsentwicklungen besonders in: Societies: Evolutionary and Comparative Perspectives, Englewood Cliffs. N. J. 1966.

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  31. Siehe Alfred Schmidt, Geschichte und Struktur: Fragen einer marxistischen Historik, München 1971, insb. S. 118 ff.

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  32. A.a.O., insb. S. 205 ff.

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  33. Vgl. Fernand Braudel, Histoire et sciences sociales: La longue durée, in ders., Ecrits sur l’histoire, Paris 1969, S. 41–89, dt. Übers. in: Wehler a.a.O., S. 189–215.

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  34. Hierzu näher Niklas Luhmann, Der politische Code: „Konservativ“ und „Progressiv” in systemtheoretischer Sicht, Zeitschrift für Politik 21 (1974), S. 253–271.

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  35. Zum heutigen Stand der Diskussion siehe nur: Edward E. Jones et al., Attribution: Perceiving the Causes of Behavior, Morristown N. J. 1971. Eine der hier entwickelten Hypothesen ist im übrigen, daß Beobachter einem Handelnden mehr Kausalität zurechnen als dieser sich selbst; und dieser Effekt der „overattribution“ mag durch politische Organisation oder Hierarchisierung des Handlungskontextes noch verstärkt werden.

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  36. Um konkreter zu illustrieren: das Fehlen dieser Unterscheidung band die Strukturplanungen derjenigen chinesischen Fürstenberater und Politiker, die man „Legisten“ nennt, an die Person des jeweiligen Herrschers und damit an die Kontingenz von Leben und Tod. Die Rationalität und Bewährung ihrer Planungen konnten sich davon nicht unabhängig machen, gerade weil sie zugleich gegen die moralischen Grundlagen der Tradition sich richteten; sie fanden so keine ausreichende Chance der Stabilisierung am Erfolg. Vgl. dazu Léon Vandermeersch, La formation du légisme: Recherches sur la constitution d’une philosophie politique charactéristique de la Chine ancienne, Paris 1965, insb. S. 175 ff. Das europäische Mittelalter fand sich mit dem gleichen Problem konfrontiert. Auch hier schien zum Beispiel mit dem Wegfall des Herrschers in Zeiten des Interregnum jede Ordnung zu entfallen. Aber man hatte wegen einer geringeren wirtschaftlichen Entwicklung weniger dringende Planungsaufgaben und zugleich dank der römischrechtlichen und der kanonischen Rechtskultur bessere strukturelle Vorgaben für eine Dissoziierung von Amtsrecht und personenbezogener Politik. Siehe im übrigen zu diesem Vergleich unter umfassenderen Gesichtspunkten Benjamin Nelson, Sciences and Civilizations, „East” and „West“: Joseph Needham and Max Weber, in Philosophical Foundations of Science, Boston Studies in the Philosophy of Science Bd. XI, 1974, S. 445–493. Nelson betont die im Vergleich zu China stärkere Durchbildung universalistischer und individualisierender Aspekte in der Wissenskultur des europäischen Mittelalters (12./13. Jahrh.).

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  37. Vgl. Mancur Olson, Jr. Rapid Growth as a Destabilizing Force, The Journal of Economic History 23 (1963), S. 529–552.

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  38. Das Kombinationsniveau variiert — so verbinden sich Systemtheorie und Evolutionstheorie — im Laufe der Evolution. Talcott Parsons nimmt an: in Richtung auf „adaptive upgrading“. Vgl. Societies a.a.O. S. 22; The System of Modern Societies, Englewood Cliffs N. J. 1971, S. 26 ff. Dazu kritisch Edmund Dahlström, Developmental Direction and Welfare Goals: Some Comments on Functionalistic Evolutionary Theory about Highly Developed Societies, Acta Sociologica 17 (1974), S. 3–21.

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  39. Dies ist der Problembezug einer Theorie symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien. Vgl. oben Anm. 10.

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  40. Diese funktionale Spezifikation führt zugleich zu einer Vereinheitlichung (und in diesem Sinne: Vereinfachung) eines vordem schichtenmäßig und regional stark differierenden Nebeneinanders sehr verschiedener Familien-und Haushaltstypen. Vgl. etwa Peter Laslett, Size and Structure of the Household in England over Three Centuries, Population Studies 22 (1969), S. 199–223; ders., (Hrsg.), Household and Family in Past Time, Cambridge Engl. 1972; Robert V. Wells, Household Size and Composition in the British Colonies in America 1675–1775, Journal of Interdisciplinary History 4 (1974), S. 543–570. Soziologen betonen demgegenüber auf Grund neuerer Daten die geringen Differenzen in der Haushaltsgröße industrialisierter und nichtindustrialisierter Regionen. Vgl. Marion J. Levy, Aspects of the Analysis of Family Structure, in: Ansley J. Coale et al., Aspects of the Analysis of Family Structure, Princeton N. J. 1965, S. 40–63; Thomas K. Burch, The Size and Structure of Families: A Comparative Analysis of Census Data, American Sociological Review 32 (1967), S. 347–363. Keinesfalls kann man sagen, daß der kleine Zwei-Generationen-Familienhaushalt erst in dieser Zeit entsteht. Unterschichten vor allem haben, soweit sie überhaupt Familien gründen konnten, kaum je andere Möglichkeiten gehabt.

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  41. Zu einer entsprechenden Veränderung der gesellschaftlichen Temporalstrukturen vgl. Reinhart Koselleck, Historia Magistra Vitae: Ober die Auflösung des Topos im Horizont neuzeitlich bewegter Geschichte, Festschrift Karl Löwith, Stuttgart 1967, S. 196–219; ders., Vergangene Zukunft der frühen Neuzeit, Festgabe für Carl Schmitt, Berlin 1968, S. 551–566.

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  42. Siehe namentlich The System of Modern Societies a.a.O., S. 92 ff. im Anschluß an T. H. Marshall, Class, Citizenship, and Social Development, Garden City N. Y. 1964.

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  43. Von da her interpretiert Parsons Säkularisierung als Inklusionsvorgang, nämlich als gesellschaftsstrukturelle Relevanz der Privatisierung von Glaubensentscheidungen. Vgl. Religion in Postindustrial America: The Problem of Secularization, Social Research 41 (1974), S. 193–225.

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  44. Für die dabei vorausgesetzte Mobilität ist die neuzeitliche Kategorie des subjektiven Rechtes wesentlich.

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  45. Vgl. dazu D. E. C. Eversley, The Home Market and Economic Growth in England 1750–1780, in: E. L. Jones/G. E. Mingany (Hrsg.), Land, Labour and Population in the Industrial Revolution: Essays Presented to J. D. Chambers, London 1967, S. 206–259; Paul Bairock, Commerce international et genèse de la révolution industrielle anglaise, Annales E. S. C. 28 (1973), S. 541–571.

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  46. Sehr deutlich ablesbar an der Auflösung aller immanenten Konturen des Begabungsbegriffs, Siehe z. B. Heinrich Roth, Der Wandel des Begabungsbegriffs, in:Günter Hartfiel/Kurt Holm (Hrsg.), Bildung und Erziehung in der Industriegesellschaft, Opladen 1973, S. 117–141, für eine soziologisch nicht reflektierte Darstellung aus der Sichtweise des „native speakers“.

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  47. Als Versuch einer systemtheoretischen Rekonstruktion dieses Strukturwandels mit Hilfe des AGIL-Schemas siehe Talcott Parsons, Equality and Inequality in Modern Society, or Stratification Revisited, Sociological Inquiry 40 (1970), S. 13–72

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  48. Für eine ausgeglichene Bewertung dieser beiden Gesichtspunkte siehe Ester Boserup, Environnement, population et technologie dans les sociétés primitives, Annales E. S. C. 29 (1974), S. 538–552.

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  49. Zu den im Rechtssystem beobachtbaren Konsequenzen siehe Niklas Luhmann, Die Funktion des Rechts: Erwartungssicherung oder Verhaltenssteuerung? in: Die Funktionen des Rechts: Vorträge des Weltkongresses für Rechts-und Sozialphilosophie Madrid 1973, Beiheft 8 des Archiv für Rechts-und Sozialphilosophie, Wiesbaden 1974, S. 31–45.

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  50. So jedenfalls die bekannten Schlußfolgerungen des Club of Rome.

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  51. Vgl. Charles H. van Duzer, Contribution of the Ideologues to French Revolutionary Thought, Baltimore 1935.

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  52. Vgl. Levin L. Schiicking, Die Familie im Puritanismus: Studien über Familie und Literatur in England im 16., 17. und 18. Jahrhundert, Leipzig/Berlin 1929; Gustav Stephan, Die häusliche Erziehung in Deutschland während des achtzehnten Jahrhunderts, Wiesbaden 1891 (insb. S. 104 ff. zur pädagogischen Kritik der frühen intellektuellen Oberforderung).

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  53. Vgl. dazu die inzwischen üblich gewordene Kritik — etwa Joseph R. Gusfield, Tradition und Modernity: Misplaced Polarities in the Study of Social Change, American Journal of Sociology 72 (1967), S. 351–362; Reinhard Bendix, Tradition and Modernity Reconsidered, Comparative Studies in Society and History 9 (1967), S. 292–346; Shmuel N. Eisenstadt, Tradition, Change and Modernity, New York/London/Sydney/Toronto 1973.

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  54. Siehe z. B. Reinhard Bendix, Nation-Building and Citizenship: Studies of our Changing Social Order, New York/London/Sydney 1964. Vgl. auch James C. Abegglen, The Japanese Factory, Glencoe III. 1958.

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  55. Dazu Alan Dawe, The Role of Experience in the Construction of Social Theory: An Essay in Reflexive Sociology, The Sociological Review 21 (1973), S. 25–55. Vgl. auch Gianfranco Poggi, Images of Society: Essays on the Sociological Theories of Tocqueville, Marx, and Durkheim, London 1972.

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  56. Vgl. Pierre Bourdieu/Jean-Claude Passeron, Die Illusion der Chancengleichheit: Untersuchung zur Soziologie des Bildungswesens am Beispiel Frankreichs, Dt. Übers. Stuttgart 1971.

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  57. Dies Argument impliziert, und das gilt für unsere gesamte Gedankenführung im Gegensatz zu einer Tradition, die von Kant über Hegel bis zu den französischen Epistemologen und Strukturalisten in der Nachfolge von Bachelard reicht, daß wir epistemologische Modalisierungen, Bewußtsein und Erkenntnis betreffend, als abhängig sehen von possibilistischen Modalisierungen und nicht umgekehrt. Die soziologisch wichtigste Begründung dafür wäre, daß Erkenntnisleistungen sich als solche ausdifferenzieren und auf Teilsysteme übertragen lassen, Possibilisierungen und Kontingenzniveaus dagegen mit der Differenzierung des Gesellschaftssystems schlechthin in allen Funktionssystemen variieren.

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Luhmann, N. (1975). Evolution und Geschichte. In: Soziologische Aufklärung 2. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-12374-3_8

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