Zusammenfassung
In den Weltkriegen stürzten Europa und die Welt in ein bisher nicht gekanntes Desaster maschinenförmiger Destruktion, das Millionen Menschen verschlang und verheerende Spuren in der kollektiven Psyche hinterließ. Es ist darum kein Zufall, daß es in ihrem Kontext zur zweiten Form massenverheerender Gewalt in diesem Jahrhundert kam: dem Lager, das seinen Gipfel im Zweiten Weltkrieg erreichte. Beide waren benachbart, ja ineinander verschlungen, insofern sie im Namen abstrakter politischer Ziele und gegen die überlieferte Moral die unterschiedslose Vernichtung als feindlich erklärter Großgruppen anstrebten und durchführten. Im Vordergrund des Kriegs stand jedoch die mörderische Aktion auf einem wie weit auch immer definierten Schlachtfeld, während in den Lagern Nichtkombattanten konzentriert und umgebracht wurden. Dementsprechend dominierte im ersten Fall der ‚heiße‘ Kampf, im zweiten die ‚kalte‘ Beseitigung eines Gegners, der weder kämpfen konnte noch wollte — obgleich sich beides überlappte. Im modernen Krieg changierten die Rollen der Opfer und der Täter, im modernen Lager standen sie aufs eindeutigste und schärfste gegeneinander. Beide aber verdankten sich den ungeheuren Spannungen des industriegesellschaftlichen Imperialismus und Rassismus und bedienten sich seiner gesellschaftlichen Formen materieller Massierung und instrumentaler Effizienz.
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Literatur
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Weiterführende Angaben in: Gerhard Armanski: Maschinen des Terrors. Das Lager (KZ und GULag) in der Moderne. Westfälisches Dampfboot, Münster 1993
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Armanski, G. (1999). Die Gewaltmaschine. In: Neckel, S., Schwab-Trapp, M. (eds) Ordnungen der Gewalt. Reihe „Soziologie der Politik“, vol 3. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10959-4_9
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