Zusammenfassung
Das, was gegenwärtig unter dem Stichwort ›Gewalt‹ erforscht wird, ist außerordentlich vielfältig und facettenreich. Hinzu kommt: Gewaltforschung ist in nahezu allen Disziplinen ein stetig wachsendes Feld wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Will man bestimmen, was ›Gewalt‹ ist, sollen also Gegenstand und Begriff definiert werden, so ist dies mit einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten behaftet. Zum Beispiel herrscht darüber, ob Gewalthandeln im Verlauf der letzten Jahrhunderte ab- oder zugenommen hat, in der wissenschaftlichen Community keine Einigkeit (Pinker 2011). Darüber hinaus ist über das, was Gewalt genannt werden kann, kein Konsens herzustellen. Zu unterschiedlich sind die verschiedenen Forschungskonzepte und Fragestellungen einerseits sowie andererseits die Anforderungen daran, was in analytischer, (wissenschafts-)politischer oder normativer Hinsicht erreicht werden soll, wenn ein Phänomen als ›Gewalt‹ bezeichnet wird. Infolgedessen finden sich in der Literatur zahlreiche Begriffe — physische, psychische, strukturelle und symbolische, kulturelle, politische Gewalt, direkte, personale, individuelle und kollektive Gewalt, Gewalt gegen Sachen und Naturgewalt sind sicher die am häufigsten verwendeten, jedoch bei weitem nicht alle. Dazu später mehr.
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Christ, M., Gudehus, C. (2013). Gewalt — Begriffe und Forschungsprogramme. In: Gudehus, C., Christ, M. (eds) Gewalt. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05296-4_1
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