Die Intensivmedizin stellt einen komplexen und sehr technisierten Arbeitsbereich im Krankenhaus dar, der mit einem sehr hohen Risiko für Patienten, Komplikationen zu erleiden oder zu versterben, verbunden ist. Daher kommt der Qualitätssicherung hier ein hoher Stellenwert zu. Veränderungen der Qualität sind für den Bereich der Intensivmedizin bisher jedoch nur in sehr geringem Umfang erfasst und publiziert worden.

Hintergrund und Fragestellung

Die Behandlungsqualität und v. a. das Risiko vermeidbarer Behandlungsfehler ist aktuell vermehrt in den Fokus der Presse gerückt, nachdem u. a. im Krankenhausreport 2014 die Patientensicherheit als Schwerpunktthema aufgegriffen wurde [10]. Als Qualitätssicherungsinstrumente stehen für den Bereich der Intensivmedizin neben dem Kerndatensatz Intensivmedizin der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin (DIVI) das Peer-Review-Verfahren sowie einzelne Benchmark-Projekte zur Verfügung [Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS), Surveillance Antibiotikaverbrauch und bakterielle Resistenzen auf Intensivstationen (SARI), Initiative Qualitätsmedizin (IQM); [1, 3, 5]]. Eine Arbeitsgruppe der DIVI definierte im Jahr 2000 erstmals einen Kerndatensatz zur Qualitätssicherung [2, 14, 21]. Die teilnehmenden Intensivstationen haben in den Folgejahren auf freiwilliger Basis ihre Daten an das Register gesendet und einen jährlichen Bericht der Benchmark-Daten zurückerhalten.

International existieren Qualitätsregister für die Intensivmedizin in Australien/Neu Seeland (Australian and New Zealand Intensive Care Society, ANZICS), den USA (IMPACT), Großbritannien (Intensive Care National Audit and Research Centre, ICNARC), Italien (Gruppo italiano per la Valutazione degli interventi in Terapia Intensiva, GiViTI), den Niederlanden (Nationale Intensive Care Evaluatie, NICE), den skandinavischen Ländern [Finnish Intensive Care Consortium, Norskt Intensivregister, Svenska Intensivvardsregistret (SIR) und Dansk Intensiv Database] und in Österreich [6, 9, 17, 23]. Veränderungen der Qualität sind für den Bereich der Intensivmedizin jedoch nur in sehr geringem Umfang publiziert.

Ziel dieser Arbeit war es, die Veränderung der Qualitätsdaten zwischen 2000 und 2010 zu untersuchen. Als Maß für die Fallschwere bei Aufnahme auf die ITS wurde der Simplified Acute Physiology Score II (SAPS II) verwendet. Weiterhin wurden das Vorliegen eines Organversagen [Sequential Organ Failure Assessment (SOFA) Score] bei Aufnahme sowie der Anteil an beatmeten Patienten während des Intensivstations(ITS)-Aufenthalts und die Veränderung des Behandlungsaufwands (Therapeutic Intervention Scoring System-28, TISS 28) untersucht. Die ITS-Letalität wurde mithilfe der standardisierten Mortalitätsrate (SMR) betrachtet.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Im DIVI-Register sind in den Jahren 2000–2010 insgesamt 150.513 Patienten erfasst worden. Aufgrund der nichtvorgesehenen Ermittlung des SOFA Scores wurden 13.532 Patienten des Registers der Landesärztekammer Thüringen exkludiert (Abb. 1). Ebenfalls wurden Kliniken mit bis zu 3-jähriger Teilnahme ausgeschlossen. Weitere 5,7 % der Patienten, bei denen Daten unvollständig waren (SAPS II, SOFA, oder TISS 28 Score), wurden nicht in die Auswertung aufgenommen.

Abb. 1
figure 1

Teilnehmer der Studie. DIVI Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensivmedizin, SAPS II Simplified Acute Physiology Score II, SOFA Sequential Organ Failure Assessment

Das DIVI-Register beinhaltet den Kerndatensatz Intensivmedizin, der sich aus Strukturdaten, Aufnahmedaten auf die ITS, täglichen Verlaufsparametern (SAPS II-, SOFA- sowie TISS 28 Score) sowie ITS-Entlassungsdaten zusammensetzt [14, 21].

Einschlusskriterien

Folgende Kriterien mussten zur Aufnahme in die Studie erfüllt sein:

  • Die Klinik hat über mindestens 4 Jahre Patientendaten an das Register gesendet.

  • Die SOFA und SAPS II Scores sind bei Aufnahme des Patienten vorhanden.

  • Ein täglich erhobener TISS 28 Score vorhanden.

  • Daten zur Verlegung des Patienten sind vorhanden.

Sequential Organ Failure Assessment Score

Der SOFA Score beschreibt die Funktion von 6 Organsystemen (respiratorisches, kardiovaskuläres, renales, hämatologisches, hepatisches und zentralnervöses Organsystem, [20]). Jedes dieser Systeme wird mit einer Fünfpunkteskala (0 bis 4 Punkte) zur Einschätzung einer Organdysfunktion (1 bis 2 Punkte) oder eines Organversagens (3 bis 4 Punkte) beurteilt. Das Zentralnervensystem (ZNS; Glasgow Coma Scale, GCS) wird in der Evaluation des Kerndatensatzes nicht verwendet.

Simplified Acute Physiology Score II

Der SAPS II erfasst neben physiologischen Parametern [Herzfrequenz, Blutdruck, Körpertemperatur, Horowitz-Index; (arterieller Sauerstoffpartialdruck (paO2)/inspiratorische Sauerstoffkonzentration (FIO2)] den GCS, das Alter des Patienten und dessen Vorerkrankungen (metastasiertes Karzinom, maligne hämatologische Erkrankungen und Aids). Zusätzlich wird die Zuweisung des Patienten (Aufnahmeart) erfasst, die in elektiv-chirurgisch (0 Punkte), medizinisch (ohne Operation; 6 Punkte) und ungeplant chirurgisch (8 Punkte) unterschieden wird [11]. Für jede Komponente werden zwischen 0 und 26 Punkten vergeben. Aus dem SAPS-II-Wert lässt sich die Wahrscheinlichkeit (p), im Krankenhaus zu versterben, berechnen:

(Equ1)

Hierbei ist x = − 7,763 + 0,074•SAPS II + 0,997•ln(SAPS II + 1).

Therapeutic Intervention Scoring System-28

Der TISS 28 beschreibt den erforderlichen therapeutischen Aufwand am Patientenbett in 28 Items [15]. Der Score unterteilt den Behandlungsaufwand in Basisbehandlung, Behandlung der Lungen, des Herz-Kreislauf-Systems, der Nieren, des ZNS, des Metabolismus und den Aufwand durch Interventionen außerhalb der Station. Es werden für jede Komponente 0 bis 8 Punkte vergeben.

Datenanalyse

Die Jahre 2000 und 2001 sowie die Jahre 2009 und 2010 wurden aufgrund geringerer Datenmengen zusammengefasst. Die analysierten Strukturdaten sind in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1 Strukturdaten

Die Verlaufsdaten, SAPS II und SOFA Score, wurden einerseits von der Gesamtpopulation betrachtet und anderseits in Abhängigkeit von der Aufnahmeart auf die Intensivstation (geplant chirurgische, ungeplant chirurgische und medizinische Aufnahme auf die Intensivstation). Zusätzlich wurde die Intensivstationsletalität bewertet.

Statistik

Kontinuierliche Variablen wurden als Mittelwert ± Standardabweichung dargestellt. Eine Prüfung auf Normalverteilung wurde wegen der großen Fallzahl vermieden. Mittelwerte wurden gegenüber Medianen bevorzugt, da sie gerade bei kleineren Werten (z. B. Liegedauer) sensitiver Veränderungen darstellen können als Mediane. Kategoriale Variablen wurden als Anzahl oder Prozentwert angegeben. Für ausgewählte Häufigkeiten wurden 95 %-Konfidenzintervalle (95 %-KI) berechnet.

Hauptzielparameter waren der SAPS II Score, der SOFA Score und der TISS 28 Score sowie die Intensivstationsletalität. Die Score-Werte wurden für die einzelnen Jahre ermittelt und bezüglich der Veränderung über die Jahre mithilfe der Varianzanalyse bzw. dem χ2-Test (bei Häufigkeiten) auf statistische Signifikanz untersucht. Bei signifikanter Veränderung im Beobachtungszeitraum erfolgte eine Abschätzung der jährlichen Veränderungen durch eine lineare Regressionsanalyse (betrachtete Parameter als abhängige und die Jahreszahl als unabhängige Variable). Der Koeffizient für die Jahreszahl (hier dargestellt mit dem Standardfehler, SE, und p-Wert) gibt somit die durchschnittliche Änderung pro Jahr an.

Zur Analyse der Letalität wurde für jedes Beobachtungsjahr eine SMR ermittelt. Es wird bei der SMR die beobachtete durch die, gemäß SAPS II Score, erwartete Sterblichkeit dividiert. Eine SMR < 1 bedeutet, dass weniger Patienten verstorben sind, als gemäß Schweregradklassifikation zu erwarten wäre.

Die Prognoseschätzung auf der Basis des SAPS II Score wurde im DIVI-Register aus 2 Gründen modifiziert:

  1. 1.

    Die Bestimmung des GCS weist bei sedierten und beatmeten Patienten eine hohe Beobachtervariation auf und wurde deshalb im Kerndatensatz nicht verwendet. Damit sind die SAPS II Werte ohne GCS tendenziell niedriger als in der Literatur beschrieben. Als Konsequenz berechnet sich eine relativ niedrigere Sterblichkeitsprognose.

  2. 2.

    Die laut Literatur berechnete Prognose bezieht sich auf die Krankenhausletalität und ist daher relativ höher als die Intensivstationsletalität.

Um diese Probleme zu beheben, wurde 2003 mithilfe einer logistischen Regression eine korrigierte Formel zur Berechnung der Intensivstationsprognose bestimmt, die auf dem SAPS II ohne GCS basiert. Dieser Analyse lagen Daten von 16.339 Patienten mit einer Liegedauer von mindestens 18 h zugrunde. Da der fehlende GCS Score besonders bei Patienten mit Problemen des ZNS zu einer falsch-niedrigen Prognose führen könnte, erhalten diese einen Korrekturkoeffizienten. Die Formel wurde folgendermaßen modifiziert:

(Equ2)

Hierbei ist x = − 8.46 + 0.06•SAPS II Score + 1.14•ln(SAPS II + 1) + 0,88•neurologischer/neurochirurgischer Patient.

Für SMR wurden ebenfalls 95 %-KI berechnet, die auf den jeweiligen Werten der beobachteten Raten für die Sterblichkeit basieren (jeweils dividiert durch die erwartete Sterblichkeit).

Das Signifikanzniveau wurde mit p = 0,05 festgelegt. Bei der Interpretation der Daten ist allerdings zu beachten, dass wegen der großen Fallzahl selbst kleinste Unterschiede statistisch signifikant werden können. Daher ist unbedingt die klinische Relevanz der beobachteten Unterschiede zu beachten. Die statistische Auswertung erfolgte mithilfe SPSS, Version 20 (IBM Inc., Armonk, NY, USA).

Ergebnisse

Von den 136.981 mit dem Kerndatensatz Intensivmedizin der DIVI im Register erfassten Patienten wurden 73,9 % in Kliniken mit mindestens 4-jähriger Teilnahme am Register erfasst. Von 94,3 % der Patienten (94.398 Patienten aus 24 Kliniken) war ein vollständiger Datensatz vorhanden; diese Daten wurden in die Auswertung aufgenommen (Abb. 1). Die Strukturdaten der beteiligten Häuser sind in Tab. 1 zusammengefasst.

Patientenalter

Die Patienten waren im Mittel 63,2 ± 17,1 Jahre alt. Über den Beobachtungszeitraum war ein signifikanter, wenn auch klinisch irrelevanter Anstieg von 0,02 Jahren/Jahr zu beobachten (Tab. 2).

Tab. 2 Datenübersicht

Aufnahmeart auf die Intensivstation

Die Art der Aufnahme wurde nach der Unterteilung im SAPS II Score [geplant (GC), ungeplant chirurgisch (UC) und medizinisch (M)] ausgewertet. Im Mittel wurden im Beobachtungszeitraum 45,0 % GC-Patienten (95 %-KI 44,6–45,4 %) auf die ITS aufgenommen, 30,2 % der Patienten (95 %-KI 29,8–30,6 %) aufgrund einer medizinischen Indikation sowie 24,9 % UC-Patienten (95 %-KI 24,6–25,2 %). Der Anteil der Patienten mit UC-Aufnahme auf die ITS hat kontinuierlich von 17,3 auf 28,7 % zugenommen, bei leicht rückläufigen Aufnahmeraten für GC- und M-Patienten (Tab. 2).

Verweildauer

Die mittlere Verweildauer der Patienten auf der ITS betrug 4,3 ± 7,9 Tage ohne relevante Veränderungen über den Beobachtungszeitraum (+ 0,06 Tage/Jahr). Die längste mittlere ITS-Verweildauer wiesen UC-Patienten auf (5,7 ± 9,7 Tage; Tab. 2). Der Anteil an Patienten mit einer Verweildauer < 6 h lag konstant bei 2–3 %, der Anteil an Patienten mit einer Verweildauer < 18 h im Mittel bei 15 % (Daten nicht dargestellt).

Die Wiederaufnahmerate auf die ITS wurde ab 2004 erfasst und verblieb im Beobachtungszeitraum unverändert niedrig. Es wurden 3,1 % der Patienten (95 %-KI 3,0–3,3 %) < 48 h nach Verlegung wieder auf die ITS aufgenommen, 1,5 % der Patienten (95 %-KI 1,4–1,6 %) nach mehr als 48 h.

Die Verweildauer im Krankenhaus vor Aufnahme auf die ITS betrug 4,1 ± 8,2 Tage. Dieser Zeitraum verkürzte sich zwischen 2000 und 2010 v. a. bei GC-Patienten (6,3 ± 9,7 vs. 4,2 ± 6,9 Tage), während ein leichter Anstieg der Krankenhausverweildauer vor Aufnahme auf die ITS bei M-Patienten zu verzeichnen war (2,4 ± 8,2 vs. 3,1 ± 8,6 Tage). Die UC-Patienten hatten im Mittel unverändert eine Verweildauer im Krankenhaus vor Aufnahme auf die ITS von 4,1 ± 8,6 Tagen.

Eingesetzte Scores

Die mittlere Erkrankungsschwere, gemessen am SAPS II Score bei Aufnahme auf die ITS, stieg im Verlauf der Jahre um 0,23 Punkte/Jahr auf 26,9 ± 13,0 Punkte an (Standardfehler, SE, 0,02; p < 0,001; Tab. 2; Abb. 2 a). Auch der Schweregrad der Multiorgandysfunktion (MOD), gemessen am SOFAadm Score, zeigte bei Aufnahme auf die ITS in den 11 Beobachtungsjahren einen Anstieg von 0,14 Punkten/Jahr auf 3,4 ± 2,7 Punkte an (SE 0,04; p < 0,001; Tab. 2, Abb. 2 b). Die maximal erreichte MOD (SOFAmax) stieg im Beobachtungszeitraum parallel zum SOFAadm Score an (Tab. 2, Abb. 2 b).

Abb. 2
figure 2

a Simplified Acute Physiology Score II, b Sequential Organ Failure Assessment Score. SOFA adm SOFA Score bei Aufnahme auf die Intensivstation (ITS), SOFA max maximaler SOFA Score während des ITS-Aufenthalts

Die Betrachtung der einzelnen Organsysteme ergab v. a. eine Zunahme des respiratorischen Versagens (2000–2001: 7,9 %, 95 %-KI 7,3–8,5 %; 2009–2010: 11,5 %, 95 %-KI 10,9–12,1 %) sowie des kardiovaskulären Versagens (2000–2001: 13,0 %, 95 %-KI 12,9–13 %,1 %; 2009–2010: 22,9 %, 95 %-KI 22,0–23,8 %). Die anderen Organsysteme wiesen nahezu unveränderte Raten an Organversagen auf (Nieren: 4,80 %, 95 %-KI 4,66–4,94 %; Leber: 1,07 %, 95 %-KI 1,00–1,13 %; Gerinnung: 1,85 %, 95 %-KI 1,76–1,93 %). Nicht nur der Schweregrad der Organdysfunktion, sondern auch die Anzahl der Patienten mit einem Ein- oder Mehrorganversagen nahm um 8 auf 31,4 % zu (95 %-KI 30,4–32,4 %; Tab. 2). Dies war v. a. durch eine Zunahme der Inzidenz von Einorganversagen sowie die Verdopplung der Anzahl von Patienten mit Zweiorganversagen (2,2 auf 7,1 %, 95 %-KI 7,05–7,15 %) gekennzeichnet, bei unverändertem Anteil an Patienten mit einem Drei- oder Vier- bis Fünforganversagen (1 bzw. 0,1 %).

Entsprechend der Zunahme der Erkrankungsschwere bei Aufnahme auf die ITS hat auch der Behandlungsaufwand je Fall (23,8 ± 8,3 TISS 28 Punkten/Tag) während des Aufenthaltes auf der ITS pro Jahr um 0,5 Punkte/Tag (SE 0,01; p < 0,001), d. h. 4,5 Punkte/Tag in 11 Jahren zugenommen (Tab. 2).

Beatmung

Die mittlere Beatmungsdauer stieg im Beobachtungszeitraum um 0,17 Beatmungstage/Jahr auf 3,1 ± 7,5 Tage/Patient an (SE 0,01; p < 0,001; Tab. 2). Insbesondere bei Patienten mit einer medizinischen Aufnahme auf die ITS war ein deutlicher Anstieg der Beatmungszeit von 2,5 ± 7,9 auf 4,1 ± 8,4 Tage zu beobachten. Nicht nur die Dauer der Beatmung ist angestiegen, sondern auch der Anteil an Patienten, die während ihres ITS-Aufenthalts beatmet wurden, nahm um 2,4 %/Jahr auf 59,8 % zu (SE 0,1; p < 0,001; Abb. 3). Dieser Anstieg war v. a. durch UC- und M-Patienten bedingt (Tab. 2). Die Verweildauer der beatmeten Patienten auf der ITS blieb unverändert bei 5,3 ± 9,6 Tagen.

Abb. 3
figure 3

Beatmete Patienten. In der Gesamtpopulation stieg der Anteil an Patienten, die während ihres ITS-Aufenthalts beatmet wurden, um 2,4 %/Jahr an (Standardfehler 0,1; p < 0,001)

Letalität

Die absolute Letalität hat im Beobachtungszeitraum von 5,7 auf 8,5 % zugenommen. Die SMR ist in der Gesamtpopulation nach einem Abfall bis auf 0,72 im Jahr 2004 wieder auf 0,99 angestiegen (95 %-KI 0,66–0,79 resp. 0,93–1,05; Abb. 4). Auffällig war, dass die Letalität in den Jahren 2006–2009 v. a. bei M-Patienten zunahm (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Standardisierte Mortalitätsrate

Diskussion

Die SMR für Patienten auf der Intensivstation in Deutschland betrug zwischen 2000 und 2010 unverändert 1,0. Im Beobachtungszeitraum haben die Erkrankungsschwere bei Aufnahme auf die ITS und der Behandlungsaufwand signifikant zugenommen. Demgegenüber blieb die Verweildauer auf der ITS unverändert.

Die Intensivmedizin stellt im Krankenhaus den Bereich mit der höchsten Wahrscheinlichkeit für Komplikationen sowie dem höchsten Risiko zu versterben dar. Daten zur Prozess- und Ergebnisqualität aus dem Register der DIVI wurden zuletzt 2002 publiziert [12].

Auch international sind Daten zur Prozess- und Ergebnisqualität in der Intensivmedizin in sehr geringen Umfang publiziert [4, 6, 16, 19]. Aktuell wurden Daten der ANZCIS-Datenbank aus Australien und Neuseeland mit dem Hauptfokus auf Sepsispatienten veröffentlicht [8, 9]. Die Autoren beschrieben für 2012 eine Krankenhausletalität von 18,4 % bei Sepsispatienten und eine Letalität von 8,0 % für alle anderen Patienten. Zu Beginn des Auswertungszeitraums lag die Krankenhausletalität in der ANZCIS Datenbank noch signifikant höher bei 35 bzw. 13,7 %.

Im DIVI-Register wird nicht die Krankenhausletalität, sondern die etwas niedriger zu erwartende ITS-Letalität erfasst. Die Gesamtletalität ohne Schweregradadjustierung betrug im vorgestellten Kollektiv 2000 5,7 % und ist bis 2010 auf 8,5 % angestiegen. Auch wenn ein Vergleich der Letalität zwischen einzelnen Ländern aufgrund unterschiedlicher soziodemografischer Strukturen und unterschiedlicher Behandlungsstandards nur sehr vorsichtig erfolgen darf [18, 24], ist davon auszugehen, dass die Krankenhausletalität in Deutschland im Vergleich zu den ANZCIS-Daten nicht höher liegt. Ältere Daten der ANZCIS-Datenbank zeigen für die Jahre 1993–2003 einen Rückgang der ITS-Letalität von 12 auf 9 % [16]. Die Daten des schwedischen Registers beschrieben als Ergebnisqualität die Dreißig- und Neunzigtageletalität, die zwischen 2008 und 2013 knapp 15 % betrug [7]. Auch hier ist ein direkter Vergleich aufgrund der unterschiedlichen Strukturen und fehlender Risikoadjustierung unmöglich. Die Notwendigkeit der Risikoadjustierung wird umso deutlicher bei Betrachtung der Surviving-Sepsis-Campaign-Daten. Daten aus über 200 Zentren in den USA und Europa wurden verglichen; im Ergebnis zeigte sich in den USA bei Patienten mit Sepsis im Vergleich zu Europa eine signifikant niedrigere Krankenhausletalität (28,3 vs. 41,1 %, [13]). Der Unterschied nivellierte sich jedoch nach Risikoadjustierung. Ein internationaler Vergleich der Sepsisletalität belegte, dass Deutschland mit den USA die niedrigsten sepsisassoziierte Letalität aufwies [22].

Risikoadjustiert zeigt sich in Deutschland zwischen 2000 und 2010 keine signifikante Veränderung der ITS-Letalität. Die risikoadjustierten Daten des niederländischen Intensivregisters (NICE, [19]) zeigen bei nichtkardiochirurgischen Patienten eine Reduktion der SMR von 1,0 auf 0,83. Der Effekt wird v. a. auf den Rückgang der beobachteten Letalität bei elektiv-chirurgisch behandelten Patienten zurückgeführt. Dieser Effekt ist auch in den Register-Daten der DIVI zu verzeichnen (SMR 0,65).

Ein wesentliches Ergebnis der vorliegenden Registerdaten ist der Anstieg des Schwergrads der Erkrankung bei Aufnahme auf die ITS mit einem Anstieg der SAPS-II-Werte (ohne GCS) von 22,8 ± 12,5 auf 26,9 ± 13 Punkte. In den Daten des NICE-Registers lässt sich für die Jahre 1999–2007 kein vergleichbarer Anstieg erkennen (SAPS II, einschließlich GCS im Mittel 34,8 Punkte, [19]). Der internationale Vergleich von Daten der Surviving Sepsis Campaign hat für Sepsispatienten in Europa im Vergleich zu den USA eine höhere Erkrankungsschwere bei Aufnahme auf die ITS sowie eine längere Verweildauer auf der ITS ergeben, bei vergleichbarer risikoadjustierter Letalität [13]. Bei der Beurteilung der Ergebnisse ist die sehr divergente Versorgungsstruktur in den einzelnen Ländern zu bedenken. In Deutschland stehen z. B. mit 24,6 ITS-Betten/100.000 Einwohnern mehr Betten/Einwohner zur Verfügung als in vielen anderen europäischen Ländern (Belgien: 21,9, Großbritannien: 3,3) oder den USA (20,0), Kanada (13,5) und Australien/Neuseeland (ca. 6; [9, 22]).

Limitationen

Bei der Beurteilung der Daten des DIVI-Registers ist zu berücksichtigen, dass nur ein kleiner, aber der Versorgungsstruktur deutscher ITS entsprechender Querschnitt abgebildet wird. Um eine hohe Datenqualität zu gewährleisten, wurden in die Studie nur Kliniken mit einer mindestens vierjährigen Teilnahme am Register inkludiert. Ein gewisser Bias ist dennoch nicht auszuschließen, da die freiwillige, zeitaufwendige Dokumentation der Registerdaten ein gesteigertes Interesse an Qualitätssicherung voraussetzt. Eine Kontrolle der Dateneingabe vor Ort fand nicht statt, jedoch beinhaltet die Datenbank ein mehrschichtiges System der Plausibilitätsprüfung. Eine wesentliche Limitation der Beurteilung der Ergebnisse ist dem Umstand geschuldet, dass derzeit der Kerndatensatz Intensivmedizin auf einem Basisdatensatz zur Qualitätssicherung beruht und keine spezifischen krankheitsbezogenen Aussagen zulässt.

Schlussfolgerung

In Deutschland stehen Qualitätssicherungsdaten aus dem Bereich der Intensivmedizin nur in sehr begrenzten Umfang zur Verfügung. Die Daten des DIVI-Registers ist zu entnehmen, dass zwischen 2000 und 2010 die Erkrankungsschwere (SAPS II Score) und die Multiorgandysfunktion bei Aufnahme (SOFA Score) auf die ITS signifikant zunahmen. Im gleichen Maß haben der Behandlungsaufwand (TISS 28 Score) und der Anteil an Patienten mit Beatmung zugenommen. Im Sinne einer zunehmenden Verdichtung der Behandlung ist die Verweildauer auf der ITS konstant geblieben. Die risikoadjustierte Letalität auf der ITS ist unverändert bei einer SMR von 1,0.

Fazit für die Praxis

Die Fallschwere bei Aufnahme auf die ITS und der Behandlungsaufwand während der Behandlung auf der ITS haben zwischen 2000 und 2010 signifikant zugenommen. Dies äußert sich in einer Zunahme des Anteils an Patienten mit Mehrorganversagen. Der Anteil an Patienten, die während ihres Aufenthalts auf der ITS beatmet werden mussten, ist signifikant steigend. Zwischen 2000 und 2010 hat eine Verdichtung der Behandlung auf deutschen ITS stattgefunden. Die ITS-Letalität ist schweregradadjustiert unverändert bei einer standardisierten Mortalitätsrate von 0,99; im internationalen Vergleich ist sie vergleichsweise niedrig.