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Der Deutsche Reichstag im Kaiserreich

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Part of the book series: Politische Forschungen ((POFO))

Zusammenfassung

Als im November 1918 das Deutsche Kaiserreich zusammenbrach und die Republik ausgerufen wurde, wähnte sich die eine Hälfte der Reichstagsabgeordneten am Anfang eines neuen, besseren politischen Gemeinwesens. Die andere Hälfte aber war davon überzeugt, daß die parlamentarische Demokratie nur durch das unglückliche Zusammenwirken der Kräfte des Umsturzes im Innern und des Ansturms des Feindes von außen an die Macht gekommen sei. Die Verkettung von demokratischer Revolution und militärischer Niederlage und die zwiespältige Haltung des deutschen Volkes zu diesem geschichtlichen Ereignis wird vielfach als der erste Zersetzungskeim der Weimarer Demokratie betrachtet. Tatsächlich kann man aber die Spannungen in der gesellschaftlichen und politischen Ordnung Deutschlands, die schließlich zum Zusammenbruch des Weimarer Staates beigetragen haben, schon in den letzten Jahrzehnten des kaiserlichen Reiches feststellen1.

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Literatur

  1. Vgl. dazu auch Eschenburg, Die improvisierte Demokratie, a.a.O. S. 315 ff.

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  2. Für die unterschiedliche Beurteilung, die einzelne Ereignisse in der Reichtagsgeschichte gefunden haben, soll hier nur ein Beispiel angeführt werden. Das Interview, das Kaiser Wilhelm IL im Herbst 1908 der englischen Zeitung »Dayly Telegraph« gab, führte bekanntlich zu einer schweren innerpolitischen Auseinandersetzung. Am 10. und 11. November gab es darüber eine große Reichstagsdebatte, über deren Folgen Friedrich von Payer a.a.O. S. 19 urteilt: »Es war schon ein erheblicher Unterschied zwischen der seitherigen bescheidenen Bedeutung des Reichtages und der Stellung, die er nun für sich in Anspruch nahm, als er am 10. und 11. November 1908 über das persönliche Regime und dessen Repräsentanten im Reich zu Gericht saß und durch das Gewicht seiner Kritik und durch seine Stimmung selbst den Reichskanzler, Fürsten Bülow, mit sich reißt.« Und einige Zeilen weiter fahrt er dann fort: »Leider hat die Lektion, wenn auch vorübergehend, auf die Dauer nicht so geholfen, wie man erwartete. Aber die Tatsache, daß der Reichstag als gleichberechtigter Faktor die Geschicke des deutschen Reiches mitzubestimmen, sich für berechtigt und verpflichtet erklärt hatte, blieb bestehen und die dadurch gewonnene Machtstellung konnte wohl zeitweise unausgenützt bleiben, verloren konnte sie nicht mehr werden.« Zu einem ganz anderen Schluß kommt dagegen Friedrich Glum in seinem Buch »Das parlamentarische Regierungssystem« a.a.O. S. 55, das für die Geschichte des Reichtages wertvolle Aufschlüsse gibt. Er schreibt über die Folgen des Verhaltens des Reichstages in derselben Angelegenheit: »Die geringe Bedeutung, die der Reichstag schließlich im politischen Leben einnahm, konnte nicht ohne Einfluß auf seine personelle Besetzung bleiben.«

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  3. Hier folge ich Härtung, Deutsche Geschichte, a.a.O. S. 41: »Die Anknüpfung an die Tradition der Paulskirche wurde deutlich z. B. in der Person Eduard von Simsons. Während der Verfassungsberatung war er Präsident des Paulskirchenparlaments gewesen, 1849 war er der Führer der Kaiserdeputation. Nun wurde er nicht nur mit Einverständnis, sondern auf Wunsch Bismarcks zum Präsidenten des Norddeutschen Reichstages und 1871 zum Reichstagspräsidenten gewählt und war auch Führer der Kaiserdeputation 1870.«

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  4. Vgl. hierzu Erich Kaufmann, a.a.O. S. 24.

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  5. So urteilt sogar der konservative Graf Kuno Westarp MdR, Konservative Monatsschrift 78 (1920) S. 395, ebenso Payer a.a.O. S. 11.

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  6. Vgl. Handbuch für sozialdemokratische Wähler, a.a.O. S. 135.

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  7. Glum a.a.O. S. 51, und Jellinek, Regierung, a.a.O. S. 27. Jellinek führt aus, daß zwei Hindernisse einer positiven parlamentarischen Herrschaft im Wege gestanden hätten, das föderalistische Element des Bundesrates und der Partikularismus Preußens. Das Wesen des konstitutionellen Parlamentarismus sei, daß die Parlamentsmehrheit der Regierung gegenüberstehe. In Deutschland aber habe das Parlament neben der Reichsregierung zwei eng verbundene, aber doch voneinander unabhängige Gewalten gegenübergehabt, die preußische Regierung und den Bundesrat. In dieser Verfassungskonstellation findet man die Erklärung, warum die Entscheidung zwischen parlamentarischer oder außerparlamentarischer Regierungsweise in Deutschland gleichbedeutend mit der Entscheidung zwischen Einheitsoder Bundesstaat war. Diese Parallelität hat sich bekanntlich sehr stark auf das Weimarer Verfassungswerk ausgewirkt.

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  8. Als Beispiele seien angeführt: das Gesetz zur Gewährung von Diäten an Reichstagsabgeordnete (siehe Kapitel 2); die Reform des Reichstagswahlrechts; die Aufhebung des § 2 des Jesuitengesetzes.

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  9. Die Reichstagsabgeordneten beschwerten sich wiederholt, daß der Bundesrat die Initiativen des Reichstages verschleppe oder grundsätzlich abschlägig bescheide. Darauf veröffentlichte der Bundesrat eine Zusammenstellung der ihm vom i. Januar 1900 bis zum 31. Dezember 1906 zugestellten Initiativen des Reichstages und die Art ihrer Erledigung (Sten.-Berichte, Band 240, Drucksache Nr. 211). Eine Auswertung der 101 Entscheidungen des Bundesrates über Initiativen des Reichstages ergibt folgendes: vom Bundesrat abgelehnt.............16 dem Reichskanzler überwiesen, Entscheidung des Bundesratessteht noch aus.................16dem Reichskanzler ohne Stellungnahme überwiesen.....18 Entscheidung steht im Bundesrat noch aus........19 als erledigt betrachtet...............5 angenommen..................27. Die zwar nicht überzeugende, aber doch relativ positive Bilanz dieser Zusammenstellung ergibt sich daraus, daß der Bundesrat vielfach Bagatellsachen annahm. Wichtigere Initiativanträge wurden oft mit großer zeitlicher Verspätung behandelt oder überhaupt in der Schwebe gelassen. Da es sich bei den vom Reichstag dem Bundesrat überwiesenen Drucksachen nur zum kleineren Teil um eigentliche Gesetzesentwürfe handelte, kann man wohl zum Schluß kommen, daß die gesetzgeberische Initiative des Reichstages außerordentlich gering war. Er war ein Kontrollorgan, aber hatte kaum Möglichkeiten, eigene politische Initiative zu entfalten.

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  10. Payer, a.a.O. S. n.

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  11. Ein Nachteil war es auch, daß der Kaiser den Reichstag schließen konnte und daß es ihm freistand, ihn zu berufen und zu eröffnen. Diese Macht war nur dadurch eingeschränkt, daß in Art. 13 vorgesehen war, daß der Kaiser jährlich den Reichstag berufen mußte und daß die Vertagung während der Session ohne Zustimmung des Reichstages nicht mehr als 30 Tage betragen durfte. Man gebrauchte dieses Kampfmittel kaum mehr gegen den Reichstag, aber daß man es besaß, wußte man wohl. Dies zeigt eine Erklärung des Staatssekretärs für das Innere, Graf Posadowsky-Wehner, aus dem Jahre 1905: »Die Diskontinuität der Parlamente herbeizuführen, beruht auf einem wichtigen monarchischen Recht, das verfassungsmäßig der Krone jederzeit zusteht. Aus den Vorwürfen, die gegen die Regierung erhoben sind, sieht man, wie bedenklich es werden kann, wenn stillschweigend Rechte der Krone zeitweilig nicht ausgeübt werden«. — Stenographische Berichte XI. Legislaturperiode, 2. Session, a.a.O. S. 237 C.

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  12. Vgl. Härtung, Deutsche Geschichte, a.a.O. S. 48, und Härtung, Verfassungsgeschichte a.a.O. S. 289.

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  13. Schieder, Th., Zur Geschichte des deutschen Parteiwesens, a.a.O. S. 4 f.

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  14. Payer a.a.O. S. 12.

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  15. Gesammelte politische Schriften a.a.O. S. 132.

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  16. Zechlin a.a.O. S. 29.

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  17. Nach seinem Sturz änderte er seine Meinung. Er schrieb (Bismarck, Gesammelte Werke, Bd. 9, S. 110/1) 1892: »Ich möchte, daß das Parlament zu einer konstanten Mehrheit gelangt, ohne die wird es nie die Autorität haben, die es braucht. Ohne einen Reichstag, der vermöge einer konstanten Majorität, die er in seinem Schöße birgt, imstande ist, die Pflicht einer Volksvertretung dahin zu erfüllen, daß sie die Regierung kritisiert, kontrolliert, warnt, unter Umständen führt, der imstande ist, dasjenige Gleichgewicht zu verwirklichen, das unsere Verfassung zwischen Regierung und Volksvertretung hat schaffen wollen, ohne einen solchen Reichstag bin ich in Sorge für die Dauer und Solidität unserer nationalen Institutionen.«

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  18. Fürst Chlodwig v. Hohenlohe, Denkwürdigkeiten II, S. 106

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  19. Vgl. Zechlin, a.a.O.

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  20. Bachern a.a.O. Bd. V S. 12.

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  21. Glum a.a.O. S. 55: »Die sprunghafte Art Wilhelm IL, die persönliche Auffassung der Monarchie in Reden usw. zur Geltung zu bringen, hat sehr viel mehr dazu beigetragen, den Gedanken an eine parlamentarische verantwortliche Regierung zu stärken, als die Zurückhaltung seiner Vorgänger hinter dem Reichskanzler.«

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  22. Payer a.a.O. S. 18.

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  23. Payer a.a.O.

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  24. Äußerst nachteilig für die Verantwortlichkeit des Parlamentes war es auch, daß die Parlamentarier kaum in verantwortliche Regierungsstellen gelangten und nur wenige einst verantwortliche Regierungspolitiker sich um ein Reichstagsmandat bewarben. Einer gegenseitigen Verschränkung stand der Artikel 9 der Reichsverfassung entgegen, der bestimmte, daß niemand gleichzeitig Mitglied des Reichstages und des Bundesrates sein könne. Aber auch eine zeitliche Aufeinanderfolge von Parlamentsmandat und Regierungsposten war außerordentlich selten. Die großen parlamentarischen Führer des Liberalismus und der Konservativen wurden mit Ausnahme des preußischen Finanzministers Johannes Miquel und des preußischen Handelsministers Theodor Möller nicht mit Regierungsposten betraut; die Angebote in den siebziger und achtziger Jahren an Benningsen (NL) und Richter (FVP) zerschlugen sich, da Bismarck letztlich davon einen allzu starken parlamentarischen Einfluß auf die Regierung befürchtete. Auch die Berufung in Landesministerien war sehr selten. Die Berufung des Zentrumsführers Freiherr von Hertling zum bayerischen Ministerpräsidenten 1912 erregte großes Aufsehen. Nur ein Reichskanzler vor dem Weltkrieg, Fürst Chlodwig von Hohenlohe, hat vor seiner Reichskanzlerschaft dem Reichstag angehört, nämlich von 1871 bis 1881. Auch der umgekehrte Weg, daß Regierungspolitiker sich um ein Parlamentsmandat später bemühten, ist außerordentlich selten. Zu nennen wären hier Fürst Otto von Bismarck, der sich nach seinem Abgang 1891 erfolgreich um ein Reichstagsmandat bemühte, allerdings bereits 1893 nicht mehr kandidierte, und sein Sohn Herbert von Bismarck, der dem Reichstag von 1884 bis 1887 und von 1893 bis 1907 angehörte. 1912 kandidierte der langjährige Staatssekretär des Innern, Graf von Posadowsky-Wehner, erfolgreich für ein Reichstagsmandat. Diese Trennung von Regierungspolitik und Parlament führte zu einem gegenseitigen Unverständnis. Auf Seiten der Parlamentarier führte es dazu, daß man sich nur sehr schwer über manche politische Fragen ein verantwortliches Urteil bilden konnte. So räumt Bachern (a.a.O. Bd. V S. 383) ein, daß von einer selbständigen auswärtigen Politik des Zentrums keine Rede sein konnte, denn es habe niemanden in der Fraktion gegeben, der über genügende außenpolitische Kenntnisse verfügt habe. 25 Aber auch dieses Verdienst gebührt eigentlich nicht dem gesamten Reichstag, sondern viel eher dem energischen Führer der Freisinnigen, Eugen Richter. — Grotewold a.a.O. S. 210.

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  25. Reformpläne wurden von den Konservativen öfters erörtert. Es müßte einer eigenen Studie überlassen bleiben, sie darzustellen. Die Bemerkung Belows — Handbuch der Politik Bd. II, a.a.O. S. 7 -, daß die Umwandlung des Parlaments in eine berufsständische Vertretung in konservativen Kreisen nur vereinzelt gefordert worden sei, ist wohl eher eine nachträgliche Beschönigung als historische Tatsache.

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  26. Stenographische Berichte des Deutschen Reichstages, X. Legislaturperiode, 2. Session, 215. Sitzung, a.a.O. S. 6351.

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Molt, P. (1963). Der Deutsche Reichstag im Kaiserreich. In: Der Reichstag vor der improvisierten Revolution. Politische Forschungen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96234-8_2

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