Zusammenfassung
Der Begriff der Komplexität ist nicht erst in der neueren Zeit erfunden worden. Er ist kein spezifisch moderner Begriff. Will man seinen Gebrauch im modernen Jargon verstehen, ist es deshalb nützlich, zunächst einmal seine alteuropäischen Quellen zu studieren. Das reicht natürlich zur theoretischen Klärung nicht aus, gibt aber doch Anhaltspunkte für ein geschichtliches Verständnis der Differenz von alteuropäischen und modernen Begriffsfassungen.
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Anmerkungen
Zu den logischen Problemen aus heutiger Sicht Ranulph Glanville/Francisco Varela, „Your Inside is Out and Your Outside is In“ (Beatles 1968), in: George E. Lasker (Hrsg.), Applied Systems and Cybernetics Bd. II, New York 1981, S. 638–641, dt. Übers. in: Ranulph Glanville, Objekte, Berlin 1988, S. 167–174.
Vgl. Platon. Timaios 68 D.
Was eine begriffliche Ausarbeitung nicht behinderte, da sie von vornherein aus der Perspektive des auf Unterscheidungen angewiesenen Menschen entworfen wurde. Siehe z.B. Thomas von Aquino, Summa Theologiae I q. 3, zitiert nach der Ausgabe Turin 1952, S. 13 ff.
Ein Objekt sich als einfach vorzustellen, ist ein bloß negativer Begriff, der der Vernunft unvermeidlich ist, weil er allein das Unbedingte zu allem Zusammengesetzten (als einem Dinge, nicht der bloßen Form) enthält, dessen Möglichkeit jederzeit bedingt ist“, heißt es bei Immanuel Kant, Über eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll, (1790), zit. nach: Kleinere Schriften zur Logik und Metaphysik (Hrsg. v. Kirchmann) Bd. IV, Leipzig o.J., S. 29, Anm. Auch für die moderne Theorie ist Einfachheit immer ein abgeleitetes Phänomen, das nur durch komplexe Systeme produziert werden kann, ein Resultat von Prozessen der Selbstsimplifikation und der Identifikation und ein Erfordernis der Benutzung von Einheit im weiteren Operationsverlauf. Vgl. z.B. Richard Levins, The Limits of Complexity, in: Howard R. Pattee (Hrsg.), Hierarchy Theory: The Challenge of Complex Systems, New York 1973, S. 109–127.
Vgl. George Spencer Brown, Laws of Form, Neudruck New York 1979.
Siehe Niklas Luhmann, Soziale Systeme: Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt 1984, S. 92 ff.
Für weitere Überlegungen zur Äquivalenz von Komplexität und Sinn siehe Niklas Luhmann, La complexité et le sens, in: Science et pratique de la complexité: Actes du Colloque de Montpellier Mai 1984, Paris 1986, S. 121–126.
Vgl. Henri Atlan, Entre le cristal et la fumée, Paris 1979.
Vgl. auf Grund einer langjährigen Überlieferung etwa Elman R. Service, The Law of Evolutionary Potential, in: Marshall D. Sahlins/Elman R. Service, Evolution and Culture, Ann Arbor Mich. 1960, S. 93 ff.
Siehe z.B. Giovanni Botero, Della Ragion di Stato (1589), zit. nach der Ausgabe Bologna 1930, S. 63: „chr…(133)è impossibile que in questo mondo si generi una cosa senza corrozione di un‚ altra, cosi a ogni buon‘ ordine è congionto qualche disordine“.
Vgl. hierzu Terry Winograd/Femando Flores, Understanding Computers and Cognition: A New Foundation for Design, Reading Mass. 1987, für die gesamte rationalistische Tradition der europäischen Wissenschaften.
Siehe Humberto R. Maturana, Erkennen: Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit: Ausgewählte Arbeiten zur biologischen Epistemologie, Braunschweig 1982, S. 36 f.
Dies Argument ist vor allem aus der Linguistik, aus den Problemen des Sprechens über Sprache geläufig. Vgl. als eine Darstellung mit Hilfe der Unterscheidung von Description und Interpretation Lars Löfgren, Towards System: From Computation to the Phenomenon of Language, in: Marc E. Carvallo (Hrsg.), Nature, Cognition and System I: Current Systems-Scientific Research on Natural and Cognitive Systems, Dordrecht 1988, S. 129–155.
Vgl. für viele etwa Hans J. Hummell/Karl-Dieter Opp, Die Reduzierbarkeit von Soziologie auf Psychologie, Braunschweig 1971; Murray Webster, Jr., Psychological Reductionism, Methodological Individualism, and Large Scale Problems, American Sociological Review 38 (1973), S. 258–273; Helmut F. Spinner, Science without Reduction, Inquiry 16 (1973), S. 16–94. Auch „reduktionistisch“ gestimmte Autoren sind vorsichtig bis skeptisch und sehen die methodologischen Probleme deutlicher als ihre Kritiker, die „Holisten“. Meine Kritik betrifft die Problemstellung, ungeachtet der Frage, ob man reduktive Erklärungen für möglich und für ergiebig hält oder nicht.
Vgl. Beiträge zur Grundlegung einer operationsfähigen Dialektik, 3 Bde., Hamburg 1976–1980, insb. Bd. 1, S. 227 ff., 278 ff.
in: Laws of Form, a.a.O., S. 69 ff.
Wir merken nur an, daß diese heute auch im Deutschen geläufige Begriffsfassung nichts mehr zu tun hat mit der Konzeption einer besonderen Wissenschaft „Technologie“, für die man das Wort im 18. Jahrhundert eingeführt hatte. Speziell dazu Wilfried Seibicke, Technik: Versuch einer Geschichte der Wortfamilie um techne in Deutschland vom 16. Jahrhundert bis etwa 1830, Düsseldorf 1968, insb. S. 123 ff.
The gist of technology is simplification“, liest man mehr beiläufig bei Earl Finbar Murphy, The Future as a Present Projection, Temple Bar Quarterly 41 (1968), S. 165–183 (166).
Wie man heute wohl allgemein akzeptiert, ist das Verfahren zwar auf die Wahl entsprechender Axiome, nicht aber auf Quantifikation angewiesen.
Vgl. zu diesem im Krisis-Buch ausgeführten Thema auch Hans Blumenberg, Lebenswelt und Technisierung unter den Aspekten der Phänomenologie, Torino 1963. John O’Neill, Marcuse, Husserl and the Crisis of the Sciences, Philosophy of the Social Sciences 18 (1988), S. 327–342, führt die technologische Simplifikation weniger auf die Formalismen der Wissenschaft zurück als auf die Organisation wissenschaftlicher Forschung. Beides muß sich jedoch nicht wechselseitig ausschließen.
Somit könnte man Technologie auch definieren als Beobachtung eines Realitätsausschnitts unter dem Schema von heil oder kaputt.
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Luhmann, N. (2005). Haltlose Komplexität. In: Soziologische Aufklärung 5. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11449-9_3
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