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Einleitung. Ich, Selbstbewußtsein und Persönlichkeit

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Selbstbewusstsein und Persönlichkeitsbewusstsein

Part of the book series: Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie ((MONOGRAPHIEN,volume 9))

  • 35 Accesses

Zusammenfassung

Wenn wir unbefangen festzustellen versuchen, was wir als das Ich eines anderen bezeichnen und was wir zu seiner Persönlichkeit rechnen, so ergibt sich etwa folgendes: Jener andere präsentiert mir zunächst eine Persönlichkeit aus einem bestimmten Volksstamme und aus einer bestimmten sozialen Schichte. Aber ich bin mir stets bewußt, daß die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nationalität, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaftsklasse einen Träger voraussetzen. Jener Träger bleibt immer der gleiche; wenn ich auch etwa erfahren sollte, daß ich mich in der Zuordnung zu einer bestimmten Nation geirrt habe, oder wenn es sich auch ereignen sollte, daß er durch Schicksalsschläge aus seiner sozialen Position verdrängt wird. Wir wundern uns nicht, wenn der Held der Tragödie aller äußeren Ehren beraubt, versichert, noch sei er, er selbst und wir werden uns dabei bewußt, daß all dieses nur Hülle und Schale gewesen ist. In viel innigerer Weise scheint uns der andere durch seinen Körper repräsentiert zu sein und wenn wir uns auch nicht verhehlen, daß Kind und Greis nur geringe Ähnlichkeit besitzen, suchen wir doch die Züge des einen im Antlitz des anderen wiederzuerkennen und erwarten im Grunde doch ein und dasselbe wieder zu finden. Auch die Wissenschaft stützt diese Annahme einer besonderen Eigenart des individuellen Organismus. Überpflanzungen von Organen gelingen dann am sichersten, wenn das Organ innerhalb desselben Organismus überpflanzt wird. Gleichwohl denken wir an anderes, wenn wir von Ich und Persönlichkeit sprechen. Wir denken an ein eigenartiges psychisches Geschehen und sogar innerhalb des Psychischen pflegen wir noch zwischen Charakter und Erfahrung zu sondern. Die Denkweise des praktischen Lebens ist in dieser Hinsicht durchaus konsequent. Wir pflegen es als Beleidigung aufzufassen, wenn der Versuch gemacht wird, unsere Persönlichkeit als einfache Summe des Gelernten und Erlebten darzustellen. Die Denkweise des praktischen Lebens fordert also etwas als Grundlage der Persönlichkeit, das nicht erfahren und nicht gelernt ist.

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References

  1. Vgl. z. B. bei Ribot.

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  2. Zu vgl. Wundt: Völkerpsychologie.

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  3. Die Empfindungen und die sie „auffassenden“ oder apperzipierenden Akte werden hierbei erlebt, aber sie erscheinen nicht gegenständlich, sie werden nicht gesehen, gehört, mit irgend einem Sinne wahrgenommen (Husserl).

    Google Scholar 

  4. Husserl unterscheidet Qualität und Materie des Aktes, wobei unter Materie das Gegenständliche, welches der Akt meint und die Weise, in welcher der Gegenstand gemeint ist, verstanden wird. Ich kann z. B. sagen: ein gleichseitiges Dreieck und ich kann auch sagen: ein gleichwinkeliges Dreieck und meine in beiden Fällen den gleichen Gegenstand. Gleichwohl ist er auf verschiedene Weise gemeint. Unter Qualität des Aktes wird verstanden die gegenständliche Setzung in den verschiedenen Arten des Urteilens, Wünschens, Wahrnehmens und Vorstellens.

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  5. Meines Erachtens finden sich auch in diesem Falle qualitative Abänderungen des Vordergrunderlebens, nur in geringerem Grade.

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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.

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Schilder, P. (1914). Einleitung. Ich, Selbstbewußtsein und Persönlichkeit. In: Selbstbewusstsein und Persönlichkeitsbewusstsein. Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie, vol 9. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-47702-7_1

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